Kategorien-Archiv Zivilrecht

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Neues zum Facebook-„Friendfinder“ und zu Facebook – AGBs

Facebook, Amazon & Co. sind im Internet omnipräsent und zählen oft zu den Marktführern in ihren Bereichen. Dass es gerade diese Firmen aber nicht immer so ganz genau mit dem Datenschutz nehmen, zeigt auch die Entscheidung des Landgerichts Berlin („LG“) vom 06.03.2012 (Az. 16 O 551/10). Das LG hat entschieden, dass der sog. „Friendfinder“ Facebook-Nutzer rechtswidrig dazu verleite, Namen und E-Mail-Adressen von Freunden zu importieren, die selbst nicht bei Facebook seien. Diese erhalten daraufhin eine Facebook-Einladung, ohne vorher eine nach BDSG erforderliche Einwilligung erteilt zu haben. Das LG hielt auch die Facebook-Einwilligung für unzulässig, mit der die Nutzer von Facebook der Datenverarbeitung zu Werbezwecken zustimmen. Dass LG entschied, dass Facebook sicherstellen müsse, dass Mitglieder über Änderungen der Nutzungsbedingungen und Datenschutzbestimmungen rechtzeitig informiert würden.

Weiterhin verbot das LG Facebook, sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein umfassendes weltweites und kostenloses Nutzungsrecht an Inhalten einräumen zu lassen, die Facebook-Nutzer in ihr Profil einstellen. Nach Ansicht des LG sind die Mitglieder Urheber ihrer selbst komponierten Musiktitel oder eigenen Bilder, so dass Facebook diese Werke nur nach Zustimmung der Nutzer verwenden dürfe.

Gerade diese letzte Passage dürfte für Überraschung bei den Facebook-Nutzern hervorrufen, speziell bei den kommerziellen Nutzern von Facebook. Denn den meisten Nutzern wird nicht bewusst sein, dass sie Facebook ein so umfassendes Nutzungsrecht eingeräumt haben.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Schwere Zeiten für Banken, die ihren Kunden mit dem Kredit (wegen der Provision?) eine Lebensversicherung mitverkauft haben?

Banken haben Kunden – oft als „Steuersparmodell“ – neben einem Kredit eine Kapitallebensversicherung als Tilgungsersatz verkauft. Die Zinsen aus der Versicherung waren früher bei entsprechender Gestaltung steuerfrei, die Zinsen auf den Kredit, wenn ein Zusammenhang mit steuerpflichtigen Einnahmen bestand (z.B. vermietetes Mehrfamilienhaus) aber steuerlich abzugsfähg. Die stattliche Provision wurde dabei in der Regel gerne verschwiegen. Empfohlen wurden dabei häufig die Produkte aus dem eigenen Konzern. Zudem wurden Darlehensvertrag und Lebensversicherungsvertrag miteinander verknüpft. Die als Ablaufleistung für die Versicherungen angepriesenen Beträge werden heute durchweg nie erzielt, die Rendite aus garantierten Zinsen im Regelfall durch Gebühren für „Verwaltung“vernichtet.  Bislang stand diese Konstellation nur vereinzelt auf dem Prüfstand der Gerichte. Das wird sich jetzt ändern und wohl eine neue Welle von Klagen auslösen.

Zwar ist die sog. „Kick back“- Rechtsprechung des BGH (zuletzt „Kick back III“ BGH NJW 2009, 1416) auf diese Konstellationen nicht direkt anwendbar. Das LG Heidlelberg hat aber mit Urteil vom 13.07.2010 (2 O 444/09, juris) diese Rechtsprechung auf Konstellationen dieser Art für entsprechend anwendbar erklärt. Das LG stützt seine Auffassung darauf, dass die Interessenlage des Kunden in den Fällen der Kick back Rechtsprechung mit der dem Urteil des LG zugrunde liegenden Konstellatiion vergleichbar sei.

Antragsgemäß verurteilte das LG die beklagte Bank auf Schadensersatz Zug um Zug gegen Übertragung der Ansprüche aus der Versicherung. Der Schaden bestand u.a. in den von dem Kläger in die Versicherung eingezahlten Beträge nebst Zinsen.

Es kommt für einige Banken aber womöglich noch schlimmer: Mit Urteil vom 15.12.2009 (XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1-13) hat der BGH entschieden, dass ein Darlehensvertrag und ein Restschuldversicherungsvertrag verbundene Geschäfte im Sinne von § 358 BGB sein können. Mißliche Folge: fehlt es an der Widerrufsbelehrung oder wurde diese nicht ordnungsgemäß erteilt, kann der Kunde widerrufen. Die Bank kann dann zwar Rückzahlung der Darlehenssumme in einem Betrag und sofort verlangen, sie muss dem Kunden aber die Zinsen erstatten. Das aber wäre für die Banken angesichts des derzeit niedrigen Zinsniveaus bei älteren Verträgen ein schlechtes Geschäft.

Wir werden über die weitere Entwicklung in den von uns betreuten Fällen berichten.

 

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Steuerberaterhaftung – nur die steuerliche Beratung im Einzelfall schützt Steuerberater vor Schäden

Mit Urteil vom 20. Februar 2009 (25 U 69/08) entscheid das OLG Hamm, dass ein Steuerberater wegen unterlassener Beratung auf Schadensersatz haftete. Die Klägerin nahm den Steuerberater auf Schadensersatz in Anspruch mit der Begründung, der Steuerberater habe ihn nicht auf die Neuregelung des § 13 b UStG (die sogenannte Umkehr der Steuerschuldnerschaft) hingewiesen. Das Landgericht hatte die Klage nach Vernehmung von Zeugen noch abgewiesen. Zwar sei § 13 b UStG auf die Klägerin anwendbar gewesen. Auch sei der beklagte Steuerberater verpflichtet gewesen, die Klägerin auf die Änderung hinzuweisen. Das LG konnte aber nicht feststellen, dass dieser Hinweis unterblieben war.

Das sah das OLG Hamm anders. Mit dem LG ging das OLG zunächst davon aus, der Steuerberater sei verpflichtet gewesen, die Klägerin auf die Änderungen im Zusammenhang mit der Einführung des neuen § 13 b UStG (Umkehr der Steuerschuldnerschaft) hinzuweisen. Maßgebend für das OLG war, dass für den beklagten Steuerberater erkennbar gewesen sei, dass die Klägerin in einem Bereich tätig war, der dem § 13 b UStG unterfalle.

Soweit der beklagte Steuerberater vorgetragen hatte, er habe die Klägerin per E-Mail mit einer Power-Point-Präsentation über die Neuregelung des § 13 b UStG unterrichtet, half dem beklagten Steuerberater das nach Auffassung des OLG nicht. Nach Auffassung des OLG sind Belehrungen angesichts der Kompliziertheit und Unübersichtlichkeit der steuerrechtlichen Materie grundsätzlich mündlich zu erteilen. Zwar könne im Ausnahmefall auch eine schriftliche Belehrung reichen, die nach Behauptung der Beklagten gewillte Methode, eine gewählte Power-Point-Präsentation per E-Mail zu versenden, genüge jedenfalls nicht. Zum einen sei nicht sichergestellt, dass der Empfänger der E-Mail diese überhaupt zur Kenntnis nimmt. Zum anderen müsse kontrolliert werden, ob der Empfänger die E-Mail nicht nur erhalten, sondern auch die Bedeutung erfasst und den Inhalt zur Kenntnis genommen habe. Außerdem müsse nach dem OLG die steuerliche Beratung auf den Einzelfall bezogen sein.

Das Urteil des OLG zeigt für Steuerberater erhebliche Haftungsrisiken auf. In der Sache meinen wir allerdings, dass die Entscheidung des OLG an der Realität vorbei geht. Allein die Ausführungen des OLG zur Kommunikation per E-Mail zeugen von einem überholten Verständnis. Die Kommunikation per E-Mail hat heute insbesondere in Steuerberatungskanzleien die Kommunikation per Post oder Telefax weitgehend abgelöst. Bei Versand von E-Mails eine spezielle Kontrolle zu verlangen, dass der Empfänger die E-Mail auch erhalten hat, überspannt die Anforderungen. Eine solche Kontrolle ist auch nicht für den Versand von Schreiben per Post oder von Telefaxen von der Rechtsprechung gefordert worden.

Ebenso erstaunlich ist die Aussage des OLG, die Aufklärung sei grundsätzlich mündlich geschuldet. Hier sollte der kundige Thebaner doch eher davon ausgehen, dass eine verständliche schriftliche Aufklärung viel sinnvoller ist. Aber auch hier ist Steuerberatern der sicherste Weg zu empfehlen: Beratung über die Risiken im persönlichen Gespräch mit anschließender schriftlicher Dokumentation. Es ist teilweise erschreckend, wie nachlässig Steuerberater in diesem Bereich arbeiten.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Wikipedia als Fachliteratur – was ist gerichtsbekannt und was bedarf einer Beweisaufnahme?

Gerichte können bei der Beweisaufnahme auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichten, wenn eine Tatsache gerichtsbekannt ist. Dies kann das Gericht aber nur dann, wenn es eigene Sachkunde hinsichtlich der Beweismaterie besitzt. Bei der Gerichtskenntnis kann das Gericht sich auch auf Fachliteratur stützen. Wenn es seine Beurteilung aber allein auf die Auswertung von Fachliteratur stützt, muss es in seiner Entscheidung darlegen, dass es hierfür die erforderliche Sachkunde besitzt (BGH-Urteil vom 10.05.1994, Aktenzeichen: VI ZR 192/93). Es muss also ein Zusammenhang zwischen eigener Sachkunde des Gerichts und der Fachliteratur bestehen. Ein Tatsache als gerichtsbekannt darzustellen, nur weil das Gericht die Fachliteratur gelesen hat, reicht nicht aus.

Beim Amtsgericht (AG) Köln hatte man damit aber anscheinend kein Problem. Denn das AG gab in seinem Urteil vom 20. April 2011 (Aktenzeichen: 201 C 546/10) an, es sei gerichtsbekannt, dass

„Epoxidharz Komponenten enthält, die gesundheitsschädlich sind“.

Seine Kenntnis hatte sich das Gericht, dies gab es in der Begründung seines Urteils ausdrücklich an, allein aus einem Wikipedia-Artikel zum Thema Epoxidharz erworben. Dass Wikipedia-Einträge kaum als Fachliteratur anzusehen sind, weil sie (oft) nicht wissenschaftlich fundiert sind und außerdem (oft) von Laien eingestellt werden, hat das Gericht übersehen. Übersehen hat das Gericht zudem auch, dass Wikipedia in dem Artikel unter dem Punkt: „Gesundheit“ selbst ausdrücklich darauf hinweist, dass der

Artikel oder nachfolgende Abschnitt […] nicht hinreichend mit Belegen (bspw. Einzelnachweisen) ausgestattet

ist.

Wir meinen, und dass war wohl auch die Auffassung des BGH (vgl. BGH-Urteil vom 23.11.2006, Aktenzeichen: III ZR 65/06), dass ein Gericht nicht einfach einen Wikipedia-Artikel zu einem streitigen Thema lesen und den dort vertretenen Inhalt als wahr und als gerichtsbekannt darstellen kann. Bei streitigen Fachthemen, und hierher gehört auch die Frage der Gesundheitsgefährlichkeit von Epoxidharz, kann nur ein Sachverständiger entscheiden. Wikipedia kann einen Sachverständigen nicht ersetzen.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Aus aktuellem Anlass – Abzocke mit Brachenbucheinträgen

Ein beliebte Masche in- und ausländischer Unternehmen ist es, Gewerbetreibende mit irreführenden Werbeschreiben, bei denen zum einen ein genauer Hinweis auf die Entgeltlichkeit fehlt und zum anderen die Aufmachung an Behördenschreiben erinnert, zum Abschluss von teuren, aber vollkommen wertlosen Branchenbucheinträgen zu bringen.

Mit Urteil vom 30.06.2011 hat der Bundesgerichtshof (Az.: I ZR 157/10) entschieden, dass

„ein formularmäßig aufgemachtes Angebotsschreiben für einen Eintrag in ein Branchenverzeichnis, das nach seiner Gestaltung und seinem Inhalt darauf angelegt ist, bei einem flüchtigen Leser den Eindruck hervorzurufen, mit der Unterzeichnung und Rücksendung des Schreibens werde lediglich eine Aktualisierung von Eintragungsdaten im Rahmen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses vorgenommen, gegen das Verschleierungsverbot des § 4 Nr. 3 UWG sowie gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 UWG verstößt“.

Zur Begründung führt der BGH aus, dass das

beanstandete Anschreiben […] bei flüchtiger Betrachtung, auf die es die Beklagte gerade abgesehen hat, den unzutreffenden Eindruck [erwecke], die beworbene Leistung sei bereits bestellt. Ist die Werbung aber gerade auf diesen flüchtigen Eindruck ausgerichtet, kann – ebenso wie bei einer „dreisten Lüge“ – auch davon ausgegangen werden, dass ein ausreichender Teil des in dieser Weise angesprochenen Verkehrs getäuscht wird.“

Die Entscheidung ist zu begrüßen, denn es stärkt die Rechte der Betroffenen. Außerdem dürfte das BGH-Urteil auch auf die Fälle übertragbar sein, in denen nicht darüber getäuscht wird, dass eine Leistung bereits bestellt sei, sondern in denen über die Entgeltlichkeit oder, durch die Aufmachung als behördliches Schreiben, über den Absender des Schreibens getäuscht wird. Denn wie die Praxis zeigt, wird auch in diese Fällen ein großer Teil des Gewerbetreibenden über den wahren Hintergrund des Schreibens getäuscht.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Widerrufsbelehrungen bei Ebay

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat am 10. Januar 2012 entschieden (Az.: I -4 U 145/11), dass die Widerrufsbelehrung bei einem Verkauf über eBay auch noch unmittelbar nach dem Ende der Auktion per E-Mail (im Fall des OLG ca. 49 Stunden nach Ende der Auktion) übersandt werden kann, damit die verkürzte 14-tägige Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 2 BGB ab Auktionsschluss gilt.

Das OLG hat seine Entscheidung damit begründet, dass dem „Unternehmer ein früheres Handeln faktisch nicht möglich und auch unzumutbar“ sei. „Erst nach dem erfolgreichen Abschluss der Aktion werde dem Anbieter die Identität seines Vertragspartners bekannt gegeben.“ Außerdem sei denkbar, dass das erste Höchstgebot mehrfach überboten werde, so dass dem Unternehmer zuzubilligen sei, bis zum Aktionsende zu warten, um den letztendlichen Käufer über dessen Widerrufsrecht zu belehren.

EBay-Händler dürfte diese Entscheidung freuen, erleichtert sie doch die Übersendung der Widerrufsbelehrung und damit auch die Anwendung der kürzeren Widerrufsfrist von 14 Tagen.

Wichtig ist aber, dass die Widerrufsbelehrung mit der E-Mail unverzüglich versandt wird. Dabei sah das OLG eine Zeitspanne von 49 Stunden zwischen Auktionsende und Übersendung der Widerrufsbelehrung per E-Mail als ausreichend an, um unverzüglich zu sein.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Verwendung von Abbildungen geschmacksmusterrechtlich geschützter Erzeugnissen in Werbebroschüren

Wer seine Produkte und Dienstleistungen bewirbt, der weiß (oder sollte es wissen), dass er keine Fotos ohne Erlaubnis der Rechteinhaber verwenden darf. Das gleiche gilt für markenrechtlich geschützte Rechte. Weitgehend unbekannt ist aber, dass man auch durch die Abbildung fremder Produkte eine Rechtsverletzung begehen kann. Das gilt selbst dann, wenn man die Abbildung selbst erstellt oder sogar an dem abgebildeten Produkt mitgewirkt hat. Gegen Verwendung durch Dritte hilft auch ein Geschmacksmuster, das zum sog. Designschutz zählt.

 

Rechtsverstöße in diesen Bereichen können teuer werden. Denn der Rechtsinhaber kann von jedem unberechtigten Nutzer Unterlassung und Schadensersatz verlangen.

 

Der Designschutz kennt aber auch Ausnahmen. So sieht auch das Geschmacksmustergesetz (GSchmMG) vor, dass eine Abbildung ohne Erlaubnis des Rechtinhabers verwendet werden darf. Nach § 40 Nr. 3 GeschmMG sind „Wiedergaben zum Zwecke der Zitierung oder der Lehre“ zulässig, „vorausgesetzt, solche Wiedergaben sind mit den Gepflogenheiten des redlichen Geschäftsverkehrs vereinbar, beeinträchtigen die normale Verwertung des Geschmacksmusters nicht über Gebühr und geben die Quelle an“. Mit der Frage, wann eine solche Wiedergabe zum Zwecke der Zitierung vorliegt, hatte sich der BGH in einer Entscheidung vom 7. April 2011 (Az.: I ZR 56/09) auseinandersetzen müssen: die Fraunhofer-Gesellschaft, die u.a. mit der Forschung und Entwicklung im Bereich Schienenverkehr beschäftigt ist, hatte für den ICE 1 der Deutschen Bahn eine bestimmte Anlage erstellt. In einer Werbebroschüre warb sie für ihre Leistungen und bildete dabei den Triebwagen eines ICE 3 ab. Die Deutsche Bahn AG wies die Fraunhofer-Gesellschaft darauf hin, dass das Design des ICE 3 geschmacksmusterrechtlich geschützt sei. Sie verlangte Unterlassung und Schadensersatz. Die Fraunhofer-Gesellschaft wies die Ansprüche zurück, erhob eine negative Feststellungsklage. Mit der Klage wollten sie damit festgestellt haben, dass die Darstellung des ICE 3 nach GeschmG zum Zwecke der Zitierung erlaubt sei und somit kein Rechtsverstoß vorliege.

 

Der BGH entschied, dass die Fraunhofer-Gesellschaft sich nicht auf die Ausnahmevorschrift des  GeschmG berufen könne. Die Abbildung sei nicht zum Zwecke der Zitierung erfolgt. Denn eine Zitierung setze voraus, dass „eine innere Verbindung zwischen dem wiedergegebenen Muster und eigenen Gedanken des Zitierenden“ bestehe und die Abbildung der „geistigen Auseinandersetzung“ mit dem geschützten Produkt diene. Nach dem BGH erfolgte die Abbildung des Designs des ICE 3 nur zu Werbezwecken und ohne geistige Auseinandersetzung. Außerdem habe zwischen dem abgebildeten ICE 3 und der dargestellten Leistung keine innere Verbindung bestanden, da die erstellte Anlage nicht für den ICE 3, sondern für den ICE 1 entworfen wurde.

 

Die Konsequenz aus dem Urteil des BGH:

 

  1. In Zukunft müssen Unternehmen noch strenger prüfen, ob Dritterzeugnisse, die in Prospekten abgebildet werden, geschmacksmusterrechtlich geschützt sind. Das gilt besonders dann, wenn kein direkter inhaltlicher Zusammenhang mit der beworbenen Ware oder Dienstleistung besteht, sondern die Abbildung nur zu Werbezwecken verwendet wird.
  2. Die BGH-Entscheidung zeigt, dass das Geschmacksmusterrecht eine effektive Möglichkeit bietet, Produktdesigns zu schützen.
VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Gerichte, die lieben Postlaufzeiten (die sind es nicht !) und das EGVP – es grüßt der Amtsschimmel

Wir hatten uns gewundert, dass die  Post von einem Landgericht zu uns bis zu vierzehn Tage brauchte (dachten wir jedenfalls). Bis wir der Sache auf den Grund gingen. Wir stellten fest, dass wir die Post von dem Landgericht mit dem Stempel eines 2o km entfernten Amtsgerichtes erhielten. Auf Nachfrage erhielten wir folgende Antwort, die uns 100 Jahre zurück versetzte: das Landgericht bringt die Post, die für die Anwälte bestimmt ist, die ihre Kanzlei im Bezirk des besagten Amtgerichts haben, zunächst zu diesem Amtsgericht. Dort wird die Post in Postfächer einsortiert. Erst wenn die Post nach einiger Zeit von den Anwälten nicht aus den Postfächern entnommen worden ist, versendet das Amtsgericht die Sendungen auf dem Postwege an die Anwälte. Das also war des Rätsels Lösung.

Ist schon das beschriebene, lange geübte, Procedere erstaunlich, dann braucht man auch nicht mehr zu fragen, wie man bei den beiden Gerichten überhaupt auf die Idee kommen konnte, dass ein Anwalt jeden Tag 4o km fährt, nur um zu sehen, ob Post in seinem Postfach liegt. Dabei liegt die Lösung doch recht nahe: das Landgericht müsste nur am EGVP teilnehmen.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

BGH hat am 13. April 2011 erneut zum Erfüllungsort der Nacherfüllung im Kaufrecht für Recht erkannt

Der Bundesgerichtshof (BGH; Az: VIII ZR 220/10) hatte am 13. April 2011 erneut darüber zu entscheiden, an welchem Ort der Verkäufer einer mangelhaften Sache die zur Mangelbeseitigung geschuldete Nacherfüllung vornehmen muss. Diese Entscheidung bringt weitere Klarheit für die kaufvertraglichen Nacherfüllung.

 In dem vom BGH entschiedenen Verfahren bestellten die in Frankreich wohnenden Kläger in Deutschland (Polch) einen neuen Campinganhänger. In der Auftragsbestätigung hieß es „Lieferung: ab Polch, Selbstabholer“. Die Beklagte lieferte den Anhänger trotzdem an den Wohnort der Kläger. In der Folgezeit rügten die Kläger verschiedene Mängel und forderten die Beklagte erfolgslos unter Fristsetzung auf, den Anhänger abzuholen und die Mängel zu beseitigen. Darauf erklärten die Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag. Streitig in diesem Verfahren war, wo die Beklage die Mängelbeseitigung vornehmen musste: am Geschäftssitz der Beklagten oder am Wohnort der Kläger.  

Der BGH hat mit seinem Urteil vom 13.4.2011 entschieden, dass sich der Nacherfüllungsort, also der Ort, an dem der Verkäufer die von ihm geschuldete Nacherfüllung zu erbringen hat, mangels spezieller Regelung im Kaufrecht den jeweiligen Umständen des Einzelfalls bestimmt (§ 269 BGB), wenn, wie hier, vorrangige Parteivereinbarungen nicht getroffen worden sind. Zu diesen Umständen gehören z.B. die Ortsgebundenheit und die Art der vorzunehmenden Leistung sowie das Ausmaß der Unannehmlichkeiten, welche die Nacherfüllung für den Käufer mit sich bringe. Letzteres folge aus den Vorgaben der europäischen Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Danach muss die Nacherfüllung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen. Da die Beseitigung der von den Klägern gerügten Mängel den Einsatz von geschultem Personal und Werkstatttechnik erfordere und ein Transport des Anhängers nach Polch oder dessen Organisation für die Kläger zumutbar erscheine, liege der Erfüllungsort der Nachbesserung am Firmensitz der Beklagten. Die Kläger mussten danach den Anhänger zur Durchführung der Nacherfüllung zum Verkäufer bringen. Solange dies nicht passiert, besteht kein Recht der Kläger zum Rücktritt vom Kaufvertrag.

Die Kläger müssen sich also aus dem sonnigen Frankreich zur Mängelbehebung mit Ihrem Anhänger nach Polch in Deutschland begeben. Wenigstens brauchen Sie für die Reise keine Hotelkosten zu zahlen, denn sie können im (mangelhaften) Anhänger schlafen.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Keine Haftung des Großmarkt-Betreibers für Parkplatzunfälle

Immer wieder kommt es vor, dass sich Unfälle auf privaten Kundenparkplätzen ereignen und der Schadenverursacher sich aus dem „Staub“ macht. Der Geschädigte kommt dann oftmals auf die (glorreiche) Idee, denjenigen in die Haftung zu nehmen, der den Parkplatz betreibt. Dem hat das Amtsgericht München („AG“) mit Urteil vom 28. Juli 2010 (Aktenzeichen: 343 C 6867/10) einen Riegel vorgeschoben. Das AG hat entschieden, dass weder Betreiber noch Mitarbeiter eines Großmarktes für die Ermittlung des Unfallverursachers, der einen Schaden an einem auf dem Parkplatz des Marktes geparkten Auto verursacht hat, verantwortlich sind.

 Der Entscheidung des AG lag folgender Sachverhalt zugrunde: An einem Vormittag stellte ein Fahrer seinen PKW auf dem Parkplatz eines Großmarktes ab. Als er nach seinem Einkauf zurückkam, stellte er fest, dass sein PKW beschädigt (Schaden 1.686,00 €) war. Er selbst konnte Schädiger nicht ausfindig machen. Zuvor hatte sich aber ein Unbekannter an der Information des Großmarkts gemeldet und erklärt, dass er einen PKW angefahren habe. Er bat darum, das Kennzeichen des beschädigten Fahrzeugs ausrufen zu lassen. Erfolglos wurde dann das Kennzeichen ausgerufen, woraufhin sich nur der Schädiger noch einmal meldete. Die Mitarbeiterin des Großmarktes vergaß, die Personalien des Unbekannten aufzunehmen. Der Geschädigte verlangte Ersatz seines Schadens vom Betreiber des Großmarktes und behauptete, die Mitarbeiterin sei verpflichtet gewesen, sich den Namen zu notieren.

Das Amtsgericht ist der Auffassung, dass die Mitarbeiterin des Großmarktes nicht verpflichtet ist, sich die Personalien des Unfallverursachers geben zu lassen, wenn sie das Kennzeichen des Geschädigten ausgerufen hat. Der Betreiber des Großmarktes hafte daher auch nicht, wenn der Geschädigte den Ausruf nicht hört und sich der Unfallverursacher nachher nicht mehr ermitteln lässt. Grundsätzlich habe der Betreiber des Großmarktes zwar verschiedene Schutz-, Obhut- und Fürsorgepflichten gegenüber seinen Kunden.

Im vorliegenden Fall sei eine solche Pflicht jedoch nicht verletzt. Der Unfall habe sich rein zufällig auf dem Gelände des Beklagten ereignet. Eine nähere Beziehung des Schädigers zu dem Großmarkt habe nicht bestanden. Die Person habe sich damit nicht im Einflussbereich des Beklagten befunden. Zu dem Zeitpunkt, als die Person zum Empfang kam, sei zudem noch gar nicht bekannt gewesen, dass sich der Schädiger nachher vom Unfallort entfernen würde. Die Mitarbeiterin des Beklagten habe damit auch nicht rechnen müssen, da sich dieser zweimal bei ihr meldete. Die Mitarbeiterin hätte zu diesem Zeitpunkt auch nicht einmal einen Anspruch auf die Mitteilung von Name und Adresse gegenüber dem Unfallverursacher gehabt. Aus diesem Grunde könne sie auch keine Pflicht verletzt haben.