Kategorien-Archiv Zivilrecht

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

BFH ändert seine Rechtsprechung: die Kosten für die Erneuerung von Einbauküchen (neu gegen alt) in einem vermieteten Objekt sind steuerlich nicht sofort abziehbar (BFH-Urteil vom 03.08.2016,IX R 14/15)

91007 Linus fliege orange_1Der Kläger ersetzte in vermieteten Häusern alte Einbauküchen gegen neue. Die dafür entstandenen Kosten machte er als sofort abzugsfähige Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) geltend. Nach Auffassung des Klägers handelte es sich um Erhaltungsaufwand. Das Finanzamt dagegen verteilte, abgesehen von einem Betrag für geringwertige Wirtschaftsgüter i.H.v. 410 €, die restlichen Kosten für die neu eingebauten Küchen auf deren voraussichtliche Nutzungsdauer von zehn Jahren. Finanzgericht und Bundesfinanzhof schlossen sich in der Auffassung des Finanzamts an.

Damit gibt der Bundesfinanzhof seine bisherige, für die Steuerpflichtigen günstige Rechtsprechung, auf. Bisher ging der Bundesfinanzhof davon aus, dass Einbauküchen wesentliche Bestandteile des Gebäudes sind. Folglich waren Kosten für die Erneuerung der dazu gehörenden Teile steuerlich in gleicher Weise sofort abzugsfähig wie z.B. der Austausch alter Fenster gegen neue.

Jetzt hat der Bundesfinanzhof seine Auffassung geändert. Er hält nicht mehr daran fest, dass Einbauküchen Gebäudebestandteile sind. Nach der vom BFH sollen einzelne Elemente einer Einbauküche ein selbständiges, zugleich aber einheitliches Wirtschaftsgut mit einer Nutzungsdauer von zehn Jahren darstellen.

Wir halten die Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht für zutreffend. Maßgebend dafür, ob eine Einbauküche wesentlicher Bestandteil des Gebäudes ist, hängt von der zivilrechtlichen Lage ab. Ist eine Einbauküche wesentlicher Bestandteil eines Gebäudes, dann ist eine Einbauküche auch dann mit Grundstück und Gebäude verkauft, wenn dies im Kaufvertrag nicht gesondert ausgewiesen sein sollte. Nach der Legaldefinition in § 93 BGB sind wesentliche Bestandteile einer Sache solche, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird. Sie können daher nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. Eine Einbauküche ist im Regelfall speziell für das jeweilige Objekt zugeschnitten. Im Falle des Ausbaus würde zumindest das Wesen der Einbauküche verändert werden. Allerdings wird die Praxis sich an der Entscheidung des BFH orientieren müssen.
ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Die „Steinzeitjustiz“ des BGH und die lieben Fristen; muss ein Anwalt bis 24:00 Uhr versuchen, ein fristwahrendes Telefax zu versenden? „Lassen Sie es nicht so weit kommen“ – BGH – Beschluss vom 04.11.2014 (II ZB 25/13)

BVerfGDie von Gerichten an die Anwaltschaft gestellten Anforderungen erstaunen die eigentlich nicht für ausgeprägte Faulheit bekannte Anwaltschaft immer wieder. Schnell können Rechtsanwälte da zum Opfer eines angesichts der in Gerichten vorgehaltenen Technik nur als „Steinzeitjustiz“ zu bezeichnenden Standards werden. Bekanntlich gibt es zwar das EGVP schon seit über 10 Jahren. Es ist aber ein mehr als nur trauriger Befund, dass auch heute noch nur eine verschwindend geringe Anzahl von Zivilgerichten an diesem System teilnimmt. Wer also Schriftsätze fristwahrend am letzten Tag an ein Zivilgericht schicken möchte, der läuft erhebliche Gefahr, in die Falle der Steinzeitjustiz zu geraten. Wenn er wegen des um 24:00 Uhr drohenden Fristablaufs darauf angewiesen ist, den Schriftsatz noch am Tag des Fristablaufs so zum Gericht zu befördern, dass dort auch die letzte Seite des fristwahrenden Schriftsatzes mit der Unterschrift eingeht, dann hat er neben der Möglichkeit des persönlichen Einwurfs oder des Einwurfs durch Boten nur die heute schon sehr steinzeitmäßig anmutende Möglichkeit, den Schriftsatz per Telefax zu versenden. Wer nutzt so etwas heute noch intensiv?

Wie gleich zu zeigen sein wird, hat der BGH in seiner Entscheidung vom 4. November 2014 zwar die Möglichkeit zugelassen, den fristwahrenden Schriftsatz auch per E-Mail zu übersenden. Die Frist ist aber – warum eigentlich? – nur dann gewahrt, wenn der Ausdruck der Anlage zu der E-Mail vor Fristablauf erfolgt. Und da zeigen sich ganz deutlich die Unterschiede zwischen Anwaltschaft und Gericht. Wer als Anwalt gegen 21:00 Uhr am Tag des Fristablaufs entnervt den Faxversand wegen der Dauerbelegung des einen Telefaxanschluss des Gerichts aufgibt, sollte nicht glauben, dass der Versand des Schriftsatzes als Anlage zu der einer E-Mail fristwahrend ist. Das wäre er zwar, wenn die Anlage vor Fristablauf ausgedruckt würde. Ein Ausdruck um 21:00 Uhr wird aber bei keinem Gericht in der Bundesrepublik mehr erfolgen.

Der BGH hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Der Rechtsanwalt hatte einen fristgebundenen Schriftsatz an das Berufungsgericht schicken wollen. Die einzige Telefaxnummer des Gerichts war aber lange Zeit besetzt. In seiner Not verschickte der Rechtsanwalt den Schriftsatz am Tage des Fristablaufs kurz vor 19:00 Uhr als Anlage per E-Mail an das Berufungsgericht. Dort wurde die Anlage am Tag nach Fristablauf ausgedruckt. Der BGH kam in seinem Beschluss zu dem Ergebnis, der Rechtsanwalt habe den Faxversand „schuldhaft vorschnell aufgegeben“. Ob der Anwalt gehalten gewesen wäre, die Übermittlungsversuche gegebenenfalls bis 24:00 Uhr fortzusetzen, ließ der BGH dagegen ausdrücklich offen. Auf jeden Fall sei eine Beendigung der Versuche kurz nach 19:00 Uhr vorschnell gewesen. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung gab der BGH nicht statt.

Für die Praxis kann man nur die einfach zu befolgende Empfehlung aussprechen, Fristen nicht am letzten Tag, sondern nach Möglichkeit spätestens eine Woche vor Fristablauf zu erledigen. Dann wird man in die hier geschilderte Problematik nicht hineingeraten. Wenn aber Gesetzgeber und Gerichte es mit den Fristen ernst meinen, und es auch verständlicherweise zugelassen ist, eine Frist bis zur letzten Sekunde auszunutzen, dann darf dies nicht durch überspannte Anforderungen an das Einhalten von Fristen in Fällen der hier geschilderten Art konterkariert werden. Im Alltag eines Anwalts gibt es eine Vielzahl von Haftungsfallen, und die Hektik und der Stress sind allegegenwärtig. Auch Anwälte sind keine Maschinen. Wir haben den Eindruck, dass dieser Aspekt bei Entscheidungen der Gerichte, die wie dieser hier Schadensersatzansprüche nach sich ziehen, nicht ausreichend berücksichtigt wird.
ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Urteil des BGH vom 10.12.2014 (VIII ZR 90/14) bestätigt erneut: e-Bay- Auktionen können teuer werden!

Bildergebnis für BGHDer Verkäufer hatte für die Dauer von zehn Tagen ein Strom-aggregat zu einem Startpreis von einem Euro bei eBay angeboten. Er brach die Auktion frühzeitig nach zwei Tagen ab. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt mit einem Euro Höchstbietender. Er verlangte von dem Verkäufer Schadensersatz in Höhe des Wertes des Stromaggregates von 8.500 Euro. Der Verkäufer hatte das Stromaggregat  bereits anderweitig verkauft.

Der BGH musste sich mit der Frage beschäftigen, unter welchen Umständen ein Anbieter eine noch länger als 12 Stunden laufende eBay- Auktion vorzeitig beenden und den Gegenstand an einen anderen Interessenten weiter verkaufen darf, ohne sich gegenüber dem bis dahin Höchstbietenden schadensersatzpflichtig zu machen.

In den AGB der Plattform eBay heißt es unter anderem in § 9 Nr. 11: „Anbieter, die ein verbindliches Angebot auf der eBay-Website einstellen, dürfen nur dann Gebote streichen und das Angebot zurückziehen, wenn sie gesetzlich dazu berechtigt sind.“ Weiter heißt es in § 9 unter „Weitere Informationen„, dass mit dem Einstellen eines Artikels ein bindendes Angebot zum Abschluss eines Vertrages abgegeben wird. Ein Angebot kann aber unter bestimmten Voraussetzungen vorzeitig beendet werden. Das ist z.B. zulässig, wenn der Artikel während der Angebotsdauer beschädigt wird oder verloren geht.

Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass ein Kaufvertrag zwischen den beiden Parteien zustande gekommen ist. Das Angebot des Verkäufers war bindend. Der Käufer hatte es angenommen. Somit steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 280 Abs.1, 3, 283 S.1 BGB in Höhe von 8.500 Euro zu. Der Bundesgerichtshof entschied somit, dass ein Angebot bei einer laufenden e-Bay- Auktion ohne berechtigenden Grund nicht zurückgenommen werden darf.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

OLG Oldenburg: 500.000,00 EUR Schmerzensgeld

Bildergebnis für SchmerzensgeldDas OLG Oldenburg hat mit Urteil v. 02.09.2014 (12  U 50/14) dem Kläger, welcher nach einer Betriebsfeier von einem betrunkenen Arbeits- kollegen mit dem Auto angefahren wurde und nunmehr seit 4 Jahren im künstlichen Koma liegt, 500.000,00 EUR Schmerzensgeld zugesprochen.

Was war passiert? Im August 2010 kam es auf einer Betriebsfeier zu einem Streit zwischen zwei  Arbeitskollegen, wobei der Beklagte dem Kläger einen Schlag ins Gesicht versetzte. Der Beklagte stieg gegen Ende des Festes stark alkoholisiert in sein Auto und verließ zunächst das Betriebsgelände. Nach kurzer Zeit kam er jedoch mit hohem Tempo wieder zurück und erfasste dabei den Kläger, der ebenfalls das Betriebsgelände verlassen hatte und an der Straße stand. Dadurch wurde der 35-jährige Familienvater lebensgefährlich verletzt. Er erlitt u.a. ein Polytrauma mit schwerstem Schädel-Hirn-Trauma und liegt seit dem Vorfall im Wachkoma mit künstlicher Ernährung.

Nach der Entscheidung des Landgerichts Oldenburg zahlte die beklagte Haftpflichtversicherung ein Schmerzensgeld von 100.000 Euro. Darüber hinaus leistete die Verkehrsopferhilfe einen Betrag von 80.000 Euro. Der Beklagte wurde u.a. wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren auf Bewährung verurteilt.

Die Beklagte war mit der Höhe des Schmerzensgeldes nicht einverstanden und legte gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung ein. Das OLG Oldenburg vertrat jedoch die Ansicht, dass ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000,00 € angesichts der schweren Verletzungen durchaus angemessen sei. Das Schmerzensgeld soll einen Ausgleich für die erlittenen Schmerzen und Leiden darstellen und dem Verletzten Genugtuung für das ihm zugefügte Leid geben. Der Kläger, welcher 3-, 8- und 9-jährige Kinder habe, sei  nicht mehr ansprechbar und könne sich auch nicht mehr mitteilen. Eine schwerere Gesundheitsbeschädigung sei kaum vorstellbar, so das Gericht.

Für diesen Zustand sei der Beklagte auch verantwortlich, da er unter Außerachtlassung jeglicher Sorgfaltspflichten betrunken in sein Auto gestiegen und, um seinen Kollegen zu provozieren, mit überhöhter Geschwindigkeit zurückgefahren sei.

ws/ng

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

BGH: Schwarzarbeit wird nicht bezahlt

Bildergebnis für bgh schwarzarbeitDer BGH entschied mit Urteil vom 10.04.2014 (VII ZR 241/13), dass ein Unternehmer, der bewusst Schwarzarbeit leistet, für seine Leistung keinerlei Bezahlung verlangen kann.

Der Beklagte beauftragte die Klägerin 2010 mit der Ausführung von Elektroinstallationsarbeiten. Vereinbart wurde ein Werklohn von 13.800 € einschließlich Umsatzsteuer sowie eine weitere Barzahlung von 5.000 €, für die keine Rechnung gestellt werden sollte. Die Klägerin hat die Arbeiten ausgeführt, der Beklagte hat die vereinbarten Beträge nur teilweise entrichtet.

Sowohl die Klägerin als auch der Beklagte haben bewusst gegen gesetzliche Regelungen verstoßen, indem sie vereinbarten, dass für die über den schriftlich vereinbarten Werklohn hinaus vereinbarte Barzahlung von 5.000 € keine Rechnung gestellt und keine Umsatzsteuer gezahlt werden sollte. Der gesamte Werkvertrag ist damit nichtig. Ein vertraglicher Werklohnanspruch ist nicht gegeben.

Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Ausgleich der Bereicherung des Beklagten zu, die darin besteht, dass dieser die Werkleistung erhalten hat. Denn die vereinbarte Leistung (Schwarzarbeit) verstößt gegen ein gesetzliches Verbot. Der Ausgleichsanspruch geht im Falle eines gesetzlichen Verbotes unter (§ 817 Satz 2 BGB).

Die Durchsetzung der vom Gesetzgeber verfolgten Ziele, die Schwarzarbeit effektiv einzudämmen, erfordert eine strikte Anwendung dieser Vorschrift.

Aufgrund einer vereinbarten Schwarzarbeit kann also kein Anspruch auf Zahlung entstehen. Diejenigen, die „schwarz“ arbeiten oder Schwarzarbeiter beschäftigen, müssen also nicht nur damit rechnen, dass der Zoll oder das Finanzamt die Schwarzarbeit konsequent verfolgen, es besteht zudem kein Anspruch auf Bezahlung.

ws/ng

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Ombré look lila: Amtsgericht Coburg hat kein Verständnis für den Figaro – worüber man so streiten kann

Figaro hier, Figaro da, Figaro hier, Figaro da, ich kann nicht mehr“, so lässt Rossini in der Oper „Der Barbier von Sevilla“ trällern. Bei dem Urteil des AG Coburg kann man auch nicht mehr, in diesem Fall aber vor lauter Lachen. Was war passiert? Die Klägerin äußerte bei dem Beklagten, einem Figaro (frz.: Friseur), den Wunsch, sich ihren Haaransatz schwarz, die Spitzen der Haare dagegen lila (sogenannter „Ombré Look“ in lila) färben zu lassen. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich…  Der später beklagte Friseur klärte die Klägerin (so jedenfalls nach dem Urteil) nicht darüber auf, dass der von ihr gewünschte Effekt nicht zu erzielen ist (warum der Figaro dennoch zur Tat und zum Farbtopf schritt – der Strafrechtler würde sagen: untauglicher Versuch  – ist nicht überliefert). Es gelang weder beim ersten Termin, noch bei zwei folgenden (bei anderen Friseuren), den gewünschten Look in lila zu erreichen. Die Klägerin war darüber nicht entzückt. Sie machte mit der Klage die aus ihrer Sicht fruchtlos aufgewandten Friseurkosten aus dem ersten Termin bei dem Beklagten, die gekauften Pflegeprodukte, die Kosten der zwei weiteren Termine bei anderen Friseuren und Schmerzensgeld in dreistelliger Höhe geltend.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass er die Kundin über die Behandlung der Haare und die damit verbundenen Konsequenzen aufgeklärt, und zudem gewissenhaft gearbeitet habe. Trotz der Aufklärung habe die Klägerin die Haarbehandlung gewünscht.

Das AG Coburg gab der Klage teilweise statt. Der Beklagte wurde u.a. zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verpflichtet. Der Beklagte müsse die gesamten Kosten für den ersten Termin an die Klägerin zurückzahlen, da der zugesicherte Erfolg, den „Ombré Style“ herzustellen, nicht eingetreten sei. Das klingt nach Werkvertrag. Zusätzlich müsse der Friseur, weil die Haare durch die Behandlungen geschädigt wurden und diese daraufhin gekürzt werden mussten, Schmerzensgeld in zweistelliger Höhe zahlen. Die Klägerin gab zudem an, sie sei durch die zerstörten Haare nachhaltig in ihrem beruflichen und privaten Alltag beeinträchtigt gewesen (wir hätten eher gedacht, dass dies erst durch den gewünschten look der Fall gewesen wäre). Das Amtsgericht Coburg ist dieser Meinung allerdings nicht gefolgt. Es hat dem Beklagten ein niedrigeres als das von der Klägerin angestrebte Schmerzensgeld auferlegt. Die zwei zusätzlichen Friseurbesuche in einem anderen Salon hatte der Beklagte nur zu einem Teil zu ersetzen. Und die Kosten für die gekauften Pflegeprodukte musste der Beklagte gar nicht erstatten. Das Urteil des AG Coburg vom 19.03.2014 hat das Az. 12 C 1023/13.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Reform des Bundeselterngeld-und Elterngeldgesetz zum 01.01.2015: Das neue Jahr bringt auch neues für Eltern

Pünktlich zum Jahresbeginn wurde auch für Eltern eine Reform des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz verabschiedet (BEEG).

Seit 2007 haben Eltern einen Anspruch auf Elterngeld und können sich so nach der Geburt ganz dem Kind widmen. Ab 2015 können Eltern, welche in Teilzeit arbeiten, nun länger das Elterngeld in Anspruch nehmen. Zudem soll es nicht nur einen Partnerschaftsbonus geben, es soll auch in Zukunft die Elternzeit flexibler gestaltet werden können. Durch den Partnerschaftsbonus erhalten Eltern vier zusätzliche Monate Elterngeld Plus, wenn sie vier aufeinanderfolgende Monate 25 bis 30 Wochenstunden arbeiten.

Erklärung der neuen Reformen:  Eltern oder Alleinerziehende können auch ohne Teilzeitjob das jetzt sogenannte Basiselterngeld von nun 14 Monaten beziehen. Mütter und Väter, welche jedoch arbeiten gehen, beziehen das neue Elterngeld Plus. Bei dem Elterngeld Plus gibt es die Förderung für den doppelten Zeitraum, zwar entspricht auch hier die Höhe des Elterngeldes nur der des Basiselterngeldes, jedoch wird so gewährleistet, dass die Eltern nach der Geburt ihres Kindes arbeiten gehen können und trotzdem das gesamte Elterngeldbudget nutzen können. Durch das Elterngeld Plus werden die in Teilzeit arbeitenden Eltern besser vergütet als es durch die Regelung von 2007 der Fall war.  Einen Haken hat jedoch diese neue Regelung, denn das Elterngeld Plus sowie der Partnerschaftsbonus findet erst für vom 01.07.2015 an geborene Kinder Anwendung.

Auch die Zwillings- und Mehrlingseltern erwartet eine Änderung durch das neue Gesetz. 2013 gab es durch einen Anspruch auf Elterngeld pro Kind, wenn sich beide Elterneile um die Betreuung der Kinder kümmerten, Urteil des Bundessozialgerichtes mit dem Az.: B 10 EG 3/12 R und B 10 EG 8/12.  Durch das neue Gesetz gibt es jedoch ab sofort pro Geburt nur einen Anspruch auf Elterngeld. Stattdessen wird ein Zuschlag für jedes Geschwisterkind von 300 Euro erstattet.

Flexiblere Elternzeit:  Die Anmeldefrist der Elternzeit bei dem Arbeitgeber verlängert sich durch das neue Gesetzt zwar auf 13 Monate, jedoch muss die Zustimmung des Arbeitgebers nicht mehr eingeholt werden.  Eltern konnten bisher 12 Monate der insgesamt  dreijährigen Elternzeit auf die Zeit zwischen dem dritten und achten Geburtstag des Kindes legen, ab 2015 können 24 Monate der Elternzeit auf diesen Zeitraum verlegt werden.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Ebay-Auktion abgebrochen: BGH bestätigt den Autokauf für einen Euro

Bild in Originalgröße anzeigenDer BGH entschied mit Urteil vom 12.11.2014 (VIII ZR 42/14), dass Anbieter, die eine laufende Auktion bei eBay ohne Grund abbrechen, vom bisherigen Höchstbietenden auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden können.

Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte seinen Gebrauchtwagen bei eBay zum Kauf angeboten. Er setzte ein Mindestgebot von 1,00 € fest. Der Kläger bot kurz darauf 1,00 € auf den Gebrauchtwagen und legte eine automatische Preisobergrenze von 555,55 € fest. Der beklagte Verkäufer brach nun die Auktion ab, und teilte dem bisherigen Höchstbietenden mit, dass er den Gebrauchtwagen außerhalb der eBay-Auktion für 4.200,00 € verkaufen könne.

Der Kläger begehrt nun Schadensersatz aufgrund des seiner Meinung nach wirksamen Kaufvertrages mit dem Kaufpreis von 1,00 €. Er verlangt 5.249,00 € Schadensersatz, da der Gebrauchtwagen noch einen Wert von 5.250,00 € hätte.  Der Beklagte trug vor, dass der Kaufvertrag nichtig sei, da der Kaufpreis von 1,00 € in krassem Missverhältnis zum Sachwert des Gebrauchtwagens stehe.

Das Landgericht gab dem Kläger Recht. Auch die Revision des Beklagten vor dem BGH führte für den Beklagten nicht zum Erfolg.  Der BGH vertritt die Auffassung, dass das Maximalgebot des Klägers in Höhe von 555,55 € keine Rückschlüsse auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters zulasse. Die Möglichkeit, Gegenstände zu einem „Schnäppchenpreis“ zu erwerben, mache gerade den Reiz von Internetauktionen aus. Umgekehrt bestehe für den Verkäufer die Chance, dass der angebotene Gegenstand  einen Verkaufspreis deutlich oberhalb des Sachwerts erziele.

Das Fahrzeug sei nur deshalb für 1,00 € verkauft worden, da der Verkäufer das Auto ohne Festsetzung eines Mindestgebots zum Verkauf anbot.  Der nicht gerechtfertigte Abbruch führte letztendlich dazu, dass der PKW für den Preis von 1,00 € verkauft worden sei.

Ebay-Auktionen liefern häufiger den Anlass für einen Streitfall vor Gericht. Gut beraten ist, wer Vorsicht walten lässt, vor einer Auktion die Risiken einer Auktion ohne Mindestgebot auslotet, und sich bei Einstellung der Auktion bewusst ist, dass diese nicht einfach abgebrochen werden kann. Die gilt selbst dann, wenn die bisherigen Gebote nicht annähernd an den Sachwert des zu verkaufenden Gegenstandes heranreichen.

 

ws/ng

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

WoEigG: Sondernutzungsrecht kann nicht durch Beschluss begründet werden; auch eine Vereinbarung bindet späteren Käufer nicht (LG Hamburg vom. 09.04.2014, 318 S 117/13); das gilt auch für „Altfälle“

Vorsicht Falle: Sondernutzungsrechte können bei Wohnungseigentum durch Beschluss nicht „wasserdicht“ begründet werden. Der Beschluss bindet als Vereinbarung bestenfalls nur die Eigentümer, die ihn getroffen haben. Rechtsnachfolge, z.B. Käufer, sind daran nicht gebunden. Ein Bindung tritt nur ein, wenn das Sondernutzungsrecht als Inhalt des Sondereigentums in das Grundbuch eingetragen worden ist.

Dem Urteil des LG Hamburg lag folgender Sachverhalt zugrunde: ein Wohnungseigentümer verlangte von einer anderen Wohnungseigentümerin, einen Kellerraum an die übrigen Wohnungseigentümer herauszugeben. Die Besitzerin des Kellers hatte ihre Wohnung 1981 mit dem Kellerraum gekauft. Zuvor hatten 1978 die Eigentümer einen einstimmigen Beschluss gefasst, den Kellerraum der Verkäuferin der jetzt beklagten Eigentümerin zur Sondernutzung zuzuweisen. Ein Wohnungseigentümer, der an der Beschlussfassung 1978 nicht beteiligt war, weil er sein Wohnungseigentum erst danach gekauft hatte, verlangte jetzt von der Eigentümerin, den Kellerraum geräumt und besenrein an die anderen Wohnungseigentümer herauszugeben.

Das LG kommt zu dem Ergebnis, dass die Eigentümerin den Kellerraum herausgeben muss, allerdings weder geräumt noch besenrein.

Der Herausgabeanspruch ergibt sich aus § 985 BGB. Bei dem Kellerraum handelt es sich um Gemeinschaftseigentum. Die Eigentümerin hat kein Recht zum alleinigen Besitz erworben, insbesondere kein Sondernutzungsrecht. Der 1978 gefasste Beschluss ist nach dem LG nichtig, weil es der Eigentümerversammlung an einer Beschlusskompetenz gefehlt hat. Auch dass die überwiegende Rechtsprechung seinerzeit davon ausging, Sondernutzungsrechte wirksam durch unangefochtenen Mehrheitsbeschluss begründen zu können und erst der BGH durch die „Jahrhundertentscheidung“ zum Zitterbeschluss vom 20.9.2000 Klarheit geschaffen hat, ändert daran nichts.

Da der Beschluss 1978 einstimmig gefasst wurde, könnte es sich materiell um eine Vereinbarung gehandelt haben. Aber auch dies half der beklagten Eigentümerin nicht weiter, da der jetzt klagende Eigentümer erst später Mitglied der WEG geworden ist. Vereinbarungen der Wohnungseigentümer wirken gegen den Sonderrechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers nur, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen sind. Dies ist hier nicht der Fall.

Interessant: die beklagte Eigentümerin kann sich auch nicht auf ein „Gewohnheitsrecht“ berufen, weil sonst die Publizitätswirkung des Grundbuchs unterlaufen werden würde. Die Eigentümerin muss den Raum aber nicht in geräumtem und besenreinem Zustand herausgeben. Solche Räumungspflichten können sich nur als Rechtsfolgen eines Beseitigungsanspruchs aus §§ 1004 BGB, 15 Abs. 3 WEG ergeben. Ein Beseitigungsanspruch wäre aber verjährt, anders als der Herausgabeanspruch aus Eigentum. Die Eigentümerin muss den Raum daher nur in dem Zustand herausgeben, in dem sich dieser befindet.
ws

 

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Sportwagen – hier der Marke Porsche – und Richter; zwei Welten treffen aufeinander? OLG Hamm vom 18.03.2014

Ja, so ein Sportwagen ist schon etwas feines. Seltsamerweise haben die Fahrer dieser Autos, obwohl sie häufig nicht so teuer sind wie eine S-Klasse oder ein BMW der 7er Reihe, mit allerlei Vorurteilen zu kämpfen. Oft ist es aber im Kern nur das, was die Deutschen am meisten bewegt: der pure Neid. Porsche fahrende Anwälte gibt es hin und wieder, entweder ganz offen (dann beneidet), oder aber aber verschämt und versteckt (dann eher belächelt). Richter habe ich in so einem Gefährt noch nie gesehen. Das mag aber auch daran liegen, dass Richter zu Zeiten unterwegs sind, zu denen ich noch arbeite. Vielleicht erklärt dieser Befund (Neid als Triebfeder menschlichen Handelns) ja auch das hier besprochene Urteil des OLG Hamm vom 18.03.2014. Den weiter unten stehenden Text haben wir der Pressemitteilung des OLG Hamm entnommen. An der Mitteilung fällt zunächst auf, wie freudlos das Urteil klingt. Ja, begeistert sich denn im OLG Hamm niemand für Sportwagen? Hat die Befassung mit den Akten dazu geführt, ganz banale Freuden nicht teilen zu können?

An der Mitteilung des OLG fällt weiter auf, dass die im Tatbestand des Urteils beschriebenen und gerügten Mängel vom Gericht als sportwagentypisch eingestuft werden. Das hat mich dann aber doch verblüfft. Als ob ein Sportwagen eine zickige Karre wäre, die ruhig „ruckartig“ beschleunigen und „stotternd“ bremsen dürfte. Das lässt tief in die Vorstellungswelt der Richterbank blicken. Glauben die Richter ernsthaft, dass diese Zicken das sind, was einen Sportwagen von einem „normalen“ Wagen abhebt? Bloße Ruppigkeit? Ich bin da doch erstaunt. Leider erklärt uns das erkennende Gericht auch nicht, warum diese „Zicken“ zur Sollbeschaffenheit eines Sportwagens gehören sollen.

Interessant ist auch, dass es im Streitfall „nur“ um einen Boxster, also eigentlich gar keinen richtigen Porsche, geht. Dann dürften „richtige“ Porsches also in der Logik des OLG Hamm noch „zickiger“ fahren dürfen, ohne dass dies ein Mangel wäre? Die Realität sieht hier doch ganz anders aus: die „alten“ Porsche waren wirklich zickig; zuviel Gas in der Kurve, zack, war man raus aus dem Rennen,  runter von der Bahn und drin im Graben; heute dagegen: ein Sportwagengefühl stellt sich bei den neuen Modellen eigentlich nur ein, wenn man das Grundmodell ein wenig modifiziert. Alles andere ist – Entschuldigung – auch von schwächeren Personen wie Büromenschen beherrschbar.

Zur Ehrenrettung der Richterbank lässt sich aber ins Feld führen, dass das Gericht nicht aus eigener Sachkunde zu dem gefundenen Ergebnis gelangt ist. Diese Aufgabe hat es einem Sachverständigen überlassen. Für die Firma Porsche ist das Urteil keine gute Werbung: eine „rupfende“ Kupplung und ein beim Bremsen „stotterndes“ Auto will zu high-tech genausowenig passen wie Felix Magath zu Schalke. Ich werde mal einen Brief an Porsche schreiben. Der nächste Deutsche Richtertag wäre doch das richtige Forum, um Richtern die Autos dieses Unternehmens etwas näherzubringen, oder passt das nicht zu dem kundenorientierten Ansatz von Porsche?

Hier der Text der Pressemitteilung des OLG Hamm zu dem besprochenen Urteil:

„Spürbares Schalten und Bremsen ist beim Porsche 981 Boxter S kein Mangel
Ein durch die Fahrzeugtechnik bedingtes, für den Fahrer spürbares Schalten und Bremsen ist beim Porsche 981 Boxter S kein Fahrzeugmangel, der zum
Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. Das hat der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18.03.2014 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Essen bestätigt.
Über ihren Geschäftsführer leaste die in Dorsten ansässige klagende Firma im Juni 2012 beim beklagten Autohaus in Essen einen neuen Porsche 981 Boxter S. Das Fahrzeug hatte einen Verkaufswert von ca. 76.000 Euro und war mit einem 315 PS Mittelmotor und einem automatisch schaltenden Doppelkupplungsgetriebe
ausgestattet. In der Folgezeit beanstandete der Geschäftsführer der Klägerin, dass das Fahrzeug ruckhaft beschleunige und stotternd abbremse. Nachdem Überprüfungen aus Sicht der Beklagten weder einen technischen Fehler noch zu optimierende Einstellungen ergeben hatten, verlangte die Klägerin die Rückabwicklung des Erwerbsvertrages. Das Klagebegehren ist erfolglos geblieben. Nach sachverständiger Begutachtung des Fahrzeugs konnte der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm keinen Fahrzeugmangel feststellen, der die Klägerin zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt hätte. Der Porsche weise die Beschaffenheit auf, die bei Fahrzeugen gleicher Art üblich sei und die ein Käufer erwarten könne. Das von der Klägerin als ruckhaft monierte Bremsverhalten des Fahrzeugs beruhe darauf, dass das automatische Getriebe des Sportwagens beim Bremsen zurückschalte und zwischen den Gangstufen selbstständig Zwischengas gebe. Diese für den Fahrer spürbaren Schaltvorgänge stellten keinen technischen Fehler dar. Sie seien vom Hersteller gewollt und dem propagierten dynamisch-sportlichen Anspruch an seine Sportwagen geschuldet. Das von der Klägerin gerügte Schaltverhalten des Fahrzeugs beruhe auf technisch nicht zu beanstandenden, typischen Besonderheiten eines Porsche Boxter S. Der Kraftstoffersparnis diene, dass die Getriebesteuerung unter bestimmten Voraussetzungen Motor und Getriebe trenne. Das sei eine herstellerseitig gezielt programmierte sog. Segelfunktion. Zu der für einen Porsche dieser Art typischen Schaltcharakteristik gehöre auch das beanstandete Zurückschalten bei moderatem Gasgeben, mit dem eine unmittelbare Beschleunigung ermöglicht werde. Der Beklagten sei auch nicht vorzuhalten, dass sie im Rahmen der Vertragsverhandlungen nicht auf die Besonderheiten des Schalt- und Bremsverhaltens hingewiesen habe. Dieses Fahrverhalten habe die Beklagte nicht unzutreffend beworben. Dem zu Grunde liegenden Prospektmaterial sei vielmehr zu entnehmen, dass das Fahrzeug „straffe und unmittelbare“ Schaltvorgänge zeige, was die Auswirkungen der Zwischengasfunktion und des Segelmodus beschreibe. Im Übrigen stellten die von der Klägerin beanstandeten Fahrweisen keine negative Eigenschaft des Fahrzeugs dar, sie würden von Erwerbsinteressenten unterschiedlich wahrgenommen und nicht generell als Nachteil bewertet.
Urteil des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18.03.2014 (28 U 162/13)“

ws