Käufer von Wohnimmobilien, die die vom Verkäufer zu tragende Maklerprovision vertraglich zu 100% übernommen haben, sollten aufmerksam weiterlesen. Das Geld liegt für sie sprichwörtlich auf der Straße (in diesem Beitrag).
Der I. Zivilsenat des BGH hat am 06.03.2025 (I ZR 138/24) entschieden: Vereinbarungen, mit denen der Käufer (Verbraucher) die gesamte – dem Verkäufer obliegende – Maklercourtage übernehmen soll, sind wegen Verstoßes gegen § 656d Abs. 1 BGB insgesamt nichtig. Eine geltungserhaltende Reduktion scheidet aus. Der Käufer kann daher gezahlte Provision vollständig zurückverlangen. Für die Gestaltung von Kaufverträgen über Wohnimmobilien ist das ein „game changer„; zugleich stellen sich bisher nicht erörterte Folgefragen zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer (GrESt) und zur Rückforderung. Für Käufer führt das zu einer echten Reduzierung des Kaufpreises aus der (Rückforderung von 100% Provison und der darauf entfallenden GrESt. Bei einem Kaufpreis von 750 TEUR sind das bei einer Provision von 5,95% / 7,14% 44.625 EUR / 53.550,00 EUR + 2.900, 63 EUR / 3.480,75 EUR GrESt (bei einem Steuersatz von 6,5%). Das ist ein ansehnlicher Betrag.
Merke: Das Recht ist für die Wachen da – Ius est vigilantibus scriptum.
Kernaussagen des Urteils
§ 656d Abs. 1 BGB („Halbteilungsgrundsatz“) verlangt zwingend eine hälftige Kostentragung, wenn nur eine Partei den Makler beauftragt hat. Eine vollständige Abwälzung auf die andere Kaufvertragspartei ist unzulässig.
Verstöße führen zur Gesamtnichtigkeit der Provisionsabrede gegenüber dem nicht beauftragenden Teil – keine geltungserhaltende Reduktion.
Auch „Gestaltungen“ über Kaufpreisreduzierung gegen Übernahme der vollen Provision sind unbeachtlich: Der Makler erhält gegenüber dem Käufer keinen Anspruch; der Käufer kann Gezahltes kondizieren.
Praxisrelevanz für Vertragsgestaltung und Notariat
Kaufverträge über Wohnungen/Einfamilienhäuser (§ 656a BGB) dürfen keine unmittelbaren oder mittelbaren Zahlungsverpflichtungen des Käufers über 50 % der Courtage hinaus vorsehen, wenn allein der Verkäufer Auftraggeber ist.
„Kreative“ Klauseln (Preisnachlass gegen vollständige Provisionsübernahme; Drittvereinbarungen mit dem Makler; schriftliche Nebenabreden) sind nichtig, soweit sie den Käufer über 50 % belasten.
Notare sollten in der Urkundengestaltung klarstellen, wer Auftraggeber ist, und – falls notwendig – eine symmetrische Verpflichtung beider Parteien aufnehmen (§ 656d Abs. 1 S. 1 BGB). Zudem sind Fälligkeitsvoraussetzungen des § 656d Abs. 1 S. 2 BGB zu beachten (Zahlungsnachweis des Auftraggebers).
Für Maklerverträge und Exposés gilt: Transparente Kommunikation über die gesetzliche Lastenverteilung; keine faktische Abwälzung durch AGB oder „Bestellbuttons“.
Auswirkungen auf die Grunderwerbsteuer (GrESt)
Bemessungsgrundlage der GrESt ist die Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Bei Kaufverträgen zählen dazu der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Zur Gegenleistung gehören also nur solche Provisionszahlungen, die der Käufer als Verpflichtung des Verkäufers wirksam übernimmt. Ist die Übernahme wegen § 656d BGB nichtig, fehlt es an einer wirksamen Schuldübernahme; die Zahlung ist dann grundsätzlich kein Teil der grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung.
Im Urteilsfall wurde der Kaufpreis um die vom Verkäufer zu tragende Courtage reduziert; der Käufer zahlte die volle Courtage an den Makler. Nach dem BGH ist die Übernahmeabrede nichtig. Für die GrESt bleibt es beim reduzierten Kaufpreis; die (rechtsgrundlose) Zahlung an den Makler ist keine Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.
Allerdings werden die Finanzbehörden im Urteilsfall die Übernahme der Courtage bei der Festsetzung der Grunderwerbsteuer steuererhöhend berücksichtigt haben. Das legt jedenfalls die Gestaltung des Kaufvertrags im Urteilsfall nahe (Reduzierung des Kaufpreises + Übernahme der Courtage durch den Käufer). Hat das Finanzamt also die Käuferzahlung in die Bemessungsgrundlage einbezogen, kommt eine Änderung nach § 16 Abs. 3 GrEStG in Betracht, sofern die Herabsetzung / Anpassung der Gegenleistung innerhalb von zwei Jahren seit Steuerentstehung wirksam wird und nachgewiesen wird (z.B. Rückzahlungsbeleg, rechtskräftiges Urteil/Abwicklungsvereinbarung).
Wichtig: § 16 Abs. 3 GrEStG ist eng – keine rückwirkende Ereignisbehandlung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO. Anträge daher fristwahrend stellen (dies „pro praeterito“ zu heilen, gelingt selten).
Klassischer Gegenbeispiel-Fall: Übernimmt der Käufer im notariellen Vertrag wirksam die Verkäufercourtage (außerhalb des Anwendungsbereichs des § 656d BGB, etwa bei Gewerbeobjekten), ist dies regelmäßig Gegenleistung und damit grunderwerbsteuerpflichtig.
Checkliste für die Praxis
Fazit: Käufer können gezahlte Provisionen und auch einen Teil der GrESt zurückfordern. Die Fristen des GrEStG und die Verjährung des zivilrechtlichen Anspruchs sind zu beachten. Makler sollten ihre Vertragsmuster anpassen.
Wenn Sie Unterstützung brauchen, sprechen Sie uns an.
BEISPIEL für eine Klausel im Notarvertrag (unter Ausschluss jeder Haftung):
„Maklerkosten: Die Parteien stellen klar, dass allein [Verkäufer] den Maklervertrag abgeschlossen hat. Eine Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des Maklerlohns besteht dem Grunde nach nicht. Soweit der Käufer in gesetzlich zulässigem Umfang zu einer Beteiligung herangezogen werden soll, verpflichten sich beide Parteien, jeweils 50 % des Maklerlohns zu tragen (§ 656d Abs. 1 BGB). Eine darüber hinausgehende Belastung des Käufers ist ausgeschlossen. Die Fälligkeit einer etwaigen Käuferbeteiligung tritt erst ein, wenn der Verkäufer seinen Anteil bezahlt hat und hierüber Nachweis geführt wird (§ 656d Abs. 1 S. 2 BGB).“
Die Pflicht der Finanzbehörden, Steuerbescheide nach § 121 AO zu begünden ist kein „nice to have“, sondern conditio sine qua non.
In unserer Praxis mehren sich die Fälle, in denen Finanzämter meinen, Steuerbescheide nicht mehr begründen zu müssen. Sie vertreten die Auffassung, der Verweis auf teils rudimentäre Prüfungsberichte einer Außenprüfung reiche. Was aber soll beispielsweise ein Kommanditist, der an der Prüfung gar nicht teilgenommen hat, mit einem Prüfungsbericht anfangen?
Wir gehen in der Praxis dagegen mit aller Konsequenz vor. Mit seiner Entscheidung vom 29. September 2025 – 1 V 1595/25 E, https://nrwe.justiz.nrw.de/fgs/muenster/j2025/1_V_1595_25_E_Beschluss_20250929.html
stärkt das Finanzgericht („FG“) Münster unsere Auffassung.
Das FG Münster hat mit seinem Beschluss die Einkommensteuerbescheide 2015–2021 ohne Sicherheitsleistung von der Vollziehung ausgesetzt, weil das Finanzamt die tragenden Gründe (insb. Prüfungsberichte, Berechnungen) nicht vorgelegt und damit seine Begründungs- und Darlegungslast im AdV-Verfahren verfehlt hat. Ernstliche Zweifel genügen – das Gericht muss den Sachverhalt im Eilrechtsschutz nicht „fertig aufklären“. Die Kosten trägt das Finanzamt.
Das Finanzamt rechnete dem Antragsteller in mehreren Einkommensteuerbescheiden verdeckte Gewinnausschüttungen zu. Es verwies auf Ergebnisse der Steuerfahndung und Betriebsprüfung – legte die Berichte und Berechnungen dem Gericht aber nicht vor. Der Antragsteller beantragte Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung. Ergebnis: AdV gewährt, ohne Sicherheit; das Finanzamt trägt die Kosten.
Die tragenden Erwägungen des FG Münster:
Unsere Praxis, unsere zuletzt gemachten Erfahrungen mit dem Finanzamt Nienburg/Weser.
Wir haben diese Linie bereits mehrfach für Mandanten durchgesetzt – zuletzt gegen das Finanzamt Nienburg/Weser: Das FA gewährte AdV zunächst nur gegen Sicherheitsleistung; vor dem Finanzgericht wurde die AdV in AdV ohne Sicherheitsleistung umgestellt; bei einem Streitwert von 200.000 € trägt das Finanzamt die Kosten. Lessons learned: Wer die Begründungsmängel und Vorlageversäumnisse der Behörde sauber herausarbeitet, gewinnt das AdV-Verfahren.
Checkliste für den AdV-Antrag:
Fazit für Entscheider
die Begründung von Steuerbescheiden ist Pflicht, nicht Kür. Liefert die Finanzverwaltung ihre Begründung nicht, entstehen ernstliche Zweifel – AdV ist dann zu gewähren, oftmals ohne Sicherheitsleistung. Blinder Eifer der Finanzbehörden bei der Vollziehung von Steuerbescheiden schadet; fehlende Transparenz der Behörde führt direkt in die AdV. Für Steuerpflichtige gilt: früh rügen, präzise rügen, AdV sichern – und die Kostenfrage nicht vergessen.
Schwamb und Wiesinger haben in NJW 2025, 3033 einen für die Praxis hervorragend geeigneten Aufsatz zu Pflichtteilsansprüchen bei Schenkungen zu Lebzeiten geschrieben, der einmal mehr zeigt, dass blinder Aktionismus nur schadet. Die Autoren raten – zu Recht – dazu, die im Erbrecht teils sehr kniffligen Fragen erst sehr sorgfältig aufzuklären, zumal sich daraus oft auch prozessuale Besonderheiten ergeben.
Wir fassen die wesentlichen Inhalte und Ergebnisse dieses praxisnahen Aufsatzes hier zusammen:
Wer Pflichtteilsansprüche nach einer lebzeitigen Schenkung geltend machen will, muss zunächst sorgfältig prüfen und exakt rechnen: Wie hoch ist der reale Nachlass? Welche Schenkungen sind ergänzungspflichtig und in welcher Höhe? Wie greift das Abschmelzungsmodell? Gibt es Ausnahmen bie dem Fristbeginn? Ohne diese Vorprüfung drohen Fehlbeträge, Verjährung und unnötige Verfahren. Das in der NJW 2025, 3033 eingangs skizzierte Beispiel zeigt: Die dogmatisch korrekte Reihenfolge der Berechnung entscheidet, ob ein Anspruch trägt – oder krachend scheitert.
Sachverhalt aus NJW 2025, 3033:
Der Erblasser hinterlässt Ehefrau und zwei erwachsene Söhne. Die Erbfolge richtet sich nach einem notariellen Erbvertrag. Danach wurde der Erblasser von seiner Ehefrau als Alleinerbin beerbt. Diese wurde zur befreiten Vorerbin bestimmt. Zum alleinigen Nacherben wurde Sohn 1 bestimmt. Sohn 2 soll laut Erbvertrag nach den gesetzlichen Bestimmungen pflichtteilsberechtigt sein.
Nach dem von der Alleinerbin erstellten Nachlassverzeichnis verfügte der Erblasser nicht über nennenswerte Vermögenswerte, so dass der Reinerlass des Nachlasses nahezu kein Vermögen aufwies. Allerdings verfügte der Erblasser über eine Teileigentumseinheit („TE“) und eine Wohneigentumseinheit („WE“). Diese hatte er Jahre zuvor in Miteigentumsanteile zu je 500/1000 aufteilen lassen. Über zehn Jahre vor seinem Tod hat der Erblasser 500/1000 an der WE als ehebedingte Zuwendung zum vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns an seine Ehefrau übertragen. Ebenfalls über zehn Jahre vor seinem Tod hat der Erblasser 500/1000 an der TE schenkweise an Sohn 2 übertragen. Das erfolgte ohne Ausgleichsverpflichtung, wobei sich der Beschenkte die Zuwendung aber auf sein gesetzliches Pflichtteilsrecht anrechnen lassen muss. Die anderen 500/1000 an der TE hat der Erblasser etwa zwei Jahre vor seinem Tod seinem Sohn 1 geschenkt. Auch diese Schenkung sollte sich der Beschenkte auf seine Pflichtteilsansprüche anrechnen lassen müssen. Die Schenkungen erfolgten unter Nießbrauchsvorbehalt für den Erblasser, wobei dieser Nießbrauch im Falle des Vorversterbens des Erblassers im Todeszeitpunkt auf seine Ehefrau übergehen sollte. Im Todeszeitpunkt verfügte der Erblasser noch über 500/1000 an der WE. Etwa fünf Jahre vor seinem Tod hat der Erblasser einen fünfstelligen Geldbetrag an einen ehemaligen Mitarbeiter verschenkt.
Vor diesem Hintergrund fordert Sohn 2 von der Alleinerbin die Auszahlung eines Pflichtteilsanspruchs. Fraglich ist dabei, ob vor dem dargestellten Hintergrund überhaupt noch ein Auszahlungsanspruch besteht oder die lebzeitige Schenkung diesen bereits übersteigt.
1. Worum geht es – und was zeigt das Eingangsbeispiel?
Der Beitrag in der NJW 2025, 3033 veranschaulicht an einem prägnanten Beispiel die typischen Stellschrauben: Wer ist pflichtteilsberechtigt? Welche Schenkung ist berücksichtigungsfähig? Wie wird sie bewertet? Welcher Zeitraum (10‑Jahres‑Frist) ist einschlägig? Die Quintessenz: Nicht jede lebzeitige Zuwendung führt automatisch zu einer Ergänzung – und nicht in voller Höhe. Die Berechnung folgt einem strengen, mehrstufigen Prüfpfad.
2. Der Prüfpfad in der Praxis – Schritt für Schritt
Schritt 1: Pflichtteilsberechtigung und Erbfall
– Feststellen, ob eine Pflichtteilsberechtigung vorliegt (z. B. Abkömmlinge, Ehegatte, Eltern).
– Zeitpunkt des Erbfalls bestimmen; hieran knüpfen Fristen und Bewertungsstichtage an.
Schritt 2: Ausgangsnachlass ermitteln
– Aktiva/Passiva des Nachlasses sorgfältig inventarisieren.
– Der reale Reinnachlass bildet den Ausgangspunkt der Pflichtteilsquote.
Schritt 3: Ergänzungspflichtige Schenkungen identifizieren
– Welche Zuwendungen sind Schenkungen i. S. d. Pflichtteilsergänzung?
– Ausnahmen beachten (Anstandsschenkungen, Gelegenheitsgeschenke, entgeltliche Komponenten bei gemischter Schenkung).
– Vorsicht bei Übertragungen unter Vorbehalt (Nießbrauch/Wohnrecht): Sie wirken sich auf Fristlauf und Bewertung aus.
Schritt 4: 10‑Jahres‑Frist und Abschmelzungsmodell
– § 2325 BGB arbeitet mit einer zeitlichen Begrenzung: Schenkungen innerhalb von 10 Jahren vor dem Erbfall können zu berücksichtigen sein.
– Abschmelzung: Je weiter die Schenkung zurückliegt, desto geringer die Anrechnung (jährliche Reduktion).
– Sonderregeln bei Schenkungen unter Ehegatten und bei Vorbehalten im Blick behalten; so wie hier bei den vornbehaltenen Nießbräuchen (Fristbeginn kann sich verschieben).
Schritt 5: Bewertung der Schenkung
– Maßgeblich ist der Wert zum Schenkungszeitpunkt, ggf. mit Anpassungen; bei Vorbehalten ist deren wirtschaftlicher Wert abzuziehen.
– Gemischte Schenkung: Nur der unentgeltliche Anteil ist ergänzungspflichtig – sorgfältige Bewertung ist Pflicht.
Schritt 6: Fiktiver Nachlass und Quote
– Reeller Reinnachlass plus anzurechnende (abgeschmolzene) Schenkungswerte ergeben den fiktiven Nachlass.
– Pflichtteil = Quote (z. B. 1/2 des gesetzlichen Erbteils) vom fiktiven Nachlass; hiervon ist der reale Pflichtteil (ohne Ergänzung) abzuziehen → Ergänzungsbetrag.
Schritt 7: Gegen wen richtet sich der Anspruch?
– Primär gegen den Erben (Pflichtteilsergänzung); reicht der Nachlass nicht, kann – unter Voraussetzungen – ein Anspruch gegen den Beschenkten (§ 2329 BGB) folgen.
Schritt 8: Verjährung
– Regelmäßige Verjährung nach Kenntnisprinzip; Fristbeginn erfordert positive Kenntnis von Erbfall, Berechtigung und schenkungserheblichen Tatsachen.
– Frühzeitig Auskunftsansprüche sichern, um die Rechnung führen zu können.
3. Typische Fehlerquellen – was das Beispiel lehrt
• Zu früh geklagt: ohne belastbare Bewertung (z. B. Grundstückswert, Abzug Vorbehalte) scheitern Ansprüche am Beweis.
• Falscher Adressat: Ergänzung direkt gegen den Falschen (Beschenkten statt Erben).
• Abschmelzung ignoriert: Wer „brutto“ statt „abgeschmolzen“ rechnet, produziert Mondforderungen.
• Sonderregeln bei Ehegatten und beim Nießbrauch übersehen: Fristbeginn und Bewertung sind anders als bei Schenkungen an Dritte.
4. Praxisleitfaden (Checkliste)
1. Berechtigung und Erbfall klären.
2. Reinnachlass ermitteln.
3. Schenkungen (Art, Zeitpunkt, Vorbehalte, gemischt?) sichten.
4. Frist & Abschmelzung berechnen (Schenkungskette!).
5. Bewertung (Gutachten/Marktwert; Abzug Vorbehalte).
6. Fiktiver Nachlass bilden, Quote anwenden, Ergänzung errechnen.
7. Anspruchsrichtung festlegen (Erbe/Beschenkter, Rangfolge).
8. Verjährung und Auskunft sichern.
5. Fazit
Blinder Eifer schadet nur. Besonders in erbrechtlichen Angelegenheiten – insbesondere bei Pflichtteilsergänzung wegen Schenkungen – gilt: Erst prüfen, dann rechnen, dann handeln. Ohne belastbare Bewertung und genaue Abschmelzungsprüfung wird sonst ohne Not gestirtten.
Der Beitrag von Schmidt und Sediqi mit dem herrlich provokanten Titel „Wider die falsche Mär, § 42 AO enthalte ein generelles Verdikt gegen als missliebig angesehene steuerliche Gestaltungen“ ist ein Glanzstück juristischer Klarstellung. Schon der Titel ist ein süffisanter Seitenhieb auf eine ganze Generation von Betriebsprüfern, die § 42 AO – um im Bild zu bleiben – gern als „Allzweckwaffe“ gegen kreative Steuerplanung missverstanden haben oder missverstehen möchten. Das Autorenduo zielt auf die Rückführung der Norm auf ihre rechtsstaatlichen Wurzeln: § 42 AO ist kein moralischer Totschläger, sondern ein tatbestandlich eng begrenztes Korrektiv gegen tatsächlich gesetzeswidrige Gestaltungen.
Auch der Bundesfinanzhof hat mehrfach klargestellt, dass es zulässig ist, eine Gestaltung zu wählen, die das Entstehen von Steuern vermeidet.
1. Kernthese: Kein „Generalklausel-Verdikt“ gegen steuerliche Gestaltungen
Schmidt und Sediqi erinnern daran, dass § 42 AO nicht dazu dient, dem Steuerpflichtigen missliebige Gestaltungen zu versagen, sondern nur dann greift, wenn der erzielte Steuervorteil gesetzlich nicht vorgesehen ist. Entscheidend sei nicht die subjektive Missbilligung des Rechtsanwenders, sondern allein, ob sich der Vorteil objektiv aus dem Gesetz ergibt oder nicht.
Diese Klarstellung ist bemerkenswert schlicht – und gerade deshalb bedeutsam. Die Autoren lösen den § 42 AO aus dem diffusen Bereich moralischer Empörung („Das ist doch Gestaltungsmissbrauch!“) und verankern ihn wieder dort, wo er hingehört: im objektiven Recht.
2. Methodik: Objektivierbare Angemessenheitsprüfung
Der Beitrag betont, dass die Beurteilung einer Gestaltung nicht nach Empfindungen, sondern nach Gesetzesauslegung zu erfolgen hat. Maßstab ist, ob das Gesetz den konkreten Vorteil vorsieht oder ausschließt.
Dabei kommt der historisch-teleologischen Auslegung besondere Bedeutung zu: Die Intention des Gesetzgebers bei Einführung einer Begünstigung ist zu berücksichtigen, nicht aber die nachträgliche Meinung der Verwaltung.
Wo sich keine eindeutigen Anhaltspunkte für den gesetzgeberischen Willen finden lassen – und das ist in der Praxis der Regelfall – versagt jede „Angemessenheitsprüfung“. Mit anderen Worten: In dubio pro Gestaltung.
Die Feststellungslast dafür, dass ein Steuervorteil gesetzlich nicht vorgesehen ist, liegt allein beim Fiskus. Diese Wendung ist für die Praxis Gold wert.
3. Klare Absage an moralisch motivierte Missbrauchsdeutung
Schmidt und Sediqi führen überzeugend aus, dass die bloße „Steuervermeidungsabsicht“ kein Missbrauchsindiz ist. Das Recht zur Wahl der günstigsten Gestaltung ist Ausfluss der Privatautonomie und Gestaltungsfreiheit – Prinzipien, die dem Steuerrecht nicht fremd, sondern inhärent sind.
Der Staat darf nicht auf der Grundlage „gefühlter Unangemessenheit“ eingreifen, sondern nur, wenn der Steuervorteil nach Wortlaut und Telos des Gesetzes ausgeschlossen ist. Ein Rückgriff auf „Gesetzesmaterialien“ oder „vermutete Intentionen“ – wie sie der ursprüngliche Regierungsentwurf zu § 42 AO-E einst einführen wollte – ist unzulässig.
4. Praktische Konsequenzen für die steuerliche Abwehrberatung
Für die Praxis ist der Aufsatz ein Manifest der Abwehrstrategie gegen eine übergriffige Anwendung des § 42 AO. Er liefert die dogmatische Munition, um steuerliche Gestaltungen zu verteidigen, die innerhalb der gesetzlichen Wertungsordnung bleiben.
Für Berater bedeutet dies konkret:
In Zeiten wachsender fiskalischer Kreativität ist das eine wohltuende Rückbesinnung auf rechtsstaatliche Prinzipien.
5. Fazit
Der Aufsatz von Schmidt und Sediqi ist mehr als eine gelungene dogmatische Analyse – er ist ein juristischer Befreiungsschlag gegen die Überdehnung des § 42 AO. Für die Abwehrberatung liefert er das theoretische Fundament, um steuerliche Gestaltungen mit Rückgrat zu verteidigen.
Oder, um es mit einem Augenzwinkern zu sagen: § 42 AO ist keine Generalklausel für schlechte Laune der Finanzverwaltung.
Anmerkung zum Titel:
Der Titel „Wider die falsche Mär …“ ist brillant gewählt. Er erinnert stilistisch an eine reformatorische Streitschrift und signalisiert zugleich Kampfgeist: Hier wird nicht nur dogmatisch argumentiert, sondern polemisch geklärt. In einer Zeit, in der § 42 AO gern als Gummiparagraph missbraucht wird, ist dieser Ton mehr als gerechtfertigt – er ist überfällig.
1. Der Sachverhalt
Der Kläger schloss mit seiner späteren Ehefrau vor der Eheschließung einen notariell beurkundeten Ehevertrag. Darin wurde der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft vereinbart, aber für alle Fälle der Beendigung der Ehe außer dem des Versterbens des Kl. wieder ausgeschlossen. Für diesen Fall wurde der Zugewinnausgleich der Höhe nach begrenzt. Ein Versorgungsausgleich wurde ausgeschlossen. Auf nachehelichen Unterhalt wurde wechselseitig verzichtet, ebenso auf etwaige Ansprüche auf Hausratsteilung.
Der Kläger verpflichtete sich in dem Ehevertrag , seiner Ehefrau für die Vereinbarungen zum Güterstand 1 Mio. EUR, für den Verzicht auf nachehelichen Unterhalt 4,5 Mio. EUR und für die Hausratsteilung 500.000 EUR zu zahlen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung verpflichtete er sich, binnen zwölf Monaten nach Eheschließung ein näher bestimmtes Hausgrundstück zu übertragen, dessen Wert die künftigen Eheleute übereinstimmend mit mindestens 6 Mio. EUR bezifferten. Für den Fall der Festsetzung von Schenkungsteuer übernahm der Kläger deren Zahlung. Nach der Eheschließung übertrug der Kläger in Erfüllung der Verpflichtung aus dem Ehevertrag das Hausgrundstück auf seine Ehefrau.
Das beklagte Finanzamt setzte für die Übertragung des Hausgrundstücks Schenkungsteuer i.H.v. 832.713 EUR fest.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage vor dem FG Hamburg (EFG 2023, Seite 564) hatte keinen Erfolg. Die Revision des Klägers blieb erfolglos.
Der BFH entschied:
Diese Zuwendung ist schenkungsteuerpflichtig.
Der Verzicht auf künftige, also noch nicht entstandene – nacheheliche Ansprüche – mögen sie noch so realistisch erscheinen – ist keine Gegenleistung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Der begünstigte Ehegatte wird freigebig bereichert, die Schenkungsteuer greift.
Der Gedanke, man könne durch den Ehevertrag eine „ausgewogene Gegenleistung“ schaffen und damit den Schenkungstatbestand neutralisieren, trägt nach Auffassung des BFH nicht. Es handle sich um einen schlicht schenkungsteuerrechtlich unbeachtlichen Subsumtionsirrtum.
2. Der rechtliche Kern
Der BFH schließt mit dieser Entscheidung an seine ältere Rechtsprechung an (vgl. BFHE 218, 409 = BStBl. II 2008, 256; BFHE 275, 248 = BStBl. II 2023, 146):
Das bedeutet: Selbst wenn beide Seiten guten Willens handeln und versuchen, einen Rechtsgrund zu schaffen, ist das Ergebnis steuerlich eindeutig – Schenkungsteuer entsteht, und zwar nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
3. Die zivilrechtliche Fallhöhe
Zivilrechtlich ist alles sauber: Der Vertrag ist wirksam (§§ 1363 ff. BGB), die Zuwendung erfolgt auf Grundlage einer notariellen Vereinbarung.
Aber steuerlich gilt der alte Satz: Forma dat esse rei – die Form gibt der Sache das Sein, doch nicht ihre steuerliche Qualität.
Wer also glaubt, durch einen geschickt formulierten Ehevertrag ließen sich steuerliche Vorteile erlangen oder Nachteile vermeiden, der irrt.
4. Folgen für die Praxis
Für Berater, Notare und Mandanten gilt:
Sparen Sie nicht das Geld am falschen Ende.
Ein Ehevertrag oder eine Abfindungsvereinbarung zwischen (zukünftigen) Ehegatten muss steuerlich mitgedacht und notariell präzise formuliert werden.
Andernfalls droht eine erhebliche Schenkungsteuer.
Praktisch bedeutet das:
5. Fazit
Der BFH zieht die Linie scharf:
Wo keine echte Gegenleistung, da Schenkung.
Der Verzicht auf künftige Rechte ist kein Entgelt, sondern bloßer Rechtsverzicht – und der hat im Steuerrecht keinen Geldwert.
Wer also ehevertragliche Regelungen mit Vermögensübertragungen kombiniert, muss wissen: das Finanzamt liest mit.
Nach § 34 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG sind u.a. Notare verpflichtet, den Finanzbehörden alle ihnen bekannt werdenden Vorgänge mitzuteilen, die für die Festsetzung einer Erbschaft- oder Schenkungsteuer von Bedeutung sein können. Damit sind alle Eheverträge, die eine vermögensrechtliche Zuwendung enthalten oder vorbereiten, mitzuteilen. Das sind also insbesondere:
Daher gilt: Gestaltung mit System ist besser angelegtes Geld als Schenkungsteuer.
Wir hatten hier im Frühjahr über eine Verhandlung in einem Verfahren vor dem BVerfG berichtet, in dem es um de starre Altersgrenze von 70 Jahren ging. Das Gericht hat dieses Verfahren jetzt entschieden. Es hat die gesetzliche Regelung in §§ 47 Nr. 2 Variante 1, 48a BNotO, nach der die Amtsbefugnisse von Anwaltsnotaren mit dem Ende des Monats, in dem der Notar das 70. Lebensjahr vollendet, automatisch enden, mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt.
Begründung: Der Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) ist nicht mehr angemessen, weil die Voraussetzungen, die eine solche Höchstaltersgrenze früher zu rechtfertigen schienen – insbesondere die Sicherstellung eines angemessenen Nachrückens und ein Überangebot von Bewerbungen – nicht mehr vorliegen.
Übergangsregelung: Die Regelung bleibt bis zum 30. Juni 2026 in Kraft, damit der Gesetzgeber Zeit hat, eine verfassungskonforme Neuregelung zu schaffen. Das aber ist nicht zwingend. Wer also also als Anwaltsnotar nach dem 30. Juni 2026 das 70. Lebensjahr vollendet, der wird nach aktuellem Stand sein Amt weiter ausüben dürfen.
Nur-Notare: für Nur – Notare ändert sich nichts. Die Entscheidung betrifft nur die sogenannten Anwaltsnotare.
1. Veraltete Konstrukte kollabieren
Die Entscheidung markiert das Ende von starren Altersgrenzen als Disziplinierungsinstrument in Berufsrechten, sobald sie nicht mehr sachgerecht sind.
2. Berufsfreiheit vs. Generationenwechsel
Bisher wurden Altersgrenzen vielfach damit legitimiert, dass sie Raum für Jüngere schaffen. Das BVerfG stellt klar: Sobald aber ein Bewerbermangel besteht oder die Altersgrenze nicht mehr hilft, diesen Zweck zu erfüllen, darf sie nicht mehr bestehen.
3. Normative Dynamik und Gleichbehandlungsrecht
Auch in puncto Altersdiskriminierung zeigt das Urteil: Gleichbehandlungsnormen und der Schutz der Lebensleistung gewinnen Gewicht gegenüber traditionellen Ordnungsprinzipien.
• Übergangsfrist: Die Fortgeltung bis 30. Juni 2026 zeigt, dass Karlsruhe nicht überhasten will – der Gesetzgeber kann handeln, muss aber nicht.
• Grenzfälle der Berufstüchtigkeit: Altersgrenzen mögen fallen, doch braucht es Kriterien, die objektiv und rechtssicher zeigen, wann Tätigkeiten gesundheitlich oder psychisch nicht mehr ausgeübt werden können.
• Auswirkungen auf Nur‑Notare: keine.
• Gesetzgeber: wenn er verhindern möchte, dass Anwaltsnotare, die bis zum 30. Juni 2026 das 70. Lebensjahr noch nicht volledet haben, zeiltich unbegrenzt als Notare arbeiten, muss der Gesetzgeber eine Regelung schaffen, die die Vorgaben des BVerfG beachtet, insb. die Berufsfreiheit wahrt und Altersdiskriminierung vermeidet.
• Anwaltsnotare, die nach dem 30. Juni 2026 das 70. Lebensjahr vollenden, können nach aktuellem Stand über das 70. Lebensjahr hinaus als Notar arbeiten.
• Anwaltsnotare, die ihr Amt als Notar bis zum 30. Juni 2026 wegen Erreichens des 70. Lebensjahres verloren haben oder noch verlieren werden, können sich auf offene Notarstellen bewerben.
Die Entscheidung des BFH vom 30. April 2025 (Az. XI R 15/23) befasst sich mit der Frage, ob und wenn ja in welchem Umfang E‑Mail-Korrespondenz im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung vorgelegt werden muss. Für Unternehmen, Steuerberater und Prüfer gleichermaßen wichtig: der BFH setzt klare Grenzen — es gibt aber auch weitreichende Pflichten.
Der BFH bestätigt, dass ein Anforderung von Unterlagen „en bloc“ – etwa dass alle E‑Mails verlangt werden – grundsätzlich zulässig sein kann, sofern das Vorlageverlangen hinreichend bestimmt ist. Im Streitfall hatte das Finanzamt verlangt, sämtliche E‑Mails, die im Zusammenhang mit einem sogenannten „Agreement“ mit einer Konzerngesellschaft standen, vorzulegen – einschließlich derjenigen, die die Verrechnungspreisdokumentation betrafen. Das Finanzgericht hatte das in Teilen beanstandet. Der BFH sieht das anders und weist die Revision ab.
Die Vorlagepflicht ergibt sich aus § 147 Abs. 6 AO, da E‑Mails, soweit sie Geschäfts- oder Handelsbriefe oder sonstige für die Besteuerung relevante Dokumente sind, aufbewahrungspflichtig sind (§ 147 Abs. 1 AO).
Der Beschluss weist damit auf eine doppelte Funktion hin:
1. Die Prüfungsbehörde erhält Spielraum, umfassend Belege anzufordern,
2. Der Steuerpflichtiger hat eine erhöhte Pflicht zur Dokumentenorganisation und Selektion.
Pro-Argumente:
– Effekt der Kontrolle: In komplexen Konzernverflechtungen oder Verrechnungspreissachverhalten kann es der Behörde kaum zugemutet werden, schon im Voraus zu wissen, welche einzelnen E‑Mails relevant sind.
– Verfahrensökonomie: Statt dass der Steuerpflichtige nur stückweise aufgefordert wird, kann durch eine umfassende Anforderung Doppelarbeit vermieden werden.
– Rechtliche Verbindlichkeit: Der BFH schafft Klarheit über die Grenzen des Bestimmtheitsgebots bei Vorlageverlangen im Außenprüfungsverfahren.
Kritik und Risiken:
– Datenschutz / Schutzrechte Dritter: E‑Mail-Korrespondenz kann auch private oder personenbezogene Elemente enthalten.
– Behördenüberforderung: Wenn Behörden ohne präzise Eingrenzung massive Datenmengen verlangen, entsteht hoher Aufwand beim Steuerpflichtigen.
– Missbrauchsgefahr: Eine „Gießkannenanforderung“ könnte zum Standardinstrument werden, übermäßig breit und belastend für Unternehmen.
Konsequenzen für die Praxis:
– Dokumentation von vornherein gezielt strukturieren (Projektordner, Schlagwortsuche, Archivierung).
– Selektionsstrategie vorbereiten und Suchvorgänge dokumentieren.
– Fristgerecht reagieren, aber nicht blind liefern.
– Internes Mandatsmanagement und datenschutzrechtliche Prüfung.
– Softwareunterstützung (E‑Discovery, Predictive Coding) einsetzen.
Für die Finanzverwaltung bedeutet der Beschluss: breite Vorlageverlangen sind zulässig, aber nicht schrankenlos; Bestimmtheit muss gewahrt bleiben.
Fazit:
Der BFH-Beschluss stärkt die Finanzverwaltung, verpflichtet aber zugleich zu sorgfältiger Methodik und Transparenz. Für Unternehmen heißt das: Vorbereitung ist alles. E-Mails sind ein wesentlicher Bestandteil der steuerlichen Substanzprüfung.
BFH, Urteil vom 9. Mai 2025 – IX R 4/23
Kern der Entscheidung – Leitsätze im Überblick
1. Die Rückabwicklung eines Vertrages kann steuerlich zurückwirken: Wird ein Anteilserwerb an einer Kapitalgesellschaft wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage rückgängig gemacht, darf diese Rückabwicklung steuerlich auf den ursprünglichen Veräußerungszeitpunkt zurückwirken – im Anschluss an IX R 17/09.
2. Vertragsumstände müssen nicht explizit im Vertrag stehen: Die maßgeblichen Umstände, die den Vertrag stützen, müssen weder im Vertragstext stehen, noch sofort gegenüber der Finanzverwaltung offengelegt werden.
3. Evidenz des Irrtums beim Abschluss erforderlich: Wer sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage beruft, muss darlegen, dass bereits bei Vertragsschluss ein Umstand erörtert wurde, dessen Eintritt so evident war, dass damit der Erfolg des Geschäfts ’steht und fällt‘.
Ein Ehepaar – zusammen veranlagte Eheleute – schloss 2019 einen Ehevertrag mit Zugewinnausgleich und Gütertrennung, sogenannte Güterstandsschaukel. Zur Erfüllung des Zugewinnausgleichsanspruchs übertrug der Ehemann seiner Ehefrau GmbH‑Anteile. Beide stützten sich auf ihren Steuerberater, der ihnen gegenüber schriftlich erklärte, dass keine Einkommensteuer anfalle. Das Finanzamt sah das anders. Es nahm einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG an. Denn die GmbH-Anteile erfüllten den Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns und damit lag ein Verkauf der Anteile vor. Daraufhin wurde die Anteilsübertragung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Jahr 2020 notariell rückabgewickelt – weg von einer Übertragung der Anteile hin zu einer Abgeltung in Geld. Das Finanzgericht in Niedersachsen erkannte diese Rückabwicklung an; der BFH bestätigte dieses Ergebnis.
– Die Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage waren erfüllt.
– Die Rückabwicklung war steuerlich bis zum Zeitpunkt der ursprünglichen Veräußerung rückwirksam möglich.
– Die Vorstellung beider Vertragspartner, die steuerlichen Folgen seien neutral, war ein wesentliches Vertragsmoment, dessen Wegfall rückwirkend zum steuerlichen Entfallen des Veräußerungsgewinns führte.
– Vertragsgestaltung: Ein verbindlicher Vertrag unterliegt im Steuerrecht nicht ewig. Wenn die partnerschaftliche Grundlage des Vertrags wegfällt, kann auch steuerlich ein neuer Blickwinkel rechtliche Anerkennung finden.
– Irrtum als Geschäftsgrundlage: Steuerliche Beratung kann entscheidend die Geschäftsgrundlage prägen. Nur wenn der Irrtum evident war und gemeinsames Verständnis bestand, lässt der BFH den rückwirkenden Wegfall der entstandenen Steuer zu.en Rückfall in die Vergangenheit zu.
– Gestaltungssicherheit: In gestaltenden Konstellationen (z. B. Erbfolge, Zugewinnausgleich) ist es geboten, steuerliche Risiken ausdrücklich zu dokumentieren und vertraglich abzusichern.
Das BFH-Urteil IX R 4/23 vom 9. Mai 2025 beschenkt die Praxis mit Klarheit: Ein verfahrensrechtlich sauberer Weg zur steuerlichen Entlastung ist möglich – sofern der Wegfall der Geschäftsgrundlage evident war und bei allen Parteien gleich verstanden wurde. Facta, non verba – nicht die Worte, sondern die zugrundeliegenden Umstände zählen. Aber: der vorliegende Fall ist ein Sonderfall. Und er zeigt auch, dass die Güterstandsschaukel funktioniert. Und die Entscheidung zeigt auch, dass die Hingabe eines Vermögensgegenstandes zur Tilgung einer Zugewinnausgleichsforderung ein entgeltliches Geschäft ist und zur Realisation stiller Reserven führt.
FG Schleswig-Holstein: Keine Kapitaleinkünfte bei unverzinslicher Ratenzahlung an Angehörige – Revision zugelassen
Das Finanzgericht Schleswig-Holstein hat mit Urteil vom 17. September 2024 (Az. 4 K 34/24) entschieden, dass die unverzinsliche Stundung einer Kaufpreisforderung im Rahmen eines Angehörigengeschäfts keine Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG begründet, wenn der Zinsvorteil ausdrücklich als Schenkung vereinbart wurde. Das Gericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen.
Im Streitfall veräußerten die Kläger ein Hausgrundstück an ihre Tochter. Der Kaufpreis sollte in monatlichen Raten gezahlt werden; eine Verzinsung wurde ausdrücklich ausgeschlossen. Die Vertragsparteien vereinbarten, dass der Zinsvorteil der Tochter geschenkt wird. Das Finanzamt sah in der unverzinslichen Ratenzahlung eine Darlehensgewährung und unterwarf den rechnerisch ermittelten Zinsanteil der Besteuerung als Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Das Finanzgericht gab der Klage statt und stellte fest, dass der in der Ratenzahlungsabrede enthaltene Zinsvorteil im vorliegenden Fall nicht als Ertrag aus einer Kapitalforderung zu qualifizieren ist. Die Differenz zwischen dem Nominalkaufpreis und dem abgezinsten Barkaufpreis wurde der Tochter ausdrücklich geschenkt. Diese freigebige Zuwendung ist als Schenkung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu qualifizieren und daher für die Einkommensteuer irrelevant. Das Gericht betonte den Anwendungsvorrang der Schenkungsteuer gegenüber der Einkommensteuer in solchen Fällen.
Das Urteil des FG Schleswig-Holstein steht im Gegensatz zu einer Entscheidung des FG Köln vom 27. Oktober 2022 (Az. 7 K 2233/20), das in einer ähnlichen Konstellation von steuerpflichtigen Kapitaleinkünften ausging. Aufgrund dieser divergierenden Rechtsprechung hat das FG Schleswig-Holstein die Revision zum BFH zugelassen. Das Revisionsverfahren wird unter dem Aktenzeichen VIII R 30/24 geführt.
Die Entscheidung des FG Schleswig-Holstein bringt Klarheit für Angehörigengeschäfte mit unverzinslicher Ratenzahlung, sofern eine Schenkungsabsicht klar dokumentiert ist. Es bleibt abzuwarten, wie der BFH in der Revision entscheiden wird. Für Steuerpflichtige und ihre Berater ist es wichtig, bei der Gestaltung solcher Verträge die Schenkungsabsicht eindeutig festzuhalten, um steuerliche Nachteile zu vermeiden. Die Entscheidung zeigt aber auch, wie kompliziert unser Steuerrecht ist.