BFH: Verzicht auf Wertausgleich bei Kapitalmaßnahme einer GmbH als Schenkung unter Gesellschaftern – Vorsicht Falle

Anmerkung zum Urteil des BFH vom 19.06.2024 – II R 40/21

Die Entscheidung des BFH zeigt erneut, dass die Schenkungsteuer im Zusammenhang mit Beteiligungen an Gesellschaften immer mehr in den Fokus der Finanzverwaltung rückt. Was eine Betriebsprüfung vor 20 Jahren nie aufgegriffen hätte, gehört heute zum Alltag der Finanzverwaltung. Bei gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen müssen wir also immer auch die Schenkungsteuer im Blick haben.

Was war passiert: mit Urteil vom 19. Juni 2024 hat der Bundesfinanzhof (Az. II R 40/21) eine praxisrelevante und zugleich steuerlich folgenreiche Entscheidung zur schenkungsteuerlichen Behandlung von Gesellschaftermaßnahmen in Kapitalgesellschaften getroffen. Danach kann der Verzicht eines Gesellschafters auf einen angemessenen Wertausgleich im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung über die Kapitalrücklage als freigebige Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG qualifiziert werden. Die Entscheidung wirft ein scharfes Licht auf den Spannungsbogen zwischen gesellschaftsrechtlicher Dispositionsfreiheit und steuerrechtlicher Bewertung von Vermögensverschiebungen.

Sachverhalt: Kapitalrücklage, Sonderzuordnung und Verzicht

Im zugrunde liegenden Fall war die Klägerin Miterbin eines GmbH-Gesellschafters. Nach dem Gesellschaftsvertrag sollten freiwillige Leistungen der Gesellschafter in die Kapitalrücklage einer GmbH personenbezogen zugeordnet werden. Diese Zuordnung diente – wirtschaftlich nachvollziehbar – dazu, die Wertsteigerung der Beteiligung transparent und erbschaftsnah auf die leistenden Gesellschafter (bzw. deren Rechtsnachfolger) zurückzuführen.

Im Rahmen einer späteren Kapitalerhöhung wurde die zuvor personen- bzw. erbbezogene Kapitalrücklage jedoch – abweichend von der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungpro-rata auf sämtliche Gesellschafter entsprechend ihrer Beteiligungsquoten verteilt. Diese Zurechnung zugunsten anderer Gesellschafter erfolgte ohne Ausgleichszahlung oder andere Kompensation.

Die Klägerin machte geltend, dass keine freigebige Zuwendung vorliege, da es sich um eine unternehmerisch motivierte Maßnahme gehandelt habe, die auf einer einvernehmlichen Gestaltung beruhte.

Rechtliche Würdigung durch den BFH

Der Bundesfinanzhof schloss sich der Auffassung der Finanzverwaltung an und bejahte eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Er stützte seine Entscheidung auf folgende zentralen Erwägungen:

  1. Verzicht auf Wertausgleich als Vermögensverschiebung:
    Die durch die Kapitalmaßnahme bewirkte Verlagerung von anteiligen Rücklagen zugunsten anderer Gesellschafter ohne entsprechende Gegenleistung stelle eine Vermögensminderung auf Seiten der Klägerin und eine gleichzeitige Vermögensmehrung bei den anderen Gesellschaftern dar.
  2. Keine gesellschaftsrechtliche Pflicht zur Gleichverteilung:
    Der ursprüngliche gesellschaftsvertragliche Mechanismus hatte ausdrücklich eine personenbezogene Zuordnung vorgesehen. Von dieser wurde im Einzelfall abgewichen. Die freiwillige Zustimmung zur Gleichverteilung begründe gerade keine Pflicht und schließe daher die Freigebigkeit im steuerlichen Sinne nicht aus.
  3. Subjektives Element der Freigebigkeit ausreichend:
    Der BFH betont, dass es für das Vorliegen einer Schenkung nicht auf die Absicht zur Unentgeltlichkeit im zivilrechtlichen Sinne ankommt. Ausreichend sei, dass der Leistende bewusst auf einen Wertausgleich verzichtet, um dem anderen einen Vorteil zu verschaffen.

Einordnung und Praxishinweis

Die Entscheidung verdeutlicht, dass innenrechtliche Vereinbarungen unter Gesellschaftern – selbst wenn sie wirtschaftlich oder familiär motiviert und fair sind – nicht automatisch die schenkungsteuerliche Bewertung verhindern. Entscheidend ist, ob und in welchem Umfang Vermögenswerte unentgeltlich oder teilentgeltlich auf andere Gesellschafter übertragen werden.

Die dogmatische Linie des BFH ist klar: Sobald aus einem individuell zurechenbaren Vermögensposten (hier: Kapitalrücklage) ein anderer Gesellschafter ohne Gegenleistung wirtschaftlich profitiert, liegt eine steuerbare freigebige Zuwendung vor. Auf das Bewusstsein der Unentgeltlichkeit kommt es nicht an.

Für die Praxis ergibt sich daraus ein Warnsignal:

  • Gestaltungen zur Kapitalstärkung über das Eigenkapital, insbesondere im Wege der Kapitalrücklage oder Kapitalerhöhungen, sollten im Vorfeld gesellschaftsvertraglich präzise geregelt werden.
  • Eine Abweichung von vertraglichen Zuweisungsregelungen – selbst im Konsens der Gesellschafter – kann steuerliche Konsequenzen für den Leistenden oder dessen Erben auslösen.

Fazit

Der BFH schließt eine steuerneutrale Gestaltung unter Gesellschaftern nicht aus, verlangt jedoch Klarheit, Stringenz und Gegenleistung, wenn es um die Verteilung von Vermögenswerten innerhalb einer GmbH geht. Die Entscheidung mahnt zur Vorsicht bei scheinbar internen Absprachen: Was gesellschaftsrechtlich erlaubt ist, kann steuerlich zur Falle werden.

Dona donata non recipitur – eine einmal vollzogene Schenkung lässt sich steuerlich nicht ungeschehen machen.

Vergleichsdruck von Gerichten: ein Weckruf aus Karlsruhe – BVerfG, Beschluss vom 3. März 2025 – 1 BvR 750/23 und 1 BvR 763/23

Eigentlich ist es traurig, dass es in dieser Sache einer Entscheidung des BVerfG bedurfte.

Einleitung

In einer wegweisenden Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) klargestellt, dass übermäßiger Druck seitens der Gerichte auf Parteien, einen Vergleich zu schließen, die Besorgnis der Befangenheit begründen kann. Diese Entscheidung reflektiert eine in der Praxis zunehmend beobachtete Tendenz: Gerichte drängen Parteien verstärkt zu Vergleichen, oft unter dem Deckmantel der Verfahrensökonomie. Aus unserer praktischen Erfahrung wissen wir, dass diesem Druck nur durch Standhaftigkeit und konsequentes Agieren begegnet werden kann.

Der Fall vor dem BVerfG

Im Zentrum der Entscheidung stand ein seit 2015 (!) anhängiges Zivilverfahren vor dem Landgericht München I. Die Vorsitzende Richterin hatte mehrfach betont, dass die Kammer aufgrund von Überlastung nicht in der Lage sei, einen Beweisbeschluss zu erlassen, und drängte stattdessen auf eine vergleichsweise Einigung. Die Klägerin lehnte dies ab und beantragte die Ablehnung der Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit.

Das BVerfG gab der Verfassungsbeschwerde statt und stellte fest, dass das Verhalten der Richterin das Recht der Klägerin auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt habe.

Unsere Beobachtungen aus der Praxis

Diese Entscheidung des BVerfG bestätigt eine Entwicklung, die wir in unserer täglichen Arbeit beobachten: Gerichte neigen zunehmend dazu, Parteien zu Vergleichen zu drängen, oft unter Verweis auf die Überlastung der Justiz oder die Kosten eines streitigen Verfahrens. Dabei wird der Eindruck erweckt, dass eine vergleichsweise Einigung der einzig gangbare Weg sei, um eine zügige Entscheidung zu erreichen.

Diese Praxis kann jedoch das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Gerichte untergraben und den Eindruck erwecken, dass die Gerichte nicht mehr neutral zwischen den Parteien stehen, sondern ein eigenes Interesse an der Verfahrensbeendigung haben. Zudem haben wir immer wieder den Eindruck, dass Gerichte nicht selten versuchen, komplexe Themen In unzulässiger Weise zu vereinfachen und auf dieser Basis, zur Überraschung / zum Entsetzen der Prozessbeteiligten abenteuerlicher Auffassungen vertreten.

Hinzu kommt, dass jedenfalls wir, bevor wir einen Rechtsstreit beginnen, außergerichtlich alle Möglichkeiten einer einvernehmlichen Lösung bereits abgeklopft haben. Warum Gerichte häufig meinen, es besser als die Beteiligten zu wissen, erschließt sich jedenfalls dann nicht, wenn alle Parteien sehr gut vertreten sind.

Konsequenzen für die Prozessführung

Die Entscheidung des BVerfG ist ein deutliches Signal an die Gerichte, ihre Rolle als neutrale Instanz zu wahren und den Parteien die Freiheit zu lassen, über den Abschluss eines Vergleichs selbst zu entscheiden. Für Prozessparteien bedeutet dies:

  • Standhaftigkeit bewahren: Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen, einen Vergleich zu schließen, wenn dieser nicht in Ihrem Interesse liegt.
  • Konsequentes Agieren: Dokumentieren Sie alle Hinweise und Äußerungen des Gerichts, die als Druck empfunden werden könnten, und ziehen Sie gegebenenfalls rechtliche Schritte in Betracht.
  • Rechtsmittel prüfen: Bei Anzeichen von Befangenheit sollte ein entsprechender Antrag gestellt werden, um das Recht auf den gesetzlichen Richter zu wahren.

Fazit

Die Entscheidung des BVerfG stärkt die Rechte der Prozessparteien und mahnt die Gerichte zur Zurückhaltung bei der Vergleichsvermittlung. Sie unterstreicht die Bedeutung der richterlichen Neutralität und erinnert daran, dass der Weg zur Gerechtigkeit nicht durch Abkürzungen, sondern durch faire und unparteiische Verfahren führt.

Der Laie staunt und der Fachmann wundert sich – § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG – Schenkungsteuer im Zusammenhang mit Beteiligungen – die oft verkannten Gefahr

BFH zur Werterhöhung von GmbH-Anteilen – Urteil vom 10.04.2024 (II R 22/21)

Guter Rat ist teuer, aber schlechter Rat kann noch viel teurer sein.

Wer im Steuerrecht nach zivilrechtlicher Logik sucht, wird nicht immer fündig. Das zeigt einmal mehr das aktuelle Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. April 2024 (Az. II R 22/21). Im Zentrum steht § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG – eine Vorschrift, die eine Schenkung fingiert, die zivilrechtlich nicht vorliegt. Entscheidend ist nicht der Wille, sondern die Wirkung: Wenn die Vermögensposition eines Dritten verbessert wird, kann Schenkungsteuer entstehen – auch ohne Zuwendung im klassischen Sinn.

Worum ging es konkret?

Miterben verkauften einen durch Erbanfall erworbenen Anteilen mit Kaufvertrag vom 10.10.2013 an der T GmbH an eben diese T GmbH zum Kaufpreis von 300.000 €. Der Bestimmung des Kaufpreises lagen zwei Unternehmensbewertungen zum 31. zwölften 2009 zugrunde. Auf dieser Basis hatten sich die Miterben auf einen Unternehmenswert der T-GmbH von 1.000.000,00 € geeinigt.

Mit Feststellungsbescheid vom 27.04.2017 stellte das Finanzamt den Wert des am 10.10.2013 verkauften Geschäftsanteils auf 1.818.176,00 € fest.

In Höhe der Differenz zwischen dem festgestellten Wert und dem Kaufpreis ging das Finanzamt von Schenkungen im Sinne von § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG aus und setzte mit Bescheiden Schenkungsteuer fest.

Einspruch und Klage vor dem Finanzgericht blieben erfolglos.

Vor dem Bundesfinanzhof rügte der Kläger die Verletzung des § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG. Nach Auffassung des Klägers fehlte es an einer Leistung im Sinne des Gesetzes. Der Begriff der Leistung können nur solche Handlungen erfassen, die das Vermögen der T-GmbH als Empfängerin mehren könnten. Durch den Erwerb eigener Anteile erhöhe sich aber nicht der Wert des Gesellschaftsvermögens.

Dieser Rechtsauffassung erteilte der BFH eine Absage. Das Finanzgericht habe zu Recht die Anteilsabtretung an die T-GmbH als Leistung im Sinne von § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG eingeordnet.

Zudem stellt der BFH klar, dass eine Werterhöhung nach § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG nicht nach den §§ 13a, 13b ErbStG begünstigt ist. Denn hier sei Zuwendungsgegenstand allein die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft. Diese Werterhöhung zähle aber nicht zum begünstigten Vermögen nach § 13b Abs. 1 ErbStG. Auch die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Vorschrift lägen nicht vor.

All das zeigt: Auch eine mittelbare Vermögensmehrung – wie hier durch Verkauf einer Beteiligung unter Wert – kann als Schenkung gelten, wenn sie den Wert fremder Anteile erhöht. Maßgeblich ist allein, dass ein unentgeltlicher Vorteil zugewendet wird – nicht an wen, sondern für wen. Es kommt auch nicht darauf an, ob eine Schenkung vorliegt.

§ 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG: Die juristisch elegante Fiktion

Die Vorschrift lautet:

„Als Schenkung gilt auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt.“

Was harmlos klingt, ist in der Praxis weitreichend. Der Gesetzgeber hat sich bewusst vom klassischen zivilrechtlichen Schenkungsbegriff gelöst. Es geht nicht mehr um Absichten oder persönliche Nähe, sondern um wirtschaftliche Realität. Wer durch sein Tun den Wert fremder Vermögenspositionen erhöht, kann – so der BFH – Schenkungsteuer auslösen.

Praxisrelevanz: besonders bei Kapitalgesellschaften und Startups

Gerade bei Kapitalgesellschaften mit mehreren Gesellschaftern – und insbesondere bei Startups in der Frühphase – ist das Urteil von erheblicher Bedeutung. Denn es kommt nicht selten vor, dass einzelne Gesellschafter zur Stabilisierung der Gesellschaft freiwillige Leistungen erbringen: zinslose Darlehen, stille Einlagen oder direkte Geldzuflüsse ohne gesellschaftsvertragliche Verpflichtung.

Problematisch wird es dann, wenn andere Gesellschafter dadurch wertmäßig profitieren, ohne dass eine Gegenleistung erfolgt. Typische Konstellationen:

  • Ein Gesellschafter bringt Zusatzkapital in die GmbH ein, ohne dass sich die Beteiligungsverhältnisse ändern.
  • Eine nahestehende Person erbringt eine Fremdleistung an die GmbH (z. B. Marketing, Entwicklung), ohne Entgelt.
  • Der Gesellschafter verzichtet endgültig auf eine Forderung gegenüber der Gesellschaft – und stärkt damit den Unternehmenswert zulasten seines Vermögens.

In all diesen Fällen kann das Finanzamt – gestützt auf § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG – eine steuerpflichtige Schenkung an die Mitgesellschafter annehmen.

Beratungshinweis: Augenmaß bei „freundlichen Leistungen“

Die Entscheidung des BFH ist kein Ausreißer, sondern Ausdruck einer konsequent wirtschaftsbezogenen Auslegung. Sie zeigt deutlich:
Nicht jede Förderung der Gesellschaft bleibt steuerneutral. Wer Kapital zuschießt, Rechte aufgibt oder auf Entgelte verzichtet, sollte prüfen (lassen), ob – und gegenüber wem – dadurch ein steuerlich relevanter Vorteil entsteht.

Insbesondere in Startups, wo der Umgang mit Liquidität oft pragmatisch und kooperativ erfolgt, sollte das Thema Schenkungsteuer frühzeitig mitgedacht werden. Denn der gute Wille eines Gesellschafters kann – unbeabsichtigt – zur Steuerfalle für andere werden.

Fazit: Schenkungsteuer ohne Schenkung – aber mit Wirkung

Das Urteil des BFH macht deutlich, dass die Schenkungsteuer auch in vermeintlich „gestaltungsfreien“ Bereichen greift – etwa bei gesellschaftsbezogenen Leistungen, die mittelbar Dritten zugutekommen. Die Abkehr vom zivilrechtlichen Schenkungsbegriff ist gewollt. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG schafft einen eigenständigen steuerlichen Tatbestand.

Für Berater bedeutet das:
Gesellschaftsrechtliche Vorgänge sollten immer auch schenkungsteuerlich durchleuchtet werden – gerade dort, wo freiwillige oder unentgeltliche Leistungen im Raum stehen.

Denn im Zweifel fragt das Finanzamt nicht: „Wollten Sie schenken?
sondern: „Wer wurde reicher – und wieviel?“

BFH-Beschluss vom 14. Mai 2024 – IV B 35/23: Verfahrensfehler und Überraschungsentscheidung des FG München bei der Feststellung ausländischen Rechts

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 14. Mai 2024 (Az. IV B 35/23) ein Urteil des Finanzgerichts München aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Grund dafür waren erhebliche Verfahrensfehler, insbesondere die Verletzung der Sachaufklärungspflicht und eine Überraschungsentscheidung im Zusammenhang mit der Feststellung ausländischen Rechts.

Da von Steuerpflichtigen geführte NZB – Verfahren nur recht selten erfolgreich sind, ist die Entscheidung schon aus diesem Grund lesenswert.

Hintergrund des Verfahrens

Im zugrunde liegenden Fall ging es um die steuerliche Behandlung einer Abschlusszahlung aus einem Filmverwertungsvertrag. Dabei war entscheidend, wie das kalifornische Recht bestimmte Vertragsklauseln interpretiert. Das Finanzgericht hatte hierzu ein Sachverständigengutachten eingeholt. Die Klägerin beantragte die Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung und stellte ein Ablehnungsgesuch gegen ihn. Das Gericht lehnte jedoch sowohl die Ladung als auch die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ab und berief sich auf eigene Sachkunde.

Verletzung der Sachaufklärungspflicht

Der BFH stellte fest, dass das Finanzgericht gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verstoßen hat. Das Gericht hatte seine eigene Sachkunde unter anderem aus den Gutachten des abgelehnten Sachverständigen gewonnen, ohne dessen Ladung zur mündlichen Verhandlung zu ermöglichen oder über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden. Ein solcher Umgang mit Beweisanträgen und Ablehnungsgesuchen stellt einen Verfahrensfehler dar, da das Gericht seine Entscheidung auf Erkenntnisse stützte, die von einem möglicherweise befangenem Gutachter stammen.

Überraschungsentscheidung und Gehörsverstoß

Zudem sah der BFH eine Überraschungsentscheidung vorliegen, da das Finanzgericht vor Erlass seines Urteils nicht darauf hingewiesen hatte, dass es den Beweisbeschluss als erledigt ansah. Die Beteiligten konnten daher nicht damit rechnen, dass das Gericht ohne weitere Beweisaufnahme entscheiden würde. Dies stellt einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG dar.

Konsequenzen und Bedeutung

Der BFH hob das Urteil des Finanzgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Beweisaufnahme und der Wahrung des rechtlichen Gehörs der Beteiligten. Insbesondere bei der Feststellung ausländischen Rechts müssen Gerichte sicherstellen, dass ihre eigene Sachkunde nicht auf Erkenntnissen basiert, die aus möglicherweise fehlerhaften oder befangenem Gutachten stammen.

Fazit

Der Beschluss des BFH verdeutlicht die hohen Anforderungen an die Verfahrensführung bei der Feststellung ausländischen Rechts. Gerichte müssen ihre Sachkunde transparent darlegen und dürfen sich nicht auf Erkenntnisse stützen, die aus fragwürdigen Quellen stammen. Zudem müssen sie sicherstellen, dass alle Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme haben, um Überraschungsentscheidungen zu vermeiden.

Für Steuerpflichtige und ihre Berater bedeutet dies, dass sie bei Verfahren mit Auslandsbezug besonders auf eine vollständige und korrekte Beweisaufnahme achten sollten. Bei Zweifeln an der Unparteilichkeit von Sachverständigen sollten entsprechende Ablehnungsgesuche gestellt und auf deren Entscheidung bestanden werden.

Der vollständige Beschluss ist auf der Website des Bundesfinanzhofs abrufbar: BFH, Beschluss vom 14.05.2024 – IV B 35/23.

Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut

Das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 22. Oktober 2024 (Az. 14 U 194/23) illustriert eindrucksvoll die Risiken gutgemeinter, aber rechtlich unzulässiger Rechtsdienstleistungen durch Nichtjuristen. Dabei verkennen wir nicht, dass es einige Steuerberater und auch Wirtschaftsprüfer gibt, die über sehr ordentliche juristische Kenntnisse verfügen und die zudem einen deutlich besseren wirtschaftlichen Blick auf die Dinge haben. Sie sind dann aber besser beraten, einen Juristen, sei er Rechtsanwalt oder Notar, auf die Sprünge zu helfen statt das Zepter selbst in die Hand nehmen zu wollen. Jetzt wurde ein Steuerberater verurteilt, weil er für ein befreundetes Ehepaar unentgeltlich eine Trennungsfolgenvereinbarung entwarf – ein klarer Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG).

Der Sachverhalt

Der Beklagte, ein Steuerberater und vereidigter Buchprüfer, war langjähriger Berater eines Ehepaars. Nach deren Trennung des Paares im Jahr 2021 entwarf er auf Wunsch der Eheleute unentgeltlich einen Ehevertrag, der Regelungen zu Gütertrennung, Unterhaltsverzicht, Versorgungsausgleich und Erbverzicht enthielt. Der Vertrag wurde später notariell beurkundet. Leider ist nicht überliefert, ob und in welchem Umfang der Entwurf des Steuerberaters von dem Notar geändert worden ist. Vielleicht war der Entwurf des Steuerberaters sogar sehr ordentlich. Aus der Entscheidung ist auch nicht zu erkennen, wie die Rechtsanwaltskammer von den Aktivitäten des Steuerberaters erfahren hatte. Denn die Rechtsanwaltskammer mahnte den Steuerberater wegen eines Verstoßes gegen das RDG ab. der Steuerberater verteidigte sich vor dem Landgericht und wies darauf hin, es habe sich um einen unentgeltlichen Freundschaftsdienst gehandelt. Die Rechtsdienstleistung sei damit zulässig gewesen.

Die rechtliche Bewertung

Das OLG Karlsruhe hob das Urteil des Landgerichts auf und stellte fest, dass der Steuerberater durch die Erstellung des Vertragsentwurfs eine unerlaubte Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG erbracht hatte. Die Tätigkeit erfordere eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls und ging über eine bloße steuerliche Beratung hinaus.

Eine Ausnahme nach § 6 RDG, die unentgeltliche Rechtsdienstleistungen im persönlichen Umfeld erlaubt, lehnte das Gericht ab. Die Tätigkeit stand im Zusammenhang mit der entgeltlichen Steuerberatung, wodurch die Unentgeltlichkeit ausgeschlossen war. Zudem fehlte es an einem besonders engen persönlichen Verhältnis zur Ehefrau, was die Anwendung des § 6 Abs. 2 RDG verhinderte.

Besonders gravierend war aber der Verstoß gegen § 4 RDG, da der Steuerberater beide Ehepartner beriet, obwohl deren Interessen im Scheidungsfall naturgemäß divergieren. Das Gericht sah hierin eine unzulässige Interessenkollision, die die ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung gefährdete.

Die Konsequenzen

Das OLG verurteilte den Beklagten zur Unterlassung derartiger Rechtsdienstleistungen und zur Zahlung der Abmahnkosten in Höhe von 250 Euro. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Fazit

Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung der klaren Trennung zwischen steuerlicher und rechtlicher Beratung. Selbst bei langjährigen Mandatsverhältnissen und persönlicher Nähe dürfen Steuerberater nicht in rechtliche Bereiche vordringen, für die sie keine Zulassung haben. Gut gemeinte Hilfe kann schnell zu rechtlichen Verstößen führen – ein klassischer Fall von „Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut“.

Das Urteil dient als Mahnung für alle beratenden Berufe, die Grenzen ihrer Befugnisse zu respektieren und im Zweifelsfall rechtlichen Rat einzuholen. Dennoch ist es natürlich sinnvoll, als Steuerberater über das Steuerrecht hinausgehende rechtliche Kenntnisse zu haben. Ebenso sinnvoll ist es natürlich auch für Rechtsanwälte und Notare, steuerrechtliche Kenntnisse zu haben und in die Tätigkeit einfließen zu lassen. Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, Steuerberater der Mandanten in unsere Rechtsberatung und in notarielle Tätigkeiten, soweit steuerrechtliche Themen eine Rolle spielen, frühzeitig einzubinden. Das aber setzt natürlich auch ein steuerrechtliches Problembewusstsein voraus, über das nicht viele Rechtsanwälte und / oder Notare verfügen.

BAG zum (Nicht)Zugang einer Kündigung per Einwurf – Einschreiben (BAG, Urteil vom 30.01.2025, 2 AZR 68/24) – Vorsicht Falle

Das BAG gelangte in seinem Urteil vom 30.01.2025, 2 AZR 68/24, zu dem Ergebnis, dass der Arbeitgeber den Zugang der Kündigung trotz Einwurf-Einschreibens nicht nachweisen konnte. Damit verlor der Arbeitgeber das Verfahren vor dem BAG. Diese Entscheidung bedarf einer genaueren Betrachtung, um die Feinheiten im Sachverhalt zu erkennen.

Grundsätzlich gilt, dass der Einwurf einer Kündigung in den Briefkasten für den Zugang bei dem Empfänger ausreicht. Es kommt nicht darauf an, ob der Kündigungsempfänger die Kündigung auch wirklich zur Kenntnis nimmt.

Das BAG wörtlich in Rz. 17 der Entscheidung, Hervorhebungen durch uns :
„Der Bundesgerichtshof hat angenommen, dass für den Absender eines Einwurf-Einschreibens bei Vorlage des Einlieferungsbelegs zusammen mit einer Reproduktion des Auslieferungsbelegs der Beweis des ersten Anscheins streitet, dass die Sendung durch Einlegen in den Briefkasten bzw. das Postfach zugegangen ist, wenn ein näher beschriebenes Verfahren eingehalten wurde (vgl. BGH 11. Mai 2023 – V ZR 203/22 – Rn. 8; 27. September 2016 – II ZR 299/15 – Rn. 33, BGHZ 212, 104).“

In dem vom BAG entschiedenen Fall lagen die Dinge allerdings in einem kleinen Detail anders. Dem BAG reichte der von dem Arbeitgeber vorgelegte Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens, aus dem neben dem Datum und der Uhrzeit der Einlieferung die jeweilige Postfiliale und die Sendungsnummer ersichtlich sind, zusammen mit einem von dem Arbeitgeber im Internet abgefragten Sendungsstatus („Die Sendung wurde am 28.07.2022 zugestellt.“) nicht für einen Beweis des ersten Anscheins, dass das Schreiben der Arbeitnehmerin tatsächlich zugegangen war.

Das BAG weiter wörtlich in Rz. 20 der Entscheidung:
„Der Ausdruck des Sendungsstatus, auf dem dieselbe Sendungsnummer wie auf dem Einlieferungsbeleg sowie das Zustelldatum vermerkt sind, bietet ebenfalls keine ausreichende Gewähr für einen Zugang. In diesem Fall lässt sich weder feststellen, wer die Sendung zugestellt hat noch gibt es ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass das vom Bundesgerichtshof beschriebene oder das jeweils gültige Verfahren der Deutschen Post AG für die Zustellung der eingelieferten Postsendung tatsächlich eingehalten wurde. Der Sendungsstatus ist kein Ersatz für den Auslieferungsbeleg. Er sagt nichts darüber aus, ob der Zusteller tatsächlich eine besondere Aufmerksamkeit auf die konkrete Zustellung gerichtet hat, die den Schluss rechtfertigen würde, dass die eingelieferte Sendung in den Briefkasten des Empfängers gelangt ist.“

Entscheidend ist also nach Auffassung des BAG nicht die Vorlage des Sendungsstatus, sondern der Auslieferungsbeleg. allerdings sei hier schon die kritische Anmerkung erlaubt, welchen anderen Sinn denn der Vermerk in dem Sendungsstatus („Die Sendung wurde am 28.07.2022 zugestellt.“) gehabt haben soll, als dass der Zusteller den Einwurf in den Briefkasten bestätigt.

Ich halte die Entscheidung des BAG daher für lebensfern und kleinteilig. zudem lädt die Rechtsprechung dazu ein. vor Gericht zu lügen. Dennoch sollte das Urteil des BAG in allen Fällen einer Kündigung beachtet werden.

Die deutliche sicherere Methode, um den Zugang einer Kündigung nachweisen zu können, ist der Einwurf durch einen Boten. Dabei sollte der Kündigende sich aber nicht nur den Einwurf in den Briefkasten durch den Botenschriftlich bestätigen lassen unter Angabe von Datum und Uhrzeit. Der Kündigende sollte sich durch den Boten auch schriftlich bestätigen lassen, welchen Inhalt der Briefumschlag genau gehabt hat. Dazu bietet es sich an, der schriftlichen Bestätigung des Boten eine Kopie der Kündigungserklärung beizufügen. Schriftlich sollte die Bestätigung deshalb sein, weil der Zeuge schließlich auch versterben könnte.

Weitere Frage: Wäre nicht die Zustellung der Kündigung per Einschreiben Rückschein sinnvoller? Antwort: Auf keinen Fall, denn damit erreicht der Kündigende oft das genaue Gegenteil. Trifft der Briefträger den Adressaten eines Einschreibens mit Rückschein nicht an, wirft er eine Benachrichtigung in den Briefkasten des Empfängers, dass eine Sendung nicht zugestellt werden konnte, und dass der Empfänger die Sendung in einem bestimmten Postamt abholen kann. Holt der Empfänger das Einschreiben ab, muss er den Empfang mit seiner Unterschrift quittieren. Dann ist alles gut.

Holt der Empfänger das Einschreiben aber nicht ab, dann schickt die Post das Einschreiben an den Kündigenden zurück, versehen mit dem Vermerk, dass das Einschreiben nicht zugestellt werden konnte. Damit hat der Kündigende also das genaue Gegenteil von dem in der Hand, was er eigentlich wollte. Er hat jetzt nicht den Nachweis, dass die Kündigung zugegangen ist, sondern er hat den Nachweis, dass die Kündigung gerade nicht zugegangen ist.

Vorsicht Falle: die 10-jährige Spekulationsfrist nach § 23 EStG – Keine Bindung, keine Steuer

In seinem Urteil vom 25. März 2021 (IX R 10/20) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass es für die Besteuerung eines privaten Veräußerungsgeschäfts nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG entscheidend darauf ankommt, wann die Parteien rechtlich gebunden sind. Der bloße Abschluss eines notariellen Kaufvertrags reicht nicht aus, wenn die rechtliche Bindungswirkung, z.B. aufgrund fehlender Vertretungsmacht nicht oder erst später, nach Ablauf der Frist von 10 Jahren, eintritt.

In dem Urteilsfall kauften Eheleute im Jahr 2002 eine Eigentumswohnung, die sie vermieteten. Die Anschaffung erfolgte, indem sie am 20.12.2002 ein notariell beurkundetes Angebot zum Erwerb der Wohnung abgaben. Dieses Angebot nahm der Verkäufer am 07.01.2003 an.

Mit Kaufvertrag vom 27.12.2012 verkauften die Kläger die Wohnung, die in einem Sanierungsgebiet (§ 142 BauGB) lag. Die für die Eigentumsumschreibung notwendige  sanierungsrechtliche Genehmigung erteilte die Behörde am 05.02.2013.

Aus dem Verkauf erzielten die Steuerpflichtigen einen Überschuss von rund 200.000 EUR. Das Finanzamt erfasste den Überschuss als Einkünfte aus § 23 EStG (“Spekulationsgeschäft”). Maßgebend seien die geschlossenen Verträge über die Anschaffung einerseits und über den Verkauf der Wohnung andererseits. Die Anschaffung sei erst mit der Annahme des Angebots durch den Verkäufer am 07.01.2003 erfolgt. Der Verkauf der Wohnung sei dagegen bereits mit Abschluss des Kaufvertrages am 27.12.2012 und damit innerhalb der Spekulationfrist von 10 Jahren erfolgt. Die spätere Genehmigung durch die Behörde am 05.02.2013 läge zwar außerhalb der 10 Jahres-Frist, sie wirke aber auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages zurück.

Einspruch und Klage der Steuerpflichtigen gegen den Steuerbescheid für 2012 blieben erfolglos.

Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung der Finanzverwaltung und des Finanzgerichts. Maßgebend sei, wann ein beiderseits bindender Vertragsschluss vorgelegen habe. Das sei mit dem Kaufvertrag vom 27.12.2012 der Fall gewesen. Sowohl Verkäufer als auch Käufer seien an die von ihnen an dem Tag abgegebenen Erklärungen gebunden gewesen. Sie hätten sich bis zur Erteilung der Genehmigung durch die Behörde von dem Vertrag nicht mehr lösen können.

Für den Bundesfinanzhof war nicht entscheidend, ob die Genehmigung steuerlich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, 27.12.2012, zurückgewirkt hat. Denn die bindende Veräußerung habe schon bei Abschluss des Kaufvertrages am 27.12.2012 und damit innerhalb der Zehnjahresfrist vorgelegen. Ein für die Kläger ebenso bitteres wie teures Ergebnis, das bei einen nur geringfügig später geschlossenen Kaufvertrtag einfach hätte vermieden werden können.

In der Praxis kommt es häufig vor, dass Verkäufer oder Käufer schon innerhalb der steuerschädlichen Zehnjahresfrist eine bindende Vereinbarung haben, den Spekulationsgewinn aber gerne vermeiden möchten. Denn was ist, wenn die andere Partei es sich anders überlegt und abspringt?

Schließen die Parteien jetzt einen beide Seiten bindenden Vertrag, ohne dass mehr als zehn Jahre seit dem Abschluss des Anschaffungsvertrages vergangen sind, sind sie in die Steuerfalle getappt. Es liegt ein zu versteuernder Spekulationsgewinn vor.

Wie lässt sich diese missliche Situation vermeiden?

Dazu gibt es mindestens zwei Lösungen: Entweder splittet man den Kaufvertrag in Angebot und Annahme auf, oder aber der Kaufvertrag wird von einer der beiden Seiten, Verkäufer oder Käufer, von einem vollmachtlosen Vertreter geschlossen.

Das den Verkäufer oder Käufer bindende Angebot gibt der anderen Vertragspartei die Sicherheit, dass sie den Kaufvertrag durch einseitige Erklärung wirksam werden lassen kann. Der durch das Angebot gebundene Vertragsteil kann nicht mehr „ausbüxen“. Wichtig: die Annahmeerklärung muss außerhalb der Zehnjahresfrist abgegeben werden.

Das Gleiche gilt bei Abschluss eines Kaufvertrages durch mindestens einen vollmachtlosen Vertreter. Der Abschluss eines solchen Kaufvertrages kann in dem Zeitraum von zehn Jahren liegen. Denn eine Bindungswirkung liegt mangels Genehmigung nicht vor. Der Kaufvertrag wird erst durch die Genehmigungserklärung für beide Seiten bindend. Dass die Genehmigungserklärung zivilrechtlich Rückwirkung hat, ist steuerlich nicht relevant.

Das Urteil hat erhebliche praktische Relevanz: Bei Grundstücksgeschäften, die nahe an der Zehnjahresgrenze liegen, ist auf die rechtliche Wirksamkeit und Bindungswirkung der Vertragsparteien zu achten. Notare und Steuerberater sind gut beraten, diese Themen sorgfältig zu prüfen, um unangenehme Folgen zu vermeiden.

Die Debatte um die Altersgrenze für Notare: Ein Blick auf die Argumente der Altersforscher lohnt sich

In Deutschland erlischt das Amt eines Notars gemäß §§ 47 Nr. 2, 48a der Bundesnotarordnung mit Vollendung des 70. Lebensjahres. Diese Regelung steht aktuell auf dem Prüfstand, da der Anwaltsnotar Dietrich Hülsemann aus Dinslaken sie als verfassungswidrig ansieht und dagegen klagt. Am 25. März 2025 fand hierzu eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) statt.

Ein zentrales Argument für die Altersgrenze ist die Sicherstellung eines Generationenwechsels und die Verjüngung des Berufsstands der Notare. Der Bundesgerichtshof (BGH) betonte in einem Urteil vom August 2023, dass die Altersgrenze dazu diene, den Generationenwechsel zu erleichtern und den Berufsstand zu verjüngen. Zudem sei sie erforderlich, um den Berufsstand der Notare zu verjüngen.

Dagegen wird ins Feld geführt, dass es einen Nachwuchsmangel bei den Anwaltsnotaren gibt. In der Tat gibt es offene Stellen, die mangels Bewerbern nicht besetzt werden können. Die Reaktion der Notarkammern: die Zahl der von einem Anwaltsnotar im Schnitt zu erledigender UVZ Nummern wird einfach hochgesetzt. Das aber löst das Problem mangelnden Nachwuchses nicht.

An der starren Altersgrenze gibt es weitere kritische Stimmen insbesondere aus der Altersforschung. Professor Hans-Werner Wahl von der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie argumentiert, dass viele 75-Jährige heute geistig und körperlich auf dem Stand von 56-Jährigen vor 20 Jahren seien. Er betont, dass erst ab etwa 80 Jahren ein signifikanter Abbau bei der Fähigkeit, schnelle Entscheidungen unter Mehrfachbelastung zu treffen, zu beobachten sei. Das Erfahrungswissen bleibe jedoch oft noch lange erhalten.

Dr. Jenna Wünsche vom Deutschen Zentrum für Altersfragen unterstützt diese Sichtweise. Sie weist darauf hin, dass in Forschungssettings oft maximale Leistungsfähigkeiten gemessen werden, während im Berufsalltag häufig ein Mindestmaß an Fähigkeiten ausreiche, um den Anforderungen gerecht zu werden. 

Diese Erkenntnisse werfen die Frage auf, ob eine starre Altersgrenze von 70 Jahren noch zeitgemäß ist. Angesichts der steigenden Lebenserwartung und verbesserten Gesundheit im Alter könnte eine flexiblere Handhabung sinnvoll sein. Es gilt abzuwägen, inwiefern individuelle Leistungsfähigkeit und Erfahrung stärker berücksichtigt werden sollten, anstatt pauschale Altersgrenzen festzulegen.

Die in ca. 6 bis 9 Monaten erwartete Entscheidung des BVerfG in dieser Angelegenheit wird nicht nur für den Notarberuf, sondern auch für andere Berufsgruppen von Bedeutung sein, die mit festen Altersgrenzen konfrontiert sind. Sie könnte einen Präzedenzfall schaffen und die Diskussion über Altersdiskriminierung und die Wertschätzung der Arbeitskraft älterer Menschen in unserer Gesellschaft neu entfachen.

Auch ein Blick auf die Anhebung des Renteneintrittsalters dürfte lohnen. Das ist unpopulär, die Notwendigkeit unter Experten aber nicht ernsthaft bestritten.

Steuerliche Behandlung von Preisgeldern für wissenschaftliche Publikationen: BFH-Urteil vom 21.11.2024 (VI R 12/22) mit grundlegender Bedeutung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seinem Urteil vom 21. November 2024 (Az. VI R 12/22) eine wegweisende Entscheidung zur steuerlichen Behandlung von Preisgeldern getroffen. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob ein Forschungspreisgeld als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln ist, insbesondere im Hinblick auf die Veranlassung durch das Dienstverhältnis.

Hintergrund des Falls

Ein Hochschulprofessor erhielt im Jahr 2018 ein Preisgeld für seine Habilitationsschrift, die er überwiegend vor seiner Berufung an die Hochschule verfasst hatte. Das Finanzamt betrachtete das Preisgeld als steuerpflichtigen Arbeitslohn gemäß § 19 EStG. Der Professor argumentierte hingegen, dass das Preisgeld nicht im Zusammenhang mit seinem aktuellen Dienstverhältnis stehe.

Entscheidung des BFH

Der BFH stellte klar, dass ein Preisgeld nur dann als Arbeitslohn zu werten ist, wenn es für Leistungen gewährt wird, die im Rahmen des bestehenden Dienstverhältnisses erbracht wurden. Im vorliegenden Fall fehlte ein solcher Zusammenhang: Die Habilitationsschrift war größtenteils vor Beginn des Dienstverhältnisses entstanden, und das Preisgeld wurde nicht als Anerkennung für Dienste gegenüber dem aktuellen Arbeitgeber verliehen.

Der BFH betonte, dass allein die Tatsache, dass die Habilitation für die berufliche Entwicklung förderlich sein könnte, nicht ausreicht, um einen steuerpflichtigen Arbeitslohn anzunehmen. Entscheidend ist, ob das Preisgeld mit Rücksicht auf das individuelle Dienstverhältnis gewährt wurde und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellt.

Bedeutung für die Praxis

Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung des Zusammenhangs zwischen Preisgeldern und dem Dienstverhältnis. Für die steuerliche Behandlung von Preisgeldern ist entscheidend:

  • Zeitpunkt der Leistungserbringung: Wurde die ausgezeichnete Leistung im Rahmen des aktuellen Dienstverhältnisses erbracht?
  • Zweck der Preisverleihung: Dient das Preisgeld der Anerkennung von Diensten gegenüber dem aktuellen Arbeitgeber?

Fehlt ein direkter Zusammenhang zum aktuellen Dienstverhältnis, kann das Preisgeld nicht steuerbar bleiben. Dies ist insbesondere für Wissenschaftler und andere Berufsgruppen relevant, die für Leistungen ausgezeichnet werden, die außerhalb ihres aktuellen Beschäftigungsverhältnisses erbracht wurden oder werden.

Das vollständige Urteil ist auf der homepage des Bundesfinanzhofs einsehbar: BFH-Urteil VI R 12/22.

Daten-CD aus Dubai aus dem Jahr 2021: Millionen gegen Moral? – eine Zwischenbilanz im Jahr 2025

Im Februar 2021 kaufte Deutschland erneut Steuerdaten – diesmal aus Dubai. Zwei Millionen Euro zahlte das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) auf Initiative des damaligen Finanzministers Olaf Scholz (bekannt auch im Zusammenhang mit cum-ex – Geschäften) für Informationen über mutmaßlich steuerlich relevante Vermögenswerte deutscher Staatsbürger in dem Golfemirat. Heute stellt sich die Frage: hat sich der Deal gelohnt?

Ein Blick auf die nackten Zahlen

Die Dubai-CD enthielt Angaben zu Immobilienbesitz deutscher Staatsangehöriger in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ziel war es, „Steuerhinterziehern auf die Spur zu kommen“, wie es aus dem Bundesfinanzministerium hieß. Die Bundesländer sollten die Daten auswerten und die Steuerlücken schließen.

Doch bisher bleibt die Bilanz überschaubar:

Gesamtertrag nach den nackten Zahlen also: rund 1,2 Millionen Euro „Ertrag“  – bei 2 Millionen Euro „Aufwand“ für den Datenkauf.

Selbst wenn weitere Nachzahlungen folgen sollten: Die Vorteilhaftigkeit von Aufwand zu Ertrag bleibt fraglich.

Ermittlungswille oder Symbolpolitik?

Die eigentliche Frage lautet: Hätte der Staat seine Ressourcen – Personal, Zeit, Aufmerksamkeit – sinnvoller einsetzen können? Für eine Strafverfolgung auf gut Glück wurden tausende Beamtenstunden gebunden, obwohl alternative Wege offenstanden: etwa die aktive Ansprache von Steuerpflichtigen zur strafbefreienden Selbstanzeige.

Denn: Die Selbstanzeige gemäß § 371 AO bietet Steuersündern einen rechtssicheren Weg zurück in die Legalität – verbunden mit deutlich höheren Rückflüssen an Steuereinnahmen. Voraussetzung ist allerdings Vertrauen in eine faire und transparente Finanzverwaltung – und kein Klima des Misstrauens, das durch Datenkäufe wie diesen zusätzlich geschürt wird.

Der Staat als Datenhändler?

Zudem wirft auch dieser Datenkauf rechtsstaatliche Fragen auf. Zwar ist der Erwerb sogenannter Steuer-CDs rechtlich – jedenfalls in Deutschland nicht verboten – aber es bleibt ein moralisches und politisches Dilemma: Der Staat bezahlt anonyme Informanten für mutmaßlich rechtswidrig beschaffte Daten und begibt sich damit in eine Grauzone zwischen Aufklärung und Anstiftung zur Hehlerei.

Fazit: Teuer, zweifelhaft, ineffizient?

Auch der Fall „Dubai-CD“ zeigt: der politische Wille, ein Signal gegen Steuerhinterziehung zu setzen, war groß, der finanzielle Ertrag bislang klein. Und die strukturelle Wirkung? Fraglich.

Statt teurer Einmalkäufe wäre ein konsequenter Aufbau internationaler Meldepflichten, verbunden mit wirksamer Anreizsetzung für Selbstanzeigen, wahrscheinlich nachhaltiger – und günstiger.

Denn nicht jeder Datensatz führt zu einem Steuerbescheid. Aber jeder Steuerpflichtige, der sich freiwillig offenbart, tut es ganz sicher freiwillig.

Wir meinen, dass der beste Garant für Steuerehrlichkeit aus drei Grundpfeilern besteht: (1) einem guten und gerechten Steuersytem, (2) eine vor den Steuerpflichtigen im wesentlichen akzeptierte Verwendung (statt Verschwendung) der Steuern, und (3) positiver Vorbilder in den uns regierenden Personen. In krassem Kontrast dazu stehen die nicht glaubhaften Erinnerungslücken des noch amtierenden Kanzlers Olaf Scholz im Zusammenhang mit dem cum ex Skandal. Lesenswert dazu die Strafanzeige des Kollegen Strate aus Hamburg: https://strate.net/verfahren/strafanzeige-gegen-olaf-scholz-und-dr-peter-tschentscher/

Hintergrundinfo für Interessierte
Die Selbstanzeige gemäß § 371 AO ist nur wirksam, wenn sie vollständig und rechtzeitig erfolgt – also bevor die Tat entdeckt wurde oder Prüfungsmaßnahmen angekündigt sind. Die Dubai-CD dürfte viele dieser Zeitfenster geschlossen haben.