Käufer von Wohnimmobilien, die die vom Verkäufer zu tragende Maklerprovision vertraglich zu 100% übernommen haben, sollten aufmerksam weiterlesen. Das Geld liegt für sie sprichwörtlich auf der Straße (in diesem Beitrag).
Der I. Zivilsenat des BGH hat am 06.03.2025 (I ZR 138/24) entschieden: Vereinbarungen, mit denen der Käufer (Verbraucher) die gesamte – dem Verkäufer obliegende – Maklercourtage übernehmen soll, sind wegen Verstoßes gegen § 656d Abs. 1 BGB insgesamt nichtig. Eine geltungserhaltende Reduktion scheidet aus. Der Käufer kann daher gezahlte Provision vollständig zurückverlangen. Für die Gestaltung von Kaufverträgen über Wohnimmobilien ist das ein „game changer„; zugleich stellen sich bisher nicht erörterte Folgefragen zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer (GrESt) und zur Rückforderung. Für Käufer führt das zu einer echten Reduzierung des Kaufpreises aus der (Rückforderung von 100% Provison und der darauf entfallenden GrESt. Bei einem Kaufpreis von 750 TEUR sind das bei einer Provision von 5,95% / 7,14% 44.625 EUR / 53.550,00 EUR + 2.900, 63 EUR / 3.480,75 EUR GrESt (bei einem Steuersatz von 6,5%). Das ist ein ansehnlicher Betrag.
Merke: Das Recht ist für die Wachen da – Ius est vigilantibus scriptum.
Kernaussagen des Urteils
§ 656d Abs. 1 BGB („Halbteilungsgrundsatz“) verlangt zwingend eine hälftige Kostentragung, wenn nur eine Partei den Makler beauftragt hat. Eine vollständige Abwälzung auf die andere Kaufvertragspartei ist unzulässig.
Verstöße führen zur Gesamtnichtigkeit der Provisionsabrede gegenüber dem nicht beauftragenden Teil – keine geltungserhaltende Reduktion.
Auch „Gestaltungen“ über Kaufpreisreduzierung gegen Übernahme der vollen Provision sind unbeachtlich: Der Makler erhält gegenüber dem Käufer keinen Anspruch; der Käufer kann Gezahltes kondizieren.
Praxisrelevanz für Vertragsgestaltung und Notariat
Kaufverträge über Wohnungen/Einfamilienhäuser (§ 656a BGB) dürfen keine unmittelbaren oder mittelbaren Zahlungsverpflichtungen des Käufers über 50 % der Courtage hinaus vorsehen, wenn allein der Verkäufer Auftraggeber ist.
„Kreative“ Klauseln (Preisnachlass gegen vollständige Provisionsübernahme; Drittvereinbarungen mit dem Makler; schriftliche Nebenabreden) sind nichtig, soweit sie den Käufer über 50 % belasten.
Notare sollten in der Urkundengestaltung klarstellen, wer Auftraggeber ist, und – falls notwendig – eine symmetrische Verpflichtung beider Parteien aufnehmen (§ 656d Abs. 1 S. 1 BGB). Zudem sind Fälligkeitsvoraussetzungen des § 656d Abs. 1 S. 2 BGB zu beachten (Zahlungsnachweis des Auftraggebers).
Für Maklerverträge und Exposés gilt: Transparente Kommunikation über die gesetzliche Lastenverteilung; keine faktische Abwälzung durch AGB oder „Bestellbuttons“.
Auswirkungen auf die Grunderwerbsteuer (GrESt)
Bemessungsgrundlage der GrESt ist die Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Bei Kaufverträgen zählen dazu der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Zur Gegenleistung gehören also nur solche Provisionszahlungen, die der Käufer als Verpflichtung des Verkäufers wirksam übernimmt. Ist die Übernahme wegen § 656d BGB nichtig, fehlt es an einer wirksamen Schuldübernahme; die Zahlung ist dann grundsätzlich kein Teil der grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung.
Im Urteilsfall wurde der Kaufpreis um die vom Verkäufer zu tragende Courtage reduziert; der Käufer zahlte die volle Courtage an den Makler. Nach dem BGH ist die Übernahmeabrede nichtig. Für die GrESt bleibt es beim reduzierten Kaufpreis; die (rechtsgrundlose) Zahlung an den Makler ist keine Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.
Allerdings werden die Finanzbehörden im Urteilsfall die Übernahme der Courtage bei der Festsetzung der Grunderwerbsteuer steuererhöhend berücksichtigt haben. Das legt jedenfalls die Gestaltung des Kaufvertrags im Urteilsfall nahe (Reduzierung des Kaufpreises + Übernahme der Courtage durch den Käufer). Hat das Finanzamt also die Käuferzahlung in die Bemessungsgrundlage einbezogen, kommt eine Änderung nach § 16 Abs. 3 GrEStG in Betracht, sofern die Herabsetzung / Anpassung der Gegenleistung innerhalb von zwei Jahren seit Steuerentstehung wirksam wird und nachgewiesen wird (z.B. Rückzahlungsbeleg, rechtskräftiges Urteil/Abwicklungsvereinbarung).
Wichtig: § 16 Abs. 3 GrEStG ist eng – keine rückwirkende Ereignisbehandlung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO. Anträge daher fristwahrend stellen (dies „pro praeterito“ zu heilen, gelingt selten).
Klassischer Gegenbeispiel-Fall: Übernimmt der Käufer im notariellen Vertrag wirksam die Verkäufercourtage (außerhalb des Anwendungsbereichs des § 656d BGB, etwa bei Gewerbeobjekten), ist dies regelmäßig Gegenleistung und damit grunderwerbsteuerpflichtig.
Checkliste für die Praxis
Fazit: Käufer können gezahlte Provisionen und auch einen Teil der GrESt zurückfordern. Die Fristen des GrEStG und die Verjährung des zivilrechtlichen Anspruchs sind zu beachten. Makler sollten ihre Vertragsmuster anpassen.
Wenn Sie Unterstützung brauchen, sprechen Sie uns an.
BEISPIEL für eine Klausel im Notarvertrag (unter Ausschluss jeder Haftung):
„Maklerkosten: Die Parteien stellen klar, dass allein [Verkäufer] den Maklervertrag abgeschlossen hat. Eine Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des Maklerlohns besteht dem Grunde nach nicht. Soweit der Käufer in gesetzlich zulässigem Umfang zu einer Beteiligung herangezogen werden soll, verpflichten sich beide Parteien, jeweils 50 % des Maklerlohns zu tragen (§ 656d Abs. 1 BGB). Eine darüber hinausgehende Belastung des Käufers ist ausgeschlossen. Die Fälligkeit einer etwaigen Käuferbeteiligung tritt erst ein, wenn der Verkäufer seinen Anteil bezahlt hat und hierüber Nachweis geführt wird (§ 656d Abs. 1 S. 2 BGB).“
Die Pflicht der Finanzbehörden, Steuerbescheide nach § 121 AO zu begünden ist kein „nice to have“, sondern conditio sine qua non.
In unserer Praxis mehren sich die Fälle, in denen Finanzämter meinen, Steuerbescheide nicht mehr begründen zu müssen. Sie vertreten die Auffassung, der Verweis auf teils rudimentäre Prüfungsberichte einer Außenprüfung reiche. Was aber soll beispielsweise ein Kommanditist, der an der Prüfung gar nicht teilgenommen hat, mit einem Prüfungsbericht anfangen?
Wir gehen in der Praxis dagegen mit aller Konsequenz vor. Mit seiner Entscheidung vom 29. September 2025 – 1 V 1595/25 E, https://nrwe.justiz.nrw.de/fgs/muenster/j2025/1_V_1595_25_E_Beschluss_20250929.html
stärkt das Finanzgericht („FG“) Münster unsere Auffassung.
Das FG Münster hat mit seinem Beschluss die Einkommensteuerbescheide 2015–2021 ohne Sicherheitsleistung von der Vollziehung ausgesetzt, weil das Finanzamt die tragenden Gründe (insb. Prüfungsberichte, Berechnungen) nicht vorgelegt und damit seine Begründungs- und Darlegungslast im AdV-Verfahren verfehlt hat. Ernstliche Zweifel genügen – das Gericht muss den Sachverhalt im Eilrechtsschutz nicht „fertig aufklären“. Die Kosten trägt das Finanzamt.
Das Finanzamt rechnete dem Antragsteller in mehreren Einkommensteuerbescheiden verdeckte Gewinnausschüttungen zu. Es verwies auf Ergebnisse der Steuerfahndung und Betriebsprüfung – legte die Berichte und Berechnungen dem Gericht aber nicht vor. Der Antragsteller beantragte Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung. Ergebnis: AdV gewährt, ohne Sicherheit; das Finanzamt trägt die Kosten.
Die tragenden Erwägungen des FG Münster:
Unsere Praxis, unsere zuletzt gemachten Erfahrungen mit dem Finanzamt Nienburg/Weser.
Wir haben diese Linie bereits mehrfach für Mandanten durchgesetzt – zuletzt gegen das Finanzamt Nienburg/Weser: Das FA gewährte AdV zunächst nur gegen Sicherheitsleistung; vor dem Finanzgericht wurde die AdV in AdV ohne Sicherheitsleistung umgestellt; bei einem Streitwert von 200.000 € trägt das Finanzamt die Kosten. Lessons learned: Wer die Begründungsmängel und Vorlageversäumnisse der Behörde sauber herausarbeitet, gewinnt das AdV-Verfahren.
Checkliste für den AdV-Antrag:
Fazit für Entscheider
die Begründung von Steuerbescheiden ist Pflicht, nicht Kür. Liefert die Finanzverwaltung ihre Begründung nicht, entstehen ernstliche Zweifel – AdV ist dann zu gewähren, oftmals ohne Sicherheitsleistung. Blinder Eifer der Finanzbehörden bei der Vollziehung von Steuerbescheiden schadet; fehlende Transparenz der Behörde führt direkt in die AdV. Für Steuerpflichtige gilt: früh rügen, präzise rügen, AdV sichern – und die Kostenfrage nicht vergessen.
Der Beitrag von Schmidt und Sediqi mit dem herrlich provokanten Titel „Wider die falsche Mär, § 42 AO enthalte ein generelles Verdikt gegen als missliebig angesehene steuerliche Gestaltungen“ ist ein Glanzstück juristischer Klarstellung. Schon der Titel ist ein süffisanter Seitenhieb auf eine ganze Generation von Betriebsprüfern, die § 42 AO – um im Bild zu bleiben – gern als „Allzweckwaffe“ gegen kreative Steuerplanung missverstanden haben oder missverstehen möchten. Das Autorenduo zielt auf die Rückführung der Norm auf ihre rechtsstaatlichen Wurzeln: § 42 AO ist kein moralischer Totschläger, sondern ein tatbestandlich eng begrenztes Korrektiv gegen tatsächlich gesetzeswidrige Gestaltungen.
Auch der Bundesfinanzhof hat mehrfach klargestellt, dass es zulässig ist, eine Gestaltung zu wählen, die das Entstehen von Steuern vermeidet.
1. Kernthese: Kein „Generalklausel-Verdikt“ gegen steuerliche Gestaltungen
Schmidt und Sediqi erinnern daran, dass § 42 AO nicht dazu dient, dem Steuerpflichtigen missliebige Gestaltungen zu versagen, sondern nur dann greift, wenn der erzielte Steuervorteil gesetzlich nicht vorgesehen ist. Entscheidend sei nicht die subjektive Missbilligung des Rechtsanwenders, sondern allein, ob sich der Vorteil objektiv aus dem Gesetz ergibt oder nicht.
Diese Klarstellung ist bemerkenswert schlicht – und gerade deshalb bedeutsam. Die Autoren lösen den § 42 AO aus dem diffusen Bereich moralischer Empörung („Das ist doch Gestaltungsmissbrauch!“) und verankern ihn wieder dort, wo er hingehört: im objektiven Recht.
2. Methodik: Objektivierbare Angemessenheitsprüfung
Der Beitrag betont, dass die Beurteilung einer Gestaltung nicht nach Empfindungen, sondern nach Gesetzesauslegung zu erfolgen hat. Maßstab ist, ob das Gesetz den konkreten Vorteil vorsieht oder ausschließt.
Dabei kommt der historisch-teleologischen Auslegung besondere Bedeutung zu: Die Intention des Gesetzgebers bei Einführung einer Begünstigung ist zu berücksichtigen, nicht aber die nachträgliche Meinung der Verwaltung.
Wo sich keine eindeutigen Anhaltspunkte für den gesetzgeberischen Willen finden lassen – und das ist in der Praxis der Regelfall – versagt jede „Angemessenheitsprüfung“. Mit anderen Worten: In dubio pro Gestaltung.
Die Feststellungslast dafür, dass ein Steuervorteil gesetzlich nicht vorgesehen ist, liegt allein beim Fiskus. Diese Wendung ist für die Praxis Gold wert.
3. Klare Absage an moralisch motivierte Missbrauchsdeutung
Schmidt und Sediqi führen überzeugend aus, dass die bloße „Steuervermeidungsabsicht“ kein Missbrauchsindiz ist. Das Recht zur Wahl der günstigsten Gestaltung ist Ausfluss der Privatautonomie und Gestaltungsfreiheit – Prinzipien, die dem Steuerrecht nicht fremd, sondern inhärent sind.
Der Staat darf nicht auf der Grundlage „gefühlter Unangemessenheit“ eingreifen, sondern nur, wenn der Steuervorteil nach Wortlaut und Telos des Gesetzes ausgeschlossen ist. Ein Rückgriff auf „Gesetzesmaterialien“ oder „vermutete Intentionen“ – wie sie der ursprüngliche Regierungsentwurf zu § 42 AO-E einst einführen wollte – ist unzulässig.
4. Praktische Konsequenzen für die steuerliche Abwehrberatung
Für die Praxis ist der Aufsatz ein Manifest der Abwehrstrategie gegen eine übergriffige Anwendung des § 42 AO. Er liefert die dogmatische Munition, um steuerliche Gestaltungen zu verteidigen, die innerhalb der gesetzlichen Wertungsordnung bleiben.
Für Berater bedeutet dies konkret:
In Zeiten wachsender fiskalischer Kreativität ist das eine wohltuende Rückbesinnung auf rechtsstaatliche Prinzipien.
5. Fazit
Der Aufsatz von Schmidt und Sediqi ist mehr als eine gelungene dogmatische Analyse – er ist ein juristischer Befreiungsschlag gegen die Überdehnung des § 42 AO. Für die Abwehrberatung liefert er das theoretische Fundament, um steuerliche Gestaltungen mit Rückgrat zu verteidigen.
Oder, um es mit einem Augenzwinkern zu sagen: § 42 AO ist keine Generalklausel für schlechte Laune der Finanzverwaltung.
Anmerkung zum Titel:
Der Titel „Wider die falsche Mär …“ ist brillant gewählt. Er erinnert stilistisch an eine reformatorische Streitschrift und signalisiert zugleich Kampfgeist: Hier wird nicht nur dogmatisch argumentiert, sondern polemisch geklärt. In einer Zeit, in der § 42 AO gern als Gummiparagraph missbraucht wird, ist dieser Ton mehr als gerechtfertigt – er ist überfällig.
1. Der Sachverhalt
Der Kläger schloss mit seiner späteren Ehefrau vor der Eheschließung einen notariell beurkundeten Ehevertrag. Darin wurde der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft vereinbart, aber für alle Fälle der Beendigung der Ehe außer dem des Versterbens des Kl. wieder ausgeschlossen. Für diesen Fall wurde der Zugewinnausgleich der Höhe nach begrenzt. Ein Versorgungsausgleich wurde ausgeschlossen. Auf nachehelichen Unterhalt wurde wechselseitig verzichtet, ebenso auf etwaige Ansprüche auf Hausratsteilung.
Der Kläger verpflichtete sich in dem Ehevertrag , seiner Ehefrau für die Vereinbarungen zum Güterstand 1 Mio. EUR, für den Verzicht auf nachehelichen Unterhalt 4,5 Mio. EUR und für die Hausratsteilung 500.000 EUR zu zahlen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung verpflichtete er sich, binnen zwölf Monaten nach Eheschließung ein näher bestimmtes Hausgrundstück zu übertragen, dessen Wert die künftigen Eheleute übereinstimmend mit mindestens 6 Mio. EUR bezifferten. Für den Fall der Festsetzung von Schenkungsteuer übernahm der Kläger deren Zahlung. Nach der Eheschließung übertrug der Kläger in Erfüllung der Verpflichtung aus dem Ehevertrag das Hausgrundstück auf seine Ehefrau.
Das beklagte Finanzamt setzte für die Übertragung des Hausgrundstücks Schenkungsteuer i.H.v. 832.713 EUR fest.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage vor dem FG Hamburg (EFG 2023, Seite 564) hatte keinen Erfolg. Die Revision des Klägers blieb erfolglos.
Der BFH entschied:
Diese Zuwendung ist schenkungsteuerpflichtig.
Der Verzicht auf künftige, also noch nicht entstandene – nacheheliche Ansprüche – mögen sie noch so realistisch erscheinen – ist keine Gegenleistung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Der begünstigte Ehegatte wird freigebig bereichert, die Schenkungsteuer greift.
Der Gedanke, man könne durch den Ehevertrag eine „ausgewogene Gegenleistung“ schaffen und damit den Schenkungstatbestand neutralisieren, trägt nach Auffassung des BFH nicht. Es handle sich um einen schlicht schenkungsteuerrechtlich unbeachtlichen Subsumtionsirrtum.
2. Der rechtliche Kern
Der BFH schließt mit dieser Entscheidung an seine ältere Rechtsprechung an (vgl. BFHE 218, 409 = BStBl. II 2008, 256; BFHE 275, 248 = BStBl. II 2023, 146):
Das bedeutet: Selbst wenn beide Seiten guten Willens handeln und versuchen, einen Rechtsgrund zu schaffen, ist das Ergebnis steuerlich eindeutig – Schenkungsteuer entsteht, und zwar nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
3. Die zivilrechtliche Fallhöhe
Zivilrechtlich ist alles sauber: Der Vertrag ist wirksam (§§ 1363 ff. BGB), die Zuwendung erfolgt auf Grundlage einer notariellen Vereinbarung.
Aber steuerlich gilt der alte Satz: Forma dat esse rei – die Form gibt der Sache das Sein, doch nicht ihre steuerliche Qualität.
Wer also glaubt, durch einen geschickt formulierten Ehevertrag ließen sich steuerliche Vorteile erlangen oder Nachteile vermeiden, der irrt.
4. Folgen für die Praxis
Für Berater, Notare und Mandanten gilt:
Sparen Sie nicht das Geld am falschen Ende.
Ein Ehevertrag oder eine Abfindungsvereinbarung zwischen (zukünftigen) Ehegatten muss steuerlich mitgedacht und notariell präzise formuliert werden.
Andernfalls droht eine erhebliche Schenkungsteuer.
Praktisch bedeutet das:
5. Fazit
Der BFH zieht die Linie scharf:
Wo keine echte Gegenleistung, da Schenkung.
Der Verzicht auf künftige Rechte ist kein Entgelt, sondern bloßer Rechtsverzicht – und der hat im Steuerrecht keinen Geldwert.
Wer also ehevertragliche Regelungen mit Vermögensübertragungen kombiniert, muss wissen: das Finanzamt liest mit.
Nach § 34 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG sind u.a. Notare verpflichtet, den Finanzbehörden alle ihnen bekannt werdenden Vorgänge mitzuteilen, die für die Festsetzung einer Erbschaft- oder Schenkungsteuer von Bedeutung sein können. Damit sind alle Eheverträge, die eine vermögensrechtliche Zuwendung enthalten oder vorbereiten, mitzuteilen. Das sind also insbesondere:
Daher gilt: Gestaltung mit System ist besser angelegtes Geld als Schenkungsteuer.
Die Entscheidung des BFH vom 30. April 2025 (Az. XI R 15/23) befasst sich mit der Frage, ob und wenn ja in welchem Umfang E‑Mail-Korrespondenz im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung vorgelegt werden muss. Für Unternehmen, Steuerberater und Prüfer gleichermaßen wichtig: der BFH setzt klare Grenzen — es gibt aber auch weitreichende Pflichten.
Der BFH bestätigt, dass ein Anforderung von Unterlagen „en bloc“ – etwa dass alle E‑Mails verlangt werden – grundsätzlich zulässig sein kann, sofern das Vorlageverlangen hinreichend bestimmt ist. Im Streitfall hatte das Finanzamt verlangt, sämtliche E‑Mails, die im Zusammenhang mit einem sogenannten „Agreement“ mit einer Konzerngesellschaft standen, vorzulegen – einschließlich derjenigen, die die Verrechnungspreisdokumentation betrafen. Das Finanzgericht hatte das in Teilen beanstandet. Der BFH sieht das anders und weist die Revision ab.
Die Vorlagepflicht ergibt sich aus § 147 Abs. 6 AO, da E‑Mails, soweit sie Geschäfts- oder Handelsbriefe oder sonstige für die Besteuerung relevante Dokumente sind, aufbewahrungspflichtig sind (§ 147 Abs. 1 AO).
Der Beschluss weist damit auf eine doppelte Funktion hin:
1. Die Prüfungsbehörde erhält Spielraum, umfassend Belege anzufordern,
2. Der Steuerpflichtiger hat eine erhöhte Pflicht zur Dokumentenorganisation und Selektion.
Pro-Argumente:
– Effekt der Kontrolle: In komplexen Konzernverflechtungen oder Verrechnungspreissachverhalten kann es der Behörde kaum zugemutet werden, schon im Voraus zu wissen, welche einzelnen E‑Mails relevant sind.
– Verfahrensökonomie: Statt dass der Steuerpflichtige nur stückweise aufgefordert wird, kann durch eine umfassende Anforderung Doppelarbeit vermieden werden.
– Rechtliche Verbindlichkeit: Der BFH schafft Klarheit über die Grenzen des Bestimmtheitsgebots bei Vorlageverlangen im Außenprüfungsverfahren.
Kritik und Risiken:
– Datenschutz / Schutzrechte Dritter: E‑Mail-Korrespondenz kann auch private oder personenbezogene Elemente enthalten.
– Behördenüberforderung: Wenn Behörden ohne präzise Eingrenzung massive Datenmengen verlangen, entsteht hoher Aufwand beim Steuerpflichtigen.
– Missbrauchsgefahr: Eine „Gießkannenanforderung“ könnte zum Standardinstrument werden, übermäßig breit und belastend für Unternehmen.
Konsequenzen für die Praxis:
– Dokumentation von vornherein gezielt strukturieren (Projektordner, Schlagwortsuche, Archivierung).
– Selektionsstrategie vorbereiten und Suchvorgänge dokumentieren.
– Fristgerecht reagieren, aber nicht blind liefern.
– Internes Mandatsmanagement und datenschutzrechtliche Prüfung.
– Softwareunterstützung (E‑Discovery, Predictive Coding) einsetzen.
Für die Finanzverwaltung bedeutet der Beschluss: breite Vorlageverlangen sind zulässig, aber nicht schrankenlos; Bestimmtheit muss gewahrt bleiben.
Fazit:
Der BFH-Beschluss stärkt die Finanzverwaltung, verpflichtet aber zugleich zu sorgfältiger Methodik und Transparenz. Für Unternehmen heißt das: Vorbereitung ist alles. E-Mails sind ein wesentlicher Bestandteil der steuerlichen Substanzprüfung.
BFH, Urteil vom 9. Mai 2025 – IX R 4/23
Kern der Entscheidung – Leitsätze im Überblick
1. Die Rückabwicklung eines Vertrages kann steuerlich zurückwirken: Wird ein Anteilserwerb an einer Kapitalgesellschaft wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage rückgängig gemacht, darf diese Rückabwicklung steuerlich auf den ursprünglichen Veräußerungszeitpunkt zurückwirken – im Anschluss an IX R 17/09.
2. Vertragsumstände müssen nicht explizit im Vertrag stehen: Die maßgeblichen Umstände, die den Vertrag stützen, müssen weder im Vertragstext stehen, noch sofort gegenüber der Finanzverwaltung offengelegt werden.
3. Evidenz des Irrtums beim Abschluss erforderlich: Wer sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage beruft, muss darlegen, dass bereits bei Vertragsschluss ein Umstand erörtert wurde, dessen Eintritt so evident war, dass damit der Erfolg des Geschäfts ’steht und fällt‘.
Ein Ehepaar – zusammen veranlagte Eheleute – schloss 2019 einen Ehevertrag mit Zugewinnausgleich und Gütertrennung, sogenannte Güterstandsschaukel. Zur Erfüllung des Zugewinnausgleichsanspruchs übertrug der Ehemann seiner Ehefrau GmbH‑Anteile. Beide stützten sich auf ihren Steuerberater, der ihnen gegenüber schriftlich erklärte, dass keine Einkommensteuer anfalle. Das Finanzamt sah das anders. Es nahm einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG an. Denn die GmbH-Anteile erfüllten den Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns und damit lag ein Verkauf der Anteile vor. Daraufhin wurde die Anteilsübertragung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Jahr 2020 notariell rückabgewickelt – weg von einer Übertragung der Anteile hin zu einer Abgeltung in Geld. Das Finanzgericht in Niedersachsen erkannte diese Rückabwicklung an; der BFH bestätigte dieses Ergebnis.
– Die Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage waren erfüllt.
– Die Rückabwicklung war steuerlich bis zum Zeitpunkt der ursprünglichen Veräußerung rückwirksam möglich.
– Die Vorstellung beider Vertragspartner, die steuerlichen Folgen seien neutral, war ein wesentliches Vertragsmoment, dessen Wegfall rückwirkend zum steuerlichen Entfallen des Veräußerungsgewinns führte.
– Vertragsgestaltung: Ein verbindlicher Vertrag unterliegt im Steuerrecht nicht ewig. Wenn die partnerschaftliche Grundlage des Vertrags wegfällt, kann auch steuerlich ein neuer Blickwinkel rechtliche Anerkennung finden.
– Irrtum als Geschäftsgrundlage: Steuerliche Beratung kann entscheidend die Geschäftsgrundlage prägen. Nur wenn der Irrtum evident war und gemeinsames Verständnis bestand, lässt der BFH den rückwirkenden Wegfall der entstandenen Steuer zu.en Rückfall in die Vergangenheit zu.
– Gestaltungssicherheit: In gestaltenden Konstellationen (z. B. Erbfolge, Zugewinnausgleich) ist es geboten, steuerliche Risiken ausdrücklich zu dokumentieren und vertraglich abzusichern.
Das BFH-Urteil IX R 4/23 vom 9. Mai 2025 beschenkt die Praxis mit Klarheit: Ein verfahrensrechtlich sauberer Weg zur steuerlichen Entlastung ist möglich – sofern der Wegfall der Geschäftsgrundlage evident war und bei allen Parteien gleich verstanden wurde. Facta, non verba – nicht die Worte, sondern die zugrundeliegenden Umstände zählen. Aber: der vorliegende Fall ist ein Sonderfall. Und er zeigt auch, dass die Güterstandsschaukel funktioniert. Und die Entscheidung zeigt auch, dass die Hingabe eines Vermögensgegenstandes zur Tilgung einer Zugewinnausgleichsforderung ein entgeltliches Geschäft ist und zur Realisation stiller Reserven führt.
FG Schleswig-Holstein: Keine Kapitaleinkünfte bei unverzinslicher Ratenzahlung an Angehörige – Revision zugelassen
Das Finanzgericht Schleswig-Holstein hat mit Urteil vom 17. September 2024 (Az. 4 K 34/24) entschieden, dass die unverzinsliche Stundung einer Kaufpreisforderung im Rahmen eines Angehörigengeschäfts keine Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG begründet, wenn der Zinsvorteil ausdrücklich als Schenkung vereinbart wurde. Das Gericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen.
Im Streitfall veräußerten die Kläger ein Hausgrundstück an ihre Tochter. Der Kaufpreis sollte in monatlichen Raten gezahlt werden; eine Verzinsung wurde ausdrücklich ausgeschlossen. Die Vertragsparteien vereinbarten, dass der Zinsvorteil der Tochter geschenkt wird. Das Finanzamt sah in der unverzinslichen Ratenzahlung eine Darlehensgewährung und unterwarf den rechnerisch ermittelten Zinsanteil der Besteuerung als Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Das Finanzgericht gab der Klage statt und stellte fest, dass der in der Ratenzahlungsabrede enthaltene Zinsvorteil im vorliegenden Fall nicht als Ertrag aus einer Kapitalforderung zu qualifizieren ist. Die Differenz zwischen dem Nominalkaufpreis und dem abgezinsten Barkaufpreis wurde der Tochter ausdrücklich geschenkt. Diese freigebige Zuwendung ist als Schenkung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu qualifizieren und daher für die Einkommensteuer irrelevant. Das Gericht betonte den Anwendungsvorrang der Schenkungsteuer gegenüber der Einkommensteuer in solchen Fällen.
Das Urteil des FG Schleswig-Holstein steht im Gegensatz zu einer Entscheidung des FG Köln vom 27. Oktober 2022 (Az. 7 K 2233/20), das in einer ähnlichen Konstellation von steuerpflichtigen Kapitaleinkünften ausging. Aufgrund dieser divergierenden Rechtsprechung hat das FG Schleswig-Holstein die Revision zum BFH zugelassen. Das Revisionsverfahren wird unter dem Aktenzeichen VIII R 30/24 geführt.
Die Entscheidung des FG Schleswig-Holstein bringt Klarheit für Angehörigengeschäfte mit unverzinslicher Ratenzahlung, sofern eine Schenkungsabsicht klar dokumentiert ist. Es bleibt abzuwarten, wie der BFH in der Revision entscheiden wird. Für Steuerpflichtige und ihre Berater ist es wichtig, bei der Gestaltung solcher Verträge die Schenkungsabsicht eindeutig festzuhalten, um steuerliche Nachteile zu vermeiden. Die Entscheidung zeigt aber auch, wie kompliziert unser Steuerrecht ist.
Datum der Verkündung: 31. Juli 2025 (Nummer 051/25)
Aktenzeichen: XI R 23/24 (Beschluss vom 19. Februar 2025)
1. Sachverhalt
Eine GmbH im Onlinehandel nutzte für Verkäufe von Schmuck und Uhren in den Jahren 2013 und 2014 die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG.
Im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass die Vorlieferanten fälschlich die Differenzbesteuerung angewendet hatten – es handelte sich tatsächlich um Neuware.
Infolgedessen nahm das Finanzamt eine Umqualifikation zur Regelbesteuerung vor, inklusive Steuernachforderung.
Die Klägerin berief sich auf Vertrauensschutz: sie sei gutgläubig gewesen und habe auf die Angaben der Lieferanten vertraut, so das Argument; dabei stützte sie sich auf EuGH-Rechtsprechung („Litdana“, C‑624/15).
Der BFH stellt dem EuGH die Frage, ob unionsrechtlich der Schutz des gutgläubigen Handelns bereits im Steuerfestsetzungsverfahren – und nicht erst im späteren Billigkeitsverfahren – gewahrt werden muss.
2. Bedeutung der Vorlagefrage
Diese Vorlage berührt zwei zentrale Rechtsprinzipien: den Vertrauensschutz und das Effektivitätsgebot des EU‑Rechts.
– Vertrauensschutz (bona fides): Der Steuerpflichtige darf darauf vertrauen, dass formell zutreffende Rechnungen, im Zweifel auch bei objektiven Fehlern, nicht nachteilig berücksichtigt werden.
– Effektiver Rechtsschutz (effective judicial protection): Wenn ein gutgläubiger Steuerpflichtiger Schutz beanspruchen kann, aber nur im nachgelagerten Billigkeitsverfahren – also erst nach rechtsgestaltenden Entscheidungen – wird dieser Schutz möglicherweise nur pro forma gewährt.
Vor diesem Hintergrund hat die Vorlage ein paar Fragen aufgeworfen: Muss der Schutz schon im Rahmen der formellen Steuerfestsetzung greifen, oder reicht der spätere – oft schwer zugängliche und unkalkulierbare – Billigkeitsweg? Hierbei geht es um grundrechtliche Aspekte wie Rechtssicherheit und faire Verfahrensgestaltung.
3. Relevanz über das Umsatzsteuerrecht hinaus
Der Schutz des guten Glaubens ist kein Phänomen des Steuerrechts allein. Die Prinzipien wirken in zahlreichen Rechtsgebieten:
– Zivilrecht (Vertragsrecht, Anfechtung): Auch dort wirkt das Prinzip „creditor in buona fede“ stark – gutgläubiger Erwerb, Vertrauensschutz bei sorgfaltsgemäßem Handeln.
– Verwaltungsrecht und Sozialrecht: Behördliches Vertrauen – etwa bei Zulassungen oder Unterstützungsansprüchen – kann bei späteren formellen Fehlern insoweit geschützt sein.
– Kartellrecht, Kapitalmarktrecht, Umweltrecht: Auch hier steht oft die Frage im Raum, wann vorsorglich auf Prüfungen verzichtet werden darf – und wann der Staat oder seine Organe doch eingreifen müssen.
Aktuelle Verfahren in Deutschland – etwa zu den Grenzen der Steuerfestsetzung bei fehlerhaften Rechnungen (§ 14c UStG), zu Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO sowie zur Reichweite des Vertrauensschutzes im Kontext der Umsatzsteuerkarusselle – zeigen, wie brisant das Thema ist.
Auch der BFH selbst verhandelt aktuell weitere Verfahren, in denen es um die Ausweitung des gutgläubigen Erwerbs im Umsatzsteuerrecht geht.
Die Entscheidung XI R 23/24 wird deshalb Signalwirkung entfalten.
4. Fazit
– Der BFH-Vorstoß in dem Verfahren XI R 23/24 steht exemplarisch für ein modernes Verständnis von Rechtsschutz und Vertrauensschutz im Steuerverfahren.
– Die Wahl des Verfahrenswegs – unmittelbar im Steuerfestsetzungsverfahren oder später via Billigkeit – ist keine Formalie, sondern eine Grundsatzfrage.
– Die Vorlage betrifft nicht nur das Umsatzsteuerrecht, sondern auch andere Rechtsbereiche, in denen Vertrauen und rechtliches Vertrauen zentrale Rollen spielen.
Wir hatten bereits am 28. Juni 2025 über diesen bemerkenswerten Sachverhalt berichtet. In der Zwischenzeit sind die Änderungsbescheide eingegangen. Die Änderungsbescheide sind jetzt korrekt.
Der Mandant hatte für die Vertretung seiner Interessen hohe Beratungskosten zu tragen. Verständlicherweise stellt er die Frage, ob Ersatz verlangen kann. Ersatz kann er verlangen nach den Grundsätzen der Amtshaftung.
Die gesetzlichen Grundlagen dafür sind:
Wann aber hat ein solches Verfahren Aussicht auf Erfolg? Folgende Tatbestandsmerkmale müssen erfüllt sein:
Hoheitliches Handeln
das bedeutet Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes (Veranlagung, Vollstreckung, Steuerfahndung, Prüfungsanordnungen, Erlass von Steuerbescheiden, Durchsuchungen etc.).
Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht
Die Amtspflicht muss auch den Schutz des konkreten Geschädigten bezwecken.
Beispiele:
Verschulden
Schaden
Konkreter, bezifferbarer Vermögensschaden (z. B. Zinsen auf zu Unrecht erhobene Steuer, Verlust durch unzulässige Vollstreckung, Kosten einer unrechtmäßigen Durchsuchung).
Kausalität
Die Pflichtverletzung muss adäquat kausal für den eingetretenen Schaden sein.
Kein Ausschluss nach § 839 Abs. 3 BGB
Der Geschädigte darf es nicht schuldhaft unterlassen haben, zumutbare Rechtsmittel einzulegen (Einspruch, Aussetzung der Vollziehung, Klage zum Finanzgericht).
Typische Fallgruppen mit Erfolgsaussicht
Unrechtmäßige Steuerfestsetzungen
Beispiel: Steuerbescheid offensichtlich rechtswidrig, Behörde ignoriert eindeutige Rechtslage oder stichhaltige Beweismittel.
Anspruch: Ersatz von Vermögensschäden (Zinsen, Kosten), nicht aber der zu viel gezahlten Steuer selbst (→ Rückzahlung über das Steuerverfahren).
Unzulässige Vollstreckungsmaßnahmen
Pfändung, Kontensperrung oder Zwangsvollstreckung ohne vollziehbaren Titel oder bei eindeutigem Vollstreckungshindernis.
Bsp.: BGH, Urteil vom 21.01.1993 – III ZR 17/92: Amtshaftung bei Vollstreckung ohne wirksamen Bescheid.
Rechtswidrige Durchsuchungen / Beschlagnahmen
Steuerfahndung handelt ohne ausreichenden Tatverdacht oder auf Grundlage eines evident rechtswidrigen richterlichen Beschlusses.
Bsp.: BGH, Urteil vom 30.04.1992 – III ZR 151/90: Anspruch auf Schadensersatz wegen rechtswidriger Durchsuchung.
Verletzung der Beratungspflicht (§ 89 AO)
Behörde gibt falsche oder grob unvollständige Auskünfte zu steuerlichen Sachverhalten und verursacht dadurch Schäden.
Bsp.: BFH, Urteil vom 12.07.2001 – III R 11/98.
Verletzung der Pflicht zu zügiger Bearbeitung
Amtshaftung bei extremen Verzögerungen, die zu finanziellen Schäden führen (z. B. Ausbleiben einer Steuererstattung, wodurch Zinsaufwendungen entstehen).
Bsp.: BGH, Urteil vom 26.01.1989 – III ZR 190/87.
Fälle mit geringer Erfolgsaussicht
Verjährung
Absolute Verjährung: 30 Jahre.
Drei Jahre ab Kenntnis von Schaden und Schädiger (§ 195 BGB, § 199 Abs. 1 BGB).
Im vorliegenden Fall sehen wir gute Erfolgsaussichten für eine Amtshaftungsklage. Die Finanzverwaltung hat, obwohl ein Fehler in der EDV nach eigener Aussage der Finanzverwaltung leicht zu identifizieren war, über einen längeren Zeitraum behauptet, die später aufgehobenen Änderungsbescheide seien in vollem Umfang rechtmäßig. Zudem hat die Finanzverwaltung die von dem Steuerpflichtigen beantragte Aussetzung der Vollziehung rundweg abgelehnt. Dem Mandanten sind daher durch amtspflichtwidriges Verhalten der Finanzbehörde erhebliche Beratungskosten entstanden.
In einem Rechtsstreit wird sich der Mandant voraussichtlich entgegenhalten lassen müssen, dass die Ersatzpflicht auf die Vergütungen begrenzt ist, die die gesetzlichen Gebührenordnungen für die erbrachten Leistungen vorsehen. Aber auch insoweit sehen wir dem Rechtsstreit mit Interesse entgegen. Denn eine gute Beratung ist heute für die gesetzlich vorgesehenen Gebühren nicht zu haben.