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BFH zur Aufteilung der Einkünfte eines im internationalen Luftverkehr eingesetzten Piloten mit Wohnsitz in Deutschland (Urteil vom 24.10.2024 – VI R 28/22)

Keine guten Nachrichten für Piloten: am 24. Oktober 2024 entschied der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall VI R 28/22 über die steuerliche Behandlung der Einkünfte eines in Deutschland ansässigen Piloten, der für eine Schweizer Fluggesellschaft im internationalen Luftverkehr tätig ist.​

Die Kernaussage des Urteils: Die Einkünfte eines Piloten, der in Deutschland wohnt und für eine Schweizer Airline arbeitet, sind nicht vollständig in Deutschland steuerfrei. Nur der Teil des Arbeitslohns, der auf Tätigkeiten auf Schweizer Boden und im Schweizer Luftraum entfällt, ist von der deutschen Einkommensteuer befreit. Einkünfte aus Tätigkeiten über internationalem Gewässer oder in anderen Ländern sind in Deutschland steuerpflichtig. ​

Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen für Piloten: es bedeutet, dass Piloten, die in Deutschland ansässig sind und für ausländische Fluggesellschaften arbeiten, ihre Einkünfte detailliert aufschlüsseln müssen. Nur die Vergütungen für Tätigkeiten, die physisch in dem Land des Arbeitgebers (hier: Schweiz) oder in dessen Luftraum erbracht werden, können steuerfrei sein. Für alle anderen Flugabschnitte, insbesondere über internationalen Gewässern oder in Drittstaaten, besteht in Deutschland Steuerpflicht.

Piloten sollten daher ihre Flugpläne und Arbeitszeiten genau dokumentieren, um eine korrekte steuerliche Behandlung sicherzustellen.​

Wer seine Einkünfte in größerem Umfang oder gar nicht mehr der Besteuerung in Deutschland unterwerfen möchte, dem bleibt nur die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland durch Wegzug. Das bedeutet, dass der Pilot in Deutschland weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt haben darf. Vereinfscht gesagt: Abbau aller Brücken. Die Anforderungen sind hoch. Mit einer bloßen Ummeldung ist es sicher nicht getan.

Sind Tätowierer steuerrechtlich Gewerbetreibende oder Künstler? Das Finanzgericht Düsseldorf entschied am 18.02.2025 auf Kunst und gegen die Gewerbesteuer (4 K 1875/23 G,AO)

Man muss Tattoos nicht mögen. Niemand ist verpflichtet, sich ein Tattoo stechen zu lassen. Steuerrechtlich ist aber die Frage zu beantworten: ist Tätowieren Kunst oder doch bloß ein (besonders filigraner) Handwerksbetrieb? Hier gilt wie so häufig: es kommt darauf an. Es kommt nämlich auf den Einzelfall an. Mit Urteil vom 18.02.2025 hat das Finanzgericht Düsseldorf darauf in einem bei ihm rechtshängigen Verfahren eine klare Antwort gefunden: Tätowieren ist Kunst. Und damit entfällt die Gewerbesteuer.

Der Fall: Ein Tätowierer, ein Finanzamt und die Frage nach der Schöpfungshöhe

Der Kläger war ein erfahrener Tätowierer, der nicht einfach nur Motive aus dem Katalog in Haut ritzt, sondern seine Kunstwerke individuell für jeden Kunden entwirft. Sein Argument: Jedes seiner Tattoos ist ein Unikat, eine künstlerische Schöpfung, die aus einer kreativen Idee geboren wird.

Das sah das Finanzamt allerdings anders. Für die Behörde war die Tätigkeit bloße Handwerkskunst. Ein Handwerk, mit klarem Auftragsverhältnis, vorher definierten Vorgaben und in erster Linie einer Dienstleistung, die nach Kundenwunsch erbracht wird. Und damit viel Gewerbesteuer an.

Das Finanzgericht Düsseldorf entschied zugunsten des Tätowierers. Die Begründung? Kunst ist zweckfrei.

Natürlich, ein Tattoo bleibt auf dem Körper des Trägers (meistens) ein Leben lang. Aber hat es eine Funktion? Nein. Ein gutes Tattoo verschönert, erzählt eine Geschichte, transportiert Emotionen. Es hat keinen über den ästhetischen Genuss hinausgehenden Gebrauchswert. Und genau das ist die Definition von Kunst.

Besonders spannend ist, dass das Gericht sich nicht mit oberflächlichen Argumenten begnügte. Es analysierte detailliert die künstlerische Qualität des Schaffensprozesses, die individuelle Gestaltung und den kreativen Gehalt. Und all das führte zu dem Schluss: Ein Tätowierer, der eigenständig Motive entwirft und künstlerisch umsetzt, ist kein Gewerbetreibender, sondern Freiberufler.

Warum dieses Urteil so wichtig ist

Dieses Urteil könnte für die gesamte Tattoo-Branche ein Gamechanger sein. Denn wenn Tätowierer als Künstler anerkannt werden, könnte das weitreichende Folgen haben – von steuerlichen Vorteilen bis hin zur gesellschaftlichen Anerkennung als echte Kunstform.

Lange Zeit wurde Tätowierkunst eher als Subkultur betrachtet. Doch spätestens, seit sich Museen und Galerien mit der Körperkunst beschäftigen und Tätowierungen als ernstzunehmendes Medium in der Kunstszene angekommen sind, wird klar: Hier geht es um mehr als bloße Hautbilder.

Und was heißt das jetzt für alle anderen?

  • Für Tätowierer: Die Aussicht, ihre Tätigkeit als Kunst anerkennen zu lassen, wächst. Wer eigene Motive entwirft und individuell gestaltet, könnte sich auf dieses Urteil berufen.
  • Für das Finanzamt: Der Kampf ist noch nicht vorbei. Es bleibt abzuwarten, ob es den Fall in die nächste Instanz bringt.
  • Für Steuerberater: Zeit, sich mit neuen Argumentationslinien vertraut zu machen.
  • Für Kunden: Sie tragen künftig nicht nur ein Tattoo, sondern womöglich ein offiziell anerkanntes Kunstwerk auf der Haut.

Das Finanzgericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Es bleibt abzuwarten, wie der Bundesfinanzhof entscheidet.

Zum steuerlichen Abzug von Strafverteidigungskosten als Werbungskosten (FG Düsseldorf, Urteil vom 22.3.2024 – 3 K 2389 / 21 E)

Mit Urteil vom 22.3.2024 (3 K 2389 / 21 E) hat das Finanzgericht Düsseldorf im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des BFH bestätigt, dass Kosten der Strafverteidigung als Werbungskosten abziehbar sind, wenn der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, durch sein berufliches Verhalten veranlasst ist. Das ist immer dann der Fall, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat in Ausübung und nicht nur bei Gelegenheit der beruflichen Tätigkeit begangen worden ist.

Ob der Tatvorwurf zu Recht erhoben wurde, ist für die steuerrechtliche Beurteilung der Strafverteidigungskosten unerheblich.

Das ist eine gute Nachricht für alle Steuerpflichtigen, die sich, was nicht selten der Fall ist, wegen zu Unrecht erstatteter Strafanzeigen zur Wehr setzen müssen.

Wenn aber das Verhalten des Steuerpflichtgen von privaten Gründen getragen wurde, dann schließt ein sogenannter überlagernder privater Veranlassungszusammenhang den beruflichen Zusammenhang aus. Dann sind die Strafverteidigungskosten steuerlich nicht abzugsfähig. Ein solcher privater Veranlassungszusammenhang liegt insbesondere dann vor, wenn der Steuerpflichtige seinen Arbeitgeber bewusst und vorsätzlich schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat. Allein der Vorwurf in einer Strafanzeige, der Steuerpflichtige habe mit Schädigungsvorsatz gehandelt, reicht nicht dafür aus, private Gründe anzunehmen.

Erstaunlich sind die ausführlichen Passagen des Urteils zu diesem Thema, weil das Ermittlungsverfahren gegen den Steuerpflichtigen nach § 170 Abs. 2 StPO, also mangels hinreichenden Tatverdachts, eingestellt worden war.

Das Finanzgericht Thüringen hat in seinem Urteil vom 12. Februar 2014,3 K 926 / 13, eine andere Auffassung als das Finanzgericht Düsseldorf vertreten. Das Finanzgericht Düsseldorf hat daher die Revision zum Bundesfinanzhof zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

Was bedeutet das alles für die Praxis? Staatsanwälte sind schnell bei der Hand, ein Verfahren nicht, was eigentlich geboten wäre, nach § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts oder sogar wegen erwiesener Unschuld einzustellen, sondern ein Verfahren entweder nach § 153 StPO wegen geringer Schuld oder aber nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen. Eine Verfahrenseinstellung nach § 153 oder 153a StPO hat zwar den Vorteil, dass Strafklageverbrauch eintritt. Eine Einstellung des Verfahrens nach den beiden genannten Normen kann aber den steuerrechtlichen Nachteil haben, dass die aufgewandten Strafverteidigungskosten von den Finanzbehörden auch bei beruflicher Veranlassung wegen einer angeblich privaten Überlagerung steuerlich nicht zum Abzug zugelassen werden.

FG Münster vom 23.01.2025 (12 K 19/14 E): Verjährung verhindert Steueränderung – Warum das Finanzamt zu spät kam

Am 23. Januar 2025 entschied das Finanzgericht (FG) Münster in einem bemerkenswerten Fall über einen Sachverhalt aus dem Jahr 2001. Es ging im Kern über die Reichweite der steuerlichen Festsetzungsverjährung. Das Gericht stellte klar: Die Frist war abgelaufen, so dass der Änderungsbescheid rechtswidrig war.

Hintergrund des Falls

Die Klägerin hatte im Jahr 2001 Einkünfte aus einem Einzelunternehmen erzielt. In ihrer Steuererklärung machte sie Vermittlungsprovisionen geltend, die angeblich an ihre Mutter sowie an die Mutter ihrer Schwägerin geflossen waren. Diese Kosten wurden vom Finanzamt zunächst akzeptiert.

Doch im Jahr 2006 wurde die Steuerfahndung aktiv. Die Ermittler stellten fest, dass die genannte Mutter der Klägerin damals 77 Jahre alt war und vermutlich gar keine Vermittlungsleistungen erbracht hatte. Dies weckte den Verdacht der Steuerhinterziehung. Im Anschluss leitete das Finanzamt ein Steuerstrafverfahren gegen die Klägerin ein.

Das Problem der Verjährung

Hier kommt der Knackpunkt des Falls: Steuerbescheide dürfen nur innerhalb einer bestimmten Frist geändert werden. Im Regelfall beträgt diese Festsetzungsfrist vier Jahre. Bei Steuerhinterziehung verlängert sie sich jedoch auf zehn Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO).

Das Finanzamt stützte sich auf diese verlängerte Frist, als es im Jahr 2010 einen geänderten Steuerbescheid für 2001 erließ. Doch hier machte das FG Münster einen entscheidenden Punkt:

  • Die zehnjährige Frist beginnt nicht mit dem Veranlagungsjahr (also 2001), sondern erst mit dem Jahr, in dem die Steuererklärung eingereicht wurde.
  • Im vorliegenden Fall war die Steuererklärung für 2001 im Jahr 2002 abgegeben worden.
  • Damit begann die zehnjährige Frist Ende 2002 zu laufen und lief Ende 2012 ab.
  • Der Änderungsbescheid vom 28. Januar 2010 wurde innerhalb dieser Frist erlassen, doch das Einspruchsverfahren zog sich hin: Die Entscheidung über den Einspruch erfolgte erst am 27. November 2013.

Warum war die Verjährung dann trotzdem eingetreten?

Das FG Münster wies darauf hin, dass die Festsetzungsfrist nicht unbegrenzt durch ein Einspruchsverfahren verlängert werden kann. Nach § 171 Abs. 3a AO endet die Frist spätestens ein Jahr nach Abschluss einer Steuerfahndungsprüfung – auch wenn das Einspruchsverfahren noch läuft.

Im vorliegenden Fall war das Steuerstrafverfahren gegen die Klägerin bereits 2006 abgeschlossen. Die Festsetzungsfrist wäre also spätestens Ende 2007 abgelaufen, wenn nicht die zehnjährige Frist wegen Steuerhinterziehung gegriffen hätte. Doch diese endete, wie bereits dargestellt, Ende 2012. Da der Einspruchsbescheid erst im November 2013 erging, war die Verjährung eingetreten – und der Steuerbescheid nicht mehr haltbar.

Urteil und Bedeutung

Das Finanzgericht Münster hob den Änderungsbescheid auf, weil die Verjährung bereits eingetreten war. Damit machte das Gericht deutlich:

  • Selbst bei Steuerhinterziehung muss das Finanzamt genau auf die Fristen achten.
  • Auch eine laufende Einspruchsentscheidung kann eine bereits abgelaufene Festsetzungsfrist nicht mehr verlängern.
  • Steuerpflichtige können sich auf den Grundsatz der Rechtssicherheit berufen, wenn die Behörde zu spät kommt.

Das Urteil hat weitreichende Bedeutung für Steuerpflichtige und Finanzämter, insbesondere wenn Steuerhinterziehung im Raum steht. Die Finanzverwaltung muss sicherstellen, dass sie ihre Bescheide innerhalb der gesetzlich zulässigen Zeiträume erlässt – sonst kann selbst ein begründeter Steueranspruch nicht mehr durchgesetzt werden.

Da die Revision zugelassen wurde, bleibt abzuwarten, ob der Bundesfinanzhof (BFH) dieses Urteil bestätigen wird.

Bei Eigentumswohnungen führen Zahlungen in die Erhaltungsrücklage der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht zu Werbungskosten (Urteil des BFH vom 14. Januar 2025 – IX R 19/24)

Der Bundesfinanzhof („BFH“) hatte darüber zu entscheiden, ob die Zuführung von Hausgeldzahlungen eines Wohnungseigentümers zur Erhaltungsrücklage der Wohnungseigentümergemeinschaft zu steuerlich abzugsfähigen Werbungskosten des Wohnungseigentümers bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) führt.

Mit seiner Entscheidung vom 14. Januar 2025 hat der Bundesfinanzhof das abgelehnt. Zwar werde der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Wirkung seit dem 1.12.2020 die volle Rechtsfähigkeit zuerkannt. Damit gehört die Erhaltungsrücklage auch zum Gemeinschaftsvermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft. Auch zivilrechtlich steht das der Rücklage zugeführte Vermögen nur der Wohnungseigentümergemeinschaft zu. Der einzelne Wohnungseigentümer hat hieran keinen rechtlich anzuerkennenden, frei verkaufbaren Anteil.

Allerdings, so der BFH, ändert das nichts an dem Umstand, dass zum Zeitpunkt der Zahlung des der Rücklage zuzuführenden Betrages noch kein für den Werbungskostenabzug ausreichender Zusammenhang mit den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung besteht. Denn in diesem Stadium ist noch gar nicht absehbar, ob, wann und in welcher Höhe welche Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum durchgeführt werden.

Die Entscheidung des BFH ist richtig.

Nicht richtig dagegen sind die Überlegungen des BFH zu der Erhaltungsrücklage bei dem Verkauf des Wohnungeigentums. Verkauft der in die Rücklage einzahlende Wohnungseigentümer sein Eigentum, bevor Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden, kann er die Zahlung in die Erhaltungsrücklage endgültig nicht als Werbungskosten abziehen. Er wird aber, so der BFH, von dem Käufer für den dem Käufer wirtschaftlich zugute kommenden Rücklagenbestand einen Kaufpreisaufschlag erhalten.

Diese Annahme des BFH können wir aus unserer Praxis jedenfalls nicht bestätigen. Die Höhe der auf einen Wohnungseigentümer rechnerisch entfallenden Rücklage der Wohnungseigentümergemeinschaft spielt bei Verhandlungen über den Kaufpreis keine Rolle. Andererseits geht der Abzug der Zahlungen in die Rücklage nicht verloren. Denn soweit diese Zahlungen später für Erhaltung Aufwendungen verwendet werden, führen diese zu Werbungskosten bei dem aktuellen Eigentümer des Wohnungseigentums.

Der typisch stille Gesellschafter und das Steuerrecht (FG München, Urteil vom 19.03.2024, 6 K 820/21)

Das Steuerrecht ist meist nicht ganz so einfach wie das Zivilrecht. das gilt auch für die stille Gesellschaft. Während das Zivilrecht nur die stille Gesellschaft (§§ 230 ff. HGB) kennt und diese Gesellschaft wegen des Grundsatzes der Vertragsfreiheit weitgehend frei gestaltet werden darf, ist das Steuerrecht anders: es kennt, je nach Ausgestaltung des Vertrages, den sgenannten typisch stillen Gesellschafter einerseits und den atypisch stillen Gesellschafter andererseits. Der typisch Stille erzielt Überschusseinkünfte aus § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG, der atypisch Stille ist Mitunternehmer und erzielt Gewinneinkünfte aus § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG.

Nach § 232 Abs. 2 Satz 1 HGB nimmt der stille Gesellschafter an dem Verlust nur bis zum Betrag seiner Einlage teil. Was aber passiert mit einem rechnerisch auf den stillen Gesellschafter entfallenden Verlustanteil, der die Einlage des Stillen übersteigt? Und weiter: was passiert steuerrechtlich, wenn der Stille aus der Gesellschaft ausscheidet, mit dem auf ihn entfallenden neagativen Konto, das seine Einlage überstiegen hat?

Zivilrechtlich ist die Frage einfach: Der stille Gesellschafter haftet dafür nicht.

Steuerrechtlich hatte sich damit das Finanzgericht München in seinem Urteil vom 19.03.2024 (FG München, Urteil vom 19. März 2024 – 6 K 820/21, juris) zu befassen.

Das Finanzgericht kommt zu dem Ergebnis, dass das negative Einlagenkonto des still Beteiligten, das unter der Position „sonstige Vermögensgegenstände“ bei der GmbH bilanziert ist und mit dem das Entstehen und die Entwicklung der dem stillen Gesellschafter zuzuweisenden Verlustanteile, die über seine Einlage hinausgingen, abgebildet wurden, nicht auf die GmbH übergeht. Die bisher dem stillen Gesellschafter zugewiesenen Verlustanteile, die bei dem Stillen zu einem negativen Einlagenkonto geführt haben, sind beim stillen Gesellschafter gem. §§ 9, 20 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 15a EStG als Werbungskosten bei der Ermittlung der Kapitaleinkünfte zu berücksichtigen.

Die GmbH als Geschäftsinhaber kann das bei der GmbH bilanzierte negative Einlagenkonto des still Beteiligten nicht gewinnwirksam ausbuchen.

Auch wenn die GmbH als Geschäftsinhaber mit dem Ausscheiden des stillen Gesellschafters die tatsächlich entstandenen betrieblichen Verluste wirtschaftlich endgültig zu tragen hat, sieht das Gesetz eine „Überleitung“ der dem stillen Gesellschafter zugewiesenen Verluste auf den Geschäftsinhaber nicht vor. Die Verluste des stillen Gesellschafters können nur von diesem steuerlich geltend gemacht werden. Ob sich diese Verluste beim stillen Gesellschafter steuerlich auswirken, ist für einen Ansatz beim Geschäftsinhaber nicht erheblich.

Was bedeutet das im Ergebnis für die Praxis? Der typisch stille Gesellschafter trägt die Verluste nur bis zu dem Betrag seiner Einlage. Darüber hinausgehende Verlustanteile werden dem stillen Gesellschafter zwar zugerechnet. Sie wirken sich aber bei dem stillen Gesellschafter zunächst nicht aus. Er kann diese Verlustanteile aber mit künftigen Überschüssen aus der stillen Gesellschaft verrechnen. In der Handels- und Steuerbilanz des Geschäftsinhabers mindern diese rechnerisch auf den stillen Gesellschafter entfallenden Verlustanteile nicht den Jahresfehlbetrag des Geschäftsinhabers.

Steuerrechtlich werden die über den Betrag der Einlage hinausgehenden und nach § 15a Abs. 4 EStG gesondert festzustellenden Verlustanteile dem stillen Gesellschafter zugerechnet.

Wird die stille Gesellschaft beendet und besteht ein nicht ausgeglichener Verlustanteil des stillen Gesellschafters, dann trägt der Geschäftsinhaber endgültig die bislang dem stillen Gesellschafter zugerechneten Verlustanteile. Dessen Einkünfte sind entsprechend zu reduzieren.

Bei dem stillen Gesellschafter dagegen gleichen sich die Einkünfte aus dem Wegfall eines die Einlage übersteigenden Verlustes mit dem verrechenbaren Verlustvortrag nach § 15a EStG aus, so dass sich bei dem stillen Gesellschafter im Regelfall keine steuerrechtlichen Konsequenzen ergeben.

Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts München ist bei dem Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen XI R 18/24 ein Revisionsverfahren anhängig.

Die Finanzverwaltung und die (von ihr oft penetrant) verletzte Pflicht, Steuerbescheide zu begründen (§ 121 AO)

Vor dem Gesetz“ ist ein von Franz Kafka 1915 veröffentlichter Text, der auch als Türhüterlegende oder Türhüterparabel bekannt ist. In dem Text geht es um den Versuch eines Mannes vom Lande, in das „Gesetz“ zu gelangen. Der Mann erfährt von einem Türhüter, der vor der Tür steht, dass es möglich sei, zum Gesetz zu gelangen, aber nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Er wartet sein ganzes Leben darauf, dass ihm der Türhüter Einlass gewährt. Er versucht sogar, den Türhüter zu bestechen. Er bittet sogar die Flöhe im Pelzkragen des Türhüters, ihm zu helfen. Aber alles ist vergeblich.

Kurz bevor der Mann vom Lande stirbt, fragt er den Türhüter, warum in all den Jahren niemand außer ihm Einlass verlangt hat. Der Türhüter antwortet, dieser Eingang sei nur für ihn bestimmt gewesen. Er werde ihn jetzt schließen.

So komme ich mir vor, wenn ich Finanzbehörden bitte, Steuerbescheide zu begründen. Ich schreibe gegen eine Wand. Das letzte mir sehr präsente Beispiel betrifft eine Mandantin, die bis zu 2013 mit knapp über 1 % an einer GmbH & Co. KG („KG“) beteiligt war. Nach einer jahrelang dauernden Betriebsprüfung, an der die Mandantin nicht beteiligt war, erließ das Finanzamt für die Jahre 2009 bis 2014 Im Dezember 2024 geänderte Feststellungsbescheide. Vor ca. einem Jahr geriet die KG in Insolvenz. Die unserer Mandantin im Wege der Einzelbekanntgabe bekanntgegebenen Feststellungsbescheide für diese KG wichen erheblich von den vorausgegangenen Bescheiden ab. Die Rubrik „Erläuterungen“ zu den Bescheiden verwies lapidar auf den Bericht über die Betriebsprüfung.

Gegen die Bescheide legten wir Einspruch ein. Begründen konnten wir den Einspruch nicht; denn wir konnten und können bis heute mangels Begründung nicht prüfen, wie das Finanzamt die Änderungen in den Bescheiden begründen möchte.

Also haben wir jetzt, nach Erhalt der – nichtssagenden – Einspruchsentscheidung, in der dem Steuerpflichtigen völlig absurd mangelnde Begründung der Einsprüche vorgeworfen wurde, Klage erhoben.

Zur Erinnerung: Steuerbescheide sind zu begründen, soweit das zu ihrem Verständnis erforderlich ist (§ 121 Abs. 1 AO). Sehr gut bringt das Seer in Tipke / Kruse auf den Punkt:

Die Begründung ist Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips (BVerfG v. 16.1.1957 – 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32 [44 f.]; Kischel, Die Begründung [LitV], 64 ff.). Die Begründungspflicht steht im engen Zusammenhang mit dem auch europarechtlich durch Art. 41 II lit. c GrCh fundierten Recht auf Gehör (s. § 91 Rz. 1 ff., § 364 Rz. 1). Die Begründung hat aber auch darüber hinausgehende Zwecke oder Funktionen (ebenso Güroff in Gosch, § 121 Rz. 1): (Autor: Seer)2a–Im Vordergrund steht der Rechtsschutzzweck. Die Begründung soll vor allem sicherstellen, dass der Betroffene seinen Rechtsschutzanspruch (s. Art. 19 IV GG) wirklich nutzen kann. Das kann er nur, wenn er weiß, wie die Behörde ihren VA rechtfertigt, insb. auf welche Rechtsgrundlage sie ihn stützt (s.a. BVerfG v. 16.1.1957 – 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32 [44]; BVerfG v. 29.10.1975 – 2 BvR 812/73, BVerfGE 40, 276 [286]; BVerfG v. 28.2.1979 – 2 BvR 84/79, BVerfGE 50, 287 [290]; BVerfG v. 12.7.1983 – 1 BvR 1470/82, BVerfGE 65, 76 ff.; BVerfG v. 5.11.1985 – 1 BvR 1434/83, BVerfGE 71, 122 [136] [allerdings durchweg zu Gerichtsentscheidungen]; zum VA s. BVerfG “

Tipke/Kruse, AO/FGO 2025, § 121 AO, Rn. 2

Angesichts dieser klaren Rechtslage ist die geradezu penetrante Verweigerungshaltung von Finanzbehörden besorgniserregend und erinnert stark an die Türhüterparabel.

BFH zum Zeitpunkt der Berücksichtigung eines Verlustes aus einem auflösend bedingten Forderungsverzicht (Urteil vom 19.11.2024)

Mit Urteil vom 19.11.2024 (VIII R 8/22, DStR 2025, 257) hat der BFH u.a. entschieden, dass der Verlust aus einem auflösend bedingten Forderungsverzicht schon im Zeitpunkt des Verzichts zu berücksichtigen ist. Es kommt nicht darauf an, ob feststeht, dass die auflösende Bedingung nicht mehr eintreten wird.

In dem Zeitpunkt, in dem die auflösende Bedingung eintritt, entsteht ein neuer Lebenssachverhalt, der auch erst im Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung steuerrechtlich zu beurteilen ist.

Dieses Urteil ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senates zum Forderungsverzicht nicht überraschend.

Bedingungen, gleich ob aufschiebend oder auflösend, werden im Steuerrecht teils genauso behandelt wie im Zivilrecht, teils aber auch abweichend davon.

Bei der auflösenden Bedingung folgt das Steuerrecht, wie die hier besprochene Entscheidung des BFH zeigt, dem Zivilrecht. Bei einem Rechtsgeschäft unter einer auflösenden Bedingung ist das Rechtsgeschäft zunächst in vollem Umfang wirksam. Allerdings endet mit dem Eintritt der Bedingung die Wirkung des Rechtsgeschäfts; mit diesem Zeitpunkt tritt der frühere Rechtszustand wieder ein (§ 158 Abs. 2 BGB).

Für die aufschiebende Bedingung gilt zivilrechtlich, dass die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung erst mit dem Eintritt der Bedingung eintritt (§ 159 Abs. 1 BGB). Also wird zivilrechtlich ein Kaufvertrag über Grundbesitz, der unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen worden ist, erst in dem Zeitpunkt wirksam, in dem die aufschiebende Bedingung eintritt. Dem folgt das Steuerrecht nicht. So ist z.B. für die sog. Spekulationsfrist von 10 Jahren im Sinne von § 23 EStG Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG der Zeitpunkt des Abschlusses der notariellen Kaufverträge maßgebend. Wann eine dort vereinbarte aufschiebende Bedingung eintritt, ist dagegen nicht relevant. So ist es beispielsweise nicht möglich, die Besteuerung eines Spekulationsgewinnes durch Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung, die den Zeitpunkt des Verkaufs in die Zukunft verschiebt, zu vermeiden. Die Rechtsprechung weist darauf hin, dass die Beteiligten eines unter aufschiebender Bedingung geschlossenen Kaufvertrages unabhängig von dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung an die von ihnen abgegebenen Willenserklärungen gebunden sind (Urteil des BFH vom 25.03.2021, IX R 10/20, https://www.bundesfinanzhof.de/en/entscheidungen/entscheidungen-online/decision-detail/STRE202110142/; Anschluss an BFH-Urteil vom 10.02.2015 – IX R 23/13, BFHE 249, 149, BStBl II 2015, 487).

Die Risiken der unerkannten Betriebsaufspaltung

Unter Steuerberatern ist die Betriebsaufspaltung beliebt. Allerding birgt sie, wenn sie unerkannt ist, erhebliche, teils existenzielle Risiken. Eine Betriebsaufspaltung endet, wenn entweder die personelle oder die sachliche Verflechtung zwischen Besitz – und Betriebsunterrnehmen endet. Das kann auch gegen den Willen des Steuerpflichtigen passieren, z.B. im Falle der Insolvenz der Betriebs GmbH. Denkbar sind auch gut gemeinte Übertragungen in der Familie, die ungewollt die personelle Verflechtung entfallen lassen.

Wenn eine Betriebsaufspaltung (ungewollt) endet, sind zum einen die stillen Reserven im Besitzunternehmen aufzudecken und zu versteuern. Doch damit nicht genug. Aufzudecken und zu versteuern sind auch die stillen Reserven im Betriebsunternehmen. Bei der im Mittelstand häufig anzutreffenden Konstellation, bei der eine Person Alleineigentümer des betrieblich genutzten Grundbesitzes und des sosntigen Anlagevermögens und zugleich Mehrheitsgesellschafter der Betriebs GmbH ist, sind auch die stillen Reserven aus der Beteiligung an der Betriebs GmbH aufzudecken und zu versteuern. Bei einer Beteiligung mit einem Wert von 20,0 Mio. EUR und einem Buchwert von 20 TEUR ist das ein Gewinn von 19,98 Mio. EUR, der zu versteuern ist, obwohl es, anders als beim Verkauf, keinen Geldzufluss gibt. Hinzu kommt der zu versteuernde Gewinn aus dem Besitzunternehmen.

Insbesondere im Mittelstand muss der Berater dieses Thema präsent haben. Mandanten sind gut beraten, das Risiko der ungewollten Beendigung der Betriebsaufpaltung durch Umstrkturierung auszuschließen. Fragen Sie uns, wir haben die Lösung.

Paukenschlag: Der Bundesfinanzhof (Beschluss vom 17. November 2020, VIII R 11/18) hält die Verlustverrechnungsbeschränkung für Verluste aus dem Verkauf von Aktien für verfassungswidrig und legt diese Frage dem Bundesverfassungsgericht vor.

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören auch die realisierten Wertveränderungen (Gewinne oder Verluste) aus der Veräußerung von Kapitalanlagen, z.B. Aktien. Das gilt unabhängig von einer Spekulationsfrist. Sie unterliegen in vollem Umfang und unabhängig von einer Haltefrist der Besteuerung. Nach § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG dürfen solche Verluste nur mit sonstigen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden. Eine weitere Einschränkung der Verlustverrechnung gilt für Verluste aus der Veräußerung von Aktien. Diese dürfen nach § 20 Abs. 6 S. 5 EStG nicht mit anderen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen, sondern nur mit Gewinnen, die aus der Veräußerung von Aktien entstehen, ausgeglichen werden.

Der Bundesfinanzhof ist mit seinem Beschluss vom 17. November 2020, VIII R 11/18, zu dem Ergebnis gelangt, dass die eben genannte Regelung in § 20 Abs. 6 EStG einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG bedeutet und damit verfassungswidrig ist. Das Gesetz behandele Steuerpflichtige, die Verluste aus der Veräußerung von Aktien erlitten haben, ohne rechtfertigenden Grund anders als Steuerpflichtige, die Verluste aus der Veräußerung anderer Kapitalanlagen erzielt haben.

Wir dürfen auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gespannt sein. Wir halten den Beschluss und die Auffassung des Bundesfinanzhofes für zutreffend. Steuerfestsetzungen sollten, soweit noch möglich, mit Einspruch angefochten werden. Bei Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO empfehlen wir, einen Änderungsantrag zu stellen, um den Eintritt der Festsetzungsverjährung und die damit verbundenen Nachteile zu vermeiden.
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