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VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Falsche Reaktionen auf krasse Missstände im Steuerrecht – sind Anwälte bald verpflichtet, ihre Beratung offenzulegen?

91010_WS schwarz weißEs war kein Aprilscherz, als das Landesministerium der Finanzen Magdeburg in seiner Pressemitteilung Nr.: 019/2017 am 27. April 2017 kämpferisch verkündete: “Kampf gegen Steuersünder wird intensiviert! Finanzminister bereiten Gesetz vor zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungsmodellen“.

http://www.brak.de/w/files/newsletter_archiv/berlin/2017/2017_342anlage1.pdf.

Verwundert liest man, dass Anwälte gesetzlich verpflichtet werden sollen, „kreative Steuergestaltungsberatungen“ zu melden. In der Pressemitteilung wird auf die Panama Papers und auf Steuerschäden durch „cum – ex – Geschäfte“ verwiesen.
Man muss kein Jurist sein, um die Brisanz dieses Vorschlages zu erkennen. Nach geltendem Recht machen sich Anwälte strafbar, die gegen ihre Pflicht zur Verschwiegenheit verstoßen. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was dem Anwalt in Ausübung seines Berufes bekannt geworden ist. Dazu gehört selbst die Tatsache, ob eine Person Mandant des Anwalts ist oder nicht. Die jetzt vorgesehene Pflicht für Anwälte, Behörden Details aus einer Beratung zu offenbaren, wäre ein erheblicher Verstoß gegen diese Pflicht.

Ich bin nicht nur gespannt, wie das Ministerium den Tatbestand des Gesetzes fassen wird und ob ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht eine Ordnungswidrigkeit oder ein Straftatbestand ist. Die weitere spannende Frage wird sein, wie das Gesetz praktisch umgesetzt werden soll. Das Gesetz müsste die Möglichkeit vorsehen, sämtliches Akten eines Anwalts daraufhin prüfen zu dürfen, ob seinen gesetzlichen Pflichten nachgekommen ist. Spätestens hier stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit.

Zu Recht weist das Ministerium in seiner Pressemitteilung auf erhebliche Missstände im Steuerrecht bin. Allein der Steuerschaden aus den cum-ex Geschäften wird auf über 30 Mrd. Steuern geschätzt.

Das ist zu Recht massiv kritisiert worden. Dafür jetzt aber die Anwaltschaft in die Pflicht zu nehmen, verstellt den Blick darauf, dass dieses Thema in Ministerien und in der Politik verschlafen worden ist, wie in dem genannten Artikel in der Zeit nachzulesen ist. Wie sehen in einer Finanzbehörde die inneren Kontrollsysteme aus, wenn eine Steuer mehrfach erstattet wird?

Dass es mit diesem System nicht zum Besten steht, zeigen – unfassbar – auch die noch immer funktionierenden Umsatzsteuerkarusselle, deren Schema seit vielen Jahren, gar Jahrzenhnten, bekannt ist. Vorsteuern werden (oft mehrfach) erstattet, die Umsatzsteuer aber nicht gezahlt. Von einer effektiven Bekämpfung dieser massiven Art der Steuerhinterziehung ist nichts bekannt. Dabei würde es sich lohnen, hier deutlich intensiver zu prüfen. Der Steuerschaden allein durch die Umsatzsteuerkarusselle wird auf 15 Mrd. € p.a. geschätzt (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/recht-steuern/schaden-von-15-milliarden-euro-im-jahr-der-umsatzsteuerbetrug-greift-um-sich-11106067.html).

Ich habe den Eindruck, dass von diesen hausgemachten Problemen abgelenkt werden soll, indem jetzt auf die Berufsgruppe der Anwälte eingeprügelt und diese als die vermeintliche Wurzel des Übels identifiziert wird. Die Energie, die in den Gesetzesentwurf gesteckt wird, wäre besser zur Bekämpfung der nur hier aufgezeigten beiden Missbräuche besser eingesetzt.

Der BFH hat mehrfach entschieden, dass Steuergestaltung nicht verboten ist. Niemand muss Sachverhalte so gestalten, dass eine möglichst hohe Steuer anfällt. Unter mehreren zulässigen Gestaltungen darf der Steuerpflichtige die Gestaltung wählen, die die geringste Steuerbelastung mit sich bringt. Die zulässige Steuergestaltung findet ihre Grenze dort, wo die Strafbarkeit beginnt, oder wo Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts missbraucht werden (§ 42 AO).

Es bleibt daher festzuhalten:

  1. Steuergestaltung ist nicht verboten, sondern erlaubt.
  2. Steuergestaltung wird durch ein kompliziertes Steuerrecht, das zudem unsystematisch Anreize schafft, geradezu provoziert. Hier ist der Gesetzgeber seit Jahrzehnten aufgefordert, Abhilfe zu schaffen.
  3. Wer als Anwalt einem Mandanten zur Steuerhinterziehungen rät, ist als Anstifter strafbar. Wer eine legale Steuergestaltung berät, handelt dagegen pflichtgemäß.
  4. Wer als Anwalt seinem Mandanten in einem steuerrechtlichen Mandat zu einer Gestaltung nicht den steuerlich günstigsten Weg aufzeigt, ist dem Mandanten wegen Beratungsfehlers zum Schadensersatz verpflichtet.
  5. Mißbrauchsbekämpfung ist Sache der Behörden und der Gerichte, nicht der Anwaltschaft.

Es bleibt bei dem Vorstoß des Ministeriums aus Sachsen-Anhalt bei mir der Eindruck, dass hier durch Aktionismus von internen Missständen in Behörden und Politik abgelenkt werden soll. Das aber darf nicht auf dem Rücken der Anwaltschaft erfolgen. In der Öffentlichkeit wird so ein falsches Bild von der Arbeit der Anwaltschaft gezeichnet.
ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Steuerrecht folgt Zivilrecht, auch bei dem Beginn der Abschreibungen für Wirtschaftsgüter (hier: Windkraftanlagen); keine gleichlaufende Behandlung beim Verkäufer und Käufer (Urteil des BFH vom 22.09.2016, IV R 1/14)

91007 Linus fliege orange_1Das Urteil des BFH zeigt, dass im Steuerrecht gute Kenntnisse des Zivilrechts unabdingbar sind. In der Entscheidung des BFH vom 22.09.2016 ging es um den genauen Beginn der Abschreibung für Windkraftanlagen. Der Kläger hatte die Anlagen bereits mit Inbetriebnahme abgeschrieben, aber vor dem späteren zivilrechtlichem Gefahrübergang. Das Finanzamt folgte der Auffassung des Klägers zunächst. Im Anschluss an eine Außenprüfung änderte das Finanzamt die Feststellungsbescheide und ließ die Abschreibungen auf die Windkraftanlagen erst ab dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs zu. Die Änderungsbescheide stützte das Finanzamt auf das Vorliegen neuer Tatsachen im Sinne von § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO.

Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn der Abschreibungen beim Käufer ist nach zutreffender Auffassung des BFH der Zeitpunkt der Lieferung. Geliefert ist ein Wirtschaftsgut, wenn der Käufer zumindest wirtschaftlicher Eigentümer des Wirtschaftsguts geworden ist. Dazu vertrat die Klägerin die Auffassung, im Streitfall sei das wirtschaftliche Eigentum an den Windkraftanlagen schon in dem Zeitpunkt auf sie übergegangen, von dem ab ihr die Nutzung der Windkraftanlagen zugestanden hätte. Dem hielt der Bundesfinanzhof entgegen, dass die das zivilrechtliche Eigentum verdrängende steuerrechtliche Zuordnung eines Wirtschaftsguts (wirtschaftliches Eigentum) auf einen anderen voraussetzt, dass die Substanz des Wirtschaftsguts auf den Käufer übergeht.

Den Übergang der Substanz nimmt der Bundesfinanzhof in dem Zeitpunkt an in dem nach dem Vertrag oder mangels vertraglicher Regelung nach den zivilrechtlichen Regelungen die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf den Käufer übergeht. Bei einem Werklieferungsvertrag wie hier vorliegend, gehen die vertraglichen Vereinbarungen den dispositiven Regeln des Zivilrechts über die Gefahrtragung (§§ 446 Satz 1, 651 BGB) vor.

Das gilt nach den BFH selbst dann, wenn der Käufer die Windkraftanlage bereits vor Abnahme nutzen kann. Denn trotz dieser Nutzungsmöglichkeit bleibt es dabei, dass der Verkäufer bis zum Gefahrübergang weiterhin das Risiko des Untergangs und des Wertverzehrs trägt. Nicht maßgebend ist in diesem Zusammenhang nach Auffassung des BFH, dass der Verkäufer nach Beginn der Nutzung durch den Käufer und vor Gefahrübergang auf den Käufer durch den Abschluss entsprechender Versicherungen bei einem Verlust der Windkraftanlage nicht belastet gewesen wäre.

Für den Kläger wenig befriedigend war die Aussage des BFH in dem Urteil, dass die steuerrechtliche Behandlung bei dem Verkäufer der Windkraftanlagen für die steuerrechtliche Beurteilung bei dem Kläger und Käufer unmaßgeblich war.
ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

BFH ändert seine Rechtsprechung: die Kosten für die Erneuerung von Einbauküchen (neu gegen alt) in einem vermieteten Objekt sind steuerlich nicht sofort abziehbar (BFH-Urteil vom 03.08.2016,IX R 14/15)

91007 Linus fliege orange_1Der Kläger ersetzte in vermieteten Häusern alte Einbauküchen gegen neue. Die dafür entstandenen Kosten machte er als sofort abzugsfähige Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) geltend. Nach Auffassung des Klägers handelte es sich um Erhaltungsaufwand. Das Finanzamt dagegen verteilte, abgesehen von einem Betrag für geringwertige Wirtschaftsgüter i.H.v. 410 €, die restlichen Kosten für die neu eingebauten Küchen auf deren voraussichtliche Nutzungsdauer von zehn Jahren. Finanzgericht und Bundesfinanzhof schlossen sich in der Auffassung des Finanzamts an.

Damit gibt der Bundesfinanzhof seine bisherige, für die Steuerpflichtigen günstige Rechtsprechung, auf. Bisher ging der Bundesfinanzhof davon aus, dass Einbauküchen wesentliche Bestandteile des Gebäudes sind. Folglich waren Kosten für die Erneuerung der dazu gehörenden Teile steuerlich in gleicher Weise sofort abzugsfähig wie z.B. der Austausch alter Fenster gegen neue.

Jetzt hat der Bundesfinanzhof seine Auffassung geändert. Er hält nicht mehr daran fest, dass Einbauküchen Gebäudebestandteile sind. Nach der vom BFH sollen einzelne Elemente einer Einbauküche ein selbständiges, zugleich aber einheitliches Wirtschaftsgut mit einer Nutzungsdauer von zehn Jahren darstellen.

Wir halten die Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht für zutreffend. Maßgebend dafür, ob eine Einbauküche wesentlicher Bestandteil des Gebäudes ist, hängt von der zivilrechtlichen Lage ab. Ist eine Einbauküche wesentlicher Bestandteil eines Gebäudes, dann ist eine Einbauküche auch dann mit Grundstück und Gebäude verkauft, wenn dies im Kaufvertrag nicht gesondert ausgewiesen sein sollte. Nach der Legaldefinition in § 93 BGB sind wesentliche Bestandteile einer Sache solche, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird. Sie können daher nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. Eine Einbauküche ist im Regelfall speziell für das jeweilige Objekt zugeschnitten. Im Falle des Ausbaus würde zumindest das Wesen der Einbauküche verändert werden. Allerdings wird die Praxis sich an der Entscheidung des BFH orientieren müssen.
ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Die Vertragsstrafe bei den Einkünften aus § 21 EStG – „es kommt darauf an“ – FG Münster (13 K 109 / 15) schließt sich unserer Auffassung an.

91007 Linus fliege orange_1Am 4. Oktober 2014 hatten wir in diesem blog über das Thema „Vertragsstrafe und Einkünfte aus § 21 EStG“ berichtet. Obwohl die Vertragsstrafe nicht Ersatz für entgangene Einnahmen und auch kein Schadensersatz für entgangene Miete war, erfasste das Finanzamt die im Jahr 2012 gezahlte Vertragsstrafe gleichwohl als Einnahmen getreu dem Motto „das haben wir schon immer so gemacht“. Der Einspruch blieb erfolglos. Also beschäftigte sich das Finanzgericht Münster unter dem Az. 13 K 109 / 15 E mit der Sache. Gemessen an den sonst bekannten Verfahrensdauern bei Finanzgerichten gab es jetzt im März 2016 einen Erörterungstermin in den Räumen des beklagten Finanzamtes.

Der Berichterstatter erläuterte ausführlich die dem Rechtsstreit zu Grunde liegende Rechtsfrage. Auch hier lautete wieder die Frage „es kommt darauf an“. Im Streitfall kam es nämlich darauf an, ob ein Zusammenhang der Vertragsstrafe mit den Einnahmen aus § 21 EStG bestand oder nicht. Hier folgte der Berichterstatter vergleichsweise schnell der von uns vertretenen Auffassung, die der vertraglich vereinbarten Regelung entsprach. Danach sicherte die Vertragsstrafe, wie üblich, die Hauptleistungspflicht des Verkäufers, ein verkauftes Gebäude fristgerecht zu erstellen, ab. In diesem Zweck erschöpfte sich die Regelung. Hinzu kam im Streitfall, dass die Vertragsstrafenregelung ausdrücklich vorsah, dass die Vertragsstrafe nicht etwa auf einen Schadensersatzanspruch anzurechnen wäre. Die Vertragsstrafe stand nach dem Vertrag ausdrücklich neben einem etwaigen Schadensersatzanspruch. Sie war also unabhängig von den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches (Pflichtverletzung und Verschulden) geschuldet.

Nach den Erläuterungen des Berichterstatters stellte das beklagte Finanzamt die Klagepartei klaglos. Kurios war die differenzierte Wahrnehmung auf Seiten des beklagten Finanzamtes. Während dem Sachgebietsleiter die Argumente des Finanzrichters schnell einleuchteten, zog sich der Bearbeiter der Rechtsbehelfsstelle darauf zurück, dass es doch wohl nicht sein könne, dass ein so hoher Betrag nicht der Besteuerung unterliegen solle.

ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Die (neue) Erbschaftsteuer ab 01.07.2016 aus der Sicht eines höheren Beamten: warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Weil die Parteien es so wollen

91007 Linus fliege orange_1Ich war vor kurzem bei einer Veranstaltung, auf der ein hochrangiger Beamter (dessen Namen ich hier nicht nennen möchte) über den Stand der Bemühungen um die Reform der Erbschaftsteuer vortrug. Wir erinnern uns: das Werk muss nach der Vorgabe des BVerfG bis Juni 2016 Gesetz geworden sein. Nachdem die noch immer, wenn auch entschärften, komplizierten Details des Entwurfs vorgetragen waren, fragte ich den Referenten, ob man denn auch schon einmal die vorgeschlagene Alternative der Besteuerung von Betriebsvermögen zu niedrigeren Steuersätzen, dafür aber keine Begünstigung von Betriebsvermögen mehr, als Lösung erwogen habe. Aus der wortreichen Antwort habe ich unter dem Strich geschlossen, dass diese Lösung nicht einmal ansatzweise geprüft worden ist, und zwar mit der schon etwas ernüchternden Begründung, die ich hier verkürzt darstelle: das sei politisch nicht gewollt.

Ich dachte immer, sehr naiv, es wäre die Pflicht (und auch das Interesse) von den Fachbeamten, gute, einfache und sinnvolle Gesetze zu machen und nicht etwas, das vermeintlich politisch gewollt ist. Und ich frage mich weiter, warum die Steuerbürger mit einem Gesetz leben sollen, das ersichtlich sehr kompliziert ist, und dass sie wohl auch so nicht wollen, nur weil Parteien meinen, das sei gewollt. Ich bin mir sicher, dass sehr viele Unternehmen, auch und insbesondere Mittelständler, mit einer einfacheren Erbschaftsteuer, die der Höhe nach wirklich planbar ist, besser leben könnten als mit einem komplizierten, riskanten Regelwerk. Unternehmen handeln in der Praxis viel weniger steuergetrieben, als die Finanzverwaltung glaubt. Die Unternehmer, die ihr Unternehmen auf das Steuerrecht ausrichten und nicht auf den unternehmerischen Erfolg, die dürften sehr seltene Exemplare sein.

Auch frappierend: die Antwort auf die Frage, was denn passiere, wenn die Neufassung nicht bis Ende Juni 2016 umgesetzt worden sei, bleibt im Ergebnis offen. Die Antwort war sinngemäß u.a. folgende: das BVerfG habe da zwar eine Frist gesetzt, wenn die aber jetzt nicht eingehalten werde, dann sein die halt verstrichen. Ich bin mir nicht sicher, dass die Richterinnen und Richter in Karlsruhe das auch so sehen, wenn man sie den einmal fragen würde.
ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

WM 2006 – DFB–Korruption, Steuerhinterziehung, über Theo Zwanziger, falsche Fuffziger, eine Laienspielschar und die Fehlleistungen der Anwälte der Protagonisten

91010_WS schwarz weißEs ist manchmal erstaunlich, wie einfach die Welt  doch funktioniert. Für mich jedenfalls steht „nach allem was man so lesen und hören kann“ (Rolf Breuer, Deutsche Bank) fest, dass es bei dem vom Spiegel losgetretenen WM – Skandal um Themen geht, die nicht einmal Kindergartenniveau erreichen. Herr Zwanziger macht Herrn Niersbach fertig, koste es, was es wolle, selbst um den Preis des eigenen Kopfes. Ob Zwanziger untergeht und als Depp des Jahres in die Annalen eingeht ist ihm offenbar gleichgültig, Hauptsache, er hat Niersbach fertiggemacht.

Und das ist ihm gelungen. Denken wir allein an diese Pressekonferenz von Niersbach. Der Mann demontierte sich von jetzt auf gleich in erschreckend kurzer Zeit. Da stürzt ein über Jahre gepflegtes Bild eines Profis in wenigen Augenblicken komplett und unwiederbringlich in sich zusammen. Wie soll so jemand professionell sein. Dass er das nicht kann, hat er ohne Not eindrucksvoll bewiesen. Was ist der DFB eigentlich für ein Haufen, der seinen Präsidenten einfach in so eine wichtige Pressekonferenz entlässt, als würde er dort eine Tüte Brötchen kaufen. Mal sehen, was ich denke, wenn ich höre, was ich rede. Das war der Antrieb von Niersbach. Warum ist eine solche Niete Präsident des DFB? Oder ist er nur der einäugige, der unter den Blinden der König ist?  Traurig wär’s, ich fürchte, es ist wahr.

Und Zwanziger? Doch nur ein falscher Fuffziger? Auch sein Handeln ist nicht von sinnvoller Strategie geprägt, es sei, denn, man hält das Ziel, Niersbach ohne Rücksicht auf sich selbst abzuschießen, für eine sinnvolle Strategie.

Dass Emotionen schwer zu kontrollieren ist, ist bekannt. Daher sollte man einen guten Berater haben, der die Dinge mit Abstand und ohne Emotionen betrachtet. Haben Niersbach und Zwanziger solche Berater?

Niersbach offenbar nicht, denn eine solche Selbstzerstörung in einer Pressekonferenz hätte kein guter Berater zugelassen.

Und Zwanziger? Sein Anwalt Metz macht einen eher bodenständigen Eindruck, passend zu Zwanziger. Aber was machen Metz und die Berater von Niersbach. Während Zwanziger sich wie von Sinnen auf Niersbach wirft, und die beiden eine Schlammschlacht vom Feinsten öffentlich zelebrieren, ist wohl keiner der Berater auf die Idee gekommen, mal die Frage zu stellen, ob die Buchung der Zahlung von 6,7 Mio. € für einen der Streithammel oder für alle ganz andere Probleme als ihre Sandkastenspiele mit ich bringen könnte. Die Öffentlichkeit mag der Vorstoß der Staatsanwaltschaft erstaunt haben, dabei ist das Vorgehen alles andere als erstaunlich. Wer als Unternehmer eine Zahlung (falsch) als steuerlich abzugsfähig deklariert, obwohl sie das nicht ist, der ist gut beraten, das nicht in der Presse breit zu treten. Und genau das hat Zwanziger getan.

Dass er das selbst wegen seines Ziels – Niersbach muss weg – nicht realisiert hat, ist für einen promovierten Juristen (Verwaltungsrecht) schon bedenklich. Das aber Rechtsanwalt Metz diesen sehr einfachen Zusammenhang nicht durchschaut hat, ist ja schon eine mehr als fahrlässige Pflichtverletzung des Anwaltsvertrages.

Und Niersbach? Große Namen beraten den DFB, aber auch hier ist niemandem in den Sinn gekommen, das aus dem Sachverhalt unangenehme steuer (strafrecht) liche Folgen resultieren können? Kann das wirklich sein?

Man möchte den Akteuren am liebsten zurufen: macht nur weiter, ihr bekommt den Fußball noch kaputt. Wir jedenfalls dürfen auf weitere Auftritte in diesem Theater gespannt sein.

Was dabei auf der Strecke bleibt? Das Leben. Wer glaubt denn ernsthaft, dass man ein WM bekommt, weil man anständig ist? Es liegt auf der Hand, dass bei solchen Entscheidungen nicht nur eine Hand aufgehalten wird. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Korruption ist ein no-go. Wir dürfen aber nicht verkennen, dass sie dennoch zum Leben gehört. Komischerweise habe ich den Eindruck, dass die Ansprüche an „Sauberkeit“ insbesondere bei uns in Deutschland hochgehalten werden. Schauen Sie sich um: Preisabsprachen bei Gips, Beton, Bier u.a.  Andere Länder können die „manus manum lavat“ Mentalität eher akzeptieren. Was uns fehlt, ist die Leichtigkeit, die einige unserer europäischen Nachbarn haben, und die wir an ihnen so sehr schätzen.

ws

 

 

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VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

BFH bleibt hart: Kosten für die Feststellungserklärung sind auch bei Gewinneinkünften steuerlich nicht abzugsfähig (Beschluss vom 28.05.2015, VIII B 40/14) – hat es sich der BFH da nicht etwas zu einfach gemacht?

91007 Linus fliege orange_1Nichtzulassungsbeschwerden („NZB„) sind kein einfaches Geschäft. Nach der Statistik des BFH für 2014 waren nur 17% dieser Verfahren für die Steuerpflichtigen erfolgreich. Da ist es umso ärgerlicher, wenn man als Beschwerdeführer den Eindruck hat, dass der BFH sich die Sache vielleicht etwas zu einfach gemacht hat, und dass die Beschwerde auch erfolgreich hätte sein können, wenn, ja wenn sich der BFH den guten Argumenten angeschlossen hätte. Das hat der BFH in der besprochenen Entscheidung leider nicht gemacht Er hat stattdessen seine bisherige Rechtsprechung, nach der Steuerberatungskosten für die Feststellungserklärung steuerlich nicht abzugsfähig sind, mit der Entscheidung vom 28.05.2015 bestätigt und damit faktisch zementiert. Im Streitfall hatte eine Personengesellschaft die Steuerberatungskosten für das Erstellen der Feststellungserklärung, in der die Gewinne einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis für zwei Ärzte enthalten waren, als Betriebsausgaben geltend gemacht. Das beklagte Finanzamt und das Finanzgericht lehnten den Abzug der Betriebsausgaben ab. Mit seiner Entscheidung vom 28.05.2015 bestätigte der BFH die Auffassung von Finanzamt und Finanzgericht.

Im Kern führt der BFH aus, dass die Kosten für die Feststellungserklärung nicht betrieblich, sondern privat veranlasst seien. Der BFH wörtlich:

“Zweck der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften ist es, die der Einkommensbesteuerung dienenden Grundlagen, die mehrere Personen betreffen, gemeinsam und mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten bindend festzustellen. Da die Einkommensteuer keine Betriebssteuer ist und daher die Abgabe der Einkommensteuererklärung auch nicht als betriebliche Verpflichtung angesehen werden kann, muss dies auch für die Verpflichtung zur Erstellung der Erklärung über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gelten. Deren Kosten sind daher –wie Steuerberatungskosten zur Erstellung der Einkommensteuererklärung (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 1 StBGebV)– nicht als Betriebsausgaben abzugsfähige Kosten für die Steuererklärung.“

Wir meinen, dass der BFH sich die Entscheidung damit etwas zu leicht gemacht hat. Methodisch betrachtet stützt der BFH seine Entscheidung auf einen Erst-Recht-Schluss. Sind schon die Kosten für die Einkommensteuererklärung, da pirvat, nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig, dann muss dies erst recht für die Erklärung über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gelten. Denn diese Grundlagen würden ja nur für die Einkommensteuer erfasst. Und damit liege die Veranlassung im privaten Bereich. Dieses Argument ist aber nur auf den ersten Blick bestechend. Bei näherer Betrachtung erweist es sich als falsch. Denn so könnte mit der gleichen Argumentation den Kosten für die Gewinnermittlung der Betriebsausgabencharakter versagt werden. Denn auch die Gewinnermittlung dient im Ergebnis nur dem Zweck, die der Einkommensbesteuerung dienenden Grundlagen zu ermitteln. Die Steuerpflichtigen haben sich das Feststellungsverfahren nach §§ 179 ff. AO auch nicht ausgesucht. Die Abgabenordnung zwingt sie dazu, ihre Einkünfte einheitlich und gesondert vom Finanzamt feststellen zu lassen. Zu diesem Zweck geben die Beteiligten eine von Gesetz vorgeschriebene Feststellungserklärung ab. In dieser Feststellungserklärung werden aber im Streitfall steuerliche Gewinne festgestellt. Es ist unstreitig, dass die Kosten, die für die Ermittlung der Gewinne anfallen, betrieblich veranlasst, und damit Betriebsausgaben sind. Nichts Anderes kann daher für die von der Finanzverwaltung für die Feststellung dieser Gewinne geforderten Feststellungserklärung folgen. Denn diese Kosten haben ihre Ursache in den erzielten Gewinneinkünften. Dass diese Einkünfte der – privaten – Einkommensteuer unterliegen, ist nicht die Veranlassung, sondern die Folge aus diesem Ergebnis. Wir meinen, dass der Bundesfinanzhof daher mit seiner Entscheidung nicht richtig liegt.

ws

 

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

(Weiter) hohe Anforderungen des BFH an die Wiedereinsetzung bei Fristversäumnis (Beschluss des BFH vom 28.07.2015, II B 150/14) – zur kritischen Prüfung der eigenen Organisation

91007 Linus fliege orange_1Die hier besprochene Entscheidung des BFH mag für viele Kanzleien ein guter Grund sein, die eigene Fristenkontrolle auf den Prüfstand zu stellen. Fristversäumnisse sind nicht nur ärgerlich (Fehlleistungen bleiben bei Mandanten besser im Gedächtnis als gute Taten), sondern zudem nicht selten teuer. Die Erkenntnis, dass Fehler überall dort passieren, wo Menschen arbeiten, ist sicher banal. Angesichts der auch durch diese Entscheidung des BFH bestätigten Rechtsprechung kann in Kanzleien aber nur als Grundsatz ohne jede Ausnahme gelten, dass in Fristsachen nur eine Null- Fehlerquote akzeptabel und tolerabel ist. Dieses Ziel stellt sich nicht von alleine ein. Es bedarf dazu organisatorischer Vorkehrungen, deren Einhaltung dringend und im eigenen Interesse regelmäßig überprüft werden müssen. Das hat nichts mit Misstrauen gegenüber den Mitarbeitern, sondern mit den hohen Anforderungen an einen erfolgreichen Antrag auf Wiedereinsetzung zu tun. Der Aufwand, den Kanzleien mit solchen Anträgen betreiben, übersteigt den Aufwand für eine ordnungsgemäße Fristenkontrolle bei weitem.

In dem von dem BFH entschiedenen Fall ist es dem Antragsteller zum Verhängnis geworden, dass er in der Kanzlei nicht angeordnet hat, dass eine Frist erst gelöscht wird, wenn die zur Absendung des Schriftstücks erforderlichen Arbeitsschritte vollständig getan sind und bei Übermittlung eines fristwahrenden Schriftstücks per Telefax ein von dem Telefaxgerät des Absenders ausgedruckter Einzelnachweis (Sendebericht) vorliegt, der die ordnungsgemäße Übermittlung belegt. Der Antragsteller hat nach der Entscheidung des BFH auch nicht ausgeführt, dass die für die Fristenkontrolle zuständige Bürokraft angewiesen gwar, Fristen im Kalender erst zu streichen nachdem sie sich anhand der Akte vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist, und dass hinsichtlich fristgebundener Sachen eine allabendliche Kontrolle mit einer nochmaligen, selbständigen Prüfung angeordnet war.

Wörtlich und fast schon als Vorlage für ein Orga – Handbuch führt der BFH aus:
„a) Nach § 56 Abs. 1 FGO ist einem Beteiligten auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dabei schließt jedes Verschulden, also auch einfache Fahrlässigkeit, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (BFH-Beschlüsse vom 9. Januar 2014 X R 14/13, BFH/NV 2014, 567, Rz 11; vom 26. Februar 2014 IX R 41/13, BFH/NV 2014, 881, Rz 10, und vom 16. September 2014 II B 46/14, BFH/NV 2015, 49, Rz 4). Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist dem Beteiligten nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.
b) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung müssen innerhalb der in § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO bestimmten Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig dargelegt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 13. September 2012 XI R 13/12, BFH/NV 2013, 60, Rz 13, 19; in BFH/NV 2014, 881, Rz 10; vom 28. März 2014 IX B 115/13, BFH/NV 2014, 896, Rz 4; in BFH/NV 2015, 49, Rz 6, und vom 2. Dezember 2014 III B 36/14, BFH/NV 2015, 505, Rz 13), soweit sie für das Gericht nicht offenkundig oder amtsbekannt sind (BFH-Urteil vom 18. März 2014 VIII R 33/12, BFHE 246, 1, BStBl II 2014, 922, Rz 17). Sie müssen ferner bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO).
c) Hinsichtlich einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zwischen Organisationsmängeln, die als solche einem Rechtsanwalt oder Steuerberater und den von ihm Vertretenen als Verschulden zuzurechnen sind, einerseits und nicht zurechenbarem Büroversehen andererseits unterschieden. Wird –wie im Streitfall– ein dem Prozessbevollmächtigten und dem von ihm Vertretenen nicht zuzurechnendes reines Büroversehen geltend gemacht, gehört zum erforderlichen schlüssigen Vortrag des „Kerns“ der Wiedereinsetzungsgründe die Darlegung, warum ein Organisationsverschulden auszuschließen ist. Es müssen also die Organisationsmaßnahmen vorgetragen werden, die den konkreten Fehler als Büroversehen erkennen lassen (BFH-Urteil in BFHE 246, 1, BStBl II 2014, 922, Rz 18). Dazu muss substantiiert und schlüssig vorgetragen werden, dass der Prozessbevollmächtigte alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind (z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. Dezember 2011 X B 50/11, BFH/NV 2012, 440; vom 30. April 2013 IV R 38/11, BFH/NV 2013, 1117, Rz 19, und in BFH/NV 2014, 567, Rz 12). Kann aufgrund des Vortrags nicht ausgeschlossen werden, dass an der Fristversäumnis ursächlich auch ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten mitgewirkt hat, kann keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (BFH-Beschluss vom 13. September 2012 XI R 48/10, BFH/NV 2013, 212, Rz 13, m.w.N.).
d) Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe müssen die Ausgangskontrolle von fristgebundenen Schriftsätzen so organisieren, dass sie einen gestuften Schutz gegen Fristversäumungen bietet (Beschluss des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 4. November 2014 VIII ZB 38/14, Neue Juristische Wochenschrift –NJW– 2015, 253, Rz 9, m.w.N.). Dabei ist die für die Kontrolle zuständige Bürokraft anzuweisen, dass Fristen im Kalender erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen sind, nachdem sie sich anhand der Akte selbst vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist (BGH-Beschluss vom 26. Februar 2015 III ZB 55/14, Wertpapier-Mitteilungen –WM– 2015, 782, Rz 8).
Die ordnungsgemäße, zur Vermeidung von Fristversäumnissen geeignete Büroorganisation setzt u.a. voraus, dass der Ausgang eines Schriftstücks, das eine gesetzliche Frist wahren soll, nicht dokumentiert wird, solange die zur Absendung erforderlichen Arbeitsschritte nicht vollständig getan sind, und eine Frist nicht vorher gelöscht wird. Bei Übermittlung eines fristwahrenden Schriftstücks per Telefax darf demgemäß die betreffende Frist erst gelöscht werden, wenn ein von dem Telefaxgerät des Absenders ausgedruckter Einzelnachweis (Sendebericht) vorliegt, der die ordnungsgemäße Übermittlung belegt. Werden diese Anforderungen nicht beachtet, weist dies auf einen Organisationsmangel hin (BFH-Urteil in BFHE 246, 1, BStBl II 2014, 922, Rz 20, m.w.N.).
Zu einer wirksamen Fristenkontrolle gehört auch eine Anordnung, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft nochmals und abschließend selbständig überprüft wird (BGH-Beschlüsse in NJW 2015, 253, Rz 8 f., und in WM 2015, 782, Rz 8, je m.w.N.). Diese Kontrolle muss gewährleisten, dass am Ende eines jeden Arbeitstages von einer dazu beauftragten Bürokraft geprüft wird, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob diese mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen (BGH-Beschluss in NJW 2015, 253, Rz 9, m.w.N.).
Die Erforderlichkeit einer derartigen abschließenden Kontrolle ergibt sich schon daraus, dass selbst bei sachgerechten Organisationsabläufen individuelle Bearbeitungsfehler auftreten können, die es nach Möglichkeit aufzufinden und zu beheben gilt (BGH-Beschlüsse in NJW 2015, 253, Rz 8, und in WM 2015, 782, Rz 18, m.w.N.). Die allabendliche Kontrolle dient nicht allein dazu, zu überprüfen, ob sich aus den Eintragungen noch unerledigt gebliebene Fristsachen ergeben. Sie soll vielmehr auch feststellen, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten Frist die fristwahrende Handlung noch aussteht (BGH-Beschluss in WM 2015, 782, Rz 18, m.w.N.).
e) Diese Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Begründungsfrist sind im Streitfall nicht erfüllt. Nach dem Vorbringen des Klägers kann nicht ausgeschlossen werden, dass an der Fristversäumnis ursächlich ein Organisationsverschulden des P mitgewirkt hat. Der Kläger hat nicht substantiiert und in sich schlüssig dargelegt, dass die Ausgangskontrolle von fristgebundenen Schriftsätzen in der Kanzlei des P so organisiert war, dass sie den erforderlichen gestuften Schutz gegen Fristversäumnisse bot. Er hat nicht vorgetragen, dass in der Kanzlei angeordnet gewesen sei, dass eine Frist erst gelöscht wird, wenn die zur Absendung des Schriftstücks erforderlichen Arbeitsschritte vollständig getan sind und bei Übermittlung eines fristwahrenden Schriftstücks per Telefax ein von dem Telefaxgerät des Absenders ausgedruckter Einzelnachweis (Sendebericht) vorliegt, der die ordnungsgemäße Übermittlung belegt. Er hat auch nicht ausgeführt, dass die für die Fristenkontrolle zuständige Bürokraft angewiesen gewesen sei, Fristen im Kalender erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem sie sich anhand der Akte vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist, und dass hinsichtlich fristgebundener Sachen eine allabendliche Kontrolle mit einer nochmaligen, selbständigen Prüfung angeordnet war. Individuelle Bearbeitungsfehler, wie sie selbst bei sachgerechten Organisationsabläufen auftreten können, konnten, wie auch der Streitfall zeigt, aufgrund der unzureichenden Büroorganisation allenfalls zufällig entdeckt werden. Dies genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.“

ws

VonDepesche

Finanzgericht Köln vom 27.08.2014: Förster müsste man sein. Förster kann Dienstzimmer steuerlich unbeschränkt absetzen

Random_Coil_Logo_Blog_FacebookKurios, aber wahr. Die Forstbehörde legte einem Diplom-Forstwirt, der für den Landesbetrieb Wald und Holz NRW als Betreuungsförster einen Forstbezirk leitete, nahe, einen Dienstraum in seiner Wohnung einzurichten, der auch für den Vertreter des Forstwirts zugänglich sein müsse. Die Kosten für die Umsetzung übernahm die Forstbehörde. Außerdem erhielt der klagende Förster auch eine monatliche steuerfreie Entschädigung in Höhe von 81,81 €.
Das klingt soweit sehr gut, jedoch kamen noch weitere Kosten in Höhe von 3.417 € auf den Förster zu. Diese wollte er als Werbungskosten geltend machen. Das Finanzamt erkannte aber nur 1.250 € an. Begründung: für häusliche Arbeitszimmer gelte eine Abzugsbeschränkung.
Das sah das vom Förster angerufene FG Köln anders. In seiner Entscheidung 7 K 3561/10 vom 27.08.2014 kam es zu dem Ergebnis, dass das Dienstzimmer ein externes Büro sei und daher nicht den Beschränkungen für häusliche Arbeitszimmer unterliege. Es sei auch unerheblich, dass kein Mietvertrag zwischen dem Kläger und der Forstbehörde geschlossen worden ist und der Forstwirt eine steuerfreie Nutzungsentschädigung erhalten hat. Grundlegend sei, dass das Interesse des Klägers, zur Erledigung von Büroarbeiten einen Raum in der eigenen Wohnung zur Verfügung zu haben, von den „Belangen der Behörde“ überlagert worden ist. Wenn das Dienstzimmer im Wohnhaus auf dem überwiegenden Interesse des Arbeitgebers beruht, können die dafür entstehenden Kosten in vollem Umfang von der Steuer abgesetzt werden. Die Entscheidung zeigt einmal mehr, wie gerecht das Steuerrecht doch ist…….
ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

BFH gibt Klägern mit Urteilen vom 12.05.15 (VIII R 4/15 und VIII R 35/14) Recht: der kleine, aber feine Unterschied: „verbrieftes“ Gold ist steuerrechtlich auch Gold.

Random_Coil_Logo_Blog_FacebookDer BFH hat entschieden, dass „Gewinne“ aus der Veräußerung oder Einlösung von Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen keine Einnahmen aus § 20 EStG, sondern allenfalls sonstige Einnahmen (§§ 22 Nr. 3, 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG) und damit nicht steuerbar, wenn zwischen Anschaffung und Verkauf mehr als ein Jahr liegt

Der BFH hatte darüber zu entscheiden, ob der Gewinn (besser: „Überschuss“) aus der Veräußerung oder Einlösung von Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen, die dem Inhaber ein Recht auf Auslieferung von Gold gewähren, steuerbar ist, wenn zwischen Anschaffung und Realisation (Verkauf der Tausch in Gold) mehr als ein Jahr liegt. Die Sachverhalte in beiden Entscheidungen waren nahezu identisch. Der wesentliche Unterschied bestand darin, dass in dem einen Verfahren die Verschreibungen verkauft worden sind (VIII R 35/14), während der Kläger des anderen Verfahrens die Verschreibungen in Gold getauscht hatte (VIII R 4/15). Der BFH kam zu dem Ergebnis, dass in beiden Fällen Maßstab der Prüfung der Steuerbarkeit nicht § 20 EStG (dann wären die Fristen unerheblich und die Kläger hätten ihre Überschüsse versteuern müssen), sondern die §§ 22 Nr. 3, 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG – sog. Spekulationsgeschäft) war.

Was sind Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen? Diese Papiere gewähren dem Inhaber das Recht auf Auslieferung eines Gramms Gold, das jederzeit unter Einhaltung einer Lieferfrist von zehn Tagen gegenüber der Bank geltend gemacht werden kann. Daneben besteht die Möglichkeit, die Wertpapiere an der Börse zu handeln. Zur Besicherung und Erfüllbarkeit der Auslieferungsansprüche waren die Inhaberschuldverschreibung jederzeit durch physisch eingelagertes Gold zu mindestens 95 % gedeckt.

Der BFH entschied gegen die Verwaltung. Der von den Klägern erzielte Überschuss aus der Veräußerung oder Einlösung von Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen (Tausch = Kauf) führt nach zutreffender Auffassung de BFH nicht zu steuerbaren Einnahmen aus Kapitalvermögen, da die Schuldverschreibung keine Kapitalforderung verbrieft, sondern einen Anspruch auf eine Sachleistung, die Lieferung physischen Goldes. Der Anspruch auf Lieferung von Gold werde auch nicht dadurch zu einer Kapitalforderung, dass eine Vielzahl von Anlegern Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen auf dem Sekundärmarkt gehandelt haben. Der BFH stellt richtigerweise den Erwerb und den Verkauf oder Tauch der Inhaberschuldverschreibungen dem unmittelbaren Erwerb oder Verkauf physischen Goldes gleich. Solche Geschäfte hat der BFH aber stets als private Veräußerungsgeschäfte i.S. von §§ 22 Nr. 3, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG angesehen. Damit wird die dort genannte Frist von einem Jahr relevant.

ws