„Schutzwesten“ der Steuerfahnder – der Aufsatz von Feindt/Rettke: Steuergeheimnisgerechte Schutzwesten für Steuerfahnder in: DStR 2019, 1252

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

„Schutzwesten“ der Steuerfahnder – der Aufsatz von Feindt/Rettke: Steuergeheimnisgerechte Schutzwesten für Steuerfahnder in: DStR 2019, 1252

91007 Linus fliege orange_1Sie kennen das vielleicht aus der Berichterstattung: fällt die Steuerfahndung bei Steuerpflichtigen ein, ist oft die Presse schnell zur Stelle (nur bei Herrn Zumwinkel waren sie schon vorher da!). Dann haben Sie sicher auch die Bilder von Personen im Kopf, die eine Weste mit der Aufschrift „Steuerfahndung“ tragen. Spätestens dann kommt die Assoziation, dass hier (auch) wegen einer Steuerstraftat ermittelt wird, und nicht nur das; Aussagen wie: „die kommen nicht ohne Grund“ oder: „wo Rauch ist, muss auch Feuer sein“ fallen dann; mit Steuerhinterziehern möchte niemand etwas zu tun haben, sie sind stigmatisiert. Dass auch für sie die Unschuldsvermutung gilt, tritt nicht selten in den Hintergrund.

Nicht nur der Fall Zumwinkel zeigt, dass es mit dem Steuergeheimnis nicht weit her ist. So erleben wir es, dass die Steuerfahndung Dritte um Auskünfte fragt, die sie ebenso gut bei dem Beschuldigten erhalten hätte. Hätte er sich geweigert, hätte sie noch immer die Dritten fagen können. Stellen Sie sich einmal vor, sie werden einer Steuerstraftat beschuldigt und ihre Kunden oder Lieferanten erhalten Post von der Steuerfahndung mit ein paar Fragen zur Geschäftsbeziehung zu Ihnen. Davon wäre niemand begeistert. Und jetzt setzen Sie mal auf den Stuhl eines Kunden oder Lieferanten. Dann verstehen Sie schnell, was so ein Schreiben auslösen kann und auch tatsächlich auslöst.

Hier wäre der Finger in die Wunde zu legen und hier wäre es an der Zeit, solches Verhalten am Maßstab des Steuergeheimnisses nach § 30 zu messen, statt sich mit Warnwesten mit dem Aufdruck „Steuerfahndung“ im Lichte des Steuergeheimnisses zu befassen.

Interessant ist der Aufsatz der beiden Staatsanwälte aber dennoch zu lesen. Ihr Ergebnis, ein Verstoß gegen das Steuergeheimnis durch das Tragen der Westen mit dem Aufdruck „Steuerfahndung“ sei gerechtfertigl, weil es ja dem Ermittlungsverfahren diene, halte ich aber für zu kurz gesprungen. Hier wäre, weil das Offenbaren von Tatsachen, die dem Steuergeheimnis unterliegen, ein Grundrechtseingriff ist, doch zu prüfen, ob das Tragen der Westen denn noch verhältnismäßig ist.

Ermittlungen bei Dritten, die den Ruf und das Geschäft eines der Steuerstraftrat Beschuldigten empflindlich treffen oder gar zerstören können, halte ich so lange für unverhältnismäßig, wie man die Antworten auch über den Steuerpflichtigen selbst erhalten kann, auch wenn man ihn dazu die Kunden anschreiben lässt. Dabei kann das Schreiben durchaus den Passus enthalten, dass man die Antworten für die Finanzverwaltung bräuchte.

Auch hier wäre es gut, wenn die Verwaltung mit Augenmaß handelte.
ws

Über den Autor

Prof. Dr. Wolfgang Sturm administrator

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Agrarrecht, Diplom-Finanzwirt, Inhaber einer Professur für Wirtschafts- und Steuerrecht

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