Nach der Statistik des Bundesfinanzhofes für das Jahr 2018 waren die Steuerpflichtigen mit 46 % bei den Revisionsverfahren erfolgreich. Das ist eine beachtliche Quote. Deutlich schlechter dagegen sieht die Bilanz für die Steuerpflichtigen bei den sogenannten Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren aus. Hier waren im Jahr 2018 nur 12 Prozent der Steuerpflichtigen erfolgreich. Im Regelfall ist für die Steuerpflichtigen bei dem zuständigen Finanzgericht der Instanzenzug im Steuerrecht beendet. Um einem unterliegenden Steuerpflichtigen den Weg zum Bundesfinanzhof zu eröffnen, muss das Finanzgericht die Revision zulassen. Das geschieht aber nur recht selten. In diesen Fällen bleibt für Steuerpflichtige nur noch, sich mit der sogenannten Nichtzulassungsbeschwerde die Möglichkeit eines Revisionsverfahrens vor dem Bundesfinanzhof zu eröffnen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist keine „kleine“ Revision. In diesem Verfahren prüft der Bundesfinanzhof nicht, ob das Urteil des Finanzgerichts richtig oder falsch war. Die Anforderungen an eine zulässige Nichtzulassungsbeschwerde sind sehr hoch. Der Bundesfinanzhof prüft in diesem Verfahren, soweit es für diesen Beitrag von Interesse ist, nur, ob die Entscheidung des Finanzgerichts auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (sog. error in procedendo).
Fehler bei der Rechtsanwendung dagegen (sog. error in iudicando) sind grundsätzlich keine Verfahrensfehler. Das bedeutet, das Urteil eines Finanzgerichts kann rechtlich falsch sein. Dennoch kann der Steuerpflichtige es mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mit Erfolg anfechten.
Daher ist es interessant, dass der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 29.03.2019 (IX B 84/18) entschieden hat, dass erhebliche Rechtsfehler bei der Feststellung von Rechtstatsachen einen Verfahrensmangel begründen können.
Im Streitfall ging es zivilrechtlich um die Frage, ob ein Mietverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet worden ist. Das Finanzgericht bejahte diese zivilrechtliche Frage, weil der Mieter eine an ihn gerichtete Kündigung des Wohnraumes „gegengezeichnet“ hatte. Diese von dem Finanzgericht vorgenommene Auslegung der Gegenzeichnung der Kündigung hielt der Bundesfinanzhof für nicht vertretbar. Damit konnte, so der Bundesfinanzhof, das Finanzgericht auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen nicht zu dem Ergebnis gelangen, dass das Mietverhältnis enden würde. Der Bundesfinanzhof verwies das Verfahren zurück an das Finanzgericht, das jetzt erneut zu entscheiden hat.
Der Bundesfinanzhof sah in seiner Entscheidung den Verfahrensmangel in der Tatsachenwürdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Wörtlich führt der BFH in seiner Entscheidung aus: „Das FG hat sich seine Überzeugung zu der Frage, ob die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) mit Überschusserzielungsabsicht vermietet hat, auf teilweise unzutreffender Grundlage gebildet. Im Rahmen einer indiziellen Tatsachenfeststellung (hier: Feststellung der Überschusserzielungsabsicht anhand von äußeren Anknüpfungstatsachen) muss das Gericht, wie bei allen tatsächlichen Schlussfolgerungen, von zutreffenden Tatsachen ausgehen. Es muss den Sachverhalt richtig erfassen. Das gilt grundsätzlich auch, soweit es um Rechtstatsachen und um die Beurteilung rechtlicher Vorfragen geht. Zu beachten ist allerdings, dass Rechtsanwendungsfehler grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führen können. Dies muss grundsätzlich auch für die rechtsfehlerhafte Beurteilung zivilrechtlicher Vorfragen bei der Feststellung von rechtlich geprägten Indiztatsachen gelten, denn es ist erst recht nicht die Aufgabe des Bundesfinanzhofs (BFH), die Richtigkeit jeder zivilrechtlichen Vorbeurteilung einer revisionsrechtlichen Kontrolle zu unterziehen. Etwas anderes gilt aber jedenfalls dann, wenn der Fehler so schwerwiegend erscheint, dass er das Vertrauen in die Rechtsprechung erschüttern würde, wenn er bestehen bliebe. Das ist insbesondere der Fall, wenn die vom FG eingenommene Rechtsposition als schlechthin unvertretbar und mit geltendem Recht nicht vereinbar anzusehen ist. Jedenfalls unter diesen engen Voraussetzungen überprüft und korrigiert der BFH im Rahmen der Verfahrenskontrolle bei der Tatsachenwürdigung auch eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG.“
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofes ist zu begrüßen. Denn damit steigen die Chancen von Steuerpflichtigen, Urteile von Finanzgerichten mit der Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich auch dann angreifen zu können, wenn dem Finanzgericht schwerwiegende Fehler bei der Rechtsanwendung unterlaufen.
ws
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
Über den Autor