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VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

„Der Knabe schaut verwundert: sie klagt aus dreizehnhundert“

alter Wein in neuen Schläuchen, mag sich das OLG Hamm (13. Januar 2011 – I – 18 U 88/10) gedacht haben; auch nach Abschaffung des früheren § 1300 BGB gibt es Klagen auf Rückzahlung von Brautgeld. Eine darauf gerichtete Vereinbarung scheitert nach dem OLG an § 138 BGB wegen Sittenwidrikgeit, Ansprüche aus § 812 BGB an § 817 Abs. 2 BGB; man wolle keinen Anreiz zum Abschluss solcher Vereinbarungen bieten.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

EGVP reloaded: Frage an Radio Eriwan…..

Frage an Radio Eriwan:  ist es richtig, dass viel mehr Anwälte das EGVP nutzen würden ? Antwort: Im Prinzip ja, wenn denn mehr Gerichte teilnehmen würden. Die Bilanz in NRW ist erschreckend: es gibt mit dem Landgericht Köln sage und schreibe ein einziges Landgericht, mit dem Anwälte per EGVP kommunizieren können. Insgesamt, also eingeschlossen Verwaltungsgerichte und Finanzgerichte, sind es in NRW ganze sechs Gerichte (ohne Registergerichte), mit denen eine Kommunikation per EGVP möglich ist. Das erstaunt, weil viele Gerichte sich zu recht wegen der ihnen zugesandten vielen „Doubletten“ („vorab per Telefax“ – Post kommt hinterher) bei den Anwälten darüber beschweren, dass die Akten unnötig dick werden. All das entfällt wohltuend beim EGVP. Wo sind die Initiativen bei Justiz, Kammern und DAV, um das System zu pushen ? Es könnten eine Menge Kosten eingespart werden.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Finanzgericht Münster zeigt einmal mehr: es kommt darauf an…..

Ein erst jetzt im Februar 2011 veröffentlichtes Urteil des FG Münster (20. April 2010, 15 K 2184/07 F) zeigt, wie richtig die Aussage „es kommt darauf an“ ist, wenn man sie richtig versteht.  Im Streitfall ging es um die Kosten eines Gesellschafters einer aus Kieferorthopäden bestehenden GbR, die diesem Gesellschafter für die Ausbldung seines Sohnes entstanden waren. Diese Kosten hatte er, weil er sie persönlich getragen hatte, als Sonderbetriebsausgaben geltend gemacht. Das Finanzamt erkannte das nicht an, der Kläger zog vor Gericht. Begründung zunächst: es habe sich um ein Ausbildungsdienstverhältnis gehandelt. Später trug der Kläger vor, er habe einen Nachfolger für seinen GbR-Anteil gesucht. Das FG erkannte das nicht an und ordnete die Kosten den nicht abzugsfähigen der Lebensführung (Ausbildungskosten) zu. Begründung: die gewählte Gestatlung sei unter fremden Dritten so nicht gewählt worden. Hätte die GbR die Aufwendungen getragen und wären die Beziehungen wie unter fremden Dritten gestaltet gewesen, wäre das Urteil womöglich zu Gunsten der GbR ausgegangen.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Weise Entscheidungen des BFH oder: wie kompliziert möchte die Finanzverwaltung das Steuerrecht noch machen ?

Es ist nicht neu, dass das Steuerrecht für allerhand Dinge mißbraucht wird, die besser in Fördermaßnahmen gegossen oder überhaupt nicht geregelt würden, weil sie die in Deutschland ohnhin schon hohe Regelungsdichte noch weiter erhöhen. Dazu gehört unbestritten auch die Regelung in § 8 Abs 2 Satz 9 EStG, nach der Arbeitgeber jedem Arbeitnehmer steuerfrei Warengutscheine im Wert von 44,00 EUR je Monat zukommen lassen können. Wenn aber solche Regelungen durch die Verwaltung ad absurdum geführt werden wird, dann wird es grotesk.

Woran liegt es ? Der Haken: der Betrag von 44,00 EUR ist eine Freigrenze, jeder über 44,00 EUR liegende Cent führt also zur Steuer auf den gesamten Betrag. Weiterer Haken: die Finanzverwaltung hat die Regelung durch ihre Auslegung des Gesetzes für die Praxis so untauglich gemacht, dass man niemandem die Regelung empfehlen konnte: zuviel Aufwand, zu hohes Risiko. Denn die z.B. bei Treibstoff naheliegende Lösung, dem Arbeitnehmer (was einfach möglich wäre) einen Gutschein über Treibstoff im Wert von höchstens 44,00 EUR zu geben, sah die Verwaltung nicht als Sachlohn, sondern als Barlohn an. Missliches Ergebnis: voll steuerpflichtig. Nach der Verwaltung hätte auf dem Gutschein nur stehen dürfen: „30 Liter Diesel“. Wegen der schwankenden Preise ist das eine nicht oder nur mit großem Aufwand umsetzbare Forderung.

Konsequenz: die Vorgaben der Verwaltung setzten Lohnsteueraußenprüfer und andere Mitarbeiter in Mehrsteuern um (die wir in den jährlichen Statistiken als Erfolge bewundern können), eine Flut von Klagen war die Folge. Der BFH hat jetzt in mehreren parallel gelagerten Fällen vom 11. Oktober 2010, wie jetzt am 9. Februar 2011 bekannt wurde, weise und gegen die Finanzverwaltung entschieden, dass in sehr weitem Umfang doch Sachlohn angenommen werden kann. Insbesondere die vom BFH explizit entschiedene Gestaltung der dem Arbeitnehmer mit  der Abrede überlassenen Tankkarte, auf Kosten des Arbeitgebers gegen Vorlage der Tankkarte bei einer bestimmten Tankstelle bis zu einem Höchstbetrag von 44,00 EUR  monatlich zu tanken, dürfte jetzt in der Praxis umsetzbar sein.

Was bleibt, ist die rechtspolitische Frage, warum ein Warengutschein über 44,00 EUR monatlich überhaupt steuerfrei sein soll. Darüber hatte der BFH nicht zu entscheiden.    

Die Pressemitteilung des BFH vom 9. Februar 2011 lautet:
„Tank- und Geschenkgutscheine des Arbeitgebers können steuerbefreiter Sachlohn sein

Urteil vom 11.11.10   VI R 21/09
Urteil vom 11.11.10   VI R 27/09
Urteil vom 11.11.10   VI R 41/10

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit drei Urteilen vom 11. November 2010 (VI R 21/09, VI R 27/09, VI R 41/10) anlässlich der Frage der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Tankkarten, Tankgutscheinen und Geschenkgutscheinen erstmals Grundsätze zu der Unterscheidung von Barlohn und einem nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) bis zur Höhe von monatlich 44 € steuerfreiem Sachlohn aufgestellt. In den vom BFH entschiedenen Streitfällen hatten Arbeitgeber etwa ihren Arbeitnehmern das Recht eingeräumt, auf ihre Kosten gegen Vorlage einer Tankkarte bei einer bestimmten Tankstelle bis zu einem Höchstbetrag von 44 € monatlich zu tanken oder die Arbeitnehmer hatten anlässlich ihres Geburtstages Geschenkgutscheine einer großen Einzelhandelskette über 20 € von ihrem Arbeitgeber erhalten oder durften mit vom Arbeitgeber ausgestellten Tankgutscheinen bei einer Tankstelle ihrer Wahl 30 Liter Treibstoff tanken und sich die Kosten dafür von ihrem Arbeitgeber erstatten lassen. Während die Arbeitgeber diese Zuwendungen jeweils als Sachlohn beurteilten und angesichts der Freigrenze keine Lohnsteuer einbehielten, waren die Finanzämter auf Grundlage von Verwaltungserlassen von nicht steuerbefreitem Barlohn ausgegangen und hatten entsprechende Lohnsteuerhaftungs- und Nachforderungsbescheide erlassen. Darin waren sie von den Finanzgerichten bestätigt worden. Der BFH hat dagegen in sämtlichen Streitfällen Sachlohn angenommen, die Vorentscheidungen aufgehoben und den Klagen stattgegeben. Die Frage, ob Barlöhne oder Sachbezüge vorliegen, entscheide sich nach dem Rechtsgrund des Zuflusses, nämlich auf Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen danach, welche Leistung der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber beanspruchen kann. Die Unterscheidung sei nach der Art des arbeitgeberseitig zugesagten und daher arbeitnehmerseitig zu beanspruchenden Vorteils selbst und nicht durch die Art und Weise der Erfüllung des Anspruchs zu treffen. Könne der Arbeitnehmer lediglich die Sache selbst beanspruchen, komme eine Steuerbefreiung für Sachbezüge nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG in Betracht. Dann sei es auch unerheblich, ob der Arbeitgeber zur Erfüllung dieses Anspruchs selbst tätig werde, oder dem Arbeitnehmer gestatte, auf seine Kosten die Sachen bei einem Dritten zu erwerben. Deshalb lägen Sachbezüge auch dann vor, wenn der Arbeitgeber seine Zahlung an den Arbeitnehmer mit der Auflage verbinde, den empfangenen Geldbetrag nur in einer bestimmten Weise zu verwenden. Seine bisher anders lautende Rechtsprechung (Urteil vom 27. Oktober 2004 VI R 51/03) hat der BFH ausdrücklich aufgegeben.“

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Abrechnen, aber richtig II

Bei der Bewertung der Abrechnungspraxis von Jones Day, die wir jetzt ausführlich im Urteil des OLG Frankfurt (4 U 3/08) „in erster Reihe“ verfolgen konnten, fühle ich mich wie zwischen Scylla und Charybdis. Dankbar bin ich, weil die Hartnäckigkeit der Kollegen dazu beigetragen hat, dem unsäglichen Neid im Zusammenhang mit vermeintlich zu hohen Stundensätzen eine Absage zu erteilen. Jetzt ist Schluß mit dem Spruch: „wir schreiben die Urteile und ihr die Rechnngen“ (habe ich im Gericht schon mal gehört). Ob aber auch im Kopf manches Richters Schluß damit ist, das Bruttogehalt eines Richters mit dem Nettobetrag der Rechnung eines Anwalts zu vergleichen, um dann ein Mißverhältnis erkannt zu haben, weiß ich nicht, das aber werde ich aber im Rahmen der nächsten Promotion zum Thema „Neid und Mißgunst als Triebfeder menschlichen Handelns“ aufgreifen.

Was ist schlecht daran, für eine gute Leistung ein gutes Honorar zu fordern ? Auf Dauer wird der Markt zeigen, ob Stundensätze am Markt bezahlt werden. Wer zuviel fordert, steht bald ohne Mandanten da. Wenn Mandanten der Einsatz des Beraters das Honorar wert ist, dann ist es doch gut.  Anwälte werden anders als Ärzte eben nicht aus Versicherungssystemen unterhalten, sondern von den Personen, die bereit und in der Lage sind, die vereinbarten Honrare zu zahlen. Und was soll die Abrechnung nach RVG, die für Anwälte einen – oft falsch verstandenen (Abrechnen, aber richtig) Anreiz zum Vergleich beinhaltet.

Komplexe Aufgaben eignen sich nicht für eine Abrechnung nach RVG. Und die RVG versagt immer dort, wo der Anwalt erkennen kann und muss, dass jede weitere Minute in das Mandat das Defizit ausweitet.  Ein unzufriedener Berater hat noch nie jemandem geholfen.

Andererseits hat Jones Day sich  (hoffentlich nicht auch anderen) mit der aus dem Urteil des OLG zu ersehenden Abrechnungspraxis einen Bärendienst erwiesen. Die Praxis wird ans Licht gezerrt und man kan sicher sein, dass die Diskussionen noch mehr als heute um die Höhe von Rechnungen  gehen wird.

Es bleibt daher bei dem alten Hut: Großkanzleien sind eben nicht per se gut oder schlecht; auch sie leben von ihren Mitarbeitern; und da gibt es, wie im richtigen Leben, richtig gute, „normale“ und schlechte. Was bleibt, ist  die Erkenntnis als Trost, dass gut und schlecht auch bei den Großkanzleien eng beieinander liegen,  und  dass wir als bewusste kleine Kanzlei am Martk einen sehr guten Stand und mehr Freiheiten haben.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Abrechnen, aber richtig…..

das haben, wie wir aus dem jetzt bekannt gewordenen Urteil des OLG Frankfurt (4 U 3/08) ersehen konnten, die Kollegen einer Großkanzlei, deren Namen in der FAZ vom 9. Februar 2011 nachzulesen ist, wohl etwas anders verstanden. Insgesamt 811.543,38 EUR berechneten sie für die Veteidigung in einem Strafverfahren. „Gekürzt“ hat das OLG die Rechnung, nachdem sich der BGH auch schon damit befasst hatte, im Ergebnis aber nur um rd. 150 TEUR. Im Übrigen hielt die Rechnung der rechtlichen Prüfung stand.   

Wenig ruhmreich: nach der FAZ vom 9. Februar 2011 soll den Mandanten für einen Mietwagen ein Betrag von ca. 380 EUR berechnet worden sein, obwohl sich der Verteidiger an dem betreffenden Datum an einem anderen Ort befunden haben soll. Auch die Abrechnungen der Stunden von Rechtsreferendaren setzt die Kollegen in kein gutes Bild. Es sind eben die Kleinigkeiten, die wichtig sind und dazu beitragen, ob ein positives oder ein negatives Bild beim Mandanten verbleibt.

Immerhin: das OLG billigte der Kanzlei zu, dass es sich um einen komplexen Fall gehandelt habe, so dass ein erheblicher Zeitaufwand und so auch fast das gesamte berechnete Honorar gerechtfertigt war. Den Rechnungsempfängern kann man nur empfehlen, die Frage der steuerlichen Abzugsfähigkeit zu prüfen; dafür dürfte sprechen, dass man ihnen den Vorwurf des Subventionsbetruges im Zusammenhang mit einer gewerblichen Tätigkeit gemacht hatte.

Ebenfalls interessant: die Stundensätze von rund 500,00 und 310,00 Euro für die beiden Verteidiger ließ das OLG nach der Zurückverweisung der Entscheidung des OLG durch den BGH unangetastet. Das wird es jetzt anderen Gerichten schwer machen, an den berechneten Stundensätzen der Anwälte zu rütteln. Die Abrechnung nach Zeithonorar ist auch nach unserer Erfahrung interessengerecht und transparent. Durch den Zwang, von der RVG abweichende Vergütungen schriftlich zu vereinbaren und in die Vereinbarung Warnhinweise aufzunehmen, sind die Mandanten gut geschützt.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Verwaltungsgericht (VG) Minden hat am 27.01.2011 über Photovoltaik und Denkmalrecht Recht gesprochen

Am 27. Januar 2011 hatte das VG Minden über drei Klagen im Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen zu entscheiden. Die Urteile liegen jetzt vor: zwei Verfahren gewonnen, eins verloren. Jeder der drei Klagen betrifft den gleichen Hof in Lippe, jeder Klage betrifft aber ein anderes Gebäude. Eigentlich gar kein Thema für das VG, weil Photovoltaikanlagen im Regelfall keiner Genehmigung bedürfen. Hier aber war es anders, weil der Hof ein Denkmal ist. Zwei Klagen gab das VG statt, eine wies es als unbegründet zurück. Begründung: in dem einen Fall empfand es die Anlage als „störend“. Die Urteile sind noch nicht abschließend geprüft. Pikant für die beklagte Stadt: hätte sie die Anträge der Klagepartei genehmigt, hätte die Klagepartei die bis zum 30.06.2010 geltenden höheren Gebühren für die Einspeisung des Stroms erhalten; die sind jetzt „futsch“. Der Schadensersatz könnte für die Stadt noch teuer werden.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Wenn das Finanzamt Sie fragt……. kann es auch mal eine Bürgebefragung sein; interessante Ergebnisse

Die Finanzverwaltung in NRW ließ ihre Kunden zu Wort kommen, und zwar in Form einer Bürgebefragung. Die Teilnahme war allerdings enttäuschend: rd. 21.000 Personen nahmen teil, das sind 0,59 % der Personen, die hätten teilnehmen können.  Man wird aber nicht annehmen können, dass nur Querulanten teilgenommen haben, dafür waren die Ergebnisse (http://www.finanzamt-detmold.de/allgemein_fa/presse/dokumente/2010_bericht_buergerbefragung.pdf) dann doch zu gut. Dass die Frage „bewertet ihr Finanzamt gleiche Sachverhalte gleich ?“ viele Teilnehmer vor ein großes Rätsel gestellt hat, ist nachvollziehbar, denn wie soll man das – beim besten Willen – beantworten ? dazu müsste man in verschiedene Akten Einsicht nehmen, was dank Steuergeheimnis verboten ist. Wie dann aber von den rd. 21.000 Teilnehmern immerhin knapp über 7.700 Teilnehmer zu dem Ergebnis kommen konnten, dass die eben genannte Ausage zutrifft, bleibt daher rätselhaft. Oder liegt des Rätsels Lösung etwa darin, dass die Teilnehmer alle Angehörige der Finanzverwaltung waren und sich daher selbst bewertet haben. Und dann wäre auch klar, woher die Kenntnis der 7.700 Teilnehmer zur Frage der Bewertung  der Sachverhalte…………….und wie wäre das Ergebnis, wenn alle möglichen Teilnehmer teilgenommen hätten und wir bislang nur die besten Bewertungen kennen ???  nicht auszudenken.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Erstattungszinsen doch wieder zu versteuern ? Finanzgericht Münster hält Rückwirkung für zulässig; der BFH wird zu sprechen haben

wir berichteten am 16.12.2010, dass das Finanzgericht Münster (FG) darüber zu entscheiden hatte, ob die rückwirkende Änderung des EStG, nach dem die von dem BFH aufgehobene Steuerpflicht von Erstattungszinsen wieder gelten sollte. Das FG hat am 16.12.2010 (5 K 3626/03 E) entschieden, dass die Rückwirkung nicht zu beanstanden ist. Die Revision dagegen ist bereits anhängig (8 R 1/11).

Bei dem BFH ist zu dieserFrage ein weiteres Revisionsverfahren (VIII R 36/10) anhängig. Es bleibt also spannend.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Recht interessant: Das Hessische Finanzgericht (8 K 262/10) entscheidet am 25.01.2011: es ist nicht sachlich unbillig, wenn die Einkommensteuer dreimal so hoch ist wie die den Klägern tatsächlich zugeflossenen Gelder

Das kann doch gar nicht sein, denken Sie ? Die Kläger hatten im Jahr 1999 ihre GmbH in eine börennotierte AG eingebracht. Sie erhielten dafür Aktien der AG. Die AG bewertete die GmbH mit dem Teilwert, den sie mit dem Kurswert der den Klägern gegebenen Aktien ermittelte. Wegen der in § 20 UmwStG angeordneten und vom BFH in einem vorausgegangenen Verfahren der Kläger im  Jahr 2007  (BFH-Beschluss vom 19.12.2007, I R 111/05)  bestätigten Wertverknüpfung setzte das Finanzamt für die Kläger diese Teilwerte als Veräußerungserlös für die Kläger an. Einen beachtlichen Teil der Aktien konnten die Kläger aber wegen einer ihnen auferlegten Sperrfrist nicht verkaufen. Sofort nach Ablauf der Sperrfrist begannen sie, die Aktien zu verkaufen. In der Zwischenzeit brach der Börsenkurs von über 50 EUR je Akte auf Werte um 1 EUR ein.  Ergebnis: statt des von ihnen tatsächlich aus den Verkäufen erzielten Erlöses von 600 TEUR sollten die Kläger rd. 3,0 Mio. EUR als Erlös der Einkommensteuer unterwerfen. Das führte zu einer Steuer, die mit über 1,6 Mio. EUR sich in etwa auf das dreifache der erzielten Erlöse aus den Verkäufen der Aktien belief. 

Die Kläger empfanden das als unbillig. Das Hessische Finanzgericht sollte den Gewinn aus Billigkeitsgründen herabsetzen. Es wies die Klage ab. Es fühlte sich nur berufen, über sachliche Billigkeitsgründe zu entscheiden. Es hielt das Ergbnis nicht für sachlich unbillig. Denn die Wertverknüpfung in § 20 UmwStG sei zwingend. Für die Kläger ein nicht fassbares Ergebnis: wenn die Biligkeit die Gerechtigkeit im Einzelfall ist, dann ist eine Steuer, die dem dreifachen der erzielten Erlöse entspricht, nicht mehr zu verstehen.

Es bleibt abzuwarten, wie das in dieser Sache parallel befasste Finanzgericht in München über den Erlassantrag der Kläger nach § 227 AO entscheiden wird.