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VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Endlich: die Steuerreform 2011 vereinfacht mit § 9 a EStG das Steuerrecht durchgreifend und entlastet die Bürger – oder alles nur ein Witz ?

Wer die Diskussionen um den Arbeitnehmerpauschbetrag (pauschaler Abzug von Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit) verfolgt hat, fragt sich zu recht, ob er träumt. Der Pauschbetrag wird von 920,00 EUR p.a. auf 1.000,00 EUR angehoben, also um 80,00 EUR: toll. Bei einem Steuersatz von 30 % sind das 24,00 EUR weniger Steuern p.a., also umgerechnet 2,00 EUR im Monat. Das ist eine sicher spürbare Entlastung; bekommt man dafür doch zwei Kugeln Eis beim Italiener. Die Diskussion darum und die Frage, ab wann die Neuregelung gilt, hat im Verhältnis dazu einen unangemessen großen Raum eingenommen. Doch das beste kommt zum Schluss: die Anhebung um 80,00 EUR gilt sogar schon ab dem 1.1.2011: auch toll. Doch im Steuerrecht gibt es keine Wohltat ohne Haken: wer gedacht hat, er könne schon Ostern die Ersparnis in der Eisdiele in Eiskugeln umsetzen, der sieht sich enttäuscht: die 80,00 EUR werden erst bei der letzten Gehaltsabrechnung des Jahres 2011 berücksichtigt. Die Wohltat der 24,00 EUR erreicht die Bedachten daher erst nach Weihnachten. Aber dann kann man das Geld ja gleich verböllern.

Ach ja, eins hätten wir doch fast vergessen: es gibt nicht wenige Arbeitnehmer, deren Werbungkosten über dem Bertrag von 1.000,00 EUR p.a. liegen. Für sie ist die „Reform“ ohne jedes Interesse, weil sie sich ganz einfach nicht auswirkt.

Wenn schon derartige Petitessen so breit diskutiert werden, dann scheint es wohl nicht viel wichtiges bei der Frage der Steuervereinfachung zu geben; schade.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Abenteuerlich: Aufforderung des Finanzamtes zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung – trotz Möglichkeit der Aufteilung der Steuerschulden nach § 268 AO und einer Steuerschuld von danach 0,00 EUR

Wenn Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden (schönes Wort), wird nur „eine“ Einkommensteuer festgesetzt. Denn die Ehegatten werden nach der Addition der von ihnen erzielten Einkünfte wie ein Steuerpflichtiger behandelt (§ 26 b EStG).  Die Ehegatten haften folgerichtig für die so festgesetzte „eine“ Steuer als Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 Satz 1 AO). Das kann aber zu einer Schieflage führen, wenn ein Ehegatte für Steuern haften soll, die auf Einkünfte entfallen, die nicht er, sondern der andere Ehegatte erzielt hat.

Hier hilft das Gesetz mit der weisen Norm des § 268 AO. Auf Antrag (der Antrag nur eines Ehegatten reicht) teilt die Finanzverwaltung die gemeinsame Steuerschuld (Gesamtschuld) von Ehegatten – vereinfacht gesagt – verursachungsgerecht auf die Eheleute nach den von ihnen erzielten Einkünften auf. Jeder schuldet nur die Steuer, die rechnerisch auf seine Einkünfte entfällt. Den Antrag können Steuerpflichtige auch noch stellen, wenn der Steuerbescheid bestandskräftig, also nicht mehr änderbar ist. Das ist aber keine Wohltat, sondern systematisch richtig geregelt; denn die Aufteilung gehört nicht zur Steuerfestsetzung. Sie ist systematisch richtig im 6. Teil der AO in die Vorschriften über die Steuererhebung, die Vollstreckung, eingebettet. Es handelt sich damit um eine Einwenudng gegen die Vollstreckung. Erstaunt lernten wir vor einiger Zeit bei Übernahme eines neuen Mandates, dass die Finanzverwaltung die rechtlich nicht beratenen Ehegatten bei erheblichen Einkünften nur eines Ehegatten aus dem Verkauf eines Unternehmens über diese Möglichkeit nicht nur nicht aufgeklärt hatte, sondern zudem den Ehegatten, der bei Aufteilung der Steuerschulden keine Einkommensteuer schulden würde, wegen der Steuerrückstände zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufforderte.   

Auch wenn die Finanzverwaltung keine Steuerberatung erbringen darf: es entspricht dem Gebot der Fairness, ersichtlich unerfahrene Steuerpflichtige auf gesetzlich vorgesehene Möglichkeiten hinzuweisen. Zumindest dem Gebot der Fairness entspricht es aber nicht, wenn die Finanzverwaltung weiterhin gegen einen Gesamtschuldner vollstreckt, obwohl sie weiß, dass dieser, wenn er denn nur den Antrag nach § 268 AO stellt, die Steuer gar nicht schuldet.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

DER SPIEGEL über zwangspensionierte Steuerfahnder: was war denn da los ?

Spiegel Nr. 4 / 24.01.2011, Seite 72: der Experte reibt sich verwundert die Augen: Steuerfahnder in Hessen wurden angeblich wegen zu großer Akribie in ihrer Arbeit zwangspensioniert (Zitat Spiegel: „Offenbar wolle man vermögende Steuerzahler und Banken in Hessen nicht zu sehr verschrecken“). Jetzt, vier Jahre nach der Entlassung, wenden sich die „Fahnder“ gegen die Entlassung. Begründung: sie litten nicht an „Anpassungsstörungen“ und auch nicht an „paranoid-querulatorische(n) Entwicklung“. Ein Fahnder, heute 49 Jahre alt,  hat laut Spiegel schon 55.000 EUR Schadensersatz errechnet. Spiegel: „langfristig rechnet er mit einer sechsstelligen Schadenssumme“. Das seien Einnahmenverluste aus der Zwangspensionierung.

Verwundert reibt sich der Experte die Augen: ein findiger Beamter wird entlassen, weil ein zweifelhaftes Gutachten ihm bestätigt, er sei ein Querulant. Erst später wehrt er sich dagegen und beginnt, den Schaden zu addieren: langfristig sechsstellig !! Es bleibt einmal die Frage, warum ein Fahnder, der seinen Beruf liebt, eine solch unglaubliche Aussage einfach hinnimmt. Was hat er zu verlieren, wenn er dagegen angeht ?

Dabei ist er nach dem Spiegel ein gefragter Mann: Zitat Spiegel: „Häufig suchen auch die Anwälte reicher Anleger seinen Rat, wenn sie Ärger mit der Steuer befürchten.“ Es ist zu vermuten, dass der Fahnder, was nach dem Steuerberatungsgesetz möglich ist, zulassungsfrei, also ohne die Steuerberaterprüfung, zum Steuerberater bestellt worden ist und seine Dienste nicht unentgeltlich erbringt, wenn die „Anwälte reicher Anleger seinen Rat, wenn sich Ärger mit der Steuer befürchten“, suchen. Da stellt sich doch die Frage des Zivilisten nach Vorteilsausgleichung !!  

Eindruck: die Nachricht hör‘ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.   
wir empfehlen: Strafanzeige gegen die verantwortlichen Politiker erstatten, die es verhindert haben, dass die Mehrsteuern festgesetzt und erhoben werden. Oder könnte es sein, dass die Fahnder bei ihrem Eifer tatsächlich über das Ziel hinausgeschossen sind ?

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Das Finanzamt rät: wenn die Steuerfahndung kommt, gehen Sie auf Nummer Sicher: rufen Sie die Polizei an (und lassen Sie die Damen und Herren ggfs. verhaften)

es ist schon erstaunlich, was die Finanzverwaltung empfiehlt: im Raum Köln gibt es (es ist nicht der 1. April) Personen, die sich als Steuerfahnder ausgeben, den von ihnen besuchten Gaststätten die Schließung, den Inhabern die Verhaftung androhen und zu á-conto-Zahlungen  wegen „Schwarzgeldern“ auffordern. Die Finanzverwaltung empfiehlt daher, die Polizei anzurufen (http://www.finanzamt-detmold.de/allgemein_fa/presse/2011_01_10_Falsche_Steuerfahnder.php). 
Noch ausführlicher ist der unterhaltsame Bericht der Polizei (http://www.polizei-nrw.de/presseportal/behoerden/koeln/article/meldung-110109-095412-52-100.html). Das lässt die Finanzverwaltung nicht ruhen und führte jetzt zu dem Warnhinweis. Was bei der Lektüre auf den ersten Blick dreist erscheinen mag, ist Beratern, die auf diesem Gebiet beraten und mit der Steuerfahndung zu tun haben, gar nicht so fremd. Gaststätten, Pizzerien, Eisdielen waren und sind im Visier der Fahnder. Schnell sind hier manchmal die lustigsten Zahlen zusammengeschätzt und nachkalkuliert. Kleinere Fehler in der Kassenbuchführung sollen das Tor zur Schätzung eröffnen. Nicht selten wird im Wege des Zirkelschlusses das gewünschte Ergebnis als Begründung für die Zulässigkeit einer Schätzung herangezogen. Benford und Chi-Quadrat stehen hilfreich zur Seite, Excel verarbeitet Tonnen von Zahlen. All das aber ersetzt einfache Überlegungen nicht, z.B. die Erkenntnis, dass ein Tag nur 24 Stunden hat.

Ich bin auf die nächste Sendung von Aktenzeichen XY ungelöst gespannt…….

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Das EGVP – Recht wenig genutzt

Das EGVP ist eine im Prinzip gute Einrichtung. Der Anwalt muss die Schriftsätze nicht mehr per Post und gegen Zahlung von Porto einreichen, er kann das über das EGVP erledigen. Wer aber meint, das sei so simpel wie der Versand einer E-Mail, der irrt. Zwei Hürden gilt es zur Nutzung des EGVP zu nehmen. Für die erste braucht man Zeit und noch mehr Geduld: hat man das schlecht erklärte EGVP aber installiert und auch eine Signaturkarte nebst Kartenlesegerät, ist der erste Schritt getan. Anmerkung am Rande: die Rechtsanwaltskammer Hamm war bei diesem Thema nicht sehr hilfreich.

Bei der zweiten Hürde dagegen helfen weder Zeit noch Geduld: denn wer dachte, dass die Gerichte über das EGVP froh sein sollten, weil auch sie  Abläufe standardisieren und Portokosten sparen können, der nimmt verwundert zur Kenntnis, dass viele Gerichte über das EGVP nicht erreichbar sind. Pech gehabt. Das wundert umso mehr, weil viele Gerichte sich zu Recht über die verbreitete Unsitte beschweren, dass sie Schriftsätze mit vielen Anlagen häufig vorab per Telefax und dann zusätzlich per Post mit allen Anlagen erhalten. Das macht die Akten dick und ist unnötig. Auch hier hat man den Eindruck, dass die Justiz lieber an alten Zöpfen festhält statt die Möglichkeiten der Technik in den Dienst des Rechts zu stellen.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Die Videokonferenz in der Gerichtspraxis – im Versuch steckengeblieben

Dem Gesetzgeber ist es nicht entgangen: die nach GVG eröffnete Möglichkeit, Gerichtsverhandlungen durch Videokonferenzen zu ersetzen, ist bislang ein Rohrkrepierer. Das liegt nicht nur daran, dass es  nur wenige Gerichte gibt, die die Technik haben. es liegt auch daran, dass für die Berater die Trauben hoch hängen. Während man über das internet  kostenlos und problemlos eine Videokonferenz führen kann, scheint es bei den Gerichten verschiedene Systeme zu geben, die die Konferenzen teuer machen. Wenn das System des Beraters nicht zum System des Gerichts passt, heißt es: Pech gehabt und reisen. Das System des Finanzgerichts Münster hätte uns dazu gezwungen, mehrere Telefonleitungen mit einem Kostenaufwand von über 100 EUR je Monat zu unterhalten, wohlgemerkt ohne die Kosten für die Verbindung. Die zahlt der Mandant zwar zur Zeit mangels Regelung im GKG nicht, es ist aber eine Pauschale von 15 EUR für jede angefangene halbe Stunde im Gesetzentwurf vorgesehen ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/012/1701224.pdf).

Das alles ist angesichts des hohen Aufwandes, auch für die Umwelt, für vermeidbare Reisen nicht verständlich. Es bleibt zu hoffen, dass für Zwecke der Videokonferenz die günstige Technik verwendet werden kann, die schon heute in Privathaushalten Anwendung findet.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

How do you charge ?

a client came in to see the new lawyer.
„could you please tell me how you charge“, asked the client.
„of course“, replied the lawyer; „my system is very simple: I charge 10,000.00 $ to answer three questions“.
„that is rather expensive, is’nt it ?“ said the client.
„that’s right“, answered the lawyer, „and what is your third question ?“

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Rechtsanwälte als schwarze Schafe

Wie lange braucht es in Niedersachsen, um einem Rechtsanwalt die Zulassung zu entziehen ? 2006 entließ das Nachlassgericht auf unseren Antrag hin einen Rechtsanwalt aus wichtigem Grund aus seinem Amt. Grund: ein von ihm nicht erklärter „Schwund“ des Nachlasses von rd. 250 TEUR. In einem Rechtsstreit wurde der Anwalt zur Zahlung von rd. 60 TEUR wegen rechtswidriger Entnahmen aus dem Nachlass verurteilt. Die Entnahmen erfolgten im wesentlichen zu einem Zeitpunkt, als der Anwalt als Testamentsvollstrecker schon nicht mehr im Amt war (Untreue nach § 266 StGB ?). Wir vollstrecken nach Rechtskraft der Berufung seit August 2010 einen Betrag von rd. 75 TEUR. Der Anwalt hält es nicht für nötig zu zahlen. Zu unserem Antrag, uns weitere vollstreckbare Ausfertigungen zu erteilen, offenbarte er dem Gericht zu seiner Verteidigung, er habe kein pfändbares Vermögen und auch keine Forderungen. Wir haben die zuständige Rechtsanwaltskammer gebeten, den Widerruf der Zulassung zu prüfen. Der Anwalt tritt noch immer auf…..

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

seit wann müssen Änderungsbescheide nicht mehr begründet werden ?

Verwundert reibt sich der Experte die Augen, wenn er in dieser Sache die Schreiben eines Finanzamtes aus NRW (FA) liest. Das FA meint, es müsse Änderungsbescheide nicht mehr begründen. Nicht genug damit: es fordert uns zudem auf, wir sollten die gegen die Änderungsbescheide gerichteten Einsprüche begründen ! Hätten wir ja gerne, hätte das FA uns erläutert, warum es die Bescheide geändert hat. Fünf Jahre und einige Briefe des FA später erfuhren wir – endlich –  zu unserer Überraschung von dem FA für unsere aus der Gesellschaft ausgeschiedenen Mandanten, dass die Änderungen auf einen Antrag des steuerlichen Beraters zurück gingen. Der Antrag war allerdings nach dem Ausscheiden unserer Mandanten gestellt……und warum man uns das nicht schon vorher gesagt hatte, wissen wir auch nicht.

Nicht genug damit: das FA meint allen Ernstes, es sei die Sache unserer Mandanten, die Richtigkeit der Änderungen mit dem Steuerberater abzustimmen und uns dort zu informieren. Eine interessante Auffassung im Sinne einer public private partnership; oder soll der Steuerberater als Beliehener handeln ? Den Kontakt zu dem Steuerberater haben uns erspart; er wäre von Berufs wegen daran gehindert, Auskünfte zu erteilen. Dass darüber hinaus wir es – was unwahr ist – nach dem Vermerk eines Betriebsprüfers abgelehnt haben sollen, mit dem Prüfer zu sprechen, grenzt ans Absurde.

Übrigens: wir haben bis heute nicht den vom FA uns gegenüber erwähnten Änderungsantrag, uns fehlen die Bescheide nach § 15a EStG und die Schreiben das FA lesen sich, als seien sie von einer beleidigten Leberwurst verfasst. Dafür haben wir zur Begründung der Änderungsbescheide einen Betriebsprüfungsbericht mit einem Zahlenfriedhof ohne jede Erläuterung erhalten; dort findet sich die schöne Passage: „es wurde in allen Punkten Einigung mit der Bfa. erzielt“. Wobei der Zusatz fehlt: zu Lasten der ausgeschiedenen Gesellschafter.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Übergang von Verlusten bei Altfällen

Im Jahr 2007 hat der BFH entschieden, dass Verluste nicht mehr auf die Gesamtrechtsnachfolger übergehen. Wir beobachten, dass die Finanzverwaltung jetzt auch in Altfällen versucht, den Erben die Verluste streitg zu machen. Dabei argumentiert die Verwaltung, man müsse prüfen, ob der Erbe mit den Verlusten auch „wirtschaftlich belastet“ ist. Ein Fianzamt hatte uns dazu aufgefordert, Angaben zur Höhe der Nachlassverbindlichkeiten zu machen. Wir haben das abgelehnt. In Altfällen kann der Übergang des Verlustes nur in Ausnahmefällen verwehrt werden, wenn z.B. ein Nachlaßkonkurs angeordnet ist. Da leuchtet es ein; in anderen Fällen wäre das absurd. Die wirtschaftliche Belastung durch den Verlust ist ja bereits bei dem Erblasser eingetreten; sein Vermögen ist gemindert. Nimmt man den Verlust von der Übertragung auf die Erben aus, dann wirkt er sich nicht mehr aus. Das Ergebnis ist mit dem Prinzip der Besteuerung nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit nicht in Einklang zu bringen.