Kategorien-Archiv Steuerrecht

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

§§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a Abs. 1 Nr. 2 AO: Selbstanzeigen sind zum 01.01.2015 deutlich „teurer“ geworden, auch die steuerlichen Verjährungsfristen haben sich geändert

Das ab dem 01.01.2015 geltende Recht verschärft die Regeln für strafbefreiende Selbstanzeigen erheblich. Strafbefreiende Wirkung hatten Selbstanzeigen bis zum 31.12.2014 bei einem hinterzogenen Betrag von 50.000,00 € je Tat. Ab dem 01.01.2015 gilt ein Betrag von nur noch 25.000,00 € je Tat.

Ein, wenn auch teurer, Trost bleibt: bei Überschreiten der eben genannten Beträge tritt zwar keine Straffreiheit mehr ein, von der Strafverfolgung wird aber nach § 398a AO abgesehen, wenn der Steuerpflichtige bestimmte „Strafzuschläge“ zahlt. Diese Zuschläge sind nach § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO wie folgt gestaffelt: bei einer hinterzogenen Steuer bis einschließlich 100.000,00 € ist ein Strafzuschlag von 10%, von über 100.000,00 € bis einschließlich 1.000.000,00 € ist ein Strafzuschlag von 15%, und von über 1.000.000,00 € ist ein Strafzuschlag von 20% zu zahlen.

Die sehr nachteiligen Rechtsfolgen einer unvollständiger oder unrichtigen Selbstanzeige (siehe Uli Hoeneß) sind weiterhin beachtlich: die Wiederaufnahme eines nach § 398a Abs. 1 AO abgeschlossenen Verfahrens, und damit die strafrechtliche Verurteilung, ist zulässig, wenn die Finanzbehörde erkennt, dass die Angaben im Rahmen einer Selbstanzeige unvollständig oder unrichtig waren. Die gezahlten Strafzuschläge werden nicht erstattet. Mögliche Wohltat: das Gericht kann die Strafzuschläge auf eine Geldstrafe anrechnen (§ 398a Abs. 4 AO).

Die „Kulanzgrenze“ bei unbeabsichtigt unvollständigen oder unrichtigen Selbstanzeigen, die nicht zu den eben genannten negativen Rechtsfolgen führen, liegt bei ca. 5%.

Ab dem 01.01.2015 werden auch die steuerlichen Verjährungsfristen verlängert: nach § 170 Abs. 6 AO gilt eine (neue) Anlaufhemmung für Kapitalerträge aus Nicht-EU- Staaten, mit denen kein internationales Abkommen über den automatischen Datenabgleich besteht. In diesen Fällen beginnt die Festsetzungsfrist (regulär 4 Jahre, bei Steuerhinterziehung 10 Jahre) frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden.

Strafrechtlich bleibt es bei der (abweichend von den steuerlichen Verjährungsfristen zu berechnenden) Verjährungsfrist von fünf Jahren. Auch hier war eine Erweiterung auf 10 Jahre im Gespräch.

ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

BFH: kein Abzug von Betriebsausgaben bei dem Ehegatten, wenn ein zum Betrieb des Ehemanns gehörender Pkw auch von der Ehefrau in ihrem Betrieb genutzt wird

Der Bundesfinanzhof  hat mit Urteil vom 15. Juli 2014 (X R 24/12) Grundsätze zur Beurteilung von Fallgestaltungen aufgestellt, in denen ein Pkw, der einem Ehegatten gehört, von beiden Ehegatten in ihrem jeweiligen Betrieb genutzt wird.

Im Streitfall war der Ehemann Eigentümer eines Pkw, der zu seinem Betriebsvermögen gehörte. Er zog daher sämtliche Pkw-Kosten als Betriebsausgaben ab und versteuerte die private Pkw-Nutzung pauschal mit monatlich 1 %, der sog. 1 %-Regelung. Die Ehefrau führte ebenfalls einen kleinen Betrieb. Sie hatte keinen eigenen Pkw, sondern nutzte für ihre Betriebsfahrten den Pkw des Ehemanns. An den entstehenden Pkw-Kosten beteiligte sie sich nicht. Gleichwohl setzte sie einen Pauschalbetrag von 0,30 Euro/km als Betriebsausgabe ab.

Das Finanzamt hat diesen Pauschalbetrag nicht zum Abzug zugelassen, was der BFH nunmehr bestätigt hat. Betriebsausgaben setzen das Vorhandensein von „Aufwendungen“ voraus. An solchen (eigenen) Aufwendungen fehlt es aber, wenn der Nutzer eines Pkw für die Nutzung keine Kosten tragen muss.

Der X. Senat hat darüber hinaus klargestellt, dass das Besteuerungssystem in dieser Frage insgesamt ausgewogen ist: Der Ehemann als Eigentümer des Fahrzeugs kann sämtliche Pkw-Kosten als Betriebsausgaben absetzen. Die zusätzliche Nutzung des Wagens durch die Ehefrau löst bei ihm keine Einkommensteuer aus, weil diese Nutzung bereits mit dem – ohnehin durchgeführten – Pauschalansatz im Rahmen der 1 %-Regelung abgegolten ist. Im Gegenzug kann die Ehefrau für ihre Pkw-Nutzung keine eigenen Betriebsausgaben geltend machen. Dieses Ergebnis erscheint sachgerecht, da ein nochmaliger Abzug bei der Ehefrau angesichts des bereits dem Ehemann gewährten vollen Kostenabzugs zu einer doppelten steuermindernden Auswirkung derselben Aufwendungen führen würde.

ws/ng

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

FG Rheinland-Pfalz: Ehescheidungskosten sind nach wie vor steuerlich abzugsfähig

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 16. Oktober 2014 (4 K 1976/14) als erstes Finanzgericht über die Frage entschieden, ob Scheidungskosten nach der ab 2013 geltenden Neuregelung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG (Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits) als außergewöhnliche Belastung steuermindernd berücksichtigt werden können.

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Nach dieser neuen Vorschrift sind Prozesskosten grundsätzlich vom Abzug ausgeschlossen und nur ausnahmsweise steuerlich anzuerkennen, wenn der Steuerpflichtige ohne diese Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

Das Finanzgericht bejahte das Vorliegen der Abzugsvoraussetzungen bei den Prozesskosten für die Ehescheidung, lehnte sie hingegen für die Scheidungsfolgesachen ab. Zur Begründung führte es aus:

Für einen Steuerpflichtigen sei es existentiell, sich aus einer zerrütteten Ehe lösen zu können. Die Kosten der Ehescheidung, die nur durch einen zivilgerichtlichen Prozess herbeigeführt werden könne, seien daher für den Betroffenen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig.

Demgegenüber seien nach der Neuregelung ab 2013 die Scheidungsfolgekosten nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung seien Prozesskosten im Zusammenhang mit den Folgesachen zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG anzusehen. Diese Folgesachen würden aber nicht zwingend, sondern nur auf Antrag eines Ehepartners mit dem Scheidungsverfahren zusammen verhandelt und entschieden. Sie könnten auch in einer außergerichtlichen Scheidungsfolgenvereinbarung geregelt werden. Die Rechtsprechung des BFH aus dem Jahr 2011 sei ab dem Veranlagungszeitraum 2013 durch die gesetzliche Verschärfung der Abzugsvoraussetzungen überholt.

Im Streitfall hat das Finanzgericht daher der Klage, welche sowohl Scheidungskosten als auch Scheidungsfolgekosten betraf, nur hinsichtlich der Prozesskosten für die Ehescheidung stattgegeben, im Übrigen aber die Klage abgewiesen. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

ws/ng

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Die Entscheidung des BVerfG zur Erbschaftsteuer vom 17.12.2014 – ein erster Blick der Praxis auf die Folgen

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden. Nach langem Warten wissen wir jetzt, warum das Erbschaftsteuergesetz verfassungswidrig ist. Wir wissen aber nicht, wie die neue Regelung aussehen wird. Sicher ist nur, dass bis zu einer Neuregelung niemand sicher sein kann, wie hoch die Steuerbelastung bei einer Übertragung sein wird. Denn die neue Regelung wird, dafür muss man kein Prophet sein, Rückwirkung haben. Und der Gesetzgeber hat bis zum 30. Juni 2016 Zeit, eine neue Regelung zu finden. Die wird er angesichts des Aufgabenheftes des Bundesverfassungsgerichts wohl auch brauchen. Dennoch entsteht für die Steuerpflichtigen durch einen derart langen Zeitraum eine außerordentlich missliche Situation. Zu denken ist darüber hinaus an die Todesfälle. Bei einem Übergang von Betriebsvermögen von Todes wegen besteht keine Möglichkeit der Gestaltung, die Übertragung etwa erst dann vorzunehmen, wenn klar ist, wie die neue Regelung des Gesetzgebers aussieht.

Schon jetzt aber ist absehbar, dass die neue Regelung eine Vielzahl von Fragen offenlassen wird. Und angesichts der Länge der Frist, die der Gesetzgeber zur Umsetzung der Neuregelung hat, wird es eine Vielzahl von Fällen geben, bei denen von Todes wegen Betriebsvermögen übertragen wird, ohne dass die Chance bestanden hätte, die Neuregelung abzuwarten und zu disponieren.

Ein weiteres großes Problem sehen wir in der Tatsache, dass die Lohnsumme jetzt auch für Betriebe mit einer recht geringen Mitarbeiterzahl gelten soll. Das macht nach unserer Einschätzung die Neuregelung völlig unkalkulierbar. Denn gerade in kleineren Betrieben sind Schwankungen in der Mitarbeiterzahl in großem Maße von der Konjunktur abhängig. Sie können erheblich sein. Am Ende könnte dann genau das Szenario eintreten, dass eigentlich niemand will: Ein Unternehmen geht auf die nächste Generation über, scheitert aber, und der Inhaber muss dann noch Erbschaftsteuer zahlen, obwohl das Unternehmen bereits insolvent ist.

Interessant sind auch die Sondervoten der drei Richter, die noch einmal ausdrücklich auf das Sozialstaatsprinzip als tragende Säule unseres Staates hingewiesen haben. Sie weisen darauf hin, dass der Umverteilungsgedanke ein Rechtfertigungsgrund für die Erbschaftsteuer ist.

Wir dürfen die Neuregelung mit Spannung erwarten. Eins aber es jetzt schon sicher: Die Steuerbelastungen werden nicht geringer, und das Steuerrecht wird auch nicht einfacher werden
ws

VonDepesche

Die Entscheidung des VGH Hessen zur Pferdesteuer vom 08.12.2014 (5 C 2008/13 N) in der Kritik

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hält die Pferdesteuer für rechtmäßig. Nach der Satzung der hier in Rede stehenden Gemeinde Bad Sooden -Allendorf vom 14.12.2012 ist „Gegenstand der Pferdesteuer ……der Aufwand für das Halten und Benutzen von Pferden zur Freizeitgestaltung im Stadtgebiet.“ (§ 2 Abs.  1 der Satzung). Die Steuer beträgt je Pferd 200,00 EUR (§ 5). Man muss kein Mathematiker sein, um zu erkennen, dass dies pro Jahr einen Betrag von 2.400,00 EUR, in 10 Jahren einen Betrag von 24.000,00 EUR ergibt.

Stellt man jetzt in Rechnung, dass es eine Vielzahl von Reitern gibt, die sich ein Pferd für 2 bis 3 TEUR gekauft haben, und die für den monatlichen Unterhalt an allen Ecken und Enden sparen, dann ist klar, dass das Hobby für diese Reiter durch die Pferdesteuer jetzt unbezahlbar wird.

Die Satzung enthält nur eine Steuerbefreiung: Von der Steuer ausgenommen sind Pferde, die nachweislich zum Haupterwerb im Rahmen der Berufsausübung eingesetzt werden (§ 6 der Satzung). Wann aber soll das denn der Fall sein? und was heißt denn „eingesetzt“ werden? all das sind Fragen, die zeigen, dass hier eine Satzung erlassen worden ist, um eine neue Geldquelle zu erschließen. in Deutschland sind Steuern für die meisten Menschen immer nur dann gut, wenn nur andere sie zahlen müssen. Dass man mit dieser Satzung aber nur die „Besserverdienenden“ trifft, ist sicher ein Irrglaube.

Schade, aber wahr: ein weiteres Beispiel, wie die Kommunen uns Bürger für Misswirtschaft bestrafen. Diese Steuer kann nicht darauf hoffen, auf eine auch nur geringe Akzeptanz zu stoßen.Wie wäre es jetzt mit einer örtlichen KFZ  -Steuer, oder einer Lederjackensteuer?

ws

 

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Flott unterwegs – Der Herr Veterinär, der Ferrari als Neidobjekt und die lieben Steuern – BFH – Urteil vom 29.04.2014, VIII R 20 / 12

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Sportwagen, also auch Ferraris, Porsches usw., sind – jedenfalls in Deutschland – leider immer auch Neidobjekte. Es wundert daher auch nicht, dass sich die Finanzverwaltung immer für solche Fahrzeuge interessiert.

Der BFH hatte jetzt über einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Tierarzt mit Einkünften aus § 18 EStG den Aufwand für einen Ferrari Spider als Betriebsausgaben geltend gemacht hatte. Den geringen Umfang der betrieblichen Nutzung (20 Fahrten in drei Jahren) hatte er mittels eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuches nachgewiesen. Genutzt hatte der den PKW im Wesentlichen für Fahren zu Fortbildungen.

Das Finanzamt hatte den Aufwand für die betrieblichen Fahrten nur pauschal mit 1,00 € je gefahrenen Kilometer zum Abzug zugelassen, das Finanzgericht dagegen immerhin 2,00 € je Kilometer. Den darüber hinausgehenden Aufwand, den der Kläger als Betriebsausgaben abziehen wollte,  sahen Finanzamt und Finanzgericht als unangemessen i.S.v. § Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG an.

Der BFH hat die Entscheidung des Finanzgerichts bestätigt. § 4 und die Grenzen dessen Abs. 5 erfassen auch die Aufwendungen für ausschließlich betrieblich genutzte PKW. Für einen nur in geringem Umfang betrieblich genutzten PKW könne daher nichts anderes gelten. Der von dem Veterinär geltend gemachte Aufwand sei unangemessen. Der BFH hat es als aber als zulässig angesehen, zur Berechnung des angemessenen Teils der Aufwendungen auf durchschnittliche Fahrtkostenberechnungen für aufwändigere Modelle gängiger Marken der Oberklasse in Internetforen zurückzugreifen. Den Tierarzt wird die Entscheidung dennoch nicht so wirklich gefreut haben.
ws

 

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Die Vertragsstrafe bei den Einkünften aus § 21 EStG als steuerbare Einnahme? „es kommt darauf an“ – über den Wert, die Systematik verstanden zu haben

Random_Coil_Logo_Blog_FacebookBei den sogenannten Überschusseinkunftsarten unterliegt (nur) der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten der Ertragsteuer. Sie sind aber nur dann als Einnahmen zu erfassen, wenn sie den Tatbestand einer der Überschusseinkunftsarten erfüllen (§ 8 Abs. 1 EStG). Erfüllt eine Einnahme den Tatbestand nicht, ist sie nicht steuerbar. Fraglich ist, wie eine im Zusammenhang mit einem vermieteten Haus stehende Vertragsstrafe steuerrechtlich zu bewerten ist. Zur Beurteilung stand der folgende Sachverhalt: In dem Kaufvertrag über ein noch zu errichtendes Haus hatte sich der Verkäufer verpflichtet, das Haus bis zum 31.12.2011 fertig zu stellen. Zur Absicherung dieses Termins hatten die Parteien in den Kaufvertrag eine Vertragsstrafe aufgenommen. Danach verpflichtete sich der Verkäufer, für jeden angefangenen Monat der späteren Fertigstellung 5.000 € an den Käufer zu zahlen. Die Vertragsstrafe diente ausdrücklich dem Zweck, die fristgerechte Fertigstellung abzusichern. Die Vertragsstrafe trat außerdem ausdrücklich neben etwaige, dem Käufer zustehende Ansprüche auf Schadensersatz wegen der verspäteten Fertigstellung.

Das Objekt wurde nicht zum 31.12.2011 fertig. Der Verkäufer zahlte im Jahr 2012 eine Vertragsstrafe i.H.v. 60.000 € an den Käufer. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Vertragsstrafe als Einnahme aus § 21 EStG zu erfassen sei. Denn die Vertragsstrafe sei der Ersatz für entgangene Mieteinnahmen des Käufers.

Diese Rechtsauffassung des Finanzamtes ist nicht haltbar. Denn die Vertragsstrafe i.H.v.60.000 € ist keiner Überschusseinkunftsart zuzurechnen. Einnahmen aus § 21 EStG liegen nicht vor, weil die Vertragsstrafe kein Entgelt für die Nutzungsüberlassung ist. Denn das Haus war im Jahr 2012 noch nicht fertig gestellt. In Betracht kommt allenfalls eine Steuerbarkeit der Vertragsstrafe als Entschädigung im Sinne von §§ 21, 24 Nr. 1 a) EStG. Das aber setzte voraus, dass die Vertragsstrafe eine Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen wäre. Einen Ersatz für entgehende Einnahmen stellt die Vertragsstrafe nicht dar. Sie ist aber auch kein Ersatz für entgangene Einnahmen. Denn nach dem im Streitfall geschlossenen Kaufvertrag stand dem Käufer der Anspruch auf Schadensersatz (dazu gehören auch entgangene oder entgehende Einnahmen) neben dem Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe. Die Vertragsstrafe war also im vorliegenden Fall kein pauschalierter Schadensersatz wegen entgangener Mieteinnahmen, sondern war ein Druckmittel eigener Art, um die fristgerechte Fertigstellung des Hauses abzusichern.

Die Vertragsstrafe mindert auch nicht die Anschaffungskosten des Hauses und des Grund und Bodens. Denn die Anschaffungskosten des Hauses und des Grund und Bodens sind durch die Vertragsstrafe unberührt. Der Käufer war nach dem Kaufvertrag zur Zahlung des Kaufpreises in voller Höhe verpflichtet. Denn auch der Verkäufer blieb trotz der Vertragsstrafe dazu verpflichtet, das Haus vertragsgemäß fertig zu stellen. Zutreffend ist die Vertragsstrafe somit dem Vermögensbereich zuzuordnen. Die Vertragsstrafe ist damit im Ergebnis eine nichtsteuerbare Einnahme.
ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Steuerfahnder unheilbar krank? Gericht verurteilt Psychiater auf Schadensersatz für zwangspensionierte Fahnder – Spiegel online 30.09.2014

Vier hessische Steuerfahnder wiesen auf Missstände hin und wurden daraufhin von einem Psychiater für dienstunfähig erklärt. Das Frankfurter Landgericht verurteilte jetzt den Gutachter zu Schadensersatz.

Auslöser des Gutachtens war eine interne Anordnung der hessischen Steuerverwaltung. Die vier  Frankfurter Steuerfahnder sollten einen Teil der Ermittlungen zu versteckten Konten, auf die sie bei Razzien in Banken gestoßen waren, nicht weiter bearbeiten. Die vier hatten daraufhin ihre Vorgesetzten wiederholt darauf hingewiesen, dass diese Anordnung ein großer Fehler sei. Die Vorgesetzten reagierten darauf nicht. Also schrieben die Beamten dem hessischen Finanzminister und dem Ministerpräsidenten und wiesen sie auf die ihrer Meinung nach gravierenden Missstände hin.

Auch hier blieb die erhoffte Reaktion aus. Die Landesverwaltung forderte die vier Steuerfahnder stattdessen auf, sich von einem Psychiater untersuchen zu lassen. Dieser Psychiater erklärte nun alle vier Fahnder in einem Gutachten für praktisch unheilbar krank und dienstunfähig auf Lebenszeit. Die vier führten nun einen Rechtsstreit, der zu dem Ergebnis kam, dass die zwangspensionierten Beamten mental kerngesund waren.

Der Psychiater wurde verurteilt, insgesamt rund 200.000 EUR Schadensersatz an drei der vier Fahnder zu leisten. Nur einer konnte sich nicht durchsetzen. Er hat aber bereits Berufung gegen die Entscheidung eingelegt. Auch der Psychiater kündigte an, das Urteil anfechten zu wollen.
Quelle: Spiegel Online

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Dr. Wolfgang Sturm hält auf der GENIALE 2014 in Bielefeld für die FHDW eine Schnuppervorlesung zum Thema: „Spaß und Steuerrecht“

Der Laie staunt, der Fachmann wundert sich. Für Praktiker ist es schwer sich vorzustellen, was am Steuerrecht spaßig sein soll. Bringt es doch meist eher Verdruß mit sich. Doch wer sich mal die Mühe macht, das Steuerrecht ein wenig mit Abstand zu betrachten, der stellt fest, dass es auch in in diesem Bereich spannende Themen gibt, und dass es bei aller Ernsthaftigkeit auch Spaß macht, sich mit diesen Themen zu befassen; denn wer weiß schon, dass die Currywurst an der Imbißbude nicht einem einheitlichen Umsatzsteuersatz unterliegt? und wer weiß auf Anhieb, ob die gewonnene Million bei Günter Jauch der Einkommensteuer unterliegt? Und dass selbst gesetzwidriges Handeln besteuert wird? Oder denken wir an die Sektsteuer, die vor langer Zeit (vor über 100 Jahren) zur Finanzierung der Marine des Kaisers gedacht war. Wir haben zwar schon lange keinen Kaiser mehr, die Steuer gibt es heute dennoch.

Diese und andere Themen hat Dr. Sturm am 11. August 2014 unterhaltsam vor einem sehr interessierten Publikum vorgetragen; es entwickelten sich bei vielen Themen teils lebhafte Diskussionen. Das zeigt: das Thema war gut gewählt, das Steuerrecht ist also doch nur vermeintlich eine trockene Materie. Und es ist gut bei der FHDW aufgehoben, die auf perfekte Weise Theorie und Praxis miteiandern verbindet.
ws

 

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Erlass von Säumniszuschlägen zu 100% möglich (BFH-Urteil vom 24.04.2014, V R 52/13)

Gute Nachricht für alle Steuerpflichtigen, denen die Finanzverwaltung im streitigen Verfahren die Aussetzung der Vollziehung (AdV) zu Unrecht versagt hat, und die von der Finanzverwaltung zu allem Überfluss noch mit Säumniszuschlägen in Höhe von einem Prozent je angefangenen (!) Monat überzogen worden sind.

Am 24. April 2014 hat der BFH jetzt entschieden, dass zwar bei rechtswidriger Steuerfestsetzung die gesetzgeberische Wertung des § 237 AO zu beachten, wonach der Steuerpflichtige bei Gewährung der AdV grundsätzlich Aussetzungszinsen zu zahlen hat, dies aber dann nicht gilt, wenn der Steuerpflichtige mit seinem Rechtsbehelf Erfolg gehabt hat (§ 239 Abs. 1 Satz 1 AO).

Der BFH wörtlich: „Erweist sich eine im Eilverfahren gewährte AdV somit im Ergebnis als berechtigte Abwehr gegen eine rechtswidrige Steuerforderung, hat der Steuerpflichtige keinerlei Aussetzungszinsen –auch nicht zur Hälfte– zu tragen. Wird dem Steuerpflichtigen die gebotene AdV zu Unrecht versagt, ist er im Billigkeitsverfahren so zu stellen, als hätte er den gebotenen einstweiligen Rechtsschutz erlangt, sodass er nach § 237 AO keinerlei Säumniszuschläge zu zahlen hat (so auch BFH-Beschluss vom 2. Februar 2011 V B 141/09, BFH/NV 2011, 961, unter 3.b; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 240 AO Rz 57; Heuermann in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 240 AO Rz 114).“

Im Streitfall hatte der Steuerpflichtige alles getan, um Aussetzung der Vollziehung zu erlangen. Das hatte ihm die Finanzverwaltung aber rechtswidrig verwehrt.

Die Finanzverwaltung versucht nach unseren Erfahrungen nicht selten, in Fällen der vorliegenden Art die Säumniszuschläge nur zur Hälfte zu erlassen. Verständlicherweise haben Steuerpflichtige nur eine geringe Neigung, gegen Entscheidungen dieser Art gerichtlich vorzugehen. Denn die Entscheidung über einen Erlassantrag ist eine Ermessensentscheidung, die nur eingeschränkt nachprüfbar ist. Dennoch macht die Entscheidung des BFH Hoffnung.
ws