Am 13./14. Juni 2012 fand eine Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister in Wiesbaden statt. Dort wurden unter anderem auch Entwürfe eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs bei den Gerichten diskutiert. Nach wahrscheinlich langer Diskussion sind die Minister zu dem Schluss gekommen, dass die Justiz wieder einmal dem technischen Stand hinterherhinkt. Denn nach der der Pressemitteilung des Bundesministerium der Justiz vom 13. Juni 2012 haben die Minister bei der Konferenz erkannt, dass der Rechtsverkehr auf elektronischem Weg bereits für die meisten Behörden, Unternehmen und Privatpersonen eine Selbstverständlichkeit ist, im Justizwesen, insbesondere bei den Gerichten, noch „Aufholbedarf“ besteht. Applaus für eine solche Erkenntnis werden die Minister nicht bekommen.
Die Rückständigkeit der Justiz wird mit rein praktischen Gründen sowie unterschiedlichen Standards in den einzelnen Bundesländern begründet. Fakt ist, dass man im Justizwesen jeder Neuerung skeptisch gegenübersteht und bei der Umsetzung immer Jahr(zehnt)e ins Land gehen. Bestes Beispiel dafür ist das EGVP (= Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach). Dies gibt es in NRW bereits seit 2004. Die meisten Gerichte nutzen es aber nicht. Wie lange wir auf die Modernisierung übrigens warten können, macht die Pressemitteilung des BMJ auch deutlich. Darin heißt es:
„In einigen Jahren sollen deshalb alle Gerichte bundesweit für elektronische Eingänge geöffnet werden“
Wer einmal die Liste der Zivilgerichte, die in Nordrhein-Westfalen am EGVP-Verfahren teilnehmen, durchsieht, wird erschreckt feststellen, dass es sich um ein außerordentlich kümmerliches kleines Häuflein von Zivilgerichten handelt.
Die Finanzgerichtsbarkeit ist in diesem Bereich eine rühmliche Ausnahme. Alle Finanzgerichte in NRW kommunizieren per EGVP oder besser gesagt sind darauf technisch eingerichtet. Eine Kapitulationserklärung erster Güte gab vor kurzem das Finanzgericht Münster in einer Pressemitteilung bekannt. In dieser Pressemitteilung wurde als bahnbrechende Neuerung gefeiert, dass man mit dem Finanzgericht Münster per Computerfax kommunizieren könne. Das ist sicherlich eine Erleichterung, genau gesehen aber ein Schritt zurück in die Steinzeit, wenn man das EGVP als das bessere, papierlose System ansieht. Auf unsere Nachfrage, warum das Finanzgericht die Steinzeit-Technik des Telefaxes propagiere, erhielten wir die Antwort, dass das EGVP unter Rechtsanwälten und vor den Finanzgerichten vertretungsberechtigten Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern praktisch nicht genutzt werde. Der Grund liege in der nicht sehr bedienerfreundlichen Anwendung des EGVP. Das können wir auch bestätigen. Der Versand eines Schriftsatzes per EGVP nimmt nach unseren Erfahrungen im Regelfall mehr Zeit in Anspruch als der Versand per Telefax. Wenn aber Schriftsätzen umfangreiche Anlagen beigefügt werden, ist das EGVP aber konkurrenzlos.
Ein weiterer Schildbürgerstreich: Nach dem eingangs erwähnten Diskussionsentwurf soll für Rechtsanwälte die Teilnahme am Elektronischen Rechtsverkehr verpflichtend sein. Von einer Verpflichtung von Behörden oder Gerichten findet man in dem Diskussionsentwurf nichts. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Reaktion der Rechtsanwaltskammer. Dieser scheint das Recht auf Selbstverwaltung so wichtig zu sein, dass man sich selbstverständlich nicht auf dieses neue System festlegen lassen wollte. Wir würden uns freuen, wenn sich die Rechtsanwaltskammern nicht zu sehr mit ihrem Recht auf Selbstverwaltung, sondern mehr damit befassen würden, wie moderne Kommunikationsmittel in der Justiz Einzug halten können.
Wenn schon das EGVP keinen Einzug in die Justiz findet, und so zur Lachnummer verkommt, dann muss man für die Videokonferenz leider feststellen, dass diese Art der Kommunikation völlig tot ist. Während heutzutage die Kommunikation über Skype oder ähnliche Plattformen mit ganz einfachen technischen Hilfsmitteln machbar ist, kommunizieren Gerichte, wenn überhaupt, nur über die gute alte Telefonleitung. Wir haben für unsere Kanzlei einmal ausrechnen lassen, wie viele Leitungen wir für ein einigermaßen akzeptables Bild zahlen müssten. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir allein für das Vorhalten der Telefonleitungen, ohne überhaupt eine einzige Videokonferenz geführt zu haben, pro Monat mit festen Kosten nur für den Telefonanbieter von 200,00 EUR rechnen müssen. Es liegt auf der Hand, dass ein solches System sich nicht durchsetzt. Es ist überhaupt nicht verständlich, warum die Gerichte auf solche Mittel wie Videokommunikation verzichten. Eine Ursache liegt sicherlich auch in der großen Beharrlichkeit der Richterschaft. Der Richter ist ohnehin im Gericht. Ob die Parteien teilweise quer durch die Republik reisen müssen, um eine im Ergebnis unsinnigen Termin hinter sich zu bringen, kann einem Richter herzhaft gleichgültig sein. Interessanterweise spielen offensichtlich Gründe des Umweltschutzes (Vermeiden unnötiger Fahrten) in dieser Diskussion keine Rolle.
All das ist bedauerlich, angesichts des Schneckentempos aber wohl auch kaum zu ändern.
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