Das Ende des „Winkeladvokaten“ und der „Winkeladvokatur“ unter Anwälten? ja, aber nicht in jedem Fall (LG Köln vom 15.11.2011 5 0 344/10); es lebe die Rabulistik?

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Das Ende des „Winkeladvokaten“ und der „Winkeladvokatur“ unter Anwälten? ja, aber nicht in jedem Fall (LG Köln vom 15.11.2011 5 0 344/10); es lebe die Rabulistik?

Die sonst so für ihren Frohsinn bekannten Rheinländer verstanden da wohl keinen Spaß. Ohne ersichtlichen Bezug zum Verfahren legte ein Rechtsanwalt in einem Rechtsstreit eine E-Mail an die Rechtsanwaltskammer  Köln vor. Darin bezeichnete der Rechtsanwalt die Kanzlei des gegnerischen Rechtsanwalts angesichts der geschickten „Verpackung“ als „Winkeladvokatur“. Das Landgericht Köln fand das nicht witzig, auch dem so mit seiner Kanzlei bezeichneten gegnerischen Rechtsanwalt gefiel das nicht. Dieser fühlte sich als „Winkeladvokat“ beleidigt und ging gegen den Kollegen gerichtlich vor.

Das Landgericht Köln gab dem Kläger statt. Nach dem LG bezeichnet der Begriff „Winkeladvokat“ historisch eine Person, die ohne Ausbildung zum Rechtsanwalt Rechtsrat erteilt. Heute versteht man nach dem LG unter dem Begriff eine Person, die entweder intellektuell unfähig ist, ihren Beruf zuverlässig und den Regeln des juristischen Handwerks entsprechend auszuüben, oder die diesen in einer Art und Weise ausführt, die mit Moral und Gesetz in Konflikt steht. Zwar räumt das Landgericht Köln ein, dass dem Begriff kein einheitlicher Bedeutungsinhalt mehr zukommt. Jedenfalls sei der Begriff negativ besetzt. Das gilt in gleicher Weise für den von dem Beklagten verwendeten Begriff der „Winkeladvokatur“.

Vermutlich haben nicht nur wir die Erfahrung machen müssen, auf der Gegenseite auf Kollegen getroffen zu sein, deren Art der Prozessführung man als „grenzwertig“ bezeichnen könnte. Der Begriff des  Winkeladvokaten ist sicherlich kein positiv besetzter. Das Verhalten so manches Berufskollegen führt aber in der Tat auch nicht dazu, den Ruf der Anwaltschaft insgesamt deutlich zu verbessern, sondern Wasser auf die Mühlen derart zu geben, Juristen generell als „Spitzbuben“, „Rechtsverdreher“, oder generell als Berufsgruppe einstuft, die nicht an Lösungen, sondern an Problemen oder daran interessiert ist, bestehenden Problemen noch weitere hinzuzufügen. Auch das ist nicht sehr charmant.

Ich persönlich finde den Begriff des Winkeladvokaten nicht schmeichelhaft, es gibt aber deutlich schlimmere Ausdrücke. Eine genaue Betrachtung des Urteils des Landgerichts Köln zeigt auch, dass man nicht mit einem auf Aussicht ausgestatteten, gegen sich gerichteten Klageverfahren rechnen muss, wenn man den Begriff des Winkeladvokaten unter Berücksichtigung der Ausführungen des Landgerichts Köln einsetzt. Dazu dürfte es ausreichen, einen entsprechenden Sachbezug zu haben und berechtigte Interessen wahrzunehmen. Diese Voraussetzungen dürfte das Verhalten einiger weniger Kollegen durchaus erfüllen. Wir sind jedenfalls gespannt, wie sich diese Rechtsprechung weiter entwickeln wird.

Vielleicht aber ist es angezeigt, Kollegen künftig lieber  als „Rabulisten“ zu bezeichnen; wikipedia dazu:
„Rabulistik
(von lateinisch rabere „toben“ bzw. rabula „marktschreierischer Advokat“) ist ein veralteter Name für die Kunst, in einem Wortstreit durch rhetorische Tricks Recht zu bekommen, unabhängig oder sogar entgegen der Sachlage, z. B. mittels „Wortverdreherei“ und „Haarspalterei“, insbesondere durch das Anhäufen immer neuer Argumente. Auch in der älteren Literatur der Rechtswissenschaft ist Rabulistik für Spitzfindigkeiten oder eine abwegige oder dem Buchstaben, aber nicht dem Geist des Gesetzes folgende Argumentation gebräuchlich. Rabulistik ist heute ein Teil der Rhetorik und kann als Nebenthema der Kommunikationsstrategie auftauchen. Ein alternativer Name ist Eristik oder Eristische Dialektik.“

Über den Autor

Prof. Dr. Wolfgang Sturm administrator

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Agrarrecht, Diplom-Finanzwirt, Inhaber einer Professur für Wirtschafts- und Steuerrecht

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