Der BGH hat gesprochen: mit Entscheidung vom 07.11.2016 (AnwZ (Brfg) 47/15, die wir von dem Kollegen erhalten haben, der das Verfahren betrieben hat, hat der BGH die bisherige Linie, nach der Werbung auf einer Robe nicht zulässig ist, bestätigt. Die Entscheidung ist lesenswert, weil sie gut die Stellung des Anwalts als Organ der Rechtspflege herausstellt und deutlich macht, dass die Robe den Sinn hat, die Person des Anwalts durch die Schlichtheit der Robe zurücktreten zu lassen (Sachlichkeitsgebot). Die Argumente des BGH sind gut nachvollziehbar. Allerdings sieht man hier sehr gut, in welchem Spannungsverhältnis die Advokatur heute steht: auf der einen Seite Organ der Rechtspflege mit einem hohen Anspruch, auf der anderen Seite muss sich die Anwaltschaft immer mehr als Dienstleister verstehen. Der reine Wissensvorsprung ist durch das internet und die sozialen Netze dahin, die Mandanten verlangen heute mehr als nur Wissen. Sie verlangen Begleitung und strategisches Denken. Die Öffnung des Marktes für Rechtsdienstleistungen und die immer höheren Anforderungen an die Anwaltschaft führen zu immer größerem Wettbewerb. Immer mehr Anwälte kämpfen um nicht größer werdende Märkte. Die Anwaltschaft wird, kann und sollte sich daher einer Öffnung und der Wandlung in Richtung Dienstleistung nicht entziehen. Dazu wird auch die Umstellung vom Papier auf die elektronische Kommunikation auch mit Gerichten, die heute in der Anwaltschaft schon lange Standard ist, beitragen.
Und meine persönliche Meinung zur Robe: ich finde die Robe ohne Werbung einfach schöner.
Wer das schon seit einigen Jahren vorhandene EGVP – elektronisches Gerichts-und Verwaltungspostfach – für die Kommunikation mit Gerichten nutzt oder, besser gesagt, nutzen möchte, weiß, dass diesem System eine sehr gute Idee zu Grunde liegt. Es sollte im Rechtsbereich die Papierwelt in eine digitale Welt führen. In der Praxis ist daraus ebenso wenig geworden wie die Versuche, mündliche Verhandlungen per Videokonferenz zu führen. Allein das zuletzt genannte Projekt ist an einer konstanten Verweigerungshaltung der überwiegenden Mehrzahl der Gerichte gescheitert, für die es eben einfacher ist, die Parteien anreisen zu lassen, statt sich mit Technik zu belasten.
Wir mussten feststellen, dass sich das EGVP schon allein deshalb nicht richtig hat durchsetzen können, weil viele Gerichte über dieses System schlicht und ergreifend nicht erreicht werden konnten. Die Gerichte haben sich dem System einfach verweigert. Der Verbreitung des Systems ebenfalls nicht förderlich war, dass es doch deutlich zeitaufwendiger ist, ein Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen, statt es einfach zu unterzeichnen und per Telefax zu versenden. Die Steinzeittechnik schlägt die Moderne; ein katastrophaler Befund für unser Rechtssystem. Das EGVP selbst ist dabei durchaus benutzerfreundlich und einfach zu verstehen. Denn es ist im Grunde genommen einfach eine Plattform, um Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen und dann, praktisch wie eine E-Mail, zu versenden. Auch der support ist hervorragend. Wenn es, was nicht selten war, Probleme mit dem System gab, dann war der support immer schnell und kompetent zur Stelle.
Eigentlich hätte man erwarten können, dass die Väter des zum 1.1.2016 startenden besonderen elektronischen Anwaltspostfachs aus den Fehlern und der mangelnden Akzeptanz des EGVP gelernt haben sollten. Grundsätzlich ist es daher sehr zu begrüßen, dass die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) sich vor etwa 2 Jahren darum bemüht hat, den gesetzlichen Auftrag, ein solches System für alle Rechtsanwälte zu entwickeln und einzuführen, zu erhalten. So sollte sichergestellt werden, dass die Anwälte auch wirklich ein System erhalten, dass ihren Ansprüchen genügt.
Ich habe zu diesem Thema an einer Mitgliederversammlung der Rechtsanwaltskammer Hamm im Jahr 2014 teilgenommen. Dort erläuterte eine Referentin der BRAK, was man von Seiten der BRAK alles unternommen habe, damit dieses System wirklich die Anforderungen der Rechtsanwaltschaft erfülle und pünktlich zum 1.1.2016 an den Start gehen könne. Dort war von Lastenheften und Projektplänen die Rede, die man erstellt habe, um ein wirklich sehr gutes System zu erhalten.
Vor kurzem musste jetzt die BRAK den Rückzug antreten und mitteilen, dass das besondere elektronische Anwaltspostfach doch nicht zum 1.1.2016, sondern später (Zeitpunkt unbekannt) kommen wird. In den Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer Dezember 2015 auf Seite 265 teilt die Kammer jetzt mit, dass System könne nicht wie geplant zum 1.1.2016 eingeführt werden, weil die hohen Anforderungen, die die Kammer an die Nutzerfreundlichkeit gestellt hätte, von dem System noch nicht erfüllt würden. 2 Jahre seien eben doch eine kurze Zeit für ein solches Großprojekt. Das beauftragte Unternehmen Atos werde jetzt einen „neuen Projektplan vorlegen, aus dem sich dann auch ein neuer Starttermin ergeben wird.“
Diese Aussagen der BRAK sind doch einigermaßen überraschend. Denn wenn es für dieses Projekt vom Start bis zum Ziel 2 Jahre Zeit gab, und wenn die Kammer einen ordentlichen Projektplan und ein ordentliches Lastenheft gehabt hatte, dann ist es nicht verständlich, warum die fristgerechte Einführung des Systems zum 1.1.2016 ausgerechnet an den angeblich nicht erreichten Anforderungen an die Nutzerfreundlichkeit gescheitert sein sollte.
Das besondere elektronische Anwaltspostfach hat aber noch eine weitere Schwachstelle: Ein solches Postfach richtet die BRAK nur für Rechtsanwälte ein, die natürliche Personen sind. Wer aber seinen Beruf in einer Partnerschaft oder in einer GmbH oder einer AG ausübt, der erhält kein Postfach für die Partnerschaft, GmbH oder AG. Hier erhält jeder Anwalt sein eigenes Anwaltspostfach, auch wenn er es gar nicht nutzt. In unserer Gesellschaft ergibt sich damit die unsinnige Konsequenz, dass unsere GmbH über kein Anwaltspostfach verfügt, wohl aber der Autor als natürliche Person. Der aber vermag mit dem für ihn einzurichtenden Postfach nichts anzufangen, weil er als Einzelanwalt – verständlicherweise – nahezu gar nicht mehr aktiv ist. Seine anwaltliche Tätigkeit übt der Autor als angestellter Geschäftsführer der Rechtsanwalts-GmbH aus.
Wir dürfen also weiter gespannt sein, wie das besondere elektronische Anwaltspostfach bei seinem Start wirklich aussehen wird. Die Rechtsanwaltskammer jedenfalls hat die Erwartungshaltung der Anwaltschaft, was die Nutzerfreundlichkeit des Systems angeht, noch einmal deutlich nach oben geschraubt.
Eins allerdings lässt sich an dem System jedenfalls schon jetzt nicht mehr korrigieren: Die völlig misslungene Abkürzung für das System mit „beA“. Wie wäre es stattdessen mit „BEAP“ oder „beap“ oder „BAP“?
ws
Ein Anwalt aus Köln bedruckte seine Anwaltsrobe mit seinem Namen und seiner Internetadresse. Bei der Rechtsanwaltskammer Köln fragte er daraufhin nach, ob er diese Robe vor Gericht tragen dürfe. Diese Anfrage wurde mit der Begründung abgelehnt, dass solch eine Beschriftung als „Werbung“ zu verstehen sei und gegen § 43b BRAO i.V.m. § 61 BORA verstößt. Dabei geht es um die sachliche Unterrichtung der beruflichen Tätigkeit, die bei dem Anwalt in Form einer Werbemaßnahme überschritten sei.
Mit dieser Antwort konnte sich der Kölner Anwalt jedoch nicht zufrieden geben und reichte nach belehrendem Hinweis der RAK Köln eine Klage bei dem Anwaltsgerichtshof NRW ein. Dieser teilte die Auffassung der RAK Köln und fügte hinzu, dass eine bestickte Robe ein werbender Zweck sei und zudem gegen § 20 BORA verstoße. Nach Meinung des AGH NRW, Aktenzeichen 1 AGH 16/15, entspricht eine bestickte Anwaltsrobe nicht der üblichen Berufstracht der Anwälte, so wie es verlangt wird.
ws
Der Ruf der Rechtsanwaltschaft leidet darunter, dass diese Berufsgruppe von vielen Mandanten so beschrieben wird, dass sie keine Probleme löst, sondern den bestehenden noch weitere hinzufügt. Wenn diese Berufsgruppe dann für ihre unheilvolle Tätigkeit auch noch ein Entgelt verlangt, dann wird schnell klar, dass sich spätestens an diesem Punkt die Geister scheiden.
Die Abrechnung auf Basis der gesetzlichen Gebührenordnung, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, kurz RVG, basiert im Kern noch auf der 1957 geschaffenen Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung, BRAGO. In der gesetzlichen Gebührenordnung kommt es weder auf die Komplexität noch auf den Zeitaufwand an. Die Gebührenordnung knüpft ganz einfach an den Streit-oder Gegenstandswert an. Ein Mandat mag einfach sein, wenn es um viel Geld geht, ist das Honorar nach der gesetzlichen Gebührenordnung hoch.
Der gesetzlichen Gebührenordnung liegt die Idee des Einheitsjuristen zu Grunde, der in der Lage ist, jedes ihm angetragene Mandat zu bearbeiten. Dass diese Vorstellung, die zwar von den Rechtsanwaltskammern immer wieder propagiert wird, schon längst überholt ist, ändert nichts daran, dass die gesetzlichen Gebührenordnungen noch immer genau dieses Bild vor Augen haben. Ein Rechtsanwalt hat danach relativ Mandate mit hohem Streitwert, dafür aber viele Mandate mit relativ kleinen Streitwerten.
Dem trägt die Gebührenordnung dadurch Rechnung, dass Mandate mit kleineren Streitwerten relativ gesehen ein höheres Honorar bringen als Mandate mit höheren Streitwerten. Wir haben kürzlich für die Rückabwicklung eines Pferdekaufvertrages im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung bei einem Streitwert von knapp 2.000,0 € Honorar von knapp unter 600,00 € ohne Umsatzsteuer liquidieren können.
Der Nachteil der gesetzlichen Gebührenordnung besteht darin, dass das Interesse eines jeden Rechtsanwalts, der auch nur die vier Grundrechenarten beherrscht, schlagartig zurückgeht, sobald er erkennt, dass ein Mandat nicht mehr wirtschaftlich fortgeführt werden kann. Hinzu kommt, dass sich ein gut gemeint ist Element der gesetzlichen Gebührenordnung in ihr Gegenteil verkehrt. Die Gebührenordnung ist darauf angelegt, in jeder Lage des Verfahrens eine Einigung zwischen den Parteien zu erzielen. Eine solche Einigung wird mit einer Einigungsgebühr belohnt. Nicht selten kommt es in Rechtsstreiten zu solchen Vergleichen und Einigungen, weil auch das Gericht ein massives Interesse an einer einvernehmlichen Erledigung hat. In diesem Fall muss der Richter kein Urteil schreiben. Man könnte auch von einer fast schon und unheilvolle Allianz zwischen Richtern und Anwaltschaft sprechen. Gerichte haben weniger Arbeit, und die Anwälte verdienen mehr Geld.
Ermittelt Sicht falsch verstehen: Wir können jedem Anwalt ein ordentliches Honorar. Wir haben aber ihr die Vorstellung bei unserer Arbeit, dass der Einsatz und die Leistung sich lohnen müssen. Ich würde es deutlich favorisieren, wenn es mit den Mitteln des deutschen Rechts möglich wäre, erfolgsbezogene Bestandteile in ein Honorar einzurechnen. Das aber ist nach deutschem Recht nahezu ausgeschlossen. Hier müssen kreative Gestaltung, die natürlich deutlich umständlicher sind, her.
Es wird eine Vielzahl alternativer Honorarmodelle diskutiert. Eine gute Zusammenfassung gibt es hier: http://www.lam.unisg.ch/law-and-management_inhalte/law-and-management_downloads.php
Das Pauschalhonorar hat immer den Nachteil, dass sich ganz sicher eine Seite schlecht behandelt fühlt. Der Mandant wird für das Pauschalhonorar im Zweifel ein Mehr an Leistung verlangen, der Rechtsanwalt wird umgekehrt im Zweifel weniger Leistung erbringen wollen. Das Pauschalhonorar ist im Übrigen auch nur für solche Mandate geeignet, bei denen der Aufwand seriös kalkulierbar ist.
Bei Mandaten, deren Aufwand im Voraus nicht abzuschätzen ist, ist ein Pauschalhonorar nicht sinnvoll.
Auch die weiter diskutierten Honorarmodelle, einen „Deckel“ zu vereinbaren, haben den gleichen Nachteil sie ein Pauschalhonorar.
Am Ende kann man es drehen und wenden wie man will: Es kulminiert in der Frage, ob die Abrechnung nach RAVG oder nach Zeitaufwand erfolgen soll. Dass gegen eine Abrechnung nach Zeitaufwand immer wieder vorgebrachte Argument, der Anwalt hätte in diesem Fall gar kein Interesse daran, die Angelegenheit schnell zu erledigen, sondern die Angelegenheit möglichst in die Länge zu ziehen, ist nur auf den ersten Blick gut. Auf den zweiten Blick kann es sich kein Anwalt erlauben, in einem Mandat Zeit zu vertrösten. Die Zeitausschreibungen werden von den Mandanten teilweise sehr akribisch geprüft. Entsprechend akribisch werden Zeit Ausschreibungen auch hinterfragt. Und das ist auch gut so. Im Übrigen: Wer als Rechtsanwalt einmal den Ruf hat, ein Honorarschneider zu sein, der wird es auch schwer haben, weiterhin Zulauf zu haben. Mit anderen Worten: Dieses Thema regelt der Markt.
Was im deutschen Recht aber unbedingt verankert werden müsste, ist die Möglichkeit, eine Erfolgskomponente bei der Höhe des Honorars zumindest teilweise berücksichtigen zu dürfen. Die Mandanten würden ein ganz erhebliches Interesse an einer solchen Regelung haben. Denn ihm geht es hier nicht darum, dass ein All ein Anwalt an einem Mandat möglichst lange arbeitet aber ihnen geht es darum, dass möglichst schnell einen Erfolg erzielt wird. Nach unseren Erfahrungen ist es häufig möglich, Rechtsstreite zu vermeiden und einvernehmliche Lösungen zu finden. Das ist er häufig auch sehr zeitaufwändig, nimmt man aber einmal die gesamte Zeitspanne in den Blick, entziehen sich Klageverfahren, womöglich über mehrere Instanzen, deutlich länger in als eine intensive ein bis zweimonatige Verhandlungsrunde außergerichtlicher Art zwischen zwei Parteien. Nach unserer Einschätzung ist ja gerade die hohe Kunst, solche außergerichtlichen Einigungen zum Wohle der Mandanten zu erzielen.
Interessant ist auch das von Benno Heussen favorisierte Modell, den Mandanten einen hohen Festpreis vorzuschlagen, und ihm dann anzubieten, stattdessen nach Erledigung des Mandates das zu zahlen, was ihm die Arbeit wert gewesen ist. Dazu gehört allerdings ein wenig Mut. Justitiabel ist eine solche Abrede sicherlich nicht. Am Ende wird sich, wenn der Mandant sagt, die Arbeiter im gar nichts wert gewesen, die Frage nach der Bemessung des Honorars stellen.
Wir gehen in unserer Praxis zunehmend dazu über, mit Mandanten zunächst monatliche Pauschalen zu vereinbaren, um dann nach Abschluss einer Angelegenheit oder vorher fest vereinbarter Intervalle unter Berücksichtigung der Vorschriften des RVG, des erzielten Erfolges, und der Zufriedenheit des Mandanten ein angemessenes Honorar zu vereinbaren. Wir werden diese Abrechnungsmethode und ihre Auswirkungen nach halten und darüber berichten.
Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten: Alternative Honorarmodelle sind kann Irrweg, der Gesetzgeber müsste aber den Boden dafür bereiten, dass alternative Honorarmodelle auch wirklich wirksam und justitiabel zum Einsatz kommen können.
ws
Die Klausuren der notariellen Fachprüfung sind geschrieben, und es ist wahr: das ist das dritte Staatsexamen. Was früher einfach war, ist heute schwer. 4 Klausuren à 5 Stunden, das ist schon in einer Woche der Hammer. Nicht zu vergessen der Zeitaufwand für die Vorbereitung. Und was wurde gefragt?
Immobilienrecht mit Zwangsvollstreckung und Erbrecht in allen Varianten gepaart, sehr tricky. Umwandlungsrecht am Dienstag: gefordert war eine Verschmelzung zweier Vereine. Ich möchte mal einen Praktiker sehen, der das schon mal gemacht hat. Und immer wieder Erbrecht. Ein gemeinschaftliches Testament, das geändert werden sollte, was aber m.E. missglückt ist. Gefragt war hier u.a., wie man das Ziel denn anders erreichen könnte.
Alles in allem m.E. faire Klausuren, auch wenn es jedesmal ein Schreibmarathon war. Aber warten wir mal die Noten ab. Zudem auch praktische Klausuren, ich jedenfalls konnte mir die von den Beteiligten geschilderten Sachverhalte gut vorstellen. Und wissen wir nicht alle, dass mehr schief als gut geht ohne gute Beratung. Es stimmt eben doch: es ist nie genug Zeit (und Geld), um Probleme gut zu lösen; wenn es dann notwendig wird zu reparieren, dann aber werden keine Kosten und Mühen gescheut; und Zeit ist dann auch mehr als genug da. Es ist ja wichtig, denn der Baum brennt. Und wenn dann noch das Finanzamt wegen schlechter Gestaltung mehr Geld als notwendig haben möchte, dann dämmert es (hoffentlich), dass man beim nächsten Mal nicht mehr am falschen Ende spart. Aber wie heisst es so schön? Ist erstmal ein Problem gelöst, verblasst die Leistung des Beraters schnell. Der Mandant hätte das ja auch selbst geschafft. Das ist eben der tägliche Kampf gegen das Vergessen, den die meisten Menschen doch verlieren. Aber wer weiß, wofür das gut ist.
ws
Eine von uns vertretene Mandantin ist Opfer von Testamentsvollstreckern geworden. Sie haben den Nachlass nicht verwaltet, sondern, um es mit dsen Worten unserer Mandantin zu sagen, „ausgeplündert“. Einer der drei Herren, ein Rechtsanwalt, ist bereits im Jahr 2006 rechtskräftig verurteilt worden, dem Nachlass rechtswidrig entnommene Beträge (rd. 60 TEUR) zurückzuzahlen. Der Kollege hat in der Zwischenzeit die eidesstattliche Versicherung abgegeben. In Kürze findet gegen ihn ein Strafverfahren vor dem Amtsgericht wegen Untreue statt. Die Sache liegt auch schon seit Jahren bei der Rechtsanwaltskammer in Celle. Erstaunlicherweise darf der Kollege noch immer als Rechtsanwalt praktizieren.
Immerhin hatten die Testamentsvollstrecker bei der heute unter den Namen ERGO (das ist doch lateinisch und heißt vielsagend – oder erstaunt?? – „also“) firmierenden Versicherung (genau, das sind die mit dem pressewirksamen „Incentive-Ausflug“ nach Budapest) eine Testamentsvollstreckerversicherung abgeschlossen. Zweck dieser Versicherung war es, Schäden abzudecken, die durch Pflichtverletzungen der Testamentsvollstrecker entstanden waren.
Nachdem das zuständige Nachlassgericht im Jahr 2006 die drei Testamentsvollstrecker wegen eines nicht geklärten Vermögensschwundes von rund 250.000 € mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund aus dem Amt entlassen hatte, erhob unsere Mandantin vor dem Landgericht Klage gegen die drei Testamentsvollstrecker. Die ERGO trat dem Rechtsstreit als Nebenintervenientin bei. Es dauerte erst einige Zeit, bis das Landgericht sich mit dem umfangreichen Prozessstoff beschäftigt und dann zunächst die Auffassung unserer Mandantin in wesentlichen Punkten geteilt hatte. Nach einem Wechsel in der Rolle des Berichterstatters vertrat das Landgericht leider die Auffassung, dass zwar erhebliche Pflichtverletzungen der Testamentsvollstrecker vorgelegen hätten, es fehle aber an einem dadurch adäquat kausal verursachten Schaden. Das Landgericht wies die Klage ab. Wir befinden uns mittlerweile bereits im Berufungsverfahren.
Noch an dem Tag, an dem wir für unsere Mandantin den Kostenfestsetzungsbeschluss für die Kanzlei erhielten, die die ERGO vertrat, wandten wir uns an diese Kanzlei und boten Zahlung an, sobald die in dem Kostenfestsetzungsbeschluss genannte Sicherheit geleistet sein würde. Daraufhin hörten wir von den Kollegen zunächst einmal nichts. Unsere Mandantin erhielt dafür aber etwa einen Monat später völlig überraschend Besuch von einer Gerichtsvollzieherin. Erst auf diesem Wege erfuhren wir, dass die lieben der Kommunikation offensichtlich nicht fähigen Kollegen die Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO betrieben. Das ist zwar sicherlich eine gesetzlich zulässige Form der Vollstreckung, angesichts des noch am Tage des Zugangs des Kostenfestsetzungsbeschlusses bei uns den Kollegen unterbreiteten Zahlungsangebotes zu den Bedingungen des Beschlusses aber, vorsichtig formuliert, etwas ungewöhnlich. Die Zwangsvollstreckung hätte ganz einfach vermieden werden können, wenn die Kollegen uns mitgeteilt hätten, dass die ERGO keine Sicherheit leisten, sondern zur Abwendung der Sicherungsvollstreckung eine Sicherheit haben möchte.
Unsere bereits betagte Mandantin war über das Vorgehen der von der ERGO beauftragten Anwaltskanzlei und dem von ihr als mutwillig empfundenen Besuch der Gerichtsvollzieherin so erbost, dass sie uns beauftragte, eine Beschwerde bei der Versicherung über die Kollegen anzubringen. Die Antwort der ERGO hat uns zwar nicht wirklich überrascht. Es ist mit ein wenig Abstand betrachtet dann aber doch schon erstaunlich, wie Versicherungsgesellschaften sich aufführen. Ganz besonders auffällig wird das, wenn man das Verhalten der ERGO im vorliegenden Fall zu den schönen Aussagen aus der Werbung in einen Kontrast setzt. Hier wird ganz schnell klar, dass die Werbung mit der Realität nichts zu tun hat. Das Geschäft der ERGO besteht eben nicht darin, die Kunden zu verstehen und Verständnis für irgendetwas zu haben, sondern schlicht und ergreifend darin, nur dann zu zahlen, wenn es wirklich nicht mehr anders geht. Daran ist prinzipiell nichts auszusetzen. Es ist aber schon erstaunlich, dass Versicherungsgesellschaften immer wieder versuchen, nach außen von sich ein ganz anderes Bild zu zeichnen.
Unsere Mandantin jedenfalls hat uns gebeten, das Antwortschreiben der ERGO nicht so stehen zu lassen, sondern zu einigen Punkten Nachfragen zu stellen. Wir sind gespannt, welche Antwort wir erhalten werden. Wir werden berichten.
ws
Verwundert rieben wir uns die Augen, als ein offensichtlich dünnhäutiger Kollege einer großen Anwaltskanzlei uns einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot vorwarf. Was war passiert? Unsere Mandantin unterlag in erster Instanz in einem Rechtsstreit, an dem die ERGO Versicherung (Werbeslogan: „Versichern heißt verstehen„) als Nebenintervenientin beteiligt war. Hätte unsere Mandantin den Rechtsstreit gewonnen, hätte die Versicherung als Testamentsvollstreckerhaftpflichtversicherung zahlen müssen. Gegen das Urteil haben wir Berufung eingelegt. Auf Antrag des Bevollmächtigten der ERGO wurden die Kosten erster Instanz durch Beschluss festgesetzt. Sofort nach Eingang des Beschlusses bei uns boten wir der ERGO über den Kollegen Zahlung der festgesetzten Summe an, wenn die ERGO die im Beschluss ausgewiesene Sicherheit geleistet haben würde. Die Kanzlei der ERGO meldete sich bei uns aber nicht. Circa einen Monat später beantragte die Kanzlei der ERGO die (rechtlich zulässige) Sicherungsvollstreckung. Allerdings geschah dies, ohne uns zu informieren. Da unsere über 80 Jahre alte Mandantin sich im Urlaub befand, war sie nicht gering überrascht, als sie „Besuch“ von der Obergerichtsvollzieher erhielt.
Wir nahmen daraufhin Kontakt zu dem Kollegen auf und erneuerten unser Zahlungsangebot. Zugleich brachten wir unser Mißfallen gegenüber dem Kollegen zum Ausdruck. Denn die Vollstreckung wäre bei vorheriger Abstimmung unter Kollegen obsolet gewesen. Der Kollege wies dieses Angebot zurück. Er konnte uns auch nicht erklären, warum er nicht uns informierte hatte, obwohl wir Zahlung angeboten hatten. In unserem Schreiben an den Kollegen machten wir deutlich, dass wir sein Verhalten für weit überzogen hielten, sogar für unangemessen und unprofessionell.
Offensichtlich war der Kollege außerordentlich dünnhäutig. Denn jetzt beharrte er darauf, dass er die Sicherungsvollstreckung, die für seine Mandantin angesichts des Zahlungaangebotes ein Minus und relativ wertlos war, fortsetzen wolle. Es blieb für unsere Mandantin nichts anderes übrig, als die Sicherungsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abzuwenden. Der dünnhäutige Kollege seinerseits wollte aber auch nicht so recht bestätigen, dass die Zwangsvollstreckung ausgesetzt werden würde. Da unsere Mandantin aber am nächsten Tag wiederum mit Zwangsvollstreckung und einem „Besuch“ der Obergerichtsvollzieherin rechnen musste, waren wir gezwungen, eigenständig die Vollstreckung von der Gerichtsvollzieherin einstellen zu lassen. Der Gerichtsvollzieherin leuchtete unser Antrag auch sofort ein. Welchen Sinn macht auch eine Sicherungsvollstreckung, wenn der Schuldner nicht nur bereit ist, eine Sicherheit zu leisten, sondern seinerseits sogar Zahlung angeboten hatte.
All das kümmerte den dünnhäutigen Kollegen nicht. Er möchte er jetzt vielmehr wegen unseres angeblichen Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot die Angelegenheit der Rechtsanwaltskammer vorlegen. Wir sehen diesem Verfahren angesichts der neueren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Thema „Winkeladvokat“ gelassen entgegen. Wahrscheinlich wird die Angelegenheit noch für den Kollegen peinlich. Wir hatten nicht vor, die Angelegenheit der Kammer zu melden. Wenn die Angelegenheit dort aber ohnehin landet, werden wir auch zum Gegenangriff blasen. Wir sind auch gespannt, was der Vorstand der ERGO zu dem Auftreten seiner Anwälte meint. Es passt nicht so recht zu dem Image, das die ERGO sich mit ihren Kampagnen zulegen möchte. Unsere Mandantin hat sich jedenfalls über den Kollegen bei der ERGO beschwert.
ws
Im Kampf um das Recht für ihre Mandanten sind Anwälte gegenüber ihren Parteien privilegiert. Sie dürfen in deutlich größerem Umfang mündlich und schriftlich Dinge „auf den Punkt“ bringen und auch „spitze“ Formulierungen wählen, ohne sich gleich strafbar zu machen. Das aber gibt kein Recht, sich wie eine „Wildsau“ aufzuführen und ist auch kein Freibrief, wie die Entscheidung des AnwGH Mecklenburg – Vorpommern vom 30.11.2012 (AGH 1/12 (I/I, NJW – Spezial 2013, 351) zeigt.
Was war geschehen? Ein Anwalt verfasste in einem Verfahren ein Schreiben an einen Kollegen mit folgendem Inhalt:
„Sehr geehrter Herr Kollege X., auf Ihren heutigen Zustellversuch von Anwalt zu Anwalt teile ich Ihnen mit, dass ich Sie, zumindest was den Zugang anwaltlicher Schreiben angeht, für einen Lügner und Betrüger halte. Die Zustellung von Anwalt zu Anwalt lehne ich daher im Verhältnis zu Ihnen ab. Wenn Sie der Meinung sind, mir Schriftstücke zustellen zu müssen, bedienen Sie sich der Hilfe des Gerichtsvollziehers.“
Nach der Entscheidung des Anwaltsgerichts enthält diese Aussage sowohl beleidigende als auch wertende Elemente. Darin liegt zugleich die Feststellung eines strafbaren Verhaltens des Kollegen. Als Anwälte hätten wir aber gerne etwas mehr zu dem Hintergrund gewusst. So bleibt die Sache ein wenig „blutleer“. Es bleibt die Erkenntnis: Im Zweifel lieber Zurückhaltung üben. Sachargumente, pointiert, überzeugend, souverän und witzig vorgetragen, überzeugen häufig mehr als eine bloße Schimpfkanonade, die den Anwalt nur als Choleriker bloßstellt.
ws
Als Jurist verfolge ich den NSU-Prozess alleine schon aus fachlichem Interesse. Interessant ist aber auch das „mediale Gewitter„, insbesondere das, was die Presse uns da immer so schön als solches verkaufen möchte, obwohl vieles von eher gering ausgeprägtem Sachverstand zeugt und besser vorab mit Experten der Materie abgestimmt worden wäre, bevor es herausgetrötet wird. Mit fast noch größerem Interesse verfolge ich auch die Berichte über die Angeklagten und die Verteidiger. Es wurde ja schon viel über die Kleidung, die Haare und die Körpersprache der Angeklagten, Frau Zschäpe, geschrieben. Ich dagegen hatte immer ein Störgefühl, wenn ich die drei Verteidiger sah. Irgendetwas stimmte da nicht. Und dann fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen; die Namen, wie konnte das nur so lange dauern, bis es bei mir Klick machte: STURM, STAHL und HEER heißen sie. Darin liegen doch, zudem in dieser kräftigen Kombination der martialischen Worte, Aussagen. Warum schreibt die Presse also nicht von einem „Stahlgewitter“, wenn Herr Stahl im Saal laut wird und sich ein Scharmützel mit dem Vorsitzenden oder dem Heer an Vertretern der Nebenkläger liefert? Und warum spricht man nicht von einem „Heer von Anträgen“ statt von einer Flut? Und eilen die Verteidiger nicht im STURMschritt in den Gerichtssaal hinein und wieder heraus? Wir erfahren auch nicht, wie die Namen auf die Vertreter der ausländischen Presse wirken. Aus der englischen Presse ist nur zu ersehen, dass der Kollege Heer als „Mr. Army“ bezeichnet wird.
ws
„Videokonferenz im Prozess“; der Titel im Anwaltsblatt 5/2013 machte neugierig. Hatten wir etwas so Großes wie die Mondlandung verpasst? Nach der Lektüre trat dann doch wieder Ernüchterung ein – Im Westen nichts Neues. Die Videokonferenz, obwohl gesetzlich seit über zehn Jahren möglich, ist ein ungeliebtes Kind. In der Praxis scheitert sie ganz einfach daran, dass Gerichte diese Möglichkeit überhaupt nicht anbieten. Interessant: alle sonst immer gerne bemühten Argumente wie Umweltschutz und Effizienz bei der Arbeit prallen an den Beteiligten ab wie an einer Gummiwand. Es gehört zur tagtäglichen Praxis der Gerichte, die Parteien bis zu 700 km (eine Strecke) durch die Republik fahren zu lassen (und auf 09:00 Uhr zu terminieren), damit die Parteien an einer mündlichen Verhandlung teilnehmen, die vielleicht 10 Minuten dauert. Man merkt deutlich bei den Gerichten eine, freundlich formuliert, erhebliche Zurückhaltung bei dem Einsatz der Videokonferenz. Das ist unverständlich, weil doch den Richtern immer Techniker zur Seite stehen, die ihnen die möglicherweise lästige Arbeit des Steuerns der Videokonferenzanlage abnehmen.
Unser letzter Versuch, eine Videokonferenz bei einem Gericht zu machen, brachte uns den Anruf des sehr freundlichen Vorsitzenden, der mit uns über unseren „sehr ungewöhnlichen“ Antrag sprechen wollte. Immerhin: wir sind jetzt so weit, dass wir nur noch technische Probleme zu lösen haben.
Ach ja, die Technik, die liebe Technik: hier scheint die Justiz ganz erheblich dem Stand der Technik hinterher zu hinken („Steinzeit“). Während heutzutage jeder über Skype oder andere Medien im Handumdrehen eine Videokonferenz spontan herstellen kann (geht sogar über smartphones), ohne große Kosten zu verursachen, ist das bei der Kommunikation mit der Justiz deutlich schwieriger. Die wenigen Gerichte, die überhaupt so eine Anlage haben (Verzeichnis hier: http://www.justiz.de/verzeichnis/index.php;jsessionid=ECDCFD2D51F7D8BCB1BA198A3DE6EE42
können nur über ISDN gehen. Das bedeutet für Kanzleien, dass, um ein einigermaßen gutes Bild zu haben, vier Leitungen benötigt werden. Diese vier Leitungen verursachen in der Realität Fixkosten von 100,00 € je Monat, und zwar auch dann, wenn keine Videokonferenz durchgeführt wird. Erst langsam im Vordringen begriffen ist der so genannte IP-Standard, mit dem auch über das Internet kommunizieren kann. Aber auch hier gibt es scheinbar erhebliche Probleme.
Man muss leider feststellen, dass die Videokonferenz sich in der Praxis überhaupt noch nicht durchgesetzt hat. Nach unserer Vermutung wird weiter weniger als ein Promille aller mündlichen Verhandlungen per Videokonferenz durchgeführt. Es ist erstaunlich, dass die Grünen dieses Thema noch nicht als politisches Betätigungsfeld erkannt haben. Hier könnten etliche Millionen von Kilometern usw. eingespart werden.
ws