„Eltern haften für ihre Kinder“. Diesen Satz kannte man früher von den gelben Baustellenschildern. Als Kind hat man diese Schilder, je nach Erziehung, entweder ignoriert oder aber voller Ehrfurcht beachtet. Das mit der Ehrfrucht galt aber nur solange, bis man selbst Rechtswissenschaften studiert und den Satz „es kommt darauf an“ mehr oder minder reflektiert nachgeplappert hat (und später vorsichtiger damit wurde, als die Frage kam: „worauf kommt es denn an“). Alle anderen erfuhren es durch die „populären Rechtsirrtürmer“: Eine Haftung der Eltern für Kinder ist eher die Ausnahme als die Regel.
Das gelbe Baustellenschild als Anachronismus feiert ausgerechnet im Zeitalter des internet fröhliche Urständ. Denn wer minderjährige Kinder zu seinem Haushalt zählt, sollte sich gleich mehrere dieser „Baustellenschilder“ zulegen und auf den W-LAN-Router oder den PC kleben. Je größer, desto besser. Denn wenn Eltern ihren Kindern unbeaufsichtigt die Nutzung des Internets erlauben, haften Eltern im Regelfall für den Unfug, den die Gören dort anstellen. Dies entschied jetzt wieder einmal das Oberlandesgericht Köln (OLG) am 23.03.2012 (Aktenzeichen: I-6 U 67/11, 6 U 67/11). Das OLG erkannte:
„Macht ein Minderjähriger von dem Internetzugang seiner Eltern Audiodateien zum kostenlosen Download in einer Tauschbörse öffentlich zugänglich, haben die Eltern für den Schaden aus § 832 Abs. 1 BGB einzustehen, wenn sie ihren gesetzlichen Aufsichtspflichten nicht hinreichend nachgekommen sind.“
Dass die Eltern ihren Aufsichtspflichten nicht hinreichend nachgehen, davon gehen die Gerichte, wie auch das OLG Köln, als Regelfall aus. Im Fall des OLG Köln warf das Gericht den Eltern vor, dass ihnen bei den im Prozess behaupteten monatlichen stichpunktartigen Kontrollen die Filesharingprogramme auf der Festplatte des PCs hätten auffallen müssen. Wir meinen: hier kann nichts anderes gelten als bei der guten alten Baustelle. Ich kann nicht einfach eine Verletzung von Aufsichtspflichten als Regelfall postulieren.
Dieses jedenfalls vom OLG gesehene Versäumnis kommt die Eltern teuer zu stehen. Denn für die 15 vom Minderjährigen zum Tausch angebotenen Musiktitel müssen dessen Eltern nun 3.000,00 € Schadensersatz sowie Abmahnkosten in Höhe von 2.380,80 € zahlen.
Zur Erinnerung: minderjährig ist, wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Und jetzt legen Sie einmal die Hand aufs Herz: wer nicht gerade IT – Experte ist, der wird nicht ernsthaft behaupten, sich auch nur annähernd so gut mit einem PC umgehen zu können wie seine „kleinen“ Kinder. Und wären Sie in der Lage, ein „filesharingprogramm“ zu erkennen. Offenbar gehen die Gerichte davon aus, dass es in Familien einen „zentralen“ PC gibt, der wie früher das graue Telefon mit Wählscheibe im Wohnzimmer steht und mit Argusaugen bewacht wird. Früher mag das mit dem Telefon so gewesen sein, da kostete ein Ortsgespräch 23 Pfennig. Das entspricht ca. einem €. Heute sieht die Welt aber anders aus. Die „Kinder“ haben eigene PCs. Eine Kontrolle ist praktisch nicht möglich.
Der EuGH hat in einem französischen Steuerfall mit Urteil C-414/10 vom 29.03.2012 (Société Veleclair) wieder einmal gezeigt, dass die europäische Rechtsordnung mehr und mehr den nationalen Rechtsordnungen trägt. Im Streitfall hat der EuGH entschieden, dass EU Recht es den Mitgliedern nicht erlaubt, den Vorsteuerabzug für EUSt davon abhängig zu machen, dass die EUSt vorher gezahlt worden ist. Die Entscheidung ist zwar nur zum französischen Steuerrecht ergangen. Allerdings gibt es in § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG eine absolut vergleichbare Regelung. Danach kann als Vorsteuer nur die EUSt abgezogen werden, die der Steuerpflichtige zuvor gezahlt hat. Nach der Entscheidung des EuGH dürften die Tage dieser Regelung allerdings gezählt sein.
Von Bedeutung dürfte die Entscheidung außerdem in allen Fällen sein, in denen die Verwaltung Steuerpflichtigen die Hinterziehung von EUSt vorwirft.