Der sogenannte nemo-tenetur Grundsatz (von „nemo tenetur se ipsum prodere“, lat. sinngemäß: „Niemand ist verpflichtet, sich selbst anzuklagen.“) ist ein zentraler Bestandteil in Strafverfahren und beschreibt das Recht eines Angeklagten oder Beschuldigten zu Vorwürfen gegen ihn zu schweigen.
Dieser Grundsatz des Strafrechtes war nun Gegenstand einer Verhandlung vor dem OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.08.2014 (53 SS 90/14). Das Amtsgericht hatte im vorhergehenden Verfahren entschieden, dass allein die Tatsache, dass der Angeklagte keinerlei entlastende Tatsachen vortrug dafür spreche, dass er der Täter sei. Der Angeklagte wurde des Diebstahls verdächtigt. Weiter machte der Angeklagte im vorliegenden Fall keine Äußerungen zu seiner Person, was ebenfalls gegen ihn ausgelegt wurde.
Der Angeklagte wandte sich daraufhin in der Revision an das OLG Brandenburg. Dieses sah in dem Urteil des Amtsgerichts einen „eklatanten Verstoß gegen den nemo-tenetur Grundsatz“ und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück.
ng
Ach, wäre das schön, wenn man den Papierbelegen ade sagen könnte, und wenn die gescannte pdf Kopie das Finanzamt ebenso erfreute wie das Original. Die Technik dafür kennt praktisch jedes Kind. Das (die Papierform) „ersetzende Scannen“ muss aber nicht nur „recht sicher“, sondern „rechtssicher“ sein. Trotz gegenteiliger Äußerungen wird die Vorstellung vom papierlosen Büro wohl ein Wunschtraum bleiben. Gefühlt haben wir eher den Eindruck, dass es heute trotz aller sinnvollen Technik mehr Papier als früher gibt. Mit entwaffnender Offenheit mussten Kollegen auf unsere Nachfrage, wie sie denn mit Notebook oder Tablet in mündlichen Verhandlungen bei komplexen Klageverfahren so schnell die Dokumente finden und Ihnen blättern könnten, eingestehen, dass sie für mündliche Verhandlungen einen extra für diesen Zweck bei Ihnen angeschafften leistungsfähigen Drucker laufen lassen, um dann doch wieder die gute alte Akte in gedruckter Form zum Termin mitnehmen zu können.
Da trifft es sich gut, dass es immer wieder Vorstöße gibt, um die Bürokratie auch in diesem Bereich abzubauen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem bereits eingangs erwähnten sog. ersetzenden Scannen zu. Ziel ist es, die Papierbelege nach einem strukturierten und dokumentierten Scanprozesses vernichten zu können. Sie müssen aber dann nur noch platzsparend und wirtschaftlich günstig, in elektronischer Form, vorgehalten werden.
Welche Anforderungen aber sind bei diesem ersetzenden Scannen zu erfüllen? Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) hat zusammen mit der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) eine „Muster-Verfahrensdokumentation zur Digitalisierung und elektronischen Aufbewahrung von Belegen inkl. Vernichtung der Papierbelege“ entwickelt. Diese Dokumentation soll ein insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen umsetzbares und praktikables Verfahren darstellen.
Bisweilen besteht bei Unternehmen und ihren Beratern noch immer eine große Unsicherheit, ob sie die Papierbelege nach dem Scannen wirklich und ohne Risiko vernichten dürfen. Es besteht häufig die Befürchtung, dass die Finanzbehörden die Vorlage der Originalbelege z.B. im Falle einer steuerlichen Betriebsprüfung doch noch verlangen könnten. Dies führt in der Praxis häufig zu einer Verdoppelung des Aufwandes, da sowohl die Papier – als auch die gescannten Belege aufbewahrt werden. Gut gemeint ist eben doch oft das Gegenteil von gut.
Der Pferdefuß der vorgestellten Verfahrensdokumentation ließ auch nicht lange auf sich warten: Der DStV räumte ein, es wäre sinnvoll, wenn das Bundesministerium der Finanzen offiziell bestätigen könnte, dass Belege, die nach dieser Verfahrensdokumentation gescannt und bereit gehalten werden, für steuerliche Zwecke nicht noch zusätzlich auf Papier vorgehalten werden müssen. Es ist zu fürchten, dass die Stellungnahme auf sich warten lässt. Sicher wird es das eine oder andere zu prüfen geben. Bis dahin bleibt es also auch in diesem Punkt bei einer weiterhin ausufernden Bürokratie. Solange die offizielle Bestätigung für die Eignung für das „ersetzende Scannen“ fehlt, werden viele weiterhin aus Sorge um den Rechtsverlust die guten alten Papiere abheften. Denn sonst wird das „ersetzende“ Scannen zum „entsetzenden“ Scannen. Und Vorsicht war ja schon immer die Mutter der Porzellankiste.
ws
Das Thema Hoeneß ist medial verbraucht, jetzt kommt ein neues dran. Bisher stand Deutschland international zum Teil heftig in der Kritik, weil die Bestechung von Abgeordneten nur unzulänglich im Sinne strafrehtlicher Sanktionierung geregelt war. Das verwundert, weil die Abgeordneten immer flott dabei sind, wenn es darum geht, im Übrigen das Strafrecht zu verschärfen. Die Umsetzung der jetzt unterzeichneten UN-Konvention in nationales Recht erfolgte bisher nicht, es liegt jetzt aber ein Entwurf der großen Koalition vor, den der Ausschuss von Recht und Verbraucherschutz einstimmig angenommen hat.
Was ist jetzt neu? Bei Abstimmungen und Wahlen im Plenum und in den Ausschüssen wurde bisher lediglich der Stimmenkauf- und Verkauf geahndet. Künftig soll das Strafrecht auch auf korrupt beeinflusste Handlungen oder Unterlassungen des Abgeordneten „im Auftrag oder auf Weisung“ abzielen. Dies kann als ein Versuch gesehen werden, ein Pendant für die Dienstpflichtverletzung in den Straftatbeständen für Amtsträgerbestechung nach §§ 332,334 StGB zu finden. Das ist aber problematisch, da Abgeordnete nach Art. 38 I GG „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden“. Sie haben also keine Dienstpflichten, die sie verletzen können. Fraglich ist zudem, ob ein Abgeordneter hierarchisch gesehen tatsächlich auf Weisung oder Auftrag anderer handelt oder ob durch die illegale Absprache eher eine Beziehung auf „gleicher Augenhöhe“ geknüpft wird. In jedem Fall wird die Rechtsprechung ein klares Regelungsziel definieren müssen.
Neu ist auch die Erfassung materieller und immaterieller Vorteile des Vorteilsgebers an Abgeordnete oder Dritte. Dies wird sich auf Mitglieder von Parlamenten auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene erstrecken und bezieht sich auch auf die Bundesversammlung, das Europäische Parlament, parlamentarische Versammlungen internationaler Organisationen und Gesetzgebungsorgane ausländischer Staaten. Die Formulierungen der neuen Normen werden voraussichtlich denen zur Amtsträgerkorruption gleichen. Der Strafrahmen soll laut Entwurf dem der bisherigen Fassung des § 108e StGB entsprechen. Der Versuch ist nach dem Gesetzentwurf nicht strafbar.
Nachträgliche Vorteilsflüsse, so genannte „Dankeschön-Spenden“, sind allerdings noch nicht erfasst. Ohne vorherige Vereinbarung könnte ein Abgeordneter somit weiterhin größere Summen von einer Person nachträglich annehmen, deren Interessen er im Vorfeld vertreten hat. Insgesamt betrachtet lässt der Entwurf zur Neuregelung noch viele Fragen offen.
ws/jb