Kategorien-Archiv was uns an der Finanzverwaltung wundert…

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Das moderne Finanzamt (Wiedenbrück) arbeitet mit Anrufbeantworter: „Ich arbeite in Teilzeit und Sie rufen außerhalb meiner Arbeitszeiten an. Auf Wiederhören.“

Ein Schildbürgerstreich? Ach was!  Die Verwaltung gibt sich gerne bürgernah und modern zugleich. In der Tat heißt der Chef der Beamten eines Ressorts „Minister“, was vom Lateinischen ins Deutsche übersetzt „Diener“ heißt. Wenn also schon der Chef dem Staat dient, dann seine „Untergebenen“ doch erst recht. Aber mit dem Etikett (von außen sichtbar) und dem Inhalt (führt oft zu Staunen nach Öffnen der Verpackung und hat mit dem Etikett meist nicht viel zu tun) ist das so wie mit Dichtung und Wahrheit.

Besonders beliebt  sind in Finanzämtern die „Sprachboxen“. Die sind, bei entsprechendem Einsatz und Willen, durchaus sinnvoll. Kann man seinen Gesprächspartner  nicht erreichen (16:00 Uhr ist schließlich schnell erreicht, Freitags noch früher), spricht man eine Nachricht mit seinem „Anliegen“ auf. Und wir haben gute Erfahrungen gemacht, dass die Angerufenen auch wirklich zurückrufen.

Deutlich aus diesem Rahmen fiel daher doch der in der Überschrift genannte Text einer Mitarbeiterin in Teilzeit auf ihrer Sprachbox, die wir bei unserem Anrufversuch heute zu unserem nicht geringen Staunen hörten. Eine Nachricht konnte (und sollte, weil unerwünscht?) man nicht hinterlassen. Da die freundliche Stimme zudem aber auch nicht einmal preisgab, zu welchen Zeiten die Mitarbeiterin denn an welchen Tagen erreichbar wäre, fanden wir es dann doch etwas schwierig (Versuch und Irrtum), ein Telefonat mit ihr zu planen. Wir haben daher mit einer anderen Bearbeiterin gesprochen. Wir haben bei der Gelegenheit auch angeregt, den Ansagetext um die Zeiten der Erreichbarkeit zu ergänzen.
ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Das Finanzamt Paderborn im Jahr 2013 – kriecht zu Kreuze, ihr subalternen Steuerpflichtigen – offenbar ist schon der Karneval ausgebrochen: und auch die Grundrechenarten wollen auch gelernt sein

Wer glaubt, dass sich die Verwaltung vom überbrachten Über-Unteordnungsverhältnis schon überall gelöst hat, den straft die Grunderwerbsteuerstelle des Finanzamts Paderborn in ganz deutlicher Form Lügen. Hier lässt die Verwaltung den Bürger noch einmal richtig ordentlich strammstehen, und sei es noch so absurd.

Was war passiert? es geht um den Kauf einer Eigentumswohnung. Als Kaufpreis war eine Summe X vereinbart und im Vertrag genannt. Im Vertrag regelten die  Parteien gleich mit, dass Summe Y von dem Kaufpreis X auf die mitverkaufte Küche entfiel. Das Finanzamt Paderborn wollte zunächst die Grunderwerbsteuer (GrESt) auf die Summe X erheben. Grund: die Kaufpreise für Grundbesitz und Küche seien nicht gesondert ausgewiesen. Der Einwand der verblüfften Steuerpflichtigen, das lasse sich durch einfache Subtraktion ermitteln, beeindruckte die Verwaltung  nicht. Da fiel es schon das erste Mal schwer, ruhig zu bleiben.

Im weiteren Verlauf des Schriftwechsels (kein Witz!!) zog sich die Verwaltung auf den Standpunkt zurück, es seien für die Küche keine Einzelpreise angegeben. Warum dies überhaupt relevant sein sollte, und was damit überhaupt gemeint war (wollte die Verwaltung den Preis für jede Schublade extra?), überließ die Verwaltung dem rätselratenden Bürger.

Der aber hatte genug. Er konnte sich schon lebhaft den weiteren Schriftwechsel vorstellen. Er benannte die einschlägige Rechtsprechung  und bat um einen Grunderwerbsteuerbescheid, gegen den er Einspruch ankündigte. Bitte nicht vergessen: das Gezeter der Verwaltung führte zu einer Verzögerung der Umschreibung des Eigentums im Grundbuch. Denn die Umschreibung erfolgt bekanntlich nur gegen Nachweis der Zahlung der GrESt.

Die Verwaltung erließ den Steuerbescheid. Für die Küche setzt es aber, wie nicht anders zu erwarten war, nicht etwa den zwischen den Parteien (es waren fremde Dritte) vereinbarten Preis für die Küche an, sondern einen knapp 60% darunter liegenden Betrag  mit dem Hinweis, der Wert der Küche werde auf 5000 € geschätzt. Was fehlte noch? Ach ja, die unvermeidbare Belehrung durch die Obrigkeit:

„Nicht die Vertragsparteien, sondern das Finanzamt hat die Angemessenheit der Kaufpreisaufteilung zu prüfen.“

Dass der Satz grammatisch falsch ist, sei vernachlässigt. Interessanter ist der Ton und das, was hinter diesem Satz steckt. Das, was die Parteien vereinbart haben, ist doch sowieso gelogen. Wir als Finanzamt wissen es besser und können, auch wenn gar nicht wissen, wie die Küche aussieht, und woraus die Küche besteht, ganz genau beurteilen, dass diese Küche 5.000 EUR wert ist. Da kann man nur sagen, Hut ab!! Da hat jemand den Beruf des Hellsehers verfehlt. Wen wundert es, wenn da auch bei dem Rechtsanwender ob dieser Unverschämtheiten nicht ein erhebliches Störgefühl übrigbliebe. Lebte man in einer Bananrepublik, wäre es einem egal. In einem Rechtsstaat aber haben solche Verwaltungsakte nichts zu suchen. Hier bleibt der Eindruck, dass in der Verwaltung ein Bearbeiter seinen Gefühlen und seiner schlechten Laune freien Lauf lassen kann. In einer unsagbanren Dreistigkeit geht man über die Vereinbarungen hinweg, die untereinander Fremde getroffen haben.

Das  Finanzamt Paderborn hat so zwar keinen Beitrag zur  Entwicklung des Steuerrechts geleistet, wohl aber einen solchen, der deutlich macht, woher die Staatsverdrossenheit kommt. Im Übrigen:  wir sprechen hier über eine Differenz von 350,00 EUR Steuern.

Es ist eben eine närrische Zeit.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Was Sie sich schon immer gedacht, aber niemals zu sagen gewagt haben: Deutschland (k)eine Bananenrepublik? Prüfungsanordnung eines Finanzamts vom BFH wegen Willkür aufgehoben

Wer als Steuerpflichtiger schon immer das Gefühl hatte, dass Finanzbeamte, und insbesondere Angehörige der Prüfungsdienste, nicht frei von Neid sind, der fühlt sich durch eine vor kurzem ergangene Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) bestätigt. Mit Urteil vom 28. September 2011 (VIII R 8/09) hat der BFH entschieden, dass die Anordnung einer Außenprüfung wegen Verstoßes gegen das Willkür- und Schikaneverbot rechtswidrig sein kann.

Was sich in der Pressemitteilung des BFH und in dem Urteil sehr nüchtern und sachlich liest, ist nicht weniger als eine Sensation und lässt durchaus die Frage zu, ob Deutschland mittlerweile wirklich eine Bananenrepublik geworden ist. Worum ging es ? Ein Rechtsanwalt wehrte sich gegen eine Prüfungsanordnung. Er legte nachvollziehbar dar,  dass seine steuerlichen Verhältnisse seit Jahren unverändert und der Finanzverwaltung bekannt seien. Er trug vor, das Finanzamt habe die Prüfung bei ihm nur angeordnet, weil er einen Beamten der Finanzverwaltung vertrete, der behaupte, vom Vorsteher seines Amts „gemobbt“ worden zu sein. Zwei weitere Mandanten von ihm hätten sich mit gleichen Vorwürfen an den Petitionsausschuss gewandt und Erfolg gehabt. Zeitgleich habe die Finanzverwaltung u.a. Außenprüfungen bei den beiden mit den Petitionen befassten Abgeordneten und bei dem Vorsitzenden des Petitionsausschusses veranlasst.

Der BFH hob die Vorentscheidung auf  und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Zwar darf eine Außenprüfung grundsätzlich voraussetzungslos angeordnet werden. Sie muss aber dem Zweck dienen, die steuerlichen Verhältnisse des Geprüften aufzuklären. Lässt sich das Finanzamt von anderen, sachfremden Erwägungen leiten, kann dies gegen das Willkür- und Schikaneverbot verstoßen mit der Folge, dass die Anordnung rechtswidrig ist. Das Finanzgericht muss nun den Sachverhalt weiter aufklären.

Es ist verblüffend, wie wenig Resonanz diese Entscheidung in der Öffentlichkeit hervorgerufen hat. Nach unseren Erfahrungen dürfte es kein Einzelfall sein, dass Amtsträger die Ihnen eingeräumte Macht missbrauchen, um nicht ihrem Amt dienende Aufgaben zu erfüllen. Besonders eklatant: seit vielen Jahren bekannt sind Beschwerden von Steuerstrafrechtlern dass Amtsgerichte Haftbefehle erlassen, die von den Steuerfahndungsstellen fix und fertig „vorgelegt“ werden. Eine Prüfung dieser „Vorlagen“ durch den Richter ist aus den Akten nicht selten übersehen. Erstaunt mussten auch wir einmal in einem Haftprüfungstermin von einem Haftrichter hören, dass er „von Steuerrecht keine Ahnung habe“.

 

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Jäger werden zu Gejagten – Schweizer Haftbefehle gegen deutsche Steuerfahnder – zugleich ein Beitrag über rechtliche Maßstäbe in Rechtsstaaten

Unlängst sorgte die kleine Schweiz mit Haftbefehlen gegen deutsche Steuerfahnder nicht nur für Publizität, sondern für Aufruhr bei deutschen Politikern. Zugegeben, das Frauenwahlrecht in der Schweiz gibt es erst seit 1971, also noch nicht besonders lang. Niemand aber wird Herrn Schäuble widersprechen wollen, der zu Recht darauf hingewiesen hat, dass die Schweiz ein Rechtsstaat ist, bei genauer Betrachtung angesichts der starken Stellung des einzelnen Bürgers sogar ein sehr volksnaher. Bürger werden viel intensiver an lokalen Entscheidungen beteilgt als wir das in Deutschland kennen. Wenn in einem Kanton eine neue Straße gebaut wird, wissen die Bürger, dass sie es sind, die diese Straße zahlen müssen. In Deutschland dagegen ist „der Staat“ offenbar ein reicher Onkel, der alles zahlen soll, und mit dem man, weil er ein Dritter ist, nichts zu tun hat.

Das führt in der Schweiz zu häufig in Deutschland mit (politisch korrektem) Kopfschütteln quittierten Volksentscheiden wie dem Verbot, Moscheen zu bauen. Man mag über solche Entscheidungen denken, wie man will, die Entscheidung bildet das ab, was gedacht wird. Und: die Entscheidung wird respektiert.

Bei moderaten Steuersätzen in der Schweiz ist Steuerhinterziehung  dort (genauer: Steuerbetrug) ein bei weitem nicht so großes Thema wie in Deutschland. Deutsche Steuerfahnder sind nicht gerade für besonders feinfühliges Verhalten bekannt; sie sind ja die Guten, die die Bösen verfolgen. Angesichts der BGH-Rechtsprechung werden immer häufiger bei Verdacht der Steuerhinterziehung Haftbefehle ausgestellt und vollzogen. Da wird es die Jäger doch wundern, wenn es auf einmal gegen sie geht und sie zu Gejagten werden.

Schiebt man einmal die Aufregung der Politiker beseite, lohnt eine Betrachtung der jeweiligen Maßstäbe in den Staaten Schweiz und Deutschland. Es gab schon einmal eine (unheilvolle) Zeit in Deutschland, in der man versucht hat, der ganzen Welt die deutschen Maßstäbe aufzuzwingen. Das Ergebnis ist hinreichend bekannt.

In der Schweiz gelten bei vielen Ähnlichkeiten zum deutschen Rechtssystem in Teilen andere rechtliche Maßstäbe als in Deutschland. Diese Maßstäbe sind aber Teil des rechtsstaatlichen Schweizer Rechtssystems. Genauso wie Deutschland das Recht und die Pflicht hat, Straftäter zu verfolgen, genauso hat die Schweiz das Recht, nach ihrem Recht Straftaten zu verfolgen. Steuerfahnder bilden da keine Ausnahme. Sie stehen, auch wenn man manchmal einen anderen Eindruck haben könnte, nicht außerhalb des Rechtssystems, sondern sind nur ein Teil dessen. Die Haftbefehle können daher nicht verwundern. Sie sind die selbstverständliche Konsequenz des Rechtssystems der Schweiz. Das werden die deutschen Behörden bei der Entscheidung über den Ankauf der CDs auch geprüft und gesehen haben,

Daran ändert auch das durchsichtige Gepolter deutscher Politiker nichts. Denen sei empfohlen, sich mit den Tatsachen zu befassen, anstatt sofort mit dem Ziel des Stimmenfangs loszutröten. Gerade in Deutschland bilden sich die Poltitker viel auf den Schutz von Minderheiten ein. Ob diese Poltiker sich schon einmal Gedanken darüber gemacht haben, wie eine solche Tirade gegen einen „kleineren“ Nachbarn von diesem aufgenommen wird, wird man bezweifeln. Dort kommt es wie der Auftritt eines Elefanten im Porzellanladen an.

Fazit: Rechtsstaatliches Verhalten wird – natürlich – nicht nur an den Maßstäben des eigenen Landes gemessen. Die Aufregung der Politiker ist daher fehl am Platz. Eine sachliche Betrachtung und Lösung des Themas ist die bessere Wahl.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Vorsteuerabzug aus Beratungsrechnungen von Anwälten III – Finanzamt lenkt ein

Wir berichteten zuletzt am 07.11.2011 darüber, dass ein Finanzamt in NRW nach unserer Auffassung übertriebene Anforderungen an den Vorsteuerabzug aus der Beratungsrechnung eines Rechtsanwalts gestellt hatte. Wir haben in der Zwischenzeit die Leistungen erläutert und den Zeitaufwand quantifiziert. Das Finanzamt hat jetzt eingelenkt und den Vorsteuerabzug gebilligt. Leider erfuhren wir das erst auf telefonische Nachfrage, obwohl der Vorgang in der Verwaltung bereits Mitte Januar 2012 erledigt worden war.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Vorsteuerabzug aus Beratungsrechnungen von Anwälten – was erlauben die Finanzverwaltung ?

Der Vorsteuerabzug aus Rechnungen ist gesetzlich an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Es ist daher das Recht und die Pflicht der Finanzbehörden, das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu prüfen. Angesichts der Milliardenschäden durch Umsatzsteuerkarusselle haben wir uns vor kurzem aber doch sehr über das Verhalten eines Mitarbeiters einer Finanzbehörde gewundert, der sich mit einer vergleichweise geringen Rechnung so intensiv meinte befassen zu müssen, dass wir den Eindruck gewannen, dass hier nicht mehr verhältnismäßig gehandelt wurde, und dass es dem Beamten eher um die Befriedigung perönlicher Neugier als um die Sache ging.

Worum ging es ? wir hatten einen Mandanten umfassend im Zusammenhang mit einer Photovoltaikanlage beraten. Der Auftrag war sehr zeitintensiv und erstreckte sich über rd. 9 Monate. Er begann mit der Prüfung steuerlicher und betriebswirtschaftlicher Fragen und der Teilnahme an Verhandlungen über den Kauf der Anlage mit verschiedenen Anbietern, umfasste die Erstellung eines Werkleiferungsvertrages, die Absicherung der Eigentumsrechte an der Anlage auf fremdem Dach durch eine Dienstbarkeit, die Begleitung der Aufstellung der Anlage bis hin zur Prüfung der Rechnungen und zur Abnahme.

Aus der von uns dem Mandanten darüber erteilten Rechnung wollte die Finanzbehörde den Vorsteuerabzug nicht anerkennen. Wir sandten dem Steuerberater eine ergänzende Betätigung über unsere Tätigkeiten. Darauf erhielten wir den Anruf eines Finanzbeamten, der uns „bohrende“ Fragen stellte: warum denn der Mandant überhaupt einen Anwalt beauftragt habe. Er, der Beamte, habe viele Steuerpflichtige in seinem Bezirk mit einer Photovoltaikanlage. Es habe aber noch niemand den Rat eines Anwalts gebraucht. Weiter wollte der Beamte minutiös wisen, was wir für das Honorar denn alles gemacht hätten. Wir waren über diese Art der Amtsermittlung erstaunt, weil all das mit dem  Vorsteuerabzug nicht das geringste zu tun hatte, sondern eher entweder der persönlichen Neugier des Beamten entsprang oder aber die Unterstellung mitschwang, in der Rechnung seien „private“ Dinge abgerechnet worden. Wir haben das Thema dann aber so gelöst, dass wir dem Beamten über den Rechnungstext und die Bestätigung hinaus eine etwas umfassendere Beschreibung unserer Tätigkeiten zugesandt haben. Damit war das Thema vom Tisch. Es bleibt aber das ungute Gefühl, dass an die Stelle der gebotenen Objektivität und Sachlichkeit ein völlig unangebrachtes pauschales Mißtrauen gegen Steuerpflichtige und ihre Berater tritt, und dass persönliche Neugier den Eifer geprägt hat. Die Verwaltung muss sich so nicht wundenr, dass es um das Steuerklima schlecht bestellt ist.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Augen auf….. gilt auch für die Finanzverwaltung – bei Überweisung Pech gehabt…

Geld aufs falsche Konto überwiesen (omg), wie bekommen wir es nur zurück ? das war die Frage, die die Finanzverwaltung in dem vom Finanzgericht Münster in dem am 24. März 2011 entschiedenen Verfahren (6 K 2439/10 AO) umgetrieben hatte.  Was war passiert ? Der Steuerpflichtige hatte seinem Finanzamt eine neue Bankverbindung mitgeteilt. Das Finanzamt überwies eine Steuererstattung dennoch auf das „alte“ Konto. Das Kreditinstitut leitete das Geld aber nicht an die neue Bankverbindung des Steuerpflichtigen weiter, sondern rechnete mit eigenen Ansprüchen auf. Kein Problem, dachte sich die Verwaltung. Wenn wir unsere Vollstreckungstitel selbst schreiben können, dann erlassen wir gegen die Bank rasch einen Rückforderungsbescheid und die Welt ist in Ordnung. Das Kredinstitut sah das anders, zahlte nicht und wehrte sich.

Mit Erfolg: Das Finanzgericht hob auf Klage den Bescheid und die Einspruchsentscheidung auf. Begründung: Leistungsempfänger sei nicht das Institut, sondern der Steuerpflichtige. Pech für das Finanzamt. Denn der „hatte nichts mehr“. Aber der BFH wird Gelegenheit haben, die Sache zu prüfen: das Finanzgericht hat die Revision zugelassen. Man darf also gespannt sein.  

Nur eine Frage wird in diesem Verfahren sicher nicht beantwortet werden: wer ersetzt der Allgemeinheit den Schaden durch das Versäumnis der Behörde ?

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

SZ vom 4. März 2011: was ist denn da durcheinandergeraten ? so einfach ist die Welt: wer Geld hat, ist ein Steuerhinterzieher, und wer Arbeitnehmer ist, der ist der Dumme, denn er hat keine Möglichkeit, steuerunehrlich zu sein

Es steht wirklich in der SZ, und wenn man es nicht selbst gelesen hätte, würde man es für einen schlechten Scherz halten. Hier ein Auszug aus dem Artikel aus der SZ vom 4. März 2011. Interviewt wird Herr Ondracek, der Chef der deutschen Steuergewerkschaft:

SZ: Zurückhaltung bei der Steuerfahndung dient dem Werben um Unternehmen und Reiche?

Ondracek: Unter wohlhabenden Deutschen hat sich jedenfalls längst herumgesprochen, dass das Entdeckungsrisiko in Teilen Deutschlands nicht sonderlich groß ist. Es würde mich nicht wundern, wenn die Zurückhaltung bei Betriebsprüfungen und der Steuerfahndung letztlich dem Standort nutzt. Das eine oder andere Unternehmen könnte sich entscheiden, diese Vorzüge dauerhaft zu genießen.

SZ: So würden die konsequenten Länder wie Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz bestraft. Was muss sich ändern, um keine Steuerspirale nach unten in Gang zu setzen?

Ondracek: Die Bundesregierung muss von allen Ländern per Gesetz harte Kontrollen einfordern. Eine Bund-Länder-Kommission legt Jahr für Jahr den Bedarf der Bundesländer für Stellen in der Finanzverwaltung fest. Bayern unterbietet die Empfehlung derzeit um 15 Prozent. Hier könnte der Bund Sanktionen einführen und Länder notfalls dazu zwingen, aktiver zu werden.

SZ: Arbeitnehmer werden viel strenger überwacht als Firmen und Selbständige. Erleben wir den Einstieg in eine Zweiklassengesellschaft?

Ondracek: Die gibt es im deutschen Steuerrecht doch schon. Bei Arbeitnehmern wird die Steuer automatisch einbehalten. Bei Selbständigen, Gewerbetreibenden oder auch Landwirten verlässt sich die Finanzverwaltung meist auf deren eigene Angaben. Im Durchschnitt werden kleine Unternehmen nur gut alle 30 Jahre geprüft. Millionäre in manchen Bundesländern nur alle 20. Die Dummen sind letztlich die Arbeitnehmer. Denn sie haben gar keine Möglichkeit, steuerunehrlich zu sein.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Kein Streit unter Erben ? kein Problem: die Finanzverwaltung hilft und versteuert Einnahmen ohne Zufluss !

Es ist selten genug, dass Erben sich nicht streiten. Da freut es den Berater, wenn die Finanzverwaltung Ideen zur Auslegung des Testamentes hat, auf die beim besten Willen bislang keiner der Erben gekommen ist und auch nicht kommen konnte, und die im Ergebnis zur Versteuerung von Einnahmen führen, die gar nicht zugeflossen sind. Was war geschehen ? Der Erblasser hatte nicht nur mehrere Erben eingesetzt, sondern angeordnet, dass, bis auf einen Erben, alle anderen fünf Erben (nur) einen bestimmten Geldbetrag und bestimmte Gegenstände erhalten sollten. Ein Erbe sollte alles erhalten, was nicht die übrigen fünf Erben und die Vermächtnisnehmer erhielten (den Rest).

Jetzt hätte sich der eine Erbe über mehrere Jahre mit den fünf übrigen Erben darüber streiten können, ob diese fünf wirklich alle Erben geworden sind oder „nur“ Vermächtnisnehmer waren. Ein unsinniger Streit, der nicht geführt wurde.

Schön, dass die Einsicht siegt. Also Ende gut, alles gut ? Leider nein. Der eine Erbe beantragte bei seinem Finanzamt, ihm die Steuerabzugsbeträge auf die Kapitalerträge zu erstatten, die er allein (nicht aber die anderen fünf Erben mangels Anspruch) aus dem Nachlass erhalten hatte. Nach fast einem halben Jahr kam dann die überraschende Antwort des Amtes: die Zinsen müssten unter den Erben aufgeteilt werden. Der Laie staunt, und der Fachmann wundert sich: Setzt nicht die Besteuerung von Einnahmen Zufluss voraus ? und wo ist der, wenn die besagten fünf Erben nur das erhalten haben, was ihnen nach dem Testament zusteht ? oder anders: warum sollen diese fünf Erben etwas versteuern, was sie nie erhalten haben ?

Ach ja, wie konnten wir das nur übersehen ! die Lösung ist doch einfach: das Finanzamt muss die fünf Erben doch nur auf eine Idee bringen, die sie selbst bisher gar nicht hatten: man kann doch Zinsen verlangen, wenn man sie versteuern muss ! das ist doch unser gutes Recht. Jaja, wenn es schon um das gute Recht geht, dann ist es schnell passiert. Das gilt erst recht, wenn eine Behörde einen zivilrechtlichen Anspruch festgestellt hat (und das trotz Unzuständigkeit !).

Dann findet sich sicher auch ein Kollege, der gerne eine Streit vom Zaun bricht. Das wiederum führt bei den Anwälten zu Einkünften, die das Finanzamt wiederum besteuern kann…

Und die Moral von der Geschicht: versteuere Einkünfte ohne Einnahmen nicht.

Wir berichten, wie es weitergeht. Vielleicht gibt es auch etwas über Amtshaftung zu berichten….

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Weise Entscheidungen des BFH oder: wie kompliziert möchte die Finanzverwaltung das Steuerrecht noch machen ?

Es ist nicht neu, dass das Steuerrecht für allerhand Dinge mißbraucht wird, die besser in Fördermaßnahmen gegossen oder überhaupt nicht geregelt würden, weil sie die in Deutschland ohnhin schon hohe Regelungsdichte noch weiter erhöhen. Dazu gehört unbestritten auch die Regelung in § 8 Abs 2 Satz 9 EStG, nach der Arbeitgeber jedem Arbeitnehmer steuerfrei Warengutscheine im Wert von 44,00 EUR je Monat zukommen lassen können. Wenn aber solche Regelungen durch die Verwaltung ad absurdum geführt werden wird, dann wird es grotesk.

Woran liegt es ? Der Haken: der Betrag von 44,00 EUR ist eine Freigrenze, jeder über 44,00 EUR liegende Cent führt also zur Steuer auf den gesamten Betrag. Weiterer Haken: die Finanzverwaltung hat die Regelung durch ihre Auslegung des Gesetzes für die Praxis so untauglich gemacht, dass man niemandem die Regelung empfehlen konnte: zuviel Aufwand, zu hohes Risiko. Denn die z.B. bei Treibstoff naheliegende Lösung, dem Arbeitnehmer (was einfach möglich wäre) einen Gutschein über Treibstoff im Wert von höchstens 44,00 EUR zu geben, sah die Verwaltung nicht als Sachlohn, sondern als Barlohn an. Missliches Ergebnis: voll steuerpflichtig. Nach der Verwaltung hätte auf dem Gutschein nur stehen dürfen: „30 Liter Diesel“. Wegen der schwankenden Preise ist das eine nicht oder nur mit großem Aufwand umsetzbare Forderung.

Konsequenz: die Vorgaben der Verwaltung setzten Lohnsteueraußenprüfer und andere Mitarbeiter in Mehrsteuern um (die wir in den jährlichen Statistiken als Erfolge bewundern können), eine Flut von Klagen war die Folge. Der BFH hat jetzt in mehreren parallel gelagerten Fällen vom 11. Oktober 2010, wie jetzt am 9. Februar 2011 bekannt wurde, weise und gegen die Finanzverwaltung entschieden, dass in sehr weitem Umfang doch Sachlohn angenommen werden kann. Insbesondere die vom BFH explizit entschiedene Gestaltung der dem Arbeitnehmer mit  der Abrede überlassenen Tankkarte, auf Kosten des Arbeitgebers gegen Vorlage der Tankkarte bei einer bestimmten Tankstelle bis zu einem Höchstbetrag von 44,00 EUR  monatlich zu tanken, dürfte jetzt in der Praxis umsetzbar sein.

Was bleibt, ist die rechtspolitische Frage, warum ein Warengutschein über 44,00 EUR monatlich überhaupt steuerfrei sein soll. Darüber hatte der BFH nicht zu entscheiden.    

Die Pressemitteilung des BFH vom 9. Februar 2011 lautet:
„Tank- und Geschenkgutscheine des Arbeitgebers können steuerbefreiter Sachlohn sein

Urteil vom 11.11.10   VI R 21/09
Urteil vom 11.11.10   VI R 27/09
Urteil vom 11.11.10   VI R 41/10

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit drei Urteilen vom 11. November 2010 (VI R 21/09, VI R 27/09, VI R 41/10) anlässlich der Frage der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Tankkarten, Tankgutscheinen und Geschenkgutscheinen erstmals Grundsätze zu der Unterscheidung von Barlohn und einem nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) bis zur Höhe von monatlich 44 € steuerfreiem Sachlohn aufgestellt. In den vom BFH entschiedenen Streitfällen hatten Arbeitgeber etwa ihren Arbeitnehmern das Recht eingeräumt, auf ihre Kosten gegen Vorlage einer Tankkarte bei einer bestimmten Tankstelle bis zu einem Höchstbetrag von 44 € monatlich zu tanken oder die Arbeitnehmer hatten anlässlich ihres Geburtstages Geschenkgutscheine einer großen Einzelhandelskette über 20 € von ihrem Arbeitgeber erhalten oder durften mit vom Arbeitgeber ausgestellten Tankgutscheinen bei einer Tankstelle ihrer Wahl 30 Liter Treibstoff tanken und sich die Kosten dafür von ihrem Arbeitgeber erstatten lassen. Während die Arbeitgeber diese Zuwendungen jeweils als Sachlohn beurteilten und angesichts der Freigrenze keine Lohnsteuer einbehielten, waren die Finanzämter auf Grundlage von Verwaltungserlassen von nicht steuerbefreitem Barlohn ausgegangen und hatten entsprechende Lohnsteuerhaftungs- und Nachforderungsbescheide erlassen. Darin waren sie von den Finanzgerichten bestätigt worden. Der BFH hat dagegen in sämtlichen Streitfällen Sachlohn angenommen, die Vorentscheidungen aufgehoben und den Klagen stattgegeben. Die Frage, ob Barlöhne oder Sachbezüge vorliegen, entscheide sich nach dem Rechtsgrund des Zuflusses, nämlich auf Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen danach, welche Leistung der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber beanspruchen kann. Die Unterscheidung sei nach der Art des arbeitgeberseitig zugesagten und daher arbeitnehmerseitig zu beanspruchenden Vorteils selbst und nicht durch die Art und Weise der Erfüllung des Anspruchs zu treffen. Könne der Arbeitnehmer lediglich die Sache selbst beanspruchen, komme eine Steuerbefreiung für Sachbezüge nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG in Betracht. Dann sei es auch unerheblich, ob der Arbeitgeber zur Erfüllung dieses Anspruchs selbst tätig werde, oder dem Arbeitnehmer gestatte, auf seine Kosten die Sachen bei einem Dritten zu erwerben. Deshalb lägen Sachbezüge auch dann vor, wenn der Arbeitgeber seine Zahlung an den Arbeitnehmer mit der Auflage verbinde, den empfangenen Geldbetrag nur in einer bestimmten Weise zu verwenden. Seine bisher anders lautende Rechtsprechung (Urteil vom 27. Oktober 2004 VI R 51/03) hat der BFH ausdrücklich aufgegeben.“