Kategorien-Archiv Steuerberaterhaftung

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Abenteuerlich: Aufforderung des Finanzamtes zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung – trotz Möglichkeit der Aufteilung der Steuerschulden nach § 268 AO und einer Steuerschuld von danach 0,00 EUR

Wenn Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden (schönes Wort), wird nur „eine“ Einkommensteuer festgesetzt. Denn die Ehegatten werden nach der Addition der von ihnen erzielten Einkünfte wie ein Steuerpflichtiger behandelt (§ 26 b EStG).  Die Ehegatten haften folgerichtig für die so festgesetzte „eine“ Steuer als Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 Satz 1 AO). Das kann aber zu einer Schieflage führen, wenn ein Ehegatte für Steuern haften soll, die auf Einkünfte entfallen, die nicht er, sondern der andere Ehegatte erzielt hat.

Hier hilft das Gesetz mit der weisen Norm des § 268 AO. Auf Antrag (der Antrag nur eines Ehegatten reicht) teilt die Finanzverwaltung die gemeinsame Steuerschuld (Gesamtschuld) von Ehegatten – vereinfacht gesagt – verursachungsgerecht auf die Eheleute nach den von ihnen erzielten Einkünften auf. Jeder schuldet nur die Steuer, die rechnerisch auf seine Einkünfte entfällt. Den Antrag können Steuerpflichtige auch noch stellen, wenn der Steuerbescheid bestandskräftig, also nicht mehr änderbar ist. Das ist aber keine Wohltat, sondern systematisch richtig geregelt; denn die Aufteilung gehört nicht zur Steuerfestsetzung. Sie ist systematisch richtig im 6. Teil der AO in die Vorschriften über die Steuererhebung, die Vollstreckung, eingebettet. Es handelt sich damit um eine Einwenudng gegen die Vollstreckung. Erstaunt lernten wir vor einiger Zeit bei Übernahme eines neuen Mandates, dass die Finanzverwaltung die rechtlich nicht beratenen Ehegatten bei erheblichen Einkünften nur eines Ehegatten aus dem Verkauf eines Unternehmens über diese Möglichkeit nicht nur nicht aufgeklärt hatte, sondern zudem den Ehegatten, der bei Aufteilung der Steuerschulden keine Einkommensteuer schulden würde, wegen der Steuerrückstände zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufforderte.   

Auch wenn die Finanzverwaltung keine Steuerberatung erbringen darf: es entspricht dem Gebot der Fairness, ersichtlich unerfahrene Steuerpflichtige auf gesetzlich vorgesehene Möglichkeiten hinzuweisen. Zumindest dem Gebot der Fairness entspricht es aber nicht, wenn die Finanzverwaltung weiterhin gegen einen Gesamtschuldner vollstreckt, obwohl sie weiß, dass dieser, wenn er denn nur den Antrag nach § 268 AO stellt, die Steuer gar nicht schuldet.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Steuerberater kann auch für falsche telefonische Auskunft zu einer steuerlichen Frage haften

Das folgende Urteil ist für die Kenner der Materie nicht überraschend, es verdeutlicht aber einmal mehr, welche Risiken die Beratung mit sich bringt. Es sollte für jeden Berater Anlass sein, die in seinem Büro geübte Praxis der Auskunftserteilung zu prüfen und wegen der Gefahr der Haftung ggfs. sofort zu ändern. Obwohl das Urteil einen Steuerberater betrifft, gelten die gleichen Grundsätze für Rechtsanwälte.

Mit Urteil vom 18. Dezember 2008 (IX ZR 12/05) hat der BFH erkannt, dass ein Steuerberater für die einem Mandanten erteilte unrichtige telefonische Auskunft haftet. Im Streitfall fertigte der Steuerberater seit Jahren die Einkommensteuererklärungen für seinen Mandanten. Der Mandant beabsichtigte, im Jahr 2003 eine Eigentumswohnung zu verkaufen, die er im Jahr 1995 gekauft hatte. Er teilte seinem Steuerberater mit, dass er die Wohnung fast zum Einstandspreis verkaufen könne und fragte den Steuerberater, ob er etwas über die Entwicklung des Immobilienmarktes wisse. Der Steuerberater antwortet, der Preis sei gut, weil gebrauchte Immobilien regelmäßig nur unter dem Einstandspreis verkauft würden. Auf die weitere Frage des Mandanten, ob er sich mit dem Verkauf „wegen der anstehenden Gesetzesänderung“ beeilen müsse, antwortete der Steuerberater, dass die Lage nach dem neuen Recht für den Mandanten nicht schlechter sei. Ein Honorar berechnete der Steuerberater für die telefonischen Auskünfte nicht.

Der Mandant musste den bei dem Verkauf der Wohnung erzielten Gewinn nach § 23 EStG versteuern. Obwohl der Verkaufspreis in etwa den Anschaffungskosten entsprach, war der steuerliche Buchwert der Immobilie infolge der Abschreibungen geringer. Der Mandant forderte Ersatz des Steuerschadens. Der BGH kam trotz der nur telefonischen Auskunft und des Umstandes, dass der Steuerberater kein Honorar berechnet hatte, zu dem Ergebnis, dass ein Auskunftsvertrag zustande gekommen sei und der Steuerberater für den Steuerschaden hafte. Dabei wandte er die von ihm schon in anderen Entscheidungen entwickelten Kriterien auf den Streitfall an. Danach ist ein stillschweigender Auskunftsvertrag (mit der Pfliht zum Schadensersatz bei falscher Beratung) gegeben,wenn die Auskunft für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und er sie zur Grundlage wesentlicher Entscheidungen machen will. Das gilt u.a. insbesondere, wenn der Gefragte besonders sachkundig ist. Maßgebend sind dabei dei Gesamtumstände. Im Streitfall hätte der Steuerberater, so der BGH, den Mandanten ungefragt ob das Entstehen eines Gewinns nach § 23 EStG infolge der Abschreibung aufklären müssen, obwohl der Mandant ihn danach gar nicht gefragt hatte.  

Fazit für Steuerberater:
1. entweder keine mündlichen Auskünfte in Fällen erkennbarer Wichtigkeit erteilen oder
2. mündliche Auskünfte schriftlich bestätigen und dabei den geschilderten Sachverhalt wiederholen
Zu lösen ist in diesem Zusammenhang noch die Honorarfrage: Das besprochene Urteil des BGH zeigt, dass Unentgeltlichkeit in der Beratung nicht honoriert wird und auch nicht vor der Pflicht zum Schadensersatz schützt. Wer kennt als Berater nicht die Situation, dass viele Dinge zu bearbeiten sind und dazu telefonische Anfragen von Mandanten kommen. Hier gibt es nur einen klaren Weg: Wenn Mandanten Rat zu Angelegenheiten erbitten, die ersichtlich von erheblicher Bedeutung sind, dann muss sich der Berater die Zeit nehmen, das Thema zu prüfen, damit er kompetent Auskunft geben kann und auch Umstände entdekct, die den Mandant selbst nicht erkannt hat, die aber bei verständiger Würdigung für die Entscheidung wesentlich sind. In diesen Fällen kann ein Rat nicht unentgeltlich erwartet werden. Eine gute Leistung kann man, egal in welchem Bereich, nur für gutes Geld erwarten. Und für eine gute Beratung ist Geld auch gut angelegt. Und ein vermeintlich günstiges Honorar für eine schlechte Beratung ist rausgeworfenes Geld, selbst wenn man den Berater später auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann. Denn das ist, wie die Entscheidung des BGH zeigt, ein mühsamer und langer Weg, der Zeit, Geld und Nerven kostet.          

Das Urteil betrifft in gleicher Weise Rechtsanwälte.