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VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Das „Handy“ im Straßenverkehr – Digitalisierung und Recht erfordern neue Wortschöpfungen: OLG Hamm entdeckt „Negativfunktion“ eines iphone – ein Beitrag zur Digitalisierung in der Welt der Juristen

imagesDem OLG Hamm ist die Schöpfung des Wortes „Negativfunktion“ eines „Handys„, hier eines iphone, zu verdanken (Beschluss OLG Hamm vom 29.12.2016, 1 RBs 170/17- juris). Was hat das OLG zu dieser Wortschöpfung veranlasst? Wer ein Fahrzeug führt, darf ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss (§ 23 Abs. 1a StVO). Zu der Frage, was denn ein „Benutzen“ in diesem Sinne ist, gibt es eine unfassbare Masse an Entscheidungen. So ist bereits entschieden ist, das sowohl das Ein- als auch das Ausschalten eines „Handys“ ein Bennutzen ist. In dem von dem OLG zu entscheidenden Verfahren ging es aber darum, dass der Betroffene bei seinem iphone nur den „home-button“ gedrückt haben wollte, um sicherzustellen, dass das „Handy“ ausgeschaltet war. Das OLG sah auch diese Handlung als Benutzen im Sinne der StVO an. Das OLG wörtlich:

Auch bei der von dem Betroffenen nach seiner Einlassung durchgeführten Kontrolle des „Ausgeschaltetseins“ handelt es sich um eine Benutzung des Mobiltelefones. Der Home-Button des Mobiltelefones dient in eingeschaltetem Zustand in seiner bestimmungsgemäßen aktiven Funktion unter anderem dazu, das mit einem verdunkelten Bildschirm im Ruhezustand befindliche Telefon „aufzuwecken“ und die Bildschirmanzeige zu aktivieren. Gleichzeitig ermöglicht er dadurch eine Kontrolle, ob das Handy ein- oder ausgeschaltet ist. Dementsprechend ist er mithin zur Erfüllung dieser letztgenannten ebenfalls bestimmungsgemäßen Nutzungsfunktion auch in ausgeschaltetem Zustand in der Lage, da der weiterhin verdunkelt bleibende Bildschirm die zuverlässige Information liefert, dass das Gerät tatsächlich ausgeschaltet ist. Es handelt sich letztlich um eine Art „Negativfunktion“ des ausgeschalteten Gerätes, deren Abruf allerdings nach Bewertung des Senats ohne Weiteres als Benutzung des Mobiltelefones bzw. seiner Funktionen anzusehen ist.“

Es liegt dem Verfasser als Wirtschaftsjurist und Steuerrechtler fern, die Entscheidung des OLG inhaltlich zu bewerten. Bemerkenswert ist aber an der Entscheidung und an unserem Recht folgendes:

  1. Es sollte außer Frage stehen, dass das Autofahren die volle Aufmerksamkeit des Fahrers erfordert. Warum es so viele Entscheidungen über eine Selbstverständlichkeit gibt („Finger weg vom „Handy“), ist schon frappierend.
  2. Das Urteil zeigt aber auch, wie schwer sich das Recht mit der Digitalisierung und den immer kürzeren Innovationszyklen tut. Das erste iphone kam 2007 auf den Markt, das sind gerade einmal 10 Jahre bis heute. Die Entwicklung der Welt ist durch die Digitalisierung seitdem bis heute extrem rasant verlaufen. All das läuft am Recht und an den Gerichten (ebenso wie an der Politik) weitgehend vorbei. So ist das ca.  Anfang 2000 eingerichtete EGVP leider ein Mega-Flop. Es wird bald abgeschaltet. Warum: Gerichte und Behörden haben es einfach boykottiert. Welchen Sinn ergibt eine solche Plattform auch, wenn man darüber nur ganz wenige Gerichte erreicht, weil die meisten sich dem System einfach nicht angeschlossen haben. Erst jetzt kommt so langsam das, was in der Industrie seit vielen Jahren Standard ist: die papierlose Kommunikation. Verpflichtend aber erst für alle Gerichte 2022. Heute läuft in unserem Büro die Kommunikation zu 95% per E-Mail, die restlichen 5% sind die Post von den Gerichten, die immer noch mit einfacher und beglaubigter Kopie arbeiten. Selbst von Kollegen erhalten wir Telefaxe nebst 2 Kopien. Allein daran kann man ersehen, wie sehr die Justiz mit allen Beteiligten anachronistisch arbeitet und „hinter dem Mond lebt“. Das gleiche gilt für die Gerichtsverhandlungen. Als Prozessbevollmächtigter muss man immer noch zur mündlichen Verhandlung persönlich. Dabei gibt es seit vielen Jahren die Möglichkeit der Videokonferenz auch in Gerichtsverfahren (z.B. § 128a ZPO). Aber auch da spielen die meisten Gerichte einfach nicht mit. Hinzu kommt, dass die Technik für die meisten Anwälte zu teuer ist und es bei Gerichten keinen einheitlichen Standard gibt. Während allerorten Skype, facetime oder whatsapp dafür genutzt werden kann, geht das bei der Kommunikation mit Gerichten nicht.

Mein Fazit: solange wir genug Muße haben, durch Gerichte mit hohem personellen und zeitlichen Einsatz neue Begriffe wie „Negativfunktion“ zu schöpfen und banale Dinge zu entscheiden statt das Rechtswesen zur Entlastung aller durchgreifend zu digitalisieren, müssen wir uns nicht wundern, wenn die am Recht Beteiligten so wahrgenommen werden, dass sie der Digitalisierung um Lichtjahre hinterher hinken.

ws

 

 

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Falsche Reaktionen auf krasse Missstände im Steuerrecht – sind Anwälte bald verpflichtet, ihre Beratung offenzulegen?

91010_WS schwarz weißEs war kein Aprilscherz, als das Landesministerium der Finanzen Magdeburg in seiner Pressemitteilung Nr.: 019/2017 am 27. April 2017 kämpferisch verkündete: “Kampf gegen Steuersünder wird intensiviert! Finanzminister bereiten Gesetz vor zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungsmodellen“.

http://www.brak.de/w/files/newsletter_archiv/berlin/2017/2017_342anlage1.pdf.

Verwundert liest man, dass Anwälte gesetzlich verpflichtet werden sollen, „kreative Steuergestaltungsberatungen“ zu melden. In der Pressemitteilung wird auf die Panama Papers und auf Steuerschäden durch „cum – ex – Geschäfte“ verwiesen.
Man muss kein Jurist sein, um die Brisanz dieses Vorschlages zu erkennen. Nach geltendem Recht machen sich Anwälte strafbar, die gegen ihre Pflicht zur Verschwiegenheit verstoßen. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was dem Anwalt in Ausübung seines Berufes bekannt geworden ist. Dazu gehört selbst die Tatsache, ob eine Person Mandant des Anwalts ist oder nicht. Die jetzt vorgesehene Pflicht für Anwälte, Behörden Details aus einer Beratung zu offenbaren, wäre ein erheblicher Verstoß gegen diese Pflicht.

Ich bin nicht nur gespannt, wie das Ministerium den Tatbestand des Gesetzes fassen wird und ob ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht eine Ordnungswidrigkeit oder ein Straftatbestand ist. Die weitere spannende Frage wird sein, wie das Gesetz praktisch umgesetzt werden soll. Das Gesetz müsste die Möglichkeit vorsehen, sämtliches Akten eines Anwalts daraufhin prüfen zu dürfen, ob seinen gesetzlichen Pflichten nachgekommen ist. Spätestens hier stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit.

Zu Recht weist das Ministerium in seiner Pressemitteilung auf erhebliche Missstände im Steuerrecht bin. Allein der Steuerschaden aus den cum-ex Geschäften wird auf über 30 Mrd. Steuern geschätzt.

Das ist zu Recht massiv kritisiert worden. Dafür jetzt aber die Anwaltschaft in die Pflicht zu nehmen, verstellt den Blick darauf, dass dieses Thema in Ministerien und in der Politik verschlafen worden ist, wie in dem genannten Artikel in der Zeit nachzulesen ist. Wie sehen in einer Finanzbehörde die inneren Kontrollsysteme aus, wenn eine Steuer mehrfach erstattet wird?

Dass es mit diesem System nicht zum Besten steht, zeigen – unfassbar – auch die noch immer funktionierenden Umsatzsteuerkarusselle, deren Schema seit vielen Jahren, gar Jahrzenhnten, bekannt ist. Vorsteuern werden (oft mehrfach) erstattet, die Umsatzsteuer aber nicht gezahlt. Von einer effektiven Bekämpfung dieser massiven Art der Steuerhinterziehung ist nichts bekannt. Dabei würde es sich lohnen, hier deutlich intensiver zu prüfen. Der Steuerschaden allein durch die Umsatzsteuerkarusselle wird auf 15 Mrd. € p.a. geschätzt (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/recht-steuern/schaden-von-15-milliarden-euro-im-jahr-der-umsatzsteuerbetrug-greift-um-sich-11106067.html).

Ich habe den Eindruck, dass von diesen hausgemachten Problemen abgelenkt werden soll, indem jetzt auf die Berufsgruppe der Anwälte eingeprügelt und diese als die vermeintliche Wurzel des Übels identifiziert wird. Die Energie, die in den Gesetzesentwurf gesteckt wird, wäre besser zur Bekämpfung der nur hier aufgezeigten beiden Missbräuche besser eingesetzt.

Der BFH hat mehrfach entschieden, dass Steuergestaltung nicht verboten ist. Niemand muss Sachverhalte so gestalten, dass eine möglichst hohe Steuer anfällt. Unter mehreren zulässigen Gestaltungen darf der Steuerpflichtige die Gestaltung wählen, die die geringste Steuerbelastung mit sich bringt. Die zulässige Steuergestaltung findet ihre Grenze dort, wo die Strafbarkeit beginnt, oder wo Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts missbraucht werden (§ 42 AO).

Es bleibt daher festzuhalten:

  1. Steuergestaltung ist nicht verboten, sondern erlaubt.
  2. Steuergestaltung wird durch ein kompliziertes Steuerrecht, das zudem unsystematisch Anreize schafft, geradezu provoziert. Hier ist der Gesetzgeber seit Jahrzehnten aufgefordert, Abhilfe zu schaffen.
  3. Wer als Anwalt einem Mandanten zur Steuerhinterziehungen rät, ist als Anstifter strafbar. Wer eine legale Steuergestaltung berät, handelt dagegen pflichtgemäß.
  4. Wer als Anwalt seinem Mandanten in einem steuerrechtlichen Mandat zu einer Gestaltung nicht den steuerlich günstigsten Weg aufzeigt, ist dem Mandanten wegen Beratungsfehlers zum Schadensersatz verpflichtet.
  5. Mißbrauchsbekämpfung ist Sache der Behörden und der Gerichte, nicht der Anwaltschaft.

Es bleibt bei dem Vorstoß des Ministeriums aus Sachsen-Anhalt bei mir der Eindruck, dass hier durch Aktionismus von internen Missständen in Behörden und Politik abgelenkt werden soll. Das aber darf nicht auf dem Rücken der Anwaltschaft erfolgen. In der Öffentlichkeit wird so ein falsches Bild von der Arbeit der Anwaltschaft gezeichnet.
ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Das „Hubschraubergeld“ nimmt Fahrt auf – die Auszahlung durch Finanzämter gegen Vorlage der steuerlichen Identifikationsnummer läuft heute an

Hubschraubergeld IViele konnten gar nicht glauben, was sie vor einigen Tagen im Handelsblatt und in anderen Wirtschaftszeitungen gelesen hatten: Die europäische Zentralbank (EZB) hatte angeordnet, dass die Staaten in der EU so genanntes „Hubschraubergeld“ zur Ankurbelung der Wirtschaft verteilen sollen. Der Begriff „Hubschraubergeld“ bringt das Dahinterstehende bildlich sehr gut auf den Punkt: das Geld soll, so die Vorstellung der EU, praktisch wie von einem Hubschrauber aus abgeworfen flächendeckend in den Ländern der EU verteilt werden. Was erst jetzt bekannt geworden ist: das Hubschraubergeld kommt nicht nur Unternehmen zugute, auch Privatpersonen haben Anspruch darauf. Allerdings wird es, verständlicherweise, wegen der Verteilungsgerechtigkeit nicht einfach von Hubschraubern abgeworfen. Die Verteilung haben in Deutschland die jeweils örtlich zuständigen Finanzämter übernommen. Dort erhält jeder Bürger gegen Nennung seiner steuerlichen Identifikationsnummer den ihm zustehenden Anteil am Hubschraubergeld. Die Verteilung ist bereits heute angelaufen. Wegen des zu erwartenden großen Andrangs am heutigen Tage weisen die Finanzämter darauf hin, dass mit Wartezeiten zu rechnen ist. Wer ohne Personalausweis und ohne steuerliche Identifikationsnummer im Finanzamt erscheint, wird unverrichteter Dinge umkehren müssen.

Die Höhe des jeweils ausgezahlten Hubschraubergeldes richtet sich nach den steuerrechtlichen Merkmalen eines jeden Bürgers, in jedem Fall aber sind das mindestens 500,00 € pro Person, für minderjährige, im Haushalt der Eltern lebende Kinder gibt es 250,00 €. Das Land Nordrhein-Westfalen hat sich allerdings für seine Bürger ein ganz besonderes Bonbon einfallen lassen: das Land hat 5 % des gesamten Hubschraubergeldes in einem besonderen fordert Fördertopf gebündelt. Diesen Fördertopf hat der Finanzminister des Landes in 1000 Lose von je 25.000,00 € aufgeteilt. Diese Lose sind bereits heute unter notarieller Aufsicht gezogen worden. In der Lostrommel befanden sich die steuerlichen Identifikationsnummern aller Steuerbürger. In den Genuss der Auszahlung des zusätzlichen, erheblichen Hubschraubergeldes durch das Losverfahren kommt aber nur, wer heute bei dem für ihn zuständigen Finanzamt erscheint. Nach Ablauf des heutigen Tages werden die Gewinne an den jeweils nächst Platzierten weitergegeben. Wie aus gut unterrichteten Kreisen der Finanzverwaltung zu erfahren war, haben Bürger schon jetzt Klagen gegen diese von Ihnen als ungerecht empfundene Verteilung des Hubschraubergeldes angekündigt.

Der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen verspricht sich von der Verteilung des Hubschraubergeldes eine extreme Förderung des privaten Konsums und damit einen gesamtwirtschaftlichen erheblichen Aufschwung im Lande. Wir sehen die Angelegenheit eher kritisch und meinen, dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist, Geld gleichsam mit der Gießkanne unter das Volk zu bringen.

ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

WM 2006 – DFB–Korruption, Steuerhinterziehung, über Theo Zwanziger, falsche Fuffziger, eine Laienspielschar und die Fehlleistungen der Anwälte der Protagonisten

91010_WS schwarz weißEs ist manchmal erstaunlich, wie einfach die Welt  doch funktioniert. Für mich jedenfalls steht „nach allem was man so lesen und hören kann“ (Rolf Breuer, Deutsche Bank) fest, dass es bei dem vom Spiegel losgetretenen WM – Skandal um Themen geht, die nicht einmal Kindergartenniveau erreichen. Herr Zwanziger macht Herrn Niersbach fertig, koste es, was es wolle, selbst um den Preis des eigenen Kopfes. Ob Zwanziger untergeht und als Depp des Jahres in die Annalen eingeht ist ihm offenbar gleichgültig, Hauptsache, er hat Niersbach fertiggemacht.

Und das ist ihm gelungen. Denken wir allein an diese Pressekonferenz von Niersbach. Der Mann demontierte sich von jetzt auf gleich in erschreckend kurzer Zeit. Da stürzt ein über Jahre gepflegtes Bild eines Profis in wenigen Augenblicken komplett und unwiederbringlich in sich zusammen. Wie soll so jemand professionell sein. Dass er das nicht kann, hat er ohne Not eindrucksvoll bewiesen. Was ist der DFB eigentlich für ein Haufen, der seinen Präsidenten einfach in so eine wichtige Pressekonferenz entlässt, als würde er dort eine Tüte Brötchen kaufen. Mal sehen, was ich denke, wenn ich höre, was ich rede. Das war der Antrieb von Niersbach. Warum ist eine solche Niete Präsident des DFB? Oder ist er nur der einäugige, der unter den Blinden der König ist?  Traurig wär’s, ich fürchte, es ist wahr.

Und Zwanziger? Doch nur ein falscher Fuffziger? Auch sein Handeln ist nicht von sinnvoller Strategie geprägt, es sei, denn, man hält das Ziel, Niersbach ohne Rücksicht auf sich selbst abzuschießen, für eine sinnvolle Strategie.

Dass Emotionen schwer zu kontrollieren ist, ist bekannt. Daher sollte man einen guten Berater haben, der die Dinge mit Abstand und ohne Emotionen betrachtet. Haben Niersbach und Zwanziger solche Berater?

Niersbach offenbar nicht, denn eine solche Selbstzerstörung in einer Pressekonferenz hätte kein guter Berater zugelassen.

Und Zwanziger? Sein Anwalt Metz macht einen eher bodenständigen Eindruck, passend zu Zwanziger. Aber was machen Metz und die Berater von Niersbach. Während Zwanziger sich wie von Sinnen auf Niersbach wirft, und die beiden eine Schlammschlacht vom Feinsten öffentlich zelebrieren, ist wohl keiner der Berater auf die Idee gekommen, mal die Frage zu stellen, ob die Buchung der Zahlung von 6,7 Mio. € für einen der Streithammel oder für alle ganz andere Probleme als ihre Sandkastenspiele mit ich bringen könnte. Die Öffentlichkeit mag der Vorstoß der Staatsanwaltschaft erstaunt haben, dabei ist das Vorgehen alles andere als erstaunlich. Wer als Unternehmer eine Zahlung (falsch) als steuerlich abzugsfähig deklariert, obwohl sie das nicht ist, der ist gut beraten, das nicht in der Presse breit zu treten. Und genau das hat Zwanziger getan.

Dass er das selbst wegen seines Ziels – Niersbach muss weg – nicht realisiert hat, ist für einen promovierten Juristen (Verwaltungsrecht) schon bedenklich. Das aber Rechtsanwalt Metz diesen sehr einfachen Zusammenhang nicht durchschaut hat, ist ja schon eine mehr als fahrlässige Pflichtverletzung des Anwaltsvertrages.

Und Niersbach? Große Namen beraten den DFB, aber auch hier ist niemandem in den Sinn gekommen, das aus dem Sachverhalt unangenehme steuer (strafrecht) liche Folgen resultieren können? Kann das wirklich sein?

Man möchte den Akteuren am liebsten zurufen: macht nur weiter, ihr bekommt den Fußball noch kaputt. Wir jedenfalls dürfen auf weitere Auftritte in diesem Theater gespannt sein.

Was dabei auf der Strecke bleibt? Das Leben. Wer glaubt denn ernsthaft, dass man ein WM bekommt, weil man anständig ist? Es liegt auf der Hand, dass bei solchen Entscheidungen nicht nur eine Hand aufgehalten wird. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Korruption ist ein no-go. Wir dürfen aber nicht verkennen, dass sie dennoch zum Leben gehört. Komischerweise habe ich den Eindruck, dass die Ansprüche an „Sauberkeit“ insbesondere bei uns in Deutschland hochgehalten werden. Schauen Sie sich um: Preisabsprachen bei Gips, Beton, Bier u.a.  Andere Länder können die „manus manum lavat“ Mentalität eher akzeptieren. Was uns fehlt, ist die Leichtigkeit, die einige unserer europäischen Nachbarn haben, und die wir an ihnen so sehr schätzen.

ws

 

 

91010_WS schwarz weiß

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Zahlen, die uns zu denken geben (sollten) – Quelle: brandeins 09 2015, Seite 8

rnd_logo_facebookVeranlagte Einkommensteuer in Deutschland im Jahr 2015: 19,3 Mrd. €
Zinsausgaben Deutschland im Jahr 2015: 25,6 Mrd. €
„Raus aus den Schulden“

Zeit, die ein Büroangestellter im Laufe seines Arbeitslebens vor dem Bildschirm sitzt, in Jahren: 9,1
„Länger als die Schule“

Jährlich weggeworfene Lebensmittel weltweit, in Mio. Tonnen: 1.300
Davon in Industrieländern: 670
Davon in Entwicklungsländern: 630
„was ist zu tun?“

Umfang der Erde in km: 40.075
Strecke des indischen Straßennetzes in km: 4.700.000
„Verdammt lang“

ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Über die (Un)Logik des Referendums am 5. Juli 2015 in Griechenland

91007 Linus fliege orange_1Betrachtet man das Referendum in Griechenland mit den Methoden der Logik, dann erhält man folgende Ergebnisse: (1) Das griechische Volk stimmt über die Annahme eines Angebotes ab, für das die Annahmefrist bereits abgelaufen. (2) Die Regierung, die dem Volk rät, das Angebot abzulehnen (mit „Nein“ zu stimmen), und die das Vertrauen und die Akzeptanz bei den Verhandlungspartnern verspielt hat, will gestärkt in weitere Verhandlungen eintreten. Was aber gibt es zu verhandeln, wenn die Regierung sich vom Volk nur hat bestätigen lassen, dass man das Angebot für nicht akzeptabel hält? Ein „Nein“ als Ergebnis des Referendums zementiert bestenfalls die bereits bekannte Ablehnung, es stärkt aber nicht die Regierung. Denn die Regierung repräsentierte auch schon bisher das griechische Volk. (3) Mit einen „Nein“ sind keine neuen Vorschläge verbunden. (4) Wer genau wissen will, worüber er abstimmt, der muss die auf dem Stimmzettel nur sehr rudimentär bestimmten EU-Papiere lesen, die für die meisten Menschen schon gar nicht verstehbar sind. Und selbst wenn: siehe (1).  (5) Und zum Schluss ganz einfach: wer die Konditionen eines Kredits oder einer Hilfe nicht akzeptiert, der muss sich auch nicht wundern, wenn er keine Gelder mehr bekommt.

Ganz gleich, wie die Sache am 5. Juli 2015 ausgeht, Griechenland wird schweren Zeiten entgegengehen. Nicht nur der Staat wird zahlungsunfähig bleiben, die Banken werden zusammenbrechen. Bei allem Respekt vor dem Bemühen der griechischen Regierung: sie hat sich nach meiner Meinung verzockt.

ws

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VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Griechenland vor dem Referendum am 5. Juli 2015 – ketzerische und offene Gedanken eines Nicht – Ökonomen

91010_WS schwarz weißIch habe das „Griechenland – Thema“ immer am Rande verfolgt. Ich habe mich darüber gewundert, dass man so lange und – in meiner Wahrnehmung aus der Presse – unstrukturiert und ziellos, man könnte meinen, es ginge nur um Zeitgewinn, aber wofür? – ohne Ergebnis verhandeln kann. Nachdem sich die Situation in den letzten Wochen zuspitzte, habe ich versucht, mich ein bisschen intensiver mit dem Thema zu befassen und es zu verstehen. Dazu habe ich mir nicht wenige dieser Talkrunden im Fernsehen angesehen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich das eine oder andere, was Ökonomen dort zum Besten gegeben haben, nicht verstanden. Das beunruhigt mich aber auch nicht, weil es auch solche Veranstaltungen gab, wo hochdekorierte Ökonomen sich, vereinfacht gesagt, wechselseitig bezichtigten, Unsinn zu verbreiten.

So ganz verstehen kann ich den Aufstand, der um das Thema gemacht wird, noch immer nicht. Für Griechenland als Staat mag das Thema sicherlich von existenzieller Bedeutung sein, für die übrigen Länder der EU ist die Bedeutung dagegen bei weitem nicht so groß, wie die mediale Aufmerksamkeit es vermuten lassen sollte. Und für den Rest der Welt ist Griechenland nach meiner Einschätzung völlig unbedeutend.

Das Bizarre an dem Thema ist nach meiner Einschätzung nicht so sehr das eigentliche Problem. Denn das Problem einer Verschuldung und das Problem, die Wirtschaft aufzubauen, ist Sache eines jeden Nationalstaates. Warum dabei andere Staaten oder die EU helfen sollten, erschließt sich mir nicht. Ich habe mein Büro auch alleine aufgebaut, ich habe mich dabei nicht verschuldet. Auch Staaten ist es unbenommen, Darlehen aufzunehmen, um Ausgaben zahlen zu können. Dieses Modell ergibt aber nur Sinn, wenn die Aussicht besteht, dass diese Darlehen auch zurückgezahlt werden können. Ohne diese Aussicht wird ein Staat ebensowenig wie eine andere Person einen Geldgeber finden, der bereit ist, ihn zu unterstützen. Alles andere sind politische Hilfsaktionen, die wohlüberlegt sein wollen.

Die Hilfsbereitschaft der EU-Länder ist nach meinem Verständnis bei dieser Ausgangslage riesengroß. Es gibt einen Schuldner, für den es nach meiner Wahrnehmung selbstverständlich ist, dass er in der Vergangenheit sehr großzügig mit Geld bedient worden ist, und der sich jetzt so aufführt, als sei es eine Frechheit, die Unterstützungsleistungen einfach einzustellen. Die Maßnahmen, die die Geldgeber von Griechenland fordern, kenne ich im Einzelnen nicht. Ich kann mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass es hier darum geht, dass die Geldgeber Griechenland ein bestimmtes Paket diktieren möchten. Ich kann mir vorstellen, dass die Geldgeber selbstverständlich auch bereit sein dürften, ein von Griechenland vorgelegtes tragfähiges Konzept als Grundlage für weitere Kredite zu akzeptieren.

Hatte ich zu Anfang noch gedacht, dass die handelnden Personen der Regierung in Griechenland intelligente und strategisch handelnde Köpfe und geschickte Verhandler sind, so ist diese Vorstellung mittlerweile dem Eindruck gewichen, dass hier bloß eitle und sich selbst überschätzende Machtmenschen am Werk sind, die nur wissen was Sie nicht wollen, die aber leider nicht sagen können oder wollen, was denn Ihrer Meinung nach geschehen sollte.
Unterdessen verwundert derzeit noch, wie ruhig es in Griechenland ist. Ich fürchte aber, je länger die Zeit andauert, dass die Menschen kein Bargeld von den Banken gehalten, desto schlimmer wird es werden. Tiefgreifende Reformen sind im eigenen Interesse von Griechenland, nicht nur im Interesse der Geldgeber. Es geht auch nicht darum, dass Griechenland am Gängelbändchen der EU laufen oder gar erniedrigt werden soll. Es geht schlicht und ergreifend darum, dass Geldgeber, wie andernorts auch üblich, ihr Geld gerne wieder zurückhaben möchten. Und wenn die Situation, die sie vorfinden, Ihnen diesen Glauben nicht gibt, dann werden sie kein Geld geben. Das geht jedem Unternehmen so, dass geht jeder Privatperson so. Es gibt für Staaten insoweit keine Sonderrechte, es sei denn, es handelt sich um einen humanitären Akt.
Ich bin gespannt, wie das Referendum ausgeht, und ich bin noch deutlich gespannter, was danach passieren wird. Das ist nach meiner Einschätzung viel spannender als der Ausgang des Referendums. Und die Börsen hat es nicht interessiert.
ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Anwaltsgericht Köln entscheidet kurz vor dem 11.11.2014 (11:11 Uhr) zum Thema Beleidigungen von Richtern durch einen Anwalt mit bemerkenswerter Begründung

Das Anwaltsgericht Köln entschied am 06.11.2014, dass die Verwendung des Begriffs „Schweinesystem“ von einem Anwalt für die Richter der Verwaltungsgerichte keinen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot darstellt, wenn er in Anführungszeichen gesetzt ist. Dagegen ist die Äußerung eines Rechtsanwalts, dass die zuständige Richterin am Verwaltungsgericht eine staatstragende Art derart internalisiert habe, dass sie wahrscheinlich gar nicht verstünde, wie sie auch anders hätte entscheiden können, eine gegen die Richterin gerichtete Beleidigung (AnwG Köln, Beschluss vom 06.11.2014 – 10 EV 255/11.

Was war passiert? Nach dem Beschluss hatte ein Rechtsanwalt einen Mandanten in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertreten, das in der Sache übereinstimmend für erledigt erklärt worden war. Die Kostenentscheidung des Gerichts fiel aber zu Lasten des Mandanten aus. Der Rechtsanwalt teilte seinem Mandanten mit Schreiben v. 6.6.2010 mit, gegen die Kostenentscheidung seien keine weiteren Rechtsmittel gegeben. Dieses Schreiben leitete er in Kopie auch dem Verwaltungsgericht Köln zu. ln dem Schreiben heißt es u.a.:

„Die Verwaltungsgerichte fungieren als „Abnickverein“ für die Entscheidungen der Verwaltung. Die Richterschaft dieses Gerichtszweiges wird gezielt so ausgewählt, dass nur die staatstragendsten Juristen ins Verwaltungsrichteramt gelangen, was zielgerichtete Methode ist: Die Exekutive entscheidet schließlich, wer zum Richter ernannt wird – und wer nicht. …
Die Richterin hat diese Art, „staatstragend“ zu sein, offenbar aber so sehr internalisiert, dass sie wahrscheinlich schon gar nicht verstehen würde, wie sie auch anders hätte entscheiden können.“
Weiter heißt es in dem Schreiben:
„Zur Abhilfe weiß ich allerdings auch nicht, was ich Ihnen empfehle könnte. Wahrscheinlich bleibt nur, beiden kommenden Wahlen eine extremistische Partei zu wählen, die mit dem „Schweinesystem“ insoweit aufzuräumen bereit ist.“

Das Anwaltsgericht entschied, wie erwähnt. Nach dem Beschluss waren die Äußerungen, soweit strafrechtlich nicht relevant, zwar von der Meinungsfreihiet gedeckt. Gleichwohl waren die Äußerungen nach Auffassung der Anwaltsgerichts kein guter und einem Anwalt nicht angemessener Ton.
ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Kampf der EU-Kommission gegen „aggressive Steuerplanung“: Steine statt Brot

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„Die EU-Finanzminister kommen im Kampf gegen die Steuervermeidung von Unternehmen und aggressive Steuerplanung voran: Der Rat hat am 9. Dezember 2014 seine politische Unterstützung für die Missbrauchsklausel in der Mutter-Tochter-Richtlinie und den automatischen Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden der EU gegeben.“ Ich begrüße die beiden bahnbrechenden Entscheidungen“, sagte Pierre Moscovici, […]
„Die aktuellen Ereignisse erfordern, dass wir unsere Anstrengungen gegen Unternehmenssteuervermeidung und aggressive Steuerplanung an allen Fronten verstärken müssen“, sagte Moscovici weiter. „Wir sind entschlossen, diese Agenda so schnell wie möglich durchzusetzen. Zu diesem Zweck bekräftigen wir unsere Zusage, den automatischen Informationsaustausch zu erweitern um Steuerentscheidungen zu ermöglichen. Ein Gesetzgebungsvorschlag wird Anfang 2015 vorgelegt.“ […]

Die EU-Kommission stellt – medienwirksam – zum aktuellen Zeitpunkt fest, dass sie in Zukunft einen Gesetzgebungsvorgang anstoßen wird, um einen Informationsaustausch hinsichtlich des Kampfes gegen eine aggressive Steuerplanung von Unternehmen zu ermöglichen.

Diese Pressemitteilung darf nun nicht dahingehend gedeutet werden, dass die aggressive Steuervermeidung durch Dachgesellschaften in Staaten wie Luxemburg oder Irland in naher Zukunft unmöglich gemacht wird.  Diese Pressemitteilung soll die EU im Kampf gegen diese Steuervermeidungstaktiken glaubwürdig erscheinen lassen, wo doch ausgerechnet der – hier maßgeblich beteiligte- ehemalige Finanzminister Luxemburgs Jean-Claude  Juncker  in der Vergangenheit Steuerabkommen zwischen Luxemburg und Großkonzernen vereinbarte und diese aggressive Steuerpolitik erst möglich machte.

Es bleibt abzuwarten, ob die Steuerpolitik Luxemburgs von der EU ordnungsgemäß aufgeklärt, und wie sich Herr Juncker zu den Steuerabkommen der Vergangenheit bekennen wird.

(EU-Kommission, Pressemitteilung vom 09.12.2014 /ws/ng)

 

VonDepesche

Junge Juristen wollen härtere Strafen

Aus einem Onlineartikel der Legal Tribune ONLINE vom 14.10.2014:

Sollen Sexualdelikte und Morde härter bestraft werden? Dazu gibt es in der Legal Tribune Online einen interessanten Artikel.

Knapp ein Drittel der Jurastudenten scheint hier tatsächlich die Todesstrafe als angemessen anzusehen. Diese und weitere Ansichten gehen aus einer interessanten Studie des Strafrechtsprofessors Franz Streng hervor.

Seit 1989 befragt dieser regelmäßig die Besucher seiner Vorlesung mittels eines anonymisierten Fragebogens nach deren Empfindungen zu einem angemessenen Strafmaß. Das Ergebnis dieser Befragung hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert. Zu Beginn der Befragung forderten die Studenten für das Fallbeispiel „Totschlag im Affekt im Rahmen einer Trennung“ eine Haft von 6 Jahren, im Jahr 2012 bereits 9,5 Jahre.

Noch überraschender ist die Haltung der Studenten zur Todesstrafe. Hier hat sich die Anzahl der Befürworter nahezu verdreifacht. Während sich in einer Studie im Jahre 1977 nur 11,5 Prozent für die Todesstrafe aussprachen, sahen im Jahr 2012 bereits etwa ein Drittel der Befragten die lebenslange Freiheitsstrafe nicht als ausreichend an.

Ebenfalls befürworteten fast 30% der Studenten den Einsatz von Folter unter bestimmten Voraussetzungen. Die Ergebnisse der Studie stehen dabei im krassen Kontrast zur (statistisch) gesunkenen Kriminalität in Deutschland. Das Sicherheitsempfinden der befragten Studenten hatte sich ebenfalls verbessert. Ein gewisses Unwohlsein des Autors der Studie bezüglich der Einstellung unserer zukünftigen Richter und Staatsanwälte lässt sich nicht überlesen.

ws/ng