Kategorien-Archiv Heute schon gelacht ?

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Amtsgericht Münster: Marien-Statue kann auch Protestantin zugemutet werden

Eine (evangelische) Mieterin hatte die Miete gemindert, weil sie sich durch eine im Treppenhaus aufgestellte Madonna beeinträchtigt gefühlt hat.

Das Amtsgericht Münster entschied am 22.07.2003 (3 C 2122/03):

“Die Beklagte hat unberechtigt die Grundmiete für die von ihr bei der Klägerin angemietete Wohnung […] gemindert. Ein Recht zur Mietminderung steht der Beklagten nicht zu. Ein Recht zur Mietminderung steht dem Mieter nur zu, wenn die Gebrauchstauglichkeit seiner Wohnung beeinträchtigt ist. Dies ist durch die im Treppenhaus aufgestellte Madonna nicht gegeben.

Darüber hinaus ist auch nach evangelischem Glauben Jesus durch Maria geboren worden, so dass die Aufstellung der Madonna im Treppenhaus kein Umstand sein kann, der zu einem besonderen Schock führt. Subjektive Überempfindlichkeiten sind bei der Bewertung von Minderungsrechten nicht zu berücksichtigen. […]”

ws/ng

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Urteil des Amtsgerichts München vom 26.09.2014 (Az: 1115 Cs 254 Js 176411/13): Glücksspiel ist teuer, selbst wenn man gewinnt!

Ein 25-jähriger Malermeister traf bei dem Amtsgericht München mit seinem Glück auf wenig Verständnis. Sein doppeltes Pech: er wurde nicht nur zu einer Geldstrafe von 2.100,00 Euro wegen unerlaubten Glücksspiels im Internet verurteilt, der Glückspilz musste es zudem hinnehmen, dass die dabei gewonnenen 63.490 Euro vom Staat eingezogen wurden. Er hatte im Internet „Black Jack“ gespielt, und innerhalb kürzester Zeit 201.500 Euro erspielt. In den von ihm per Klick akzeptierten Nutzungsbedingungen fand sich der Hinweis, dass derartige Spiele in einigen Ländern verboten sind.

Seine Einlassung dagegen: weil Boris Becker, der FC Bayern München, aber auch andere Prominente Werbung für Glücksspiele machten, sei er davon ausgegangen, Glücksspiele seien im Internet erlaubt. Er lief bei seiner Verteidigung zur Höchstform auf, als er vortrug, das Glücksspielverbot im Internet verstoße gegen höherrangiges Recht.

Der Richter am Amtsgericht München sah dies völlig anders. Das Amtsgericht München hat festgestellt, dass die Teilnahme am Glücksspiel im Internet eine erhebliche Gefahr für den einzelnen Spieler darstellt. Zudem habe der Anbieter nicht die erforderliche behördliche Genehmigung in Deutschland gehabt. Auch sei gerichtsbekannt, dass bei Eingabe des Suchbegriffs „Glücksspiel“ in Google  als erste Beiträge solche erschienen, die sich mit der Strafbarkeit von Glücksspielen im Internet beschäftigten.

Der Spieler könne sich auch nicht darauf  berufen, dass Prominente Werbung für derartige Spiele machten. Denn bei der genannten Werbung handele es sich nur um Sportwetten.

Ein Trost bleibt, wenn es stimmt, dass Glück im Spiel Pech für die Liebe bedeutet und wenn man als argumentum e contrario den Umkehrschluss ziehen darf, dass dann Pech im Spiel Glück für die Lieb bedeutet, dann kann der Angeklagte sich hoffentlich wenigstens darüber freuen. Denn bei dem Prozessverlauf kann man zusammenfassen trotz oder wegen des nur temporären Geldsegens eher von Pech als von Glück im Spiel sprechen.

Anmerkung: wir haben allerdings nicht verstanden, warum die Eingabe des Suchbegriffs „Glücksspiel“ bei Google und die dabei „gerichtsbekannt“ erzielten ersten Ergebnisse zum Thema Strafbarkeit für den vorliegenden Fall strafrechtlich relevant sein sollten. Aber vielleicht war auch das nur der zarte Hinweis des Richters, das er das „googeln“ beherrscht. Wer das nicht kann, dem sei die Seite www.gidf.de empfohlen. Da wird ihm / ihr geholfen werden.

ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

„Denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen“ (Goethe, Faust I, Studierzimmer); Bürokratie – Abbau: das Dilemma der elektronischen Archivierung von Belegen.

Ach, wäre das schön, wenn man den Papierbelegen ade sagen könnte, und wenn die gescannte pdf Kopie das Finanzamt ebenso erfreute wie das Original. Die Technik dafür kennt praktisch jedes Kind. Das (die Papierform) „ersetzende Scannen“ muss aber nicht nur „recht sicher“, sondern „rechtssicher“ sein. Trotz gegenteiliger Äußerungen wird die Vorstellung vom papierlosen Büro wohl ein Wunschtraum bleiben. Gefühlt haben wir eher den Eindruck, dass es heute trotz aller sinnvollen Technik mehr Papier als früher gibt. Mit entwaffnender Offenheit mussten Kollegen auf unsere Nachfrage, wie sie denn mit Notebook oder Tablet in mündlichen Verhandlungen bei komplexen Klageverfahren so schnell die Dokumente finden und Ihnen blättern könnten, eingestehen, dass sie für mündliche Verhandlungen einen extra für diesen Zweck bei Ihnen angeschafften leistungsfähigen Drucker laufen lassen, um dann doch wieder die gute alte Akte in gedruckter Form zum Termin mitnehmen zu können.

Da trifft es sich gut, dass es immer wieder Vorstöße gibt, um die Bürokratie auch in diesem Bereich abzubauen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem bereits eingangs erwähnten sog. ersetzenden Scannen zu. Ziel ist es, die Papierbelege nach einem strukturierten und dokumentierten Scanprozesses vernichten zu können. Sie müssen aber dann nur noch platzsparend und wirtschaftlich günstig, in elektronischer Form, vorgehalten werden.

Welche Anforderungen aber sind bei diesem ersetzenden Scannen zu erfüllen? Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) hat zusammen mit der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) eine „Muster-Verfahrensdokumentation zur Digitalisierung und elektronischen Aufbewahrung von Belegen inkl. Vernichtung der Papierbelege“ entwickelt. Diese Dokumentation soll ein insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen umsetzbares und praktikables Verfahren darstellen.

Bisweilen besteht bei Unternehmen und ihren Beratern noch immer eine große Unsicherheit, ob sie die Papierbelege nach dem Scannen wirklich und ohne Risiko vernichten dürfen. Es besteht häufig die Befürchtung, dass die Finanzbehörden die Vorlage der Originalbelege z.B. im Falle einer steuerlichen Betriebsprüfung doch noch verlangen könnten. Dies führt in der Praxis häufig zu einer Verdoppelung des Aufwandes, da sowohl die Papier – als auch die gescannten Belege aufbewahrt werden. Gut gemeint ist eben doch oft das Gegenteil von gut.

Der Pferdefuß der vorgestellten Verfahrensdokumentation ließ auch nicht lange auf sich warten: Der DStV räumte ein, es wäre sinnvoll, wenn das Bundesministerium der Finanzen offiziell bestätigen könnte, dass Belege, die nach dieser Verfahrensdokumentation gescannt und bereit gehalten werden, für steuerliche Zwecke nicht noch zusätzlich auf Papier vorgehalten werden müssen. Es ist zu fürchten, dass die Stellungnahme auf sich warten lässt. Sicher wird es das eine oder andere zu prüfen geben. Bis dahin bleibt es also auch in diesem Punkt bei einer weiterhin ausufernden Bürokratie. Solange die offizielle Bestätigung für die Eignung für das „ersetzende Scannen“ fehlt, werden viele weiterhin aus Sorge um den Rechtsverlust die guten alten Papiere abheften. Denn sonst wird das „ersetzende“ Scannen zum „entsetzenden“ Scannen. Und Vorsicht war ja schon immer die Mutter der Porzellankiste.

ws

 

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Die doppelt vergebenen Steueridentifikationsnummern: wer keine Arbeit hat, macht sich welche

 Es ist ein alter Hut: es ist nie genug Zeit, Dinge ordentlich zu Ende zu bringen. Für die Reparatur der so entstandenen Fehler scheint es aber alle Zeit der Welt zu geben. Weil aber Zeit eine begrenzte Ressource ist, geht das auf Kosten anderer wichtiger Dinge. Und so werden Behörden und Unternehmen, die dieses TheMA nicht im Griff haben, schnell unbewegliche, träge Einheiten. 2007 wurde die elfstellige Steueridentifikationsnummer eingeführt. Nicht nur ein Leben lang gültig, sondern auch einzigartig und unverwechselbar soll sie sein – hier darf einmal laut gelacht werden, denn dies ist nicht immer der Fall:

Seit 2010 ist es in 164.451 Fällen zur Vergabe ein und derselben Identifikationsnummer für mehrere Personen gekommen. Eigentlich sollte die Zuordnung der Nummer zu mehr als einer Person durch die eingesetzte Software ausgeschlossen sein. Ausgeschlossen und Unmöglichkeit scheinen aber für die Finanzbehörden nicht das gleiche zu sein. Durch eine „Datenvermischung“ sollen Steueridentifikationsnummern die Daten von mehr als einem Bürger zugeordnet worden sein. Auch manuelle Eingabefehler sind vorgekommen. So gebe es zum Beispiel Fälle, in denen zwei Personen mit ähnlichem Namen und gleichem Geburtsdatum dieselbe Nummer erhalten haben. Die Doubletten sind bisher nur aufgefallen, wenn die Doppelvergabe zu unmittelbaren Nachteilen für die Betroffenen geführt hat. Die Dunkelziffer liegt demnach viel höher als die Zahl der bekannten Fälle.

In einem Fall, wo einem Steuerzahler mehr als eine Steueridentifikationsnummer zugeordnet wurde, kann eine Übermittlung der aktuellsten Meldedaten an das Bundeszentralamt für Steuern nicht mehr garantiert werden. Durch die kuriose Verwaltungspanne kann es dazu kommen, dass Arbeitgeber beim Verfahren für Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) veraltete Meldedaten abrufen und so beispielsweise eine falsche Steuerklasse für Arbeitnehmer abrufen. Reagieren kann der Arbeitnehmer darauf frühestens beim genauen Studium seiner Lohnabrechnung.

Aber wie heißt es so schön: wer keine Arbeit hat, macht sich welche; in diesem Fall das zuständige Bundeszentralamt für Steuer. Die fleißigen Mitarbeiter haben immerhin bis Ende letzten Jahres etwa 106.000 der bekannten Fälle aufklären können. Weitere 14.000 seien in Bearbeitung. In diesem Sinne wünschen wir weiterhin: „Fröhliche Datenbereinigung“ und wir sind uns sicher, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Hauses auch künftig mit ihrer Arbeit dafür sorgen werden, dass Ihnen die Arbeit nicht ausgehen wird.

ws / jb

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Skandal: Justizminister hält nicht nur an Robenpflicht für Anwälte fest: empfohlen wird, die Tracht auch außerhalb der Gerichtssäle zu tragen. Dafür gibt es für Rechtsanwältinnen jetzt auch wahlweise die pinke Robe, auf Wunsch auch als kurzer Mini; auch Änderungen für Richter: bald sollen keine „Stachelbeerbeine“ mehr unter der Richter Robe hervorblitzen.

Wie aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren war, plante das Justizministerium tiefgreifende Änderungen, um der Rechtspflege ein besseres Ansehen zu verschaffen. Herausgekommen ist bei den Verhandlungen zwischen Ministerium, Kammern und Richterbund der in der Überschrift beschriebene Kompromiss. Diese Meldung ist natürlich eine Ente. Aber jede Geschichte hat auch einen wahren Kern, so auch diese hier.

Wer sich in Gerichten umschaut, kann die tollsten Varianten der Kleidung und des Verhaltens der Richterschaft sehen. Ich habe dabei immer den Eindruck, dass es nicht darum geht, eine gute Figur abzugeben. Verschlissene und nicht immer saubere Roben sind schon für sich genommen eine Katastrophe. Wer aber mal einen Blick auf die Kleidung unter die Robe wirft, den wird schnell klar, dass es sowohl weiten Teilen der Richterschaft (m/w) und der Anwaltschaft (m/w) nicht darauf ankommt, dass Kleider Leute machen.

Dabei legen beide Berufsgruppen großen Wert auf Respekt, die Anwaltschaft sogar darauf, dass ihre Mitglieder „Organe“ der Rechtspflege sind. Das ist auch gut so, weil es auch den Gerichten in das Bewusstsein ruft, dass Anwälte nicht irgendwelche Halunken sind (oder sein sollten), die nur (selbst wenn es unwahr wäre) das vortragen, was der eigenen Partei nützt.

Wer einen solchen Respekt einfordert, der sollte diesem Anspruch auch durch gute Kleidung Rechnung tragen. Das gilt aber nicht minder für die Gerichte. Eine sich auf den Tisch „fleezende“, gelangweilt auf die Ellenbogen stützende nicht sehr Richterin mit strähnigen Haaren, aber Richter, bei denen die weißen Socken und womöglich im Sommer noch die Stachelbeerbeine unter der Robe hervorlugen, sollten sich nicht wundern, dass sie damit die auch heute noch vorhandene Autorität und den geschuldeten Respekt nicht nur verlieren, sondern sogar untergraben.

Aber es gibt Ausnahmen, z.B. die junge Richterin im Amtsgericht Bielefeld, deren Namen ich nicht mehr erinnere, die ein weißes elegant gewickeltes Seidentuch trug. Das darauf gemachte Kompliment nahm sie mit großer ehrlicher Freude wie einem ebenso strahlenden Lächeln entgegen. Und da sag noch einer,  die Richterschaft und die Anwaltschaft verstünden einander nicht.

Also: keine Scheu vor guter Kleidung für den souveränen Auftritt. Es wird das Klima im Gericht verbessern. Nur Mut. Es macht Spaß.
ws      

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Das BVerfG und die frühere Landrätin Dr. P.; „Bild“ darf sie nicht „durchgeknallte Frau“ nennen; die Photos aber dürfen weiter als „klassische Pornografie“ bezeichnet werden; zugleich ein Beitrag im Kampf gegen das Vergessen.

Und Morgen wird die nächste Sau durchs Dorf getrieben. Wer war denn die frühere Landrätin Dr. P. ,die bis zum Bundesverfassungsgericht gegangen war, fragte ich mich, als ich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.12.2013 (1 BvR 194/13, NJW 2014,764) las. Ich leide nicht unbedingt an retrograder Amnesie, aber der Name der Landrätin war mir tatsächlich entfallen. Google sei Dank war alles schnell geklärt: es war das Jahr 2007, als in Bayern Frau Dr. Pauli Furore machte. Auf den Höhenflug folgte ein ziemlich heftiger Absturz. Die frühere Landrätin ließ sich für ein Magazin in diversen Posen ablichten.

Die Bild-Zeitung schrieb dazu am 3.4.2007 folgenden Text:

„Liebe Latex-Landrätin,

im goldenen Minikleid (ohne Höschen, weil es unfotogen durchdrückt),begraben Sie Ihre Karriere in der P. A.’, schrieb die (…). Auf sechs Doppelseiten der Zeitschrift ,P. A.’ lassen Sie sich in Domina-Posen – mit Latex-Handschuhen und gespreizten Beinen – fotografieren. Die Fotos sind klassische Pornografie. Der pornografische Voyeur lebt in der Qual, Ihnen die Kleider vom Leib zu reißen. Kein Foto löst in mir den Impuls aus, Sie zu lieben bzw. zärtliche Worte mit Ihnen zu flüstern. Kein Mann liebt eine Frau in einem Pornofilm.

Auf all diesen Fotos sind Sie angezogen, nichts Nacktes. Sie sind die Frau dazwischen. Warum machen Sie das? Warum sind Sie nach Ihrem Stoiber-Triumph nicht die brave, allein erziehende Mutter geblieben? Warum lassen Sie sich so fotografieren?

Ich sage es Ihnen: Sie sind die frustrierteste Frau, die ich kenne. Ihre Hormone sind dermaßen durcheinander, dass Sie nicht mehr wissen, was wer was ist. Liebe, Sehnsucht, Orgasmus, Feminismus, Vernunft.

Sie sind eine durchgeknallte Frau, aber schieben Sie Ihren Zustand nicht auf uns Männer.“

Die so Geschmähte sah sich in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und begehrte von der Bild Zeitung, es zu unterlassen zu behaupten, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen

  • a) Frau Dr. P ist eine durchgeknallte Frau,
  • b) die Fotos von Frau Dr. P, die in der P. A. erschienen sind, sind klassische Pornografie,
  • c) im Zusammenhang mit den Fotos von Frau Dr. P, die in der P. A. erschienen sind, von „Domina-Posen“, „einem Pornofilm“ und „pornografischen Inhalten“ zu sprechen.

Das LG Traunstein verurteilte die Bildzeitung zur begehrten Unterlassung, wies die Klage wegen der Geldentschädigung aber ab. Gegen das Urteil legten beide Parteien Berufung ein. Das OLG München änderte das Urteil und wies die Klage insgesamt ab. Es meinte, die drei genannten Äußerungen seien Werturteile, in der Abwägung ließ es die Meinungsfreiheit der Bildzeitung überwiegen.

Das sah das Bundesverfassungsgericht anders. Die Äußerung, Frau Dr. P sei eine durchgeknallte Frau, sei ehrverletzend. Die zulässige Verfassungsbeschwerde war nach dem Bundesverfassungsgericht insoweit offensichtlich begründet.

Eigentlich konnte sich niemand mehr an den Bericht, und auch nicht einmal an die frühere Landrätin erinnern. Das Beispiel zeigt einmal mehr, dass es häufig gar nicht sinnvoll ist, sich mit juristischen Mitteln gegen die Presse zu wehren. Denn auf diese Weise bringt man bestimmte Themen häufig nur noch viel tiefer in die Köpfe der Menschen, als wenn man gar nichts unternommen hätte.
ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Deutschland, eine Banannerepublik? nicht perfekt, aber ein Fortschritt – Die Reform der Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung

Das Thema Hoeneß ist medial verbraucht, jetzt kommt ein neues dran. Bisher stand Deutschland international zum Teil heftig  in der Kritik, weil die Bestechung von Abgeordneten nur unzulänglich im Sinne strafrehtlicher Sanktionierung geregelt war. Das verwundert, weil die Abgeordneten immer flott dabei sind, wenn es darum geht, im Übrigen das Strafrecht zu verschärfen. Die Umsetzung der jetzt unterzeichneten UN-Konvention in nationales Recht erfolgte bisher nicht, es liegt jetzt aber ein Entwurf der großen Koalition vor, den der Ausschuss von Recht und Verbraucherschutz einstimmig angenommen hat.

Was ist jetzt neu? Bei Abstimmungen und Wahlen im Plenum und in den Ausschüssen wurde bisher lediglich der Stimmenkauf- und Verkauf geahndet. Künftig soll das Strafrecht auch auf korrupt beeinflusste Handlungen oder Unterlassungen des Abgeordneten „im Auftrag oder auf Weisung“ abzielen. Dies kann als ein Versuch gesehen werden, ein Pendant für die Dienstpflichtverletzung in den Straftatbeständen für Amtsträgerbestechung nach §§ 332,334 StGB zu finden. Das ist aber problematisch, da Abgeordnete nach Art. 38 I GG „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden“. Sie haben also keine Dienstpflichten, die sie verletzen können. Fraglich ist zudem, ob ein Abgeordneter hierarchisch gesehen tatsächlich auf Weisung oder Auftrag anderer handelt oder ob durch die illegale Absprache eher eine Beziehung auf „gleicher Augenhöhe“ geknüpft wird. In jedem Fall wird die Rechtsprechung ein klares Regelungsziel definieren müssen.

Neu ist auch die Erfassung materieller und immaterieller Vorteile des Vorteilsgebers an Abgeordnete oder Dritte. Dies wird sich auf Mitglieder von Parlamenten auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene erstrecken und bezieht sich auch auf die Bundesversammlung, das Europäische Parlament, parlamentarische Versammlungen internationaler Organisationen und Gesetzgebungsorgane ausländischer Staaten. Die Formulierungen der neuen Normen werden voraussichtlich denen zur Amtsträgerkorruption gleichen. Der Strafrahmen soll laut Entwurf dem der bisherigen Fassung des § 108e StGB entsprechen. Der Versuch ist nach dem Gesetzentwurf nicht strafbar.

Nachträgliche Vorteilsflüsse, so genannte „Dankeschön-Spenden“, sind allerdings noch nicht erfasst. Ohne vorherige Vereinbarung könnte ein Abgeordneter somit weiterhin größere Summen von einer Person nachträglich annehmen, deren Interessen er im Vorfeld vertreten hat. Insgesamt betrachtet lässt der Entwurf zur Neuregelung noch viele Fragen offen.
ws/jb

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Privilegierung der Anwälte im Auftrage der Mandanten ist kein Freibrief. Anwalt darf Anwalt nicht als „Lügner und Betrüger“ bezeichnen

Im Kampf um das Recht für ihre Mandanten sind Anwälte gegenüber ihren Parteien privilegiert. Sie dürfen in deutlich größerem Umfang mündlich und schriftlich Dinge „auf den Punkt“ bringen und auch „spitze“ Formulierungen wählen, ohne sich gleich strafbar zu machen. Das aber gibt kein Recht, sich wie eine „Wildsau“ aufzuführen und ist auch kein Freibrief, wie die Entscheidung des AnwGH Mecklenburg – Vorpommern vom 30.11.2012 (AGH 1/12 (I/I, NJW – Spezial 2013, 351) zeigt.

Was war geschehen? Ein Anwalt verfasste in einem Verfahren ein Schreiben an einen Kollegen mit folgendem Inhalt:

„Sehr geehrter Herr Kollege X., auf Ihren heutigen Zustellversuch von Anwalt zu Anwalt teile ich Ihnen mit, dass ich Sie, zumindest was den Zugang anwaltlicher Schreiben angeht, für einen Lügner und Betrüger halte. Die Zustellung von Anwalt zu Anwalt lehne ich daher im Verhältnis zu Ihnen ab. Wenn Sie der Meinung sind, mir Schriftstücke zustellen zu müssen, bedienen Sie sich der Hilfe des Gerichtsvollziehers.“

Nach der Entscheidung des Anwaltsgerichts enthält diese Aussage sowohl beleidigende als auch wertende Elemente. Darin liegt zugleich die Feststellung eines strafbaren Verhaltens des Kollegen. Als Anwälte hätten wir aber gerne etwas mehr zu dem Hintergrund gewusst. So bleibt die Sache ein wenig „blutleer“. Es bleibt die Erkenntnis: Im Zweifel lieber Zurückhaltung üben. Sachargumente, pointiert, überzeugend, souverän und witzig vorgetragen, überzeugen häufig mehr als eine bloße Schimpfkanonade, die den Anwalt nur als Choleriker bloßstellt.  

ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Wenn Juristen Juristen beschäftigen – dann werden Probleme bekannt, die sonst niemand hätte (wenn das die Mandanten wüssten)

Ein Streit, besonders vor Gericht, hat häufig skurrile Züge. Besonders skurril werden die Züge aber oft immer dann, wenn Juristen gegeneinander antreten. So bedurfte es erst der Entscheidung des BGH vom 8. April 2013 (Anwaltsblatt 6/2013, 466), um zu wissen, dass die Pflicht, eine bestimmte Anzahl von Fortbildungsstunden nachzuweisen, nicht mit dem Nachweis, dass diese Pflicht auch tatsächlich erfüllt worden ist, verwechselt werden darf. Ah ja.

Was war geschehen? Die Rechtsanwaltskammer Celle hatte einen Fachanwalt aufgefordert, den Nachweis zu erbringen, dass er die nach der Berufsordnung vorgeschriebenen insgesamt 10 Stunden Fortbildung p.a. absolviert hatte. Der Rechtsanwalt wies darauf hin, dass er die 10 Stunden Fortbildung erbracht habe, er reichte aber hartnäckig die Nachweise dafür nicht ein. Die Anwaltskammer wiederrief die Zulassung des Anwalts als Fachanwalt. Dagegen wendete sich der Kollege bei dem Anwaltsgerichtshof. Dort reichte er auch die Nachweise über die Fortbildung ein.

Damit wäre das Thema eigentlich erledigt gewesen, eigentlich. Wenn da nicht die Kammer nochmal eins drauf gesetzt hätte. Sie sah das anders und bliebe bei dem Widerruf der Zulassung als Fachanwalt. Denn der Anwalt habe zwar die Fortbildung nachgewiesen, das aber nicht rechtzeitig.

Dagegen wehrte sich der Kollege bei dem BGH. Der gab dem Kollegen recht. Sehr scharfsinnig differenzierte der B GH zwischen der Verpflichtung, eine bestimmte Anzahl von Stunden für die Fortbildung pro Jahr abzuleisten davon, die Erfüllung dieser Pflicht auch nachgewiesen zu haben. Wenn die Fortbildungspflicht erfüllt worden sei, komme ein Widerruf der Zulassung mit der Begründung des fehlenden Nachweises nicht in Betracht.  

Es bedurfte also einer Entscheidung des BGH, damit dem Kollegen der Titel eines Fachanwaltes erhalten blieb. Wenn man sich jetzt fragt, ob das Ganze nicht auch wesentlich einfacher – ohne der BGH – hätte erledigt werden können, kommt man relativ einfach zu der Frage, warum die Rechtsanwaltskammer die Zulassung des Widerrufs noch aufrecht erhalten hatte, nachdem der Kollege die Nachweise eingereicht hatte. Geht man dann noch weiter ins Detail, fragt man sich aber auch schon vorgelagert, warum es dem Kollegen trotz mehrfacher Aufforderung durch die Rechtsanwaltskammer nicht möglich gewesen ist, die von ihm erbetenen Nachweise der Rechtsanwaltskammer gegenüber zu (einigermaßen) rechtzeitig zu erbringen.

Lange Rede kurzer Sinn: ein unsinniger, aber lehrreiche Rechtsstreit.

Fazit: das dürften die Mandanten des Kollegen besser nicht wissen, und wir alle sollten hoffen, dass diese Anwaltskammer und allen anderen Anwaltskammern auch demnächst – nicht nur in solchen Fragen – deutlich souveräner und entspannter bleiben.

ws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Auch Richter tanzen oder verstehen (nichts? davon): OLG Hamm vom 29. Januar 2013: Tanzen ist so schwer, dass Tanzschulen nicht mit einer Garantie für den Erfolg werben dürfen (sic!)

Tanzen kann doch jeder! weit gefehlt, beschied das OLG am 29. Januar 2013 (I – 4 U 171/12) die beklagte Tanzschule und untersagte ihr die Werbung, die beim Besuch ihres Tanzunterrichts einen Lernerfolg garantierte. Das OLG hielt die Werbung für irreführend und damit unzulässig. Das LG Essen hatte  noch für das „Tanzen mit Garantie“ entschieden. Das OLG Hamm sah das anders. Die Werbung sei auch für den heutigen, durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher irreführend und deshalb unlauter. Tatsächlich hängt, so jedenfalls das OLG,  der Erfolg des Tanzunterrichts maßgeblich vom jeweiligen Schüler ab, so dass ein Lernerfolg nicht sicher eintreten müsse. Denn es gebe, so das OLG, immer wieder Menschen, die auch nach einem Tanzkurs nicht in der Lage seien, das formal Gelernte so anzuwenden, dass sich dieses als eine auch nur einigermaßen ästhetisch anmutende Bewegung darstelle.

Aus den Entscheidungen der beiden Gerichte war nicht zu entnehmen, ob die entscheidenden Richterinnen und Richter Tänzer sind und wenn ja, mit welchem Erfolg sie welche Tanzschule besucht haben. Auch war den Entscheidungen nicht zu entnehmen, ob es den Richtern gelingt, beim Tanzen eine solche Sohle auf’s Parkett zu legen, dass man von einer „auch nur einigermaßen ästhetisch anmutenden Bewegung“ sprechen könnte. Man könnte den Eindruck haben, dass die Richter des LG Essen mit den Tanzkursen bessere Erfahrungen gemacht haben als die des OLG Hamm.

ws

Das Urteil ist rechtskräftig.