Eigentlich ist es traurig, dass es in dieser Sache einer Entscheidung des BVerfG bedurfte.
Einleitung
In einer wegweisenden Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) klargestellt, dass übermäßiger Druck seitens der Gerichte auf Parteien, einen Vergleich zu schließen, die Besorgnis der Befangenheit begründen kann. Diese Entscheidung reflektiert eine in der Praxis zunehmend beobachtete Tendenz: Gerichte drängen Parteien verstärkt zu Vergleichen, oft unter dem Deckmantel der Verfahrensökonomie. Aus unserer praktischen Erfahrung wissen wir, dass diesem Druck nur durch Standhaftigkeit und konsequentes Agieren begegnet werden kann.
Der Fall vor dem BVerfG
Im Zentrum der Entscheidung stand ein seit 2015 (!) anhängiges Zivilverfahren vor dem Landgericht München I. Die Vorsitzende Richterin hatte mehrfach betont, dass die Kammer aufgrund von Überlastung nicht in der Lage sei, einen Beweisbeschluss zu erlassen, und drängte stattdessen auf eine vergleichsweise Einigung. Die Klägerin lehnte dies ab und beantragte die Ablehnung der Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit.
Das BVerfG gab der Verfassungsbeschwerde statt und stellte fest, dass das Verhalten der Richterin das Recht der Klägerin auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt habe.
Unsere Beobachtungen aus der Praxis
Diese Entscheidung des BVerfG bestätigt eine Entwicklung, die wir in unserer täglichen Arbeit beobachten: Gerichte neigen zunehmend dazu, Parteien zu Vergleichen zu drängen, oft unter Verweis auf die Überlastung der Justiz oder die Kosten eines streitigen Verfahrens. Dabei wird der Eindruck erweckt, dass eine vergleichsweise Einigung der einzig gangbare Weg sei, um eine zügige Entscheidung zu erreichen.
Diese Praxis kann jedoch das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Gerichte untergraben und den Eindruck erwecken, dass die Gerichte nicht mehr neutral zwischen den Parteien stehen, sondern ein eigenes Interesse an der Verfahrensbeendigung haben. Zudem haben wir immer wieder den Eindruck, dass Gerichte nicht selten versuchen, komplexe Themen In unzulässiger Weise zu vereinfachen und auf dieser Basis, zur Überraschung / zum Entsetzen der Prozessbeteiligten abenteuerlicher Auffassungen vertreten.
Hinzu kommt, dass jedenfalls wir, bevor wir einen Rechtsstreit beginnen, außergerichtlich alle Möglichkeiten einer einvernehmlichen Lösung bereits abgeklopft haben. Warum Gerichte häufig meinen, es besser als die Beteiligten zu wissen, erschließt sich jedenfalls dann nicht, wenn alle Parteien sehr gut vertreten sind.
Konsequenzen für die Prozessführung
Die Entscheidung des BVerfG ist ein deutliches Signal an die Gerichte, ihre Rolle als neutrale Instanz zu wahren und den Parteien die Freiheit zu lassen, über den Abschluss eines Vergleichs selbst zu entscheiden. Für Prozessparteien bedeutet dies:
Fazit
Die Entscheidung des BVerfG stärkt die Rechte der Prozessparteien und mahnt die Gerichte zur Zurückhaltung bei der Vergleichsvermittlung. Sie unterstreicht die Bedeutung der richterlichen Neutralität und erinnert daran, dass der Weg zur Gerechtigkeit nicht durch Abkürzungen, sondern durch faire und unparteiische Verfahren führt.
Das BAG gelangte in seinem Urteil vom 30.01.2025, 2 AZR 68/24, zu dem Ergebnis, dass der Arbeitgeber den Zugang der Kündigung trotz Einwurf-Einschreibens nicht nachweisen konnte. Damit verlor der Arbeitgeber das Verfahren vor dem BAG. Diese Entscheidung bedarf einer genaueren Betrachtung, um die Feinheiten im Sachverhalt zu erkennen.
Grundsätzlich gilt, dass der Einwurf einer Kündigung in den Briefkasten für den Zugang bei dem Empfänger ausreicht. Es kommt nicht darauf an, ob der Kündigungsempfänger die Kündigung auch wirklich zur Kenntnis nimmt.
Das BAG wörtlich in Rz. 17 der Entscheidung, Hervorhebungen durch uns :
„Der Bundesgerichtshof hat angenommen, dass für den Absender eines Einwurf-Einschreibens bei Vorlage des Einlieferungsbelegs zusammen mit einer Reproduktion des Auslieferungsbelegs der Beweis des ersten Anscheins streitet, dass die Sendung durch Einlegen in den Briefkasten bzw. das Postfach zugegangen ist, wenn ein näher beschriebenes Verfahren eingehalten wurde (vgl. BGH 11. Mai 2023 – V ZR 203/22 – Rn. 8; 27. September 2016 – II ZR 299/15 – Rn. 33, BGHZ 212, 104).“
In dem vom BAG entschiedenen Fall lagen die Dinge allerdings in einem kleinen Detail anders. Dem BAG reichte der von dem Arbeitgeber vorgelegte Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens, aus dem neben dem Datum und der Uhrzeit der Einlieferung die jeweilige Postfiliale und die Sendungsnummer ersichtlich sind, zusammen mit einem von dem Arbeitgeber im Internet abgefragten Sendungsstatus („Die Sendung wurde am 28.07.2022 zugestellt.“) nicht für einen Beweis des ersten Anscheins, dass das Schreiben der Arbeitnehmerin tatsächlich zugegangen war.
Das BAG weiter wörtlich in Rz. 20 der Entscheidung:
„Der Ausdruck des Sendungsstatus, auf dem dieselbe Sendungsnummer wie auf dem Einlieferungsbeleg sowie das Zustelldatum vermerkt sind, bietet ebenfalls keine ausreichende Gewähr für einen Zugang. In diesem Fall lässt sich weder feststellen, wer die Sendung zugestellt hat noch gibt es ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass das vom Bundesgerichtshof beschriebene oder das jeweils gültige Verfahren der Deutschen Post AG für die Zustellung der eingelieferten Postsendung tatsächlich eingehalten wurde. Der Sendungsstatus ist kein Ersatz für den Auslieferungsbeleg. Er sagt nichts darüber aus, ob der Zusteller tatsächlich eine besondere Aufmerksamkeit auf die konkrete Zustellung gerichtet hat, die den Schluss rechtfertigen würde, dass die eingelieferte Sendung in den Briefkasten des Empfängers gelangt ist.“
Entscheidend ist also nach Auffassung des BAG nicht die Vorlage des Sendungsstatus, sondern der Auslieferungsbeleg. allerdings sei hier schon die kritische Anmerkung erlaubt, welchen anderen Sinn denn der Vermerk in dem Sendungsstatus („Die Sendung wurde am 28.07.2022 zugestellt.“) gehabt haben soll, als dass der Zusteller den Einwurf in den Briefkasten bestätigt.
Ich halte die Entscheidung des BAG daher für lebensfern und kleinteilig. zudem lädt die Rechtsprechung dazu ein. vor Gericht zu lügen. Dennoch sollte das Urteil des BAG in allen Fällen einer Kündigung beachtet werden.
Die deutliche sicherere Methode, um den Zugang einer Kündigung nachweisen zu können, ist der Einwurf durch einen Boten. Dabei sollte der Kündigende sich aber nicht nur den Einwurf in den Briefkasten durch den Botenschriftlich bestätigen lassen unter Angabe von Datum und Uhrzeit. Der Kündigende sollte sich durch den Boten auch schriftlich bestätigen lassen, welchen Inhalt der Briefumschlag genau gehabt hat. Dazu bietet es sich an, der schriftlichen Bestätigung des Boten eine Kopie der Kündigungserklärung beizufügen. Schriftlich sollte die Bestätigung deshalb sein, weil der Zeuge schließlich auch versterben könnte.
Weitere Frage: Wäre nicht die Zustellung der Kündigung per Einschreiben Rückschein sinnvoller? Antwort: Auf keinen Fall, denn damit erreicht der Kündigende oft das genaue Gegenteil. Trifft der Briefträger den Adressaten eines Einschreibens mit Rückschein nicht an, wirft er eine Benachrichtigung in den Briefkasten des Empfängers, dass eine Sendung nicht zugestellt werden konnte, und dass der Empfänger die Sendung in einem bestimmten Postamt abholen kann. Holt der Empfänger das Einschreiben ab, muss er den Empfang mit seiner Unterschrift quittieren. Dann ist alles gut.
Holt der Empfänger das Einschreiben aber nicht ab, dann schickt die Post das Einschreiben an den Kündigenden zurück, versehen mit dem Vermerk, dass das Einschreiben nicht zugestellt werden konnte. Damit hat der Kündigende also das genaue Gegenteil von dem in der Hand, was er eigentlich wollte. Er hat jetzt nicht den Nachweis, dass die Kündigung zugegangen ist, sondern er hat den Nachweis, dass die Kündigung gerade nicht zugegangen ist.
Die Digitalisierung hat jetzt auch endgültig die Welt der Juristen erreicht. Das schon heute in vielen Kanzleien übliche digitale Büro, das Arbeiten mit Spracherkennung oder die online-Recherche in Datenbanken sind erst der Anfang. Die auf die Digitalisierung der Juristenwelt spezialisierte und an der Börse von Liechteinstein notierte juralex ag stellte jetzt den ersten Prototypen eines funktionsfähigen Richter-Roboters mit dem Projektnamen „Robert“ vor. Der CEO der juralex ag, von Münchenhausen, erläutert: „Robert“ wird ganz sicher auf Dauer die Richterschaft ersetzen. „Robert“ sei schon jetzt soweit, dass man 10 Prototypen an verschiedenen Gerichtsbarkeiten in Deutschland in einer Testphase einsetzen wolle. Das BMJ hat seinen Segen gegeben und die entsprechenden Verfahrensvorschriften zum GVG und zu der ZPO ändern lassen, so dass ab sofort Urteile von „Robert“ im Namen des Volkes gesprochen werden können.
Ein wenig arbeiten müsse man noch an der äußeren Erscheinung von Robert. Denn er wirke noch sehr steif. Dagegen sei es kein Problem gewesen, die Technik unter der großzügig geschnittenen Robe unterzubringen.
„Robert“ ist erst der Zwischenstand einer noch längst nicht abgeschlossene Entwicklung. In der nächsten Phase wird die juralex ag die Entwicklung eines weiteren Prototypen vorantreiben, der die Rechtsanwaltschaft ersetzen soll. Die Gestaltung ist hier aber jedenfalls in Teilen anspruchsvoller, weil der Anwalts-Roboter auch Beratungssituationen abbilden können muss.
Bereits die Entwicklung von „Robert“ war von einigen Rückschlägen geprägt. Nach von Münchenhausen seien die ersten Prototypen als Strafrichter eingesetzt worden. Die ersten Urteile seien allerdings schlicht unverwertbar gewesen. Die Ursache war schnell gefunden: Sie lag in der äußerst mangelhaften Beweiswürdigung, die der Prototyp abgeliefert hatte. Er war einfach zu gutgläubig.
Bessere Ergebnisse erzielte man in der nächsten Entwicklungsstufe in Zivilrechtsstreitigkeiten. Dort sei es schließlich, so von Münchenhausen, auch nicht so sehr darauf angekommen. Denn es sei ja nur um Geld und nicht um Freiheitsstrafen gegangen. Fehlurteile hätten zudem in der Berufung korrigiert werden können.
Skeptisch beurteilt die juralex ag aber weiterhin den Einsatz von „Robert“ auf dem Gebiet des Steuerrechts. Die Materie sei nicht nur sehr komplex, sondern auch in sich nicht stimmig. Das erschwere die Berechenbarkeit von Entscheidungen. Aus diesem Grund habe sich, so von Münchenhausen, die juralex ag auch dafür entschieden, die Testphase in Deutschland zu absolvieren. Denn hier sei mit dem anerkanntermaßen kompliziertesten Rechtssystem quasi die benchmark gesetzt.
Wir sind gespannt, wie „Robert“ sich in der Praxis bewähren wird. Die Testphase ist zunächst für ein Jahr geplant. Danach sollen die Ergebnisse ausgewertet werden. Unabhängig davon wird „Robert“ ständig während der Testphase verbessert werden. Der Deutsche Richterbund war heute für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
ws
Der BGH hat gesprochen: mit Entscheidung vom 07.11.2016 (AnwZ (Brfg) 47/15, die wir von dem Kollegen erhalten haben, der das Verfahren betrieben hat, hat der BGH die bisherige Linie, nach der Werbung auf einer Robe nicht zulässig ist, bestätigt. Die Entscheidung ist lesenswert, weil sie gut die Stellung des Anwalts als Organ der Rechtspflege herausstellt und deutlich macht, dass die Robe den Sinn hat, die Person des Anwalts durch die Schlichtheit der Robe zurücktreten zu lassen (Sachlichkeitsgebot). Die Argumente des BGH sind gut nachvollziehbar. Allerdings sieht man hier sehr gut, in welchem Spannungsverhältnis die Advokatur heute steht: auf der einen Seite Organ der Rechtspflege mit einem hohen Anspruch, auf der anderen Seite muss sich die Anwaltschaft immer mehr als Dienstleister verstehen. Der reine Wissensvorsprung ist durch das internet und die sozialen Netze dahin, die Mandanten verlangen heute mehr als nur Wissen. Sie verlangen Begleitung und strategisches Denken. Die Öffnung des Marktes für Rechtsdienstleistungen und die immer höheren Anforderungen an die Anwaltschaft führen zu immer größerem Wettbewerb. Immer mehr Anwälte kämpfen um nicht größer werdende Märkte. Die Anwaltschaft wird, kann und sollte sich daher einer Öffnung und der Wandlung in Richtung Dienstleistung nicht entziehen. Dazu wird auch die Umstellung vom Papier auf die elektronische Kommunikation auch mit Gerichten, die heute in der Anwaltschaft schon lange Standard ist, beitragen.
Und meine persönliche Meinung zur Robe: ich finde die Robe ohne Werbung einfach schöner.
Fristwahrende Schriftsätze müssen unterschrieben sein. Die elektronische Form (sie setzt eine qualifizierte elektronische Signatur voraus) ersetzt die Schriftform. Die Schriftform wird auch durch ein unterzeichnetes Telefax gewahrt, wenn die Seite mit der Unterschrift vor Fristablauf bei dem Gericht eingeht. Die Schriftform wird dagegen durch ein Telefax nicht gewahrt, wenn das Telefax nicht unterschrieben, sondern die Unterschrift dort (nur) eingescannt oder mit einem Faksimilestempel aufgebracht ist. Der Grund für den kleinen aber feinen Unterschied ist nachvollziehbar: Es geht darum sicherzustellen, dass die beim Gericht eingereichte Urkunde wirklich auf Veranlassung des Absenders erstellt worden ist, und dass es sich nicht um einen Entwurf handelt. Es geht also darum die Identität des Urhebers feststellen zu können.
Wird ein im Original eigenhändig unterzeichneter Schriftsatz eingescannt und sodann als Anhang zu einer E-Mail als PDF-Datei an ein Gericht verschickt, genügt nach der Rechtsprechung der Ausdruck einer auf diesem Weg übermittelten Datei der Schriftform. Das bestätigen die beiden Entscheidungen des BGH vom 04.11.2014 und vom 18.03.2015. Für die Wahrung der Frist maßgebend ist aber nach den Entscheidungen des BGH nicht der Eingang der E-Mail bei dem Gericht, sondern der Zeitpunkt, zu dem die PDF-Datei mit der Unterschrift von dem Gericht ausgedruckt wird. In der Entscheidung des BGH vom 04.11.2014 hatte der Kläger leider Pech. Der Ausdruck seiner vor Fristablauf eingegangenen PDF-Datei erfolgte erst nach Fristablauf.
Die von dem BGH vorgenommene Differenzierung ist nur auf den ersten Blick in sich stimmig. Aus unserer Sicht sprechen die besseren Argumente dafür, für die Wahrung der Frist den Eingang der E-Mail mit der PDF-Datei als maßgebend und ausreichend anzusehen. Der Ausdruck der Datei mit der Unterschrift ist ein rein technischer Vorgang, auf dessen Zeitpunkt der Absender keinen Einfluss hat. Er kann nicht wissen, wann das Gericht die Datei ausdruckt. Die Anforderung des BGH führt zu einer Verkürzung der jeweils um 24:00 Uhr ablaufenden Frist. Denn um diese Zeit wird niemand im Gericht sein, um den Ausdruck der Schriftsätze vorzunehmen. Die Lösung des BGH passt auch nicht zu den Grundsätzen des BGH zur Fristwahrung durch Schriftsätze, die per Telefax an Gerichte geschickt werden. Häufig werden diese Schriftsätze heute gar nicht mehr, wie früher üblich, sofort – passend zum Versand – auf einem Empfangsgerät bei dem Gericht ausgedruckt, sondern dort zumindest zunächst digital gespeichert, und erst später ausgedruckt. Dennoch lässt der BGH auch in diesen Fällen für die Fristwahrung den Eingang des Telefaxes bei Gericht ausreichen. Auf den Ausdruck des Telefaxes stellt der BGH dagegen in diesen Fällen nicht ab. Die soeben beschriebene technische Handhabung des Eingangs von Telefaxen bei vielen Gerichten unterscheidet sich dann aber nicht von dem Eingang einer E-Mail bei Gericht mit einer angehängten PDF Datei, die ein eingescanntes Dokument mit Unterschrift enthält, und die erst später ausgedruckt wird.
Es sprechen daher nach unserer Auffassung die besseren Argumente dafür, auch im Falle des Eingangs von E-Mails nebst PDF-Datei den Eingang der E-Mail bei Gericht für die Fristwahrung ausreichen zu lassen.
Für die Praxis allerdings bleibt es bei der Empfehlung, keine Experimente zu unternehmen, sondern auch hier den sichersten Weg zu wählen: Entweder Versand fristwahrender Schriftsätze per Telefax, und zwar so rechtzeitig, dass notfalls der fristwahrende Eingang auf anderem Wege sichergestellt werden kann, oder aber Versand per EGVP mit qualifizierter elektronischer Signatur. Vorsicht Falle: bei dem Versand per EGVP ist immer zu prüfen, ob das jeweilige Gericht überhaupt an dem Verfahren teilnehmen. Jedenfalls in Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der teilnehmenden Zivilgerichte außerordentlich gering.
WS
Wäre es im Kern nicht so traurig, man könnte darüber lachen: Der Beklagte eines Rechtsstreits vor dem Amtsgericht Schleswig musste doch glatt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bemühen, um dem Amtsgericht die – im Übrigen nach einhelliger Auffassung durchzuführende – Berechnung einer Frist nach § 222 Abs. 2 ZPO zu erläutern.
Das Amtsgericht wollte den Rechtsstreit im schriftlichen Verfahren nach billigem Ermessen nach § 495a ZPO entscheiden. Es bestimmte als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden könnten, schließlich den 1. Oktober 2011. Dieses Datum fiel auf einen Sonnabend. Zum Beweis von Tatsachen benannte der Beklagte mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2011, dem nächstfolgenden Werktag (der 3. Oktober ist als Tag der deutschen Einheit ein gesetzlicher Feiertag), der bei Gericht am selben Tag einging, seine Tochter als Zeugin. Mit Urteil vom 7. Oktober 2011 gab das Gericht der Klage überwiegend statt. Ein substantiierter Vortrag des Beklagten sei erst mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2011, und damit nach Ablauf der Schriftsatzfrist am 1. Oktober 2011, erfolgt.
Der verwunderte Beklagte wehrte sich dagegen mit Anhörungsrüge. Sein am 4. Oktober 2011 eingegangener Schriftsatz sei zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Denn nach dem Wortlaut des § 222 Abs. 2 ZPO ende die Frist mit Ablauf des ersten Werktags, wenn das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend falle. Das Amtsgericht wies die Anhörungsrüge als unbegründet zurück. Die Schriftsatzfrist sei abgelaufen gewesen. Die gesetzte Frist sei eine datierte Frist. Darauf sei § 222 Abs. 2 ZPO nur anzuwenden, wenn der Fristablauf auf einen Sonn- oder Feiertag falle.
Das BVerfG hielt die Verfassungsbeschwerde für offensichtlich begründet. Es führt dazu aus:
„Die Regelung des § 222 Abs. 2 ZPO gilt nach einhelliger Meinung unabhängig davon, ob die Frist, deren Ende zu bestimmen ist, berechnet oder datiert ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 21. Juni 1978 – VIII ZR 127/76 -, juris, Rn. 6, 7, 9 m.w.N.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 72. Aufl. 2014, § 222 Rn. 2; Gehrlein, in: Münchener Kommentar, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 222 Rn. 6; Stadler, in: Musielak, ZPO, 11. Aufl. 2014, § 222 Rn. 1; Gerken, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 222 Rn. 14; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2005, § 222 Rn. 11; bei den nach der Auflage von 2013 oder 2014 zitierten Kommentaren ebenso jeweils auch bereits die früheren, zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen verfügbaren Auflagen).
Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. September 1982 (BVerfGE 61, 119), auf die das Amtsgericht sich durch Verweis auf eine sie zitierende Kommentarstelle beruft, folgt nichts Gegenteiliges (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. August 2013 – 2 BvR 425/12 -, juris, Rn. 14). Schon angesichts des Wortlauts der kommentierten Vorschrift, die sich eindeutig auch auf Fristen bezieht, deren Ende auf einen Sonnabend fällt, hätte für das Gericht Anlass bestanden, der Frage nachzugehen, ob und warum der Fall, in dem das Ende der datierten Frist auf einen Sonnabend fällt, anders zu behandeln sein sollte als der Fall einer datierten Frist, deren Ende auf einen Sonn- oder Feiertag fällt. Eine unterschiedliche Behandlung lässt sich auch nicht mit den Motiven rechtfertigen, die den Gesetzgeber dazu bewegten, in den Anwendungsbereich der Regelung des § 222 Abs. 2 ZPO auch Fristen einzubeziehen, deren Ende auf einen Sonnabend fällt. Denn damit sollte lediglich den im Rechtsverkehr aufgetretenen Unzuträglichkeiten Rechnung getragen werden, die mit der Einführung der Fünf-Tage-Woche für weite Kreise der arbeitenden Bevölkerung einhergegangen waren (vgl. BTDrucks 4/3394, S. 3). Es ist nicht ersichtlich, weshalb diese Gründe für datierte Fristen nicht gelten sollten.
2. Das Urteil des Amtsgerichts vom 7. Oktober 2011 beruht auf dem Gehörsverstoß. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass das Gericht zu einer anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung gelangt wäre, wenn es dessen Schriftsatz vom 4. Oktober 2011 berücksichtigt hätte. Das Urteil unterliegt infolgedessen der Aufhebung, und die Sache ist an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Der ebenfalls angegriffene Beschluss des Amtsgerichts über die Anhörungsrüge vom 15. November 2011 wird damit gegenstandslos.“
Und die Moral von der Geschicht? blind zitiere besser nicht.
ws
Ein Streit, besonders vor Gericht, hat häufig skurrile Züge. Besonders skurril werden die Züge aber oft immer dann, wenn Juristen gegeneinander antreten. So bedurfte es erst der Entscheidung des BGH vom 8. April 2013 (Anwaltsblatt 6/2013, 466), um zu wissen, dass die Pflicht, eine bestimmte Anzahl von Fortbildungsstunden nachzuweisen, nicht mit dem Nachweis, dass diese Pflicht auch tatsächlich erfüllt worden ist, verwechselt werden darf. Ah ja.
Was war geschehen? Die Rechtsanwaltskammer Celle hatte einen Fachanwalt aufgefordert, den Nachweis zu erbringen, dass er die nach der Berufsordnung vorgeschriebenen insgesamt 10 Stunden Fortbildung p.a. absolviert hatte. Der Rechtsanwalt wies darauf hin, dass er die 10 Stunden Fortbildung erbracht habe, er reichte aber hartnäckig die Nachweise dafür nicht ein. Die Anwaltskammer wiederrief die Zulassung des Anwalts als Fachanwalt. Dagegen wendete sich der Kollege bei dem Anwaltsgerichtshof. Dort reichte er auch die Nachweise über die Fortbildung ein.
Damit wäre das Thema eigentlich erledigt gewesen, eigentlich. Wenn da nicht die Kammer nochmal eins drauf gesetzt hätte. Sie sah das anders und bliebe bei dem Widerruf der Zulassung als Fachanwalt. Denn der Anwalt habe zwar die Fortbildung nachgewiesen, das aber nicht rechtzeitig.
Dagegen wehrte sich der Kollege bei dem BGH. Der gab dem Kollegen recht. Sehr scharfsinnig differenzierte der B GH zwischen der Verpflichtung, eine bestimmte Anzahl von Stunden für die Fortbildung pro Jahr abzuleisten davon, die Erfüllung dieser Pflicht auch nachgewiesen zu haben. Wenn die Fortbildungspflicht erfüllt worden sei, komme ein Widerruf der Zulassung mit der Begründung des fehlenden Nachweises nicht in Betracht.
Es bedurfte also einer Entscheidung des BGH, damit dem Kollegen der Titel eines Fachanwaltes erhalten blieb. Wenn man sich jetzt fragt, ob das Ganze nicht auch wesentlich einfacher – ohne der BGH – hätte erledigt werden können, kommt man relativ einfach zu der Frage, warum die Rechtsanwaltskammer die Zulassung des Widerrufs noch aufrecht erhalten hatte, nachdem der Kollege die Nachweise eingereicht hatte. Geht man dann noch weiter ins Detail, fragt man sich aber auch schon vorgelagert, warum es dem Kollegen trotz mehrfacher Aufforderung durch die Rechtsanwaltskammer nicht möglich gewesen ist, die von ihm erbetenen Nachweise der Rechtsanwaltskammer gegenüber zu (einigermaßen) rechtzeitig zu erbringen.
Lange Rede kurzer Sinn: ein unsinniger, aber lehrreiche Rechtsstreit.
Fazit: das dürften die Mandanten des Kollegen besser nicht wissen, und wir alle sollten hoffen, dass diese Anwaltskammer und allen anderen Anwaltskammern auch demnächst – nicht nur in solchen Fragen – deutlich souveräner und entspannter bleiben.
ws
Auch Richter sind „nur“ Menschen. Auch sie sind offenbar vor menschlichen Regungen ob der (von ihnen nur gesehenen oder wirklich vorliegenden) Uneinsichtigkeit der Verfahrensbeteiligten nicht gefeit. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass es Richter an Finanzgerichten gibt, die das bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit eines Verfahrens auch den Vertreter der Finanzbehörden spüren lassen, wenngleich sehr moderat. Wutausbrüche sind bei Richtern dagegen äußerst selten, besonders wenn es um Staatsanwälte geht. Interessant ist daher dieser Artikel aus dem Hamburger Abendblatt vom 14.02.2013, in dem es um die Beleidung des Generalstaatsanwalts durch einen Richter ging. Der Artikel in vollem Wortlaut:
„Kritiker werfen Generalstaatsanwalt Lutz von Selle schon lange mangelndes Augenmaß und Pedanterie vor (das Abendblatt berichtete). Mit einem Aufsehen erregenden Strafantrag leistet Hamburgs Chefankläger dieser auch in seiner Behörde verbreiteten Einschätzung weiter Vorschub. Die Staatsanwaltschaft klagte Richter Arno L. jetzt wegen Beleidigung an, berichtete die „Bild“-Zeitung. Ein Oberstaatsanwalt habe demnach bereits alle Zeugen vernommen, darunter auch einen 15 Jahre alten Praktikanten.
Die unschöne Bemerkung erreichte schließlich auch Generalstaatsanwalt Lutz von Selle. Obgleich sich der Richter zügig beim Staatsanwalt entschuldigt hatte und auch Behördenleiter Ewald Brandt von einer Strafverfolgung absehen wollte, beharrte nach Abendblatt-Informationen von Selle auf dem Verfahren. Das Verfahren könne eingestellt werden, wenn der Richter 250 Euro Geldbuße zahle, so das Angebot der Staatsanwaltschaft. Doch darauf ging Arno L. nicht ein. „Meine sicherlich unangemessene Äußerung in dem Beratungszimmer aus Verärgerung über das allgemeine Einstellungsverhalten der Staatsanwaltschaft Hamburg seit zwei bis drei Jahren war keinesfalls für die Öffentlichkeit bestimmt und sollte im Sitzungssaal gerade nicht gehört werden“, sagte der Amtsrichter dazu auf Anfrage dem Abendblatt. „Da die zugeworfene Zwischentür von mir unbemerkt wieder aufsprang, war die Bemerkung wohl leider zum Teil im Saal zu hören. Nachdem ich das erfahren hatte, habe ich mich gegenüber dem vermeintlich dadurch betroffenen Staatsanwalt sowie dem Behördenleiter Dr.Brandt für meine Unbeherrschtheit entschuldigt. Damit war die Sache aus meiner Sicht für alle Beteiligten erledigt. Ein strafwürdiges Unrecht habe ich mir nicht vorzuwerfen und die zweieinhalb Monate nach dem Vorfall erfolgte Strafantragstellung durch den Generalstaatsanwalt von Selle kann ich nicht nachvollziehen.„
Tanzen kann doch jeder! weit gefehlt, beschied das OLG am 29. Januar 2013 (I – 4 U 171/12) die beklagte Tanzschule und untersagte ihr die Werbung, die beim Besuch ihres Tanzunterrichts einen Lernerfolg garantierte. Das OLG hielt die Werbung für irreführend und damit unzulässig. Das LG Essen hatte noch für das „Tanzen mit Garantie“ entschieden. Das OLG Hamm sah das anders. Die Werbung sei auch für den heutigen, durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher irreführend und deshalb unlauter. Tatsächlich hängt, so jedenfalls das OLG, der Erfolg des Tanzunterrichts maßgeblich vom jeweiligen Schüler ab, so dass ein Lernerfolg nicht sicher eintreten müsse. Denn es gebe, so das OLG, immer wieder Menschen, die auch nach einem Tanzkurs nicht in der Lage seien, das formal Gelernte so anzuwenden, dass sich dieses als eine auch nur einigermaßen ästhetisch anmutende Bewegung darstelle.
Aus den Entscheidungen der beiden Gerichte war nicht zu entnehmen, ob die entscheidenden Richterinnen und Richter Tänzer sind und wenn ja, mit welchem Erfolg sie welche Tanzschule besucht haben. Auch war den Entscheidungen nicht zu entnehmen, ob es den Richtern gelingt, beim Tanzen eine solche Sohle auf’s Parkett zu legen, dass man von einer „auch nur einigermaßen ästhetisch anmutenden Bewegung“ sprechen könnte. Man könnte den Eindruck haben, dass die Richter des LG Essen mit den Tanzkursen bessere Erfahrungen gemacht haben als die des OLG Hamm.
ws
Das Urteil ist rechtskräftig.