Kategorien-Archiv Die Anwaltschaft

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Welche Zukunft haben gesetzliche Gebührenordnungen für Anwälte? wir glauben: keine; auch hier hilft nur Kanzleimanagement

Man kann es drehen und wenden wie man will, man kann es beweinen, man kann auch versuchen, es zu negieren: im Kern ist die Leistung des Anwalts, auch wenn dieser ein „Organ der Rechtspflege“ ist, eine Dienstleistung. Und die gibt es eben bei mehreren Anbietern. Die angebotene Leistung hat sicher einige Besonderheiten, weil Anwälte mit guten Gründen besonders strengen, auch strafrechtlichen, Regeln unterliegen. Diese Regeln sehen zu Recht schärfere Sanktionen als bei anderen Personen vor. Das aber alles hat nichts damit zu tun, wie die Vergütung des Anwalts bemessen werden sollte.

Das von den Kammern immer gerne als Schutz der „Kleinen“ gegen die „Großen“ angeführte RVG mit der Mischkalkulation (kleine Fälle mit viel Arbeit bringen wenig Geld, große Fälle mit wenig Arbeit bringen viel Geld) kann den ihm zugedachten Zweck schon lange nicht mehr erfüllen. Die Erfahrung zeigt, dass den Kleinen mehr und mehr nur die kleinen Fälle bleiben, währende die lukrativen Sachen zu den Großen oder zu den kleinen Spezialisten gehen.

Im Ernst, wie will man heute jemandem ernsthaft klarmachen, dass er eine Vergütung nicht nach der Leistung, sondern als „Gebühr“ nach einem Maßstab zahlen soll, der in den wenigsten Fällen die Leistung oder auch die Schwierigkeit der Sache abbildet. Das ist kein besonders innovativer Ansatz und das RVG fordert die Optimierer heraus. Es belohnt nicht die gründliche Arbeit, sondern den, der wenig Zeit braucht oder besser gesagt wenig Zeit aufwendet. Das mag auf den ersten Blick sinnvoll sein, auf den zweiten Blick erkennt man aber, dass weniger Zeit im Regelfall auch weniger Qualität bedeutet.

Eine gute Leistung kostet gutes Geld, das ist bei Anwälten nicht anders. Auch auch sie leben nicht auf der Insel der Seligen. Nur hat diese Erkenntnis noch längst nicht flächendeckend Einzug in die Kanzleien gehalten. Symptomatisch dafür ist eine Geschichte, die sich wirklich ereignet haben soll. In einem Rechtsstreit unter GmbH-Gesellschaftern kommentierte ein Anwalt eine Bilanz mit den Worten: „das sehe ich doch sofort, das diese Bilanz gefälscht ist. Da steht auf der Aktivseite doch genau die gleiche Zahl wie auf der Passivseite“.  Die Reaktion des Gerichts ist nicht überliefert. Sic tacuisses

Die gesetzlichen Gebührenordnungen haben keine Zukunft. Die Anwaltschaft wird ihren Kunden (etwas anderes sind Mandanten nicht) innovative Vergütungsmodelle anbieten müssen, um am Markt bestehen zu können. Die gute Leistung allein ist es nicht, die die Mandanten wiederkehren lässt.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Benehmen ist Gücksache II: wer im Glashaus sitzt, sollte sich mit Belehrungen zurückhalten; oder: wer zu starken Tönen neigt, der muss auch das Echo vertragen können

Wir werden wohl nie verstehen, warum viele Kollegen meinen, durch ihren aggressiven Ton beeindrucken zu müssen, oder besser gesagt, beeindrucken zu können. Ein bisschen Schauspiel ist ja ok, aber auch dabei sollte man bedenken, dass die Stärke des Ausdrucks die Schwäche der Argumente nicht ersetzen kann.

In einer Schadensersatzsache gegen einen Steuerberater vertritt ein Kollege eine namhafte Vermögensschadenhaftpflichtversicherung. Der Kollege ist forsch und nicht zimperlich, im Tonfall zeigt er eine deutliche Neigung zur Unsachlichkeit. Man merkt, er hat die große Versicherung im Hintergrund und ist stark (im Ausdruck). Unser Hinweis, er könne mit uns auch sachlich kommunizieren, hat bislang keine Änderung bewirkt. Auf unsere Frage, ob der Kollege nicht nur die Versicherung, sondern auch den in Anspruch Genommenen vertritt, erhielten wir die schriftliche Info, das sei nicht der Fall. Wir sollten mit diesem direkt kommunizieren.

Nur kurze Zeit später „herrscht“ der Kollege uns unter Hinweis auf das Berufsrecht an, Schriftwechsel nicht mit dem in Anspruch Genommenen, sondern nur mit ihm als dessen Anwalt zu führen.

Unsere Antwort war kurz: „wir kennen das Berufsrecht, und hätten auch gerne nur mit Ihnen kommuniziert; Sie  hingegen kennen offenbar Ihre eigenen Schreiben nicht ….“

Fazit: wer zu starken Tönen neigt, der muss auch das Echo vertragen können.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Kanzleimanagement: was ist das denn für ein Kram?

Wenn auch Sie mit dem Begriff Kanzleimanagement nichts anfangen können, sollte Ihnen das sehr zu denken geben. Dabei geht es nicht etwa um neumodischen Kram oder neudeutsche Wortschöpfungen, wenn es um „Controlling“ in der Kanzlei geht. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um Ihren Erfolg, Ihr Geld, und Ihre Existenzgrundlage. Ein optimales Kanzleimanagement sorgt dafür, dass Sie sich um das kümmern können, was Sie auszeichnet: eine hervorragende fachliche Arbeit. Die allein ist aber schon lange nicht mehr der Garant für Erfolg am Markt. Anwälte leben schon lange nicht mehr auf einer Insel der Seligen, auch wenn manche das immer noch meinen.

Auch oder gerade wenn Sie erfolgreich sind, ist das Thema ein Muss für Sie. Sagen Sie nicht, Sie haben dafür keine Zeit. Denn die Zeit, die ein schlechtes Kanzleimanagement Sie kostet, übersteigt die Zeit, die Sie in gutes Kanzleimanagement investieren, in kurzer Zeit um ein Vielfaches. Und wenn Sie sich meinen, sich angesichts Ihrer guten Zahlen den Luxus eines schlechten Kanzleimanagements leisten zu können, ist das auch eine Aussage, sicher aber keine rational begründbare, bei ein wenig selbstkritischer Betrachtung ganz sicher keine intelligente. Denn Sie kämen auch außerhalb Ihrer Kanzlei nicht auf die Idee, Geld einfach wegzuwerfen oder Ihre Zeit zu verschwenden.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Manchmal wünscht man sie sich doch: eine Norm, die Anwälten die weitere Vertetung im Prozess untersagt (wie § 62 Abs. 3 Satz 2 FGO)

In einem Rechtsstreit vor einem Landgericht in B. haben wir es auf der anderen Seite mit einem Kollegen zu tun, der nicht nur über etliche Seiten immer das gleiche schreibt. Vom Gericht an ihn gerichtete Auflagenbeschlüsse erfüllt er nicht; alles. Stattdessen schreibt er immer wieder das Gleiche, das zudem unsubstantiiert. Was er liefern soll, liefert er nicht. Stattdessen versucht er abstrusen Begründungen in viel Seiten umfassenden Schriftsätzen, die Beweislast auf die von uns vertetene Partei abzuwälzen. In der Sache geht  es u.a. um die Frage der Verwirkung von Testamentsvollstreckerhonorar. Obwohl schon das OLG den Kollegen in einem vorausgegangenen sehr deutlich darauf hingewiesen hatte, dass die Vergütung nicht nach RVG und auch nicht nach Zeitaufwand, sondern nach der Neuen Rheinischen Tabelle berechnet werden muss, begründet der Kollege immer wieder seine angeblichen Ansprüche unter Bezug auf Stundensätze. All das ist für die übrigen am Prozess beteiligten Personen schon mehr als  eine Zumutung.

Ich würde mir dann schon wünschen, dass es eine Norm gäbe, die solchen Kollegen die weitere Vertretung untersagt. In § 62 Abs. 3 Satz 2 FGO findet man eine solche Regelung für finanzgerichtliche Verfahren, auch wenn sie nicht für Rechtsanwält gilt: „Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.“ Zur Sicherung der fachlichen Qualität anwaltlicher Arbeit wäre das bestimmt ein guter Beitrag.

 

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

coole neue App für Rechtsanwälte schult gutes Benehmen; in der Vollversion wird die haarscharf an der Beleidigung vorbeigehende Formulierung vorgeschlagen

Wir hatten  an dieser Stelle bereits über die bei manchen Juristen anzutreffende Problematik mit dem Benehmen gesprochen. Die zuletzt zitierte Entscheidung des AGH in unserem Beitrag: „wenn Benehmen Gücksache ist,.…“  gibt dankenswerterweis eine sehr gute Richtschnur. Wir setzen diese Richtschnur jetzt für Sie praktisch um. Mit einem namhaften Sofwarehaus entwickeln wir eine App für Anwälte, die auch Ihnen den sichersten Weg zeigt. Wer bislang Probleme mit dem Benehmen hatte und kein Fettnäpfchen ausließ, dem kann geholfen werden. Die App kann jeder sofort intuitiv bedienen. Einfach die beabsichtigte Formulierung in die App eingeben, und schon beginnt die Prüfung. Grünes Licht bedeutet: die Formulierung ist bedenkenlos, rotes Licht bedeutet : die Formulierung ist nicht tragbar; zugleich wird aber die gerade noch korrekte Formulierung angezeigt (haarscharf an der Beleidigung vorbei). Bei gelbem Licht gilt: die Formulierung könnte zu Problemen führen. Für Mutige heißt das: trotzdem so schreiben, für alle anderen gilt: durch Druck auf die Taste „R“ wird eine neue unbedenkliche Formulierung vorgeschlagen, die gerade haarscharf an der Beleidigung vorbeigeht.

Die App gibt es in einer kostenlosen Version, die aber nur den grünen und den roten Button, den allerdings ohne die praktische Vorschlagsvariante, enthält. Die Vollversion kostet einmalig 7,92 €. Nach positivem Ablauf unserer internen Testphase wird die Produktion anlaufen. Lassen Sie sich schon jetzt bei Apple im Store vormerken.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

OLG Düsseldorf schafft mit jetzt veröffentlicher Entscheidung weitere Klarheit zum Zeithonorar für Anwälte (Stundensatz in der Entscheidung: 295 €)

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschl. vom 06. 10. 2011 (24 U 47/11, NJW 2012, 621) weitere Klarheit in die Landschaft der Zeithonorare gebracht. Dabei sind an die Abrechnung eines wirksam vereinbarten Zeithonorars regelmäßig die folgenden formellen Anforderungen zu stellen, um die Vergütung einforderbar zu machen:

  • Bezeichnung der Angelegenheit; bei mehreren gleichzeitig abgerechneten Angelegenheiten Auftrennung der Abrechnung nach jeder einzelnen Angelegenheit
  • Vorlage eines Leistungsverzeichnisses (time-sheet), das den jeweils abgerechneten Zeitaufwand einer bestimmten Tätigkeit zuordnet, die schlagwortartig zu bezeichnen ist
  • Berechnung des Zeithonorars (gesamter Zeitaufwand x Stundensatz = Zeithonorar)

Hinzu kommen die Berechnung der USt und, banal aber wichtig: die Unterschrift des Anwalts.

Zu den Anforderungen an das time sheet führt das OLG aus:

In den beigefügten Leistungsbeschreibungen hat die Kl. zeitlich geordnet die Bearbeitungszeiträume der einzelnen Sachbearbeiter aufgelistet und diese jeweils mit einer Tätigkeitsbeschreibung versehen. Diese Beschreibungen sind auch unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. insb. Senat, AGS 2006, 530) hinreichend konkret. Sie bezeichnen, soweit es sich um eine nach außen gerichtete Tätigkeit handelt, den jeweiligen Gesprächspartner und bei Schreiben den jeweiligen Adressaten. Des Weiteren genügen auch die Tätigkeitsbeschreibungen zu den von der Kl. für die Erstellung des Gutachtens vom 26. 9. 2008 abgerechneten 74,7 Stunden diesen Anforderungen. Insoweit ist die Angabe ausreichend, dass für einen Vermerk/ein Positionspapier zu „kartell- und beihilferechtlichen“ Fragen der Bekl. recherchiert und dieser/dieses entworfen wurde. Denn hierbei handelt es sich um im Wesentlichen interne Recherchearbeiten zu einem einzigen Komplex mit einer klar abgegrenzten Fragestellung, deren Beantwortung die Bekl. in Auftrag gegeben hatte. Im Rahmen der Leistungsbeschreibung durch den Rechtsanwalt ist insoweit die Angabe, zu welchem Sachverhaltsdetail oder zu welchem rechtlichen Aspekt des Auftrags er zu welcher Zeit recherchiert und welchen Teil des angefertigten Vermerks er jeweils gerade bearbeitet hat, nicht zu fordern. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt erheblich von demjenigen, der dem Senatsurteil vom 29. 6. 2006 (AGS 2006, 530) zu Grunde lag. Dort hatte der Rechtsanwalt mehrere Komplexe zu bearbeiten, in seinen Tätigkeitsbeschreibungen aber nicht ausreichend differenziert, in welcher Angelegenheit er tätig geworden war.“

Und zur Darlegung des Zeitaufwandes heißt es in dem Beschluss weiter:

Deshalb erfordert eine schlüssige Darlegung der geltend gemachten Stunden, dass über pauschale Angaben hinaus die während des abgerechneten Zeitintervalls getroffenen Maßnahmen konkret und in nachprüfbarer Weise dargelegt werden (BGHZ 184, BGHZ Band 184 Seite 209 = NJW 2010, NJW Jahr 2010 Seite 1364; OLG Düsseldorf, AGS 2006, 530). Insoweit ist z. B. etwa anzugeben, welche Akten und Schriftstücke einer Durchsicht unterzogen, welcher Schriftsatz vorbereitet oder verfasst wurde, zu welcher Rechts- oder Tatfrage welche Literaturrecherchen angestellt oder zu welchem Thema mit welchem Gesprächspartner wann eine fernmündliche Unterredung geführt wurde (BGHZ 184, BGHZ Band 184 Seite 209 = NJW 2010, NJW, Jahr 2010 Seite 1364).“

Pauschales Bestreiten des Beklagten genügte dem OLG  zu recht nicht, insbesondere, wenn es um Telefonate ging, die mit dem Beklagten geführt worden waren.

Quintessenz: zu empfehlen ist eine zeitnahe Zeitaufschreibung, am besten über ein entsprechendes EDV – System mit Stoppuhr, und die schlagwortartige Bezeichnung der Tätigkeit. Die Bezeichnung muss präzise und erschöpfend sein. Dann kann sie durchaus kurz gehalten sein. Den Kolleginnen / Kollegen, die es noch nicht machen, ist zu empfehlen, den Mandanten während der Bearbeitung des Mandates zu unterrichten.

Auch die Kollegen, die nach RVG abrechnen, sollten ihre Zeiten aufschreiben. Ohne Zeiterfassung ist eine Nachkalkulation und eine Steuerung des Kanzlei unmöglich. Die Zeiterfassung muss für eine sinnvolle Kanzleiführung alle Zeiten erfassen, also auch die nicht berechenbaren.

 

 

 

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Der Streit um des Kaisers Bart – das Ringen um die Formulierungen – weit verbreitet, auch wenn es bei genauem Hinsehen nicht darauf ankommt

Dass Juristen als Personen gelten, die keine Probleme lösen, sondern entweder a) welche schaffen, wo es bislang keine gab, oder b) den bereits vorhandenen weitere hinzufügen, ist nicht nur eine weit verbreitete Meinung. Wir konnten das vor kurzem live erleben, wobei auch wir uns nicht davon freisprechen möchten, dass wir uns „vergaloppieren“ können. Was war passiert? Über einen längeren Zeitraum dauernde Verhandlungen über eine außergerichtliche Einigung zwischen vier Parteien neigten sich aufgrund einer gesetzten deadline dem Ende zu. Die Vereinbarung stand. Leider hatte einer der Kollegen in guter Absicht kurz vor Schluss noch gemeint, eine aufschiebende Bedingung einfügen zu müssen. Da diese so keinen Sinn machte, man aber davon ausging, dass der Kollege sie unbedingt haben wollte, wurde sie geändert. Ein weiterer Kollege beschwerte sich darauf wegen der geänderten  Klausel bei mir und kündigte an, den deal platzen zu lassen. Ausführlich erläuterte er mit, wie unsinnig die Fassung der Klausel sei und wie man sie fassen müsse. Nachdem ich dem Kollegen gesagt hatte, dass die Klausel nicht von mir stammte und sich der – fachlich sehr gute – Kollege beruhigt hatte, gelang es mir, mit ihm über die Sache zu sprechen (was wollen Sie, wo ist die Lösung?). Mit dem Vorschlag schließlich, die aufschiebende Bedingung nicht noch weiter zu ändern, sondern einfach herauszunehmen, waren dann alle einverstanden und die Vereinbarung war geschlossen.  Wären nicht alle so vernünftig gewesen, wir würden uns noch heute über die Fassung der Bedingung unterhalten.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

„Wenn Benehmen Glücksache ist, dann sind Sie von einer permanenten Pechsträhne verfolgt“ – Wie weit dürfen Anwälte gehen?

Gutes Benehmen ist nicht jedermanns Sache. Größeren Erfolg wird man mit schlechtem Benehmen aber sicher nicht haben. Wie weit aber dürfen Anwälte im Kampf ums Recht gehen? Der Anwaltsgerichtshof (AGH 15/11 (1 7) ist da recht großzügig. Eine Gerichtsvollzieherin schrieb einem Kollegen, er vertrete „rechtsirrige Ansichten„. Der so Getadelte ließ das nicht auf sich sitzen, sondern keilte daraufhin aus. Die Gerichtsvollzieherin solle die Bewertung doch Personen überlassen, „die über die gebotene Sachkunde“ verfügten. Da sie „nicht einmal das Abitur“ habe, seien Ihre Äußerungen gegenüber dem Anwalt als Studiertem „anmaßend„.

Die Kammer erteilte dem Kollegen eine missbilligende Belehrung. Der Anwaltsgerichtshof sah das anders und gab dem Kollegen recht. Er entschied, dass der Anwalt das aus  § 43 a Abs 5 BRAO resultierende Gebot der Sachlichkeit nicht verletzt habe. Der Anwalt habe lediglich eine polemische und überspitzte Kritik geübt. Das aber sei kein Verstoß gegen eine berufsrechtliche Verbots – oder Verhaltensnorm. Der Anwalt darf also weiterhin im Kampf um das Recht auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte verwenden. Er darf nur die Grenze zur Beleidigung nicht überschreiten.

 

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Hochmut kommt vor dem Fall – über rechtlich grobmotorische Kollegen, die sich auf ihre vermeintliche Kenntnis im Pferderecht ganz zu Unrecht etwas einbilden (von Recht aber keinen „Plan“ haben)

Das Pferderecht gibt es als Rechtsgebiet gar nicht. Es gehört zum Schuldrecht BT, Kaufrecht. Geschickt wird es aber von einer relativ kleinen Gruppe als solches vermarktet. Auffallend ist, dass dieses Gebiet häufig von Kollegen (m/w) „beackert“ wird, die (vielleicht) reiten und mit Pferden umgehen können, die aber nur über einen, sagen wir es einmal freundlich, nur sehr grobmotorischen Zugang zum Recht verfügen. Sie sind es offenbar gewohnt, sich mehr mit der Lautstärke ihrer Stimme als mit der (fehlenden) Überzeugungskraft der Argumente durchzusetzen, frei nach dem Motto „besser stark behaupten als schwach begründen„. Dass diese Spezies nicht von der Beratung und davon, den Mandanten eine wirtschaftlich sinnvolle Einigung ohne einen langwierigen Rechtsstreit mit erheblichem Risiko zu empfehlen, sondern vom Streit lebt, verwundert nicht. Geht die 1. Instanz verloren, so what ? schnell ist erklärt, dass der Richter doof ist (denn der / die hat ja von Pferderecht keine Ahnung!). Und in der 2. kann man noch höhere Gebühren verdienen. Man kennt den Fall ja bestens; also mehr Geld für weniger Arbeit, die Gebührenordnung, Sie verstehen schon. Einem vor dem Berufungsgericht erfahrenen Kollegen die Sache zu geben oder mit ihm zusammenarbeiten ? um Gottes willen ! sind Sie wahnsinnig ? es geht doch nicht um den Mandanten, es geht um das eigenen Portemonnaie. Und der Kollege könnte die eigenen Fehler aufdecken!

Und dazu noch diese Reputation; auch das Aufplustern ist dieser  Spezies offenbar in die Wiege gelegt und gehört zum selbstverständlichen Erscheinungsbild. Die (vermeintlich) sichere Erkenntnis, einem kleinen Zirkel anzugehören, der Widerworte („bei der Reputation„) als Majestätsbeleidigung empfinden darf und muss, führt zu einer vollkommenen Selbstüberschätzung. Aber ernsthaft, kann man einen Kollegen noch für voll nehmen, der nach einem vom Tierazt handfest diagnostizierten  Mangel allen Ernstes (ohne jede Begründung) behauptet, sein Mandant stehe als Verkäufer (Unternehmer) für diesen Mangel auch in den ersten 6 Monaten nicht ein. Da hat man den Eindruck,  dass (neben anderen Dingen wie Höflichkeit und Umgangsformen) die Schuldrechtsreform an dem Kollegen vorbeigegangen ist. Ach ja, auch das hätte ich fest vergessen: wenn man schon den eigenen Mandanten nicht zu einem Rechtsstreit bringen kann, dann muss man eben den anderen zum Rechtsstreit prvozieren und es geht das gleiche Spiel los wie oben (Bingo!!) Auch das passt zu einer Spezies, die in einer anderen Welt lebt, offenbar auch in einer „Pferderechtswelt“, in der man an ein anderes Recht glaubt als an das, was wirklich gilt. Es wird Zeit, auch in diesem Bereich alte Zöpfe abzuschneiden: adelante !!

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Der Anwalt als Vollstreckungsschuldner – merkwürdiges Sonderrecht für Anwälte durch das LG Bückeburg geschaffen

Ein früher als Testamentsvollstrecker tätiger Rechtsanwalt wurde vor fast 2 Jahren rechtskräftig zur Zahlung von rd. 55 TEUR an unsere Mandantin verurteilt. Diese Summe hatte er, wie zwei Instanzen feststellten, dem von ihm verwalteten Nachlass rechtswidrig entnommen. Der Kollege hat die Summe bis heute nicht gezahlt. ER hat sich auch nicht um Ratenzahlung bemüht. Wir mussten daher vollstrecken. Im Rahmen der Vollstreckung trug der Kollege vor, er sei unpfändbar und verfüge über kein Vermögen, ohne das zu belegen. Erstaunlicherweise hat der Kollege noch immer die Zulassung als Anwalt. Gegen die Abgabe der e.V. setzte sich der Kollege gerichtlich zur Wehr. Das Amtsgericht gab dem Rechtsmittel nicht statt. Es hielt den Vortrag des Kollegen im Vollstreckungsverfahren für unbeachtlich. Das darauf mit der Sache befasste Landgericht Bückeburg entschied – nach fast sechs Monaten, mehreren Erinnerungen und nicht gehaltenen Zusagen zu entscheiden – per einstweiliger Verfügung. Es gibt dem Kollegen, und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, Gelegenheit, die von ihm geforderten Angaben für eine e.V. nach ZPO vor einem Notar abzugeben. Der Inhalt der Erklärung muss aber der e.V. nach der ZPO entsprechen. Begründung des Gerichts: gibt der Kollege die e.V. nach ZPO  ab, ist er die Zulassung als Anwalt zwingend los, die Abgabe der e.V. vor einem Notar habe das dagegen nicht unbedingt zur Folge, diese Variante sei daher das mildere Mittel. Außerdem wies das Gericht darauf hin, dass der Kollege sich einer Gegenforderung berühme, was auch zu beachten sei.

Wir waren nach Erhalt der Entscheidung nicht nur erstaunt, wir waren für einen kurzen Augenblick sprachlos. Da es ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung nicht gibt, haben wir, vergeblich, zwei Gegenvorstellungen bei dem Landgericht eingereicht. Wir wiesen darauf hin, dass die Frage des Bestehens von Gegenforderungen im Vollstreckungsverfahren nicht geprüft werde. Das ist bekanntlich Sache eines Erkenntnisverfahrens. Wir wiesen weiter darauf hin, dass die Abgabe der e.V. den Schuldner zur Offenlegung seiner Vermögensverhältnisse anhalten soll. Die einfache Behauptung, „man habe nichts“, ist ja strafrechtlich bewehrt, zu versichern. Weitere unangenehme Konsequenz ist der Eintrag in das Schuldnerverzeichnis. Und selbst wenn der Kollege die e.V. in der Form nach ZPO vor einem Notar abgäbe, dann hätte die Anwaltskammer auch keine andere Wahl, als dem Kollegen die Zulassung zu entziehen.

Das Landgericht blieb aber bei seiner Auffassung. Ob für die Haltung des Landgerichts unser wiederholtes Erinnern im Interesse der Mandantin an eine Entscheidung ursächlich war, wissen wir nicht. Wir warten jetzt ab, wie die notariell beurkundete Erklärung aussehen wird. Ein Trost: unsere Mandantin wurde jedenfalls nicht verpflichtet, die Notarkosten zu zahlen. Der Kollege hat in der Zwischenzeit seine angebliche Forderung per Widerklage geltend gemacht. Da er für dieses Verfahren keinen Kostenvorschuss einzahlen musste, machte es ihm auch nichts aus, die Forderung mit großer Fantasie, wenn auch wenig Substanz, in die Höhe zu treiben.

Wenn man nicht gute Nerven hätte, könnte man den Glauben an das Rechtssystem verlieren: unsere Mandantin hat durch das rechtswidrige Verhalten des Kollegen, dass den Tatbestand der Untreue erfüllen dürfte, einen erheblichen Vermögensverlust erlitten. Der Kollege ist mit klaren Worten rechtskräftig verurteilt worden, den Betrag von rd. 55 TEUR samt Zinsen an unsere Mandntin zu zahlen. Es ist Geld, das er rechtswidrig dem Nachlass entnommen hatte. Die Rechtsordnung schützt jetzt aber nicht etwa unsere Mandantin, sondern, unfassbar, den Kollegen, der das Geld dem Nachlass rechtswidrig entnommen hatte, und schont ihn obendrein. Dass man auf diese Art und Weise in wenig sinnvoller Weise Wasser auf die Mühlen von Kollegen gießt, die dem Ansehen der gesamten Anwaltschaft extrem schaden, liegt auf der Hand.  Wir hätten uns gewünscht, wenn das Vollstreckungsgericht ebenso wie das OLG im Erkenntnisverfahren, deutliche Worte für den Kollegen gefunden hätte. Schade…