Kategorien-Archiv Die Anwaltschaft

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Sind ehemalige Richter die besseren Rechtsanwälte? Zugleich ein Beitrag zu Marketingstrategien (Tätigkeitsverbot für Gerichtsdirektor a.D.)

Es kommt vor, dass Richter im Ruhestand ihr Glück als Anwalt versuchen. Auch wenn Marketingstrategien überwiegend bei Großkanzleien ein Thema sind, fällt auf, dass so mancher Rechtsanwalt (Rechtsanwältinnen habe ich noch nicht gesehen) neben dem Rechtsanwaltstitel die Bezeichnung „Richter a.D.“ verwendet. Mich hat schon früher die Größe von Kanzleien, die Farbe von Briefbögen oder die mehr oder weniger kreativen Einfälle von Kolleginnen oder Kollegen nicht dazu hinreißen können, die Kammer zu verständigen. Auch wenn die Anwälte Organe der Rechtspflege sind, so sind sie doch auch Dienstleister. Der Markt und die Mandanten entscheiden also über Erfolg oder Misserfolg. Die Strategie, sich Vorteile gegenüber dem Wettbewerb dadurch zu verschaffen (zu versuchen), dass man dem Wettbewerb ein großes Kanzleischild untersagen lässt, hat mir noch nie eingeleuchtet. Ich halte es für sinnvoller, die Energie zu investieren, um selbst besser zu werden und nicht, um andere schlecht zu machen.

Interessant in diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung des VG Saarlouis vom 16. Juli 2012 (2 L 419/12). Ein bis Ende 2011 tätiger Richter versuchte sich als Rechtsanwalt. Der neue Kollege war bis zu seiner Pensionierung bis zuletzt als Direktor am Arbeitsgericht tätig. Die für ihn zuständige Dienstbehörde untersagte ihm aber, bis Ende 2014 bei dem Arbeitsgericht als Rechtsanwalt aufzutreten, bei dem er seit 1997 tätig war.

Das wollte der Kollege Gerichtsdirektor a.D. so nicht stehen lassen und zog vor das VG.

Das VG meint, Richter und sonstige Mitarbeiter des Gerichts könnten gegenüber dem ehemaligen Gerichtsdirektor in einen Loyalitätskonflikt geraten. Es sah außerdem das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität gefährdet.

Ich möchte diese Entscheidung hier nicht weiter kommentieren. Ich habe aber Zweifel, ob die Marketingstrategie des neuen Kollegen am Markt besteht. Aus Gesprächen mit Richtern wissen wir, dass Richter Auftritte früherer Kollegen als Rechtsanwälte besonders kritisch begleiten. Den von den neuen Kollegen Richter a.D. erhofften „Bonus“ gibt es nach unserer Einschätzung nicht. Im Gegenteil: Wenn die neuen Kollegen Richter a.D. sich in der neuen Rolle ein wenig schwer tun, liegt es schon rein menschlich auf der Hand, dass sie noch viel eher zur Zielscheibe von Häme und Spott der ehemaligen Kollegen werden, als dies Anwälten passiert, die keine Richterkarriere hinter sich haben.

Ob der Zusatz „Richter a.D.“ für Mandanten nicht eher das Gegenteil von dem Gewünschten, nämlich eine Abschreckung, bewirkten, sei hier nur als Frage in den Raum gestellt. Denn eine anwaltliche Tätigkeit nach Ausscheiden aus dem aktiven Dienst hat ein wenig das Odium, dass der Rechtsanwalt entweder nichts Besseres zu tun hat, oder schlimmer noch, es womöglich noch nötig hat, zu arbeiten. Ob Mandanten einem „Feierabend – Rechtsanwalt“ Großes zutrauen, dürfte auch fraglich sein.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Videokonferenz mit dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg; es geht doch – zugleich ein Lob an die Finanzverwaltung

Beharrlichkeit führt also doch zum Ziel. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg, mit Sitz in Cottbus, wollte zunächst nicht per Videokonferenz mündlich verhandeln. Grund: man wolle sich von den Beteiligten einen persönlichen Eindruck verschaffen. Verständlich war das schon, war doch ein Beteiligter ein bekannter (frührerer) Vorstandsvorsitzender einer weltweit agierenden AG. Der Haken an der Sache: weder er noch die Zeugen waren geladen. Die Vorsitzende hatte ein in einem mit ihr geführten Telefonat ein Einsehen und so konnte der auf 09:30 angesetzte Termin (bei einer ansonsten notwendigen Anfahrt von rd. 450 km) pünktlich beginnen.Für diejenigen, die noch nie per Videokonferenz verhandelt haben: es ist wirklich kein Unterschied, ob man sich real gegenübersitzt oder per Videokonferenz kommuniziert. Kurios indes: Richterbank und beklagtes Finanzamt machten sich mit dem aus dem TV bekannten „Winken“ bemerkbar, obwohl eine einfache Nachfrage („Bild und Ton ok?“) gereicht hätte.  Videokonferenz ist also immer noch ein bißchen wie „Apollo 11„.

Ein großes Lob gebührt der Finanzverwaltung in NRW, die die Anlage freundlicherweise zur Verfügung stellte (sie aber erstaunlicherweise für eigene Zwecke nur selten nutzt).

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Dewey & Le Boeuf – Insolvenz schafft Transparenz – Vergütungen der deutschen Partner lassen sich für 2011 und 2012 grob in gewisser Bandbreite berechnen –

Nach Presseberichten zahlen die deutschen Partner der in Insolvenz geratenen Kanzlei Dewey & Le Boeuf jeweils bis zu 180.000 $ an den Insolvenzverwalter. Nach der NJW Heft 38/2012, NJW – aktuell, Bl. 10, fordert der Insolvenzverwalter, dass je nach Einkommenshöhe zwischen 10% und 30 % der Vergütungen aus den Jahren 2011 und 2012 zurückgezahlt werden müssen. Unterstellen wir einmal, dass wir das Jahr 2012 mit acht Monaten rechnen, weil es noch nicht abgelaufen ist, dann lassen die in der NJW enthaltenen Informationen den Rückschluss auf folgende Einkommenshöhen zu:

Bei 20 Monaten und einer Rückzahlung von 180.000 $ und der Annahme, dass dieser Betrag 10 % der Vergütungen für den Zeitraum darstellt, wären 100 % 1,8 Millionen $. Bei 30 % wären das für 20 Monate  600.000 $.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

EGVP und Videokonferenz: Gute Ideen werden in der Justiz nicht umgesetzt: Die entwaffnende Antwort der Präsidentin eines Landgerichtes dazu

EGVP und Videokonferenz: Diese Zukunft gibt es im deutschen Recht schon lange. Während andere noch Schriftsätze mit beglaubigten und einfachen Abschriften und vielerlei Anlagen mühsam erstellen und per Post versenden, brauchen wir das in der Bundesrepublik Deutschland nicht: Wir verschicken bequem und sicher mit Signaturkarte per EGVP. Das erspart das lästige Erstellen der Kopien und ermöglicht es der Justiz, Akten online zu führen und einfach den übrigen Beteiligten zuzustellen. Eine geradezu unglaubliche Arbeits- und Kostenersparnis, die sich angesichts der leeren Kassen geradezu aufdrängt.

Ebenso die Videokonferenz: Wer zu einem 500 km entfernten Landgerichtstermin um 9:30 Uhr geladen wird, muss keine Umladung mehr beantragen. Er setzt sich entspannt in sein Büro und nimmt per Videokonferenz an der mündlichen Verhandlung teil. Dazu braucht er mittlerweile nicht einmal mehr eine teure Videokonferenzanlage. Verschiedene Anbieter, u.a. die Telekom, bieten einen Service auf Abruf. Dazu braucht man für eine sehr gute Qualität nur ein Notebook, eine Kamera und einen Beamer. All das spart Zeit, Geld, und schont zudem die Umwelt. Millionen von Kilometern müssen nicht mehr mit dem PKW absolviert werden.

So könnte und so müsste es sein, gerade angesichts der leeren Kassen unseres Staates. Wie aber sieht die Realität aus? Ganz anders. Wir haben daher die Probe aufs Exempel gemacht und einmal die Präsidentin eines Landgerichtes, nennen wir es einmal, B., angeschrieben. Wir haben dort gebeten, sich dafür einzusetzen, dass EGVP und Videokonferenz auch bei diesem Landgericht eingeführt werden. Die Antwort ist ernüchternd. Wir geben sie im Wortlaut wieder:

„Ich teile die Ansicht, dass der Elektronische Rechtsverkehr in vielen Bereichen der Justiz zu einer Beschleunigung oder jedenfalls zu einer Effizienzsteigerung der Bearbeitung führen kann und sicherlich den Zugang zu Gerichten und Behörden vereinfacht. Gleichwohl ist in Niedersachen das „Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach“ zumindest in der ordentlichen Gerichtsbarkeit bisher lediglich für einige wenige Verfahrensarten eingerichtet und wird zur Zeit im Wesentlichen im Bereich der Insolvenzverfahren und der Registerverfahren genutzt. Dies ist auch im Landgerichtsbezirk B. der Fall. Eine Ausweitung des EGVP auf andere Verfahrensarten, insbesondere die Nutzung in Zivilverfahren, ist derzeit nach meinem Kenntnisstand landesweit noch nicht umgesetzt. Eine Nutzung des EGVP für Zivilverfahren im Landgerichtsbezirk B. ist daher derzeit nicht möglich.

Ebenso muss ich Ihnen mitteilen, dass es zur Zeit keine Möglichkeiten gibt, bei dem Landgericht B. in einem Zivilverfahren per Videokonferenz an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Gleichwohl halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass Videokonferenzen in Zukunft einmal Realität in einem Zivilverfahren sein können. Die technischen und rechtlichen Möglichkeiten sind jedoch derzeit noch nicht geschaffen.“

Unsere Hoffnung, dass die Präsidentin sich für EGVP und Videokonferenz stark macht, dürfte sich damit erledigt haben.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Auffassung eines Steuerberaters aus Österreich zum Thema Kanzleiwachstum (zu NJW 2012, Seite 14)

Steuerberater Stefan Lami nimmt in der NJW 2012 auf Seite 14 zu dem Thema Kanzleiwachstum – Fluch oder Segen? Stellung. Die Stellungnahme ist für den Anwalt interessant. Lami arbeitet sehr schön heraus, dass nicht Größe, sondern Stärke zählt. Nach Lami entsteht ein starkes Unternehmen insbesondere durch

–          eine hohe Produktivität

–          ein ordentliches Maß an Innovationen

–          eine ausgeprägte Marktstellung

–          ausgezeichnete Managementfähigkeiten.

Zu Recht weist Lami darauf hin, dass Wachstum, das nicht durch einen dieser Faktoren erzielt wird, ungesund ist. Als Beispiel für ungesundes Wachstum nennt Lami etwa die Senkung der Preise oder den Zukauf von Marktanteilen.

Auch wenn wir in einigen Punkten mit Lami nicht übereinstimmen, so hat Lami im Ergebnis doch Recht, dass Wachstum die einzige Option ist, um dauerhaft im Wettbewerb zu bestehen. Wir sind gespannt, wie die Anwaltschaft auf diese Herausforderungen reagiert. Wir haben den Eindruck, dass der deutsche Anwaltverein dieses Thema bereits erkannt hat und für seine Mitglieder „vordenkt“.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Ein Anwalt ohne Krawatte ist kein Anwalt (es sei denn, er trägt eine Fliege); und was tragen die Anwältinnen (nicht)? Nachtrag zur Gleichberechtigung

Am 30. August 2012 hatten wir in unserem Blogbeitrag berichtet, dass auch das Bundesverfassungsgericht der Auffassung ist, dass Rechtsanwälte vor Gericht bitte einen Land- oder Querbinder („Fliege“) zu tragen haben. In unserem Beitrag ein wenig zu kurz gekommen ist allerdings der Aspekt der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen. Dabei erstaunt zunächst, dass Verfasserin des Beitrags im Magazin August 2012 der Bundesrechtsanwaltskammer auf Blatt 6 nicht ein Mann, den die Entscheidung jedenfalls als Rechtsanwalt brennend interessieren müsste, sondern eine Frau, Frau Rechtsanwältin Wilke, ist.

Leider hat die Kollegin in Ihrem Beitrag nicht erörtert, ob das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau verstößt.

Ich habe jedenfalls vor Gericht noch keine Anwaltskollegin erlebt, die dort, wie für Anwälte jetzt ja verfassungsgerichtlich bestätigt, mit einem für Männer zwingend vorgeschriebenen Langbinder erschienen wäre. Das würde (für mich) auch etwas lächerlich wirken. Und Querbinder („Fliegen“) sind bei den Kolleginnen vermutlich vermutlich noch viel seltener anzutreffen. Fliegen bei weiblichen Wesen sind Männern wohl auch eher im Zusammenhang mit deutlich knapperer Bekleidung und „Häschenohren“ geläufig.

Festzuhalten jedenfalls bleibt: Für Rechtsanwältinnen ist uns eine bestimmte Kleiderordnung nicht bekannt. Es sind keine Rocklängen in absoluten Maßen noch in Relation des Abstandes des Rocksaumes zu den Knien kodifiziert. Auch Vorschriften zu Form und Gestaltung von Krägen (oder gar ohne), Ärmeln (oder gar ohne), Halstüchern, Ohrsteckern, Haarlänge oder gar Haarfarbe, oder Heftigkeit oder Grellheit der aufgetragenen Farbe im Gesicht, bekannt. Es sind auch keine Beispiele von Kolleginnen bekannt, die einmal die „Grenzen des Erlaubten“ bei dem Weglassen von Kleidungsstücken getestet hätten (damit wir uns nicht falsch verstehen: das Pendant bei den Männern wäre der Lang – oder Querbinder).

Hier gibt es also ganz offensichtlich noch ein mit Phantasie auszufüllendes Betätigungsfeld für die Bundesrechtsanwaltskammer. Wir wünschen bei der Ausarbeitung viel Erfolg und stehen beratend gerne zur Verfügung.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Ein Anwalt ohne Krawatte ist kein Anwalt (es sei denn, er trägt eine Fliege); zugleich ein Beitrag zur Gleichberechtigung

Frau Rechtsanwältin Katja Wilke berichtet im Magazin August 2012 der Bundesrechtsanwaltskammer auf Blatt 6 über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, dass ein Anwalt vor Gericht die Krawatte zu tragen habe. Was war passiert? Ein Strafverteidiger hatte in einer Hauptverhandlung vor der Strafkammer in Bayern nur seine Robe und ein weißes Hemd, nicht aber einen Lang- oder Querbinder getragen. Nach vergeblicher Aufforderung durch den Vorsitzenden der Strafkammer schloss der Vorsitzende den Rechtsanwalt aus. Die von dem Anwalt bei dem OLG München erhobene Beschwerde wies das OLG zurück. Das von dem krawattenlosen Kollegen angerufene Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde (1 BVR 210/12) nicht zur Entscheidung an.

Interessant in diesem Zusammenhang der Ratschlag der Kollegin Katja Wilke an der zitierten Stelle:

„Auch wenn sich in dieser Hinsicht in den letzten Jahren viel getan hat – die Kunst des Weglassens ist in der Justiz grundsätzlich noch immer wenig gefragt. Und mittlerweile ist das Thema im Grunde auch vor Gericht durchgekaut. Die Krawattengegner unter den Anwälten könnten es ja mal anders herum probieren: Nicht nachlässig, sondern overdressed auftreten. Zum Beispiel mit weißer Lockenperücke und Hermelinbesatz an der Robe. Die endlos dahindümpelnde Debatte um das würdevolle Auftreten vor Gericht könnte dann allein schon durch die mediale Aufmerksamkeit neu belebt werden.“

Der Kollegin Wilke ist uneingeschränkt Recht zu geben. Im Übrigen einmal Spaß beiseite: Das Gericht und auch die dort auftretenden Rechtsanwälte sollten sich darauf besinnen, dass sie als „Autoritäten“ wahrgenommen werden wollen. Von einer Autorität ist es nicht zu viel verlangt, angemessen gekleidet vor Gericht zu erscheinen.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Das Honorar des Anwalts – Lohn der Angst oder faires Entgelt? Betrachtungen über ein schwieriges Gebiet

Die Vergütung der Anwälte ist einfach. Alles steht im RVG, es gibt also eine gesetzliche Gebührenordnung. Die mag auch für das klassische Bild des Anwalts geeignet sein, der nahe der Amts – und Landgerichte seinen Kanzleisitz hat, dort über Postfächer verfügt und dessen Arbeit im Wesentlichen daraus besteht, die Interessen seiner Mandanten vor Gerichten zu vertreten (böse Zungen behaupten: vor Gericht zu bringen).

Die Zeit haben sich gewandelt. Auch wenn die Anwälte vielfach noch weiter hinter dem zurückbleiben, was technisch – sinnvoll – machbar ist, die Arbeit in Kanzleien hat sich dennoch stark verändert. Der Verweis auf eine Gebührenordnung überzeugt heute nicht mehr. Mandanten sind Kunden. Sie wünschen keine Belehrung, sondern eine Beratung. Sie möchten nicht einfach klagen und vertrauen nicht blind. Sie möchten verstehen, wo die Chancen, aber auch die Risiken eines Streits liegen. Prozesse werden mehr und mehr als ultima ratio gesehen, von Anwälten werden intelligente Lösungen verlangt. Behördendeutsch un Juristensprache sind heute kein Zeichen von Intelligenz, sondern der Beweis für die Unfähigkeit, (komplexe) Vorgänge Mandanten verständlich zu erläutern.

Die anwaltliche Dienstleistung wird so immer mehr zur austauschbaren Ware. Wer sich beraten lassen will, macht sich erst im internet schlau und geht so „vorgebildet“ zum Anwalt. Und dann geht es nicht nur um das Mandat, sondern auch ums Geld.

Bei einfachen Sachen kann man das Honorar einfach schätzen, was aber ist in den Beratungsfällen, die sich dynamisch entwickeln? Wer kennt die Situation nicht, dass der vom Mandanten geschilderte Sachverhalt sich auf einmal als deutlich komplexer entpuppt und einen ungeahnten Aufwand verursacht? Honorarschätzungen sind heute ein „Muss“ für jede Beratungspraxis. Aber Vorsicht: jede Schätzung sollte eine Öffnungsklausel enthalten für den Fall, dass die Sache ganz anders aussieht oder der Mandant weitere Wünsche hat, die weiteren Aufwand verursachen.

Und wenn ein budget überschritten ist? Dann hat man schon den ersten Fehler gemacht, dem Mandanten das zu spät zu sagen. Viel besser ist es, den Mandanten anzusprechen, wenn 2/3 des budgets „weg“ sind. Hier ist Offenheit das Gebot der Stunde. Niemand ist beglückt darüber, nach getaner Arbeit eine um 300% über der Schätzung liegende Rechnung zu erhalten.

Merke: Geiz ist auch im Verhältnis zu Beratern geil. Kunden wie auch Mandanten haben ein extrem gutes Gedächtnis für einmal geäußerte Zahlen, was die Höhe des Honorars angeht.

Es wäre bei allen verständlichen Argumenten gegen Erfolgshonorare besser, dieses Vergütungsmodell in Deutschland zuzulassen. Dieses Modell ist zum einen ein wirksames Instrument, um Anwälte davon abzuhalten, Mandanten in Prozesse zu treiben.  Zum anderen gibt dieses Modell dem Anwalt einen Anreiz, sich für den Mandanten so einzusetzen, wie er es erwarten darf. Das Modell des RVG versagt hier kläglich. Denn betriebswirtschaftlich wird jedes Mandat bei Überschreiten bestimmter Zeiten für den Berater uninteressant und der Reiz, die Sache nicht mehr vernünftig zu betreiben oder zu irgendeinem Abschluss zu bringen, und sei er noch so unsinnig, wird umso größer, je länger das Mandat dauert.

Ach ja, was ist ein faires Entgelt für die anwaltliche Leistung? Was dem (guten) Anwalt wie  selbstverständlich „von der Hand“ geht, ist für den Mandanten etwas, was er nie selbst geschafft hätte.  Ebenso verblüffend ist es, wenn ein geschickter Anwalt als Verhandler in der Lage ist, für den Mandanten in wenigen Stunden einen hervorragenden Vergleich abzuschließen, den andere in dieser Form nicht geschlossen hätten. Die in eine Sache investierte Zeit ist daher nicht immer der Gradmesser, sie ist aber ein transparenter Gradmesser.  Das faire Entgelt für den Anwalt ist das Ergebnis einer Einigung mit dem Mandanten. Es bleibt daher dabei: es bedarf insbesondere in diesem Bereich einer offenen Kommunikation.

Ein Wort zu den Stundensätzen: die von dem Anwalt eingesetzte Zeit ist der Verkauf von know-how. Stundensätze von 300,00 € und mehr erschrecken, aber nur auf den ersten Blick. Denn der Stundensatz kann keineswegs mit einem Bruttogehalt verglichen werden. Das Produkt aus Stunden x Stundensatz ergibt nur den Umsatz. Davon sind alle betrieblichen Kosten für Büro, Personal, EDV, usw. zu zahlen. Außerdem hat der freiberufliche Anwalt keinen Arbeitgeber, der einen Arbeitgeberanteil (steuerfrei!!) übernimmt. Das muss er alles aus dem Stundensatz zahlen, und das auch teilweise noch nach Steuern. Nicht zu übersehen ist zudem das Risiko, das der Anwalt trägt. Alles zusammengenommen relativiert diese Betrachtung auch höhe Stundensätze. Diese sind solange in Ordnung, solange ein Verkauf von know-how erfolgt.

Wir meinen, dass das Wort „Honorar“ als Begriff für die Vergütung des Anwalts zwar gut klingt, das Wort „Gage“ würde es aber in vielen Fällen besser treffen.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

„was erlaube Strunz“ – die DAV – Depesche Nr. 33/2012 zum elektronischen Rechtsverkehr

So klang es in der legendären Pressekonferenz von Trappatoni. Ton und Film darüber gehören schon längst zum deutschen Kultgut. Am liebsten möchte man als Anwalt diesen Satz dem DAV entgegenschleudern, wenn man die Mitteilung in der DAV Depesche Nr. 33/2012 vom 16. August 2012 zum elektronischen Rechtsverkehr liest. Hier der Text dazu in der Depesche im vollen Wortlaut:

3. Save the date – DAV-Forum zum elektronischen Rechtsverkehr am 8. November 2012 in Berlin

Für alle Anwältinnen und Anwälte in Deutschland wird ein elektronisches Postfach eingerichtet. Schriftsätze können bei Gericht durch die Anwaltschaft nur noch elektronisch eingereicht werden. Diese Vorschläge machen das Bundesjustizministerium bzw. die Bundesländer in ihren Entwürfen für ein Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV). Das ist für die meisten Anwältinnen und Anwälte bislang irgendetwas zwischen unbekannt, egal oder im Zweifelsfall problematisch. Fest steht aber: Der ERV kommt. Die Anwaltschaft muss sich mit ihm auseinandersetzen.

Der DAV veranstaltet am 8. November 2012 von 11:00 bis 17:00 Uhr in Berlin ein Forum, um mit hochrangigen Vertretern von Bund und Ländern und weiteren Experten die Chancen und Herausforderungen der Gesetzesentwürfe zum ERV zu diskutieren. Was will die Anwaltschaft? Wie funktioniert der ERV in Deutschland derzeit und was soll in Zukunft besser werden? Geht die deutsche Anwaltschaft vorneweg oder sind andere Anwaltschaften in Europa schon weiter? Bringt der ERV nur Kummer oder optimiert er das Kanzleimanagement?

Kommen Sie am 8. November nach Berlin und diskutieren Sie mit auf dem Forum zum elektronischen Rechtsverkehr! Sie sind herzlich eingeladen! Hier finden Sie das Programm und das Anmeldeformular.“

Ja, was erlaube Strunz? Hat denn beim DAV noch niemand etwas von EGVP gehört? Dieses System funktioniert seit fast 10 Jahren. Der einzige Nachteil: die Justiz verweigert sich. Das Nadelöhr, durch das das Kamel durch muss, sind also nicht die Anwälte, sondern „Vater Staat“. Wenn man die DAV Depesche liest, fragt man sich auch, wie viele (oder besser gesagt: wenig) Kollegen eigentlich E-Mail nutzen, wenn der Versand von Dokumenten auf elektronischem Wege „unbekannt“ ist.

Armes Deutschland. Dabei sollten Anwälte als Berater der Mandanten auch technisch auf der Höhe der Zeit sein.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Gutes Benehmen ist Glückssache – Anwälte sind immer zu etwas nutze, und wenn sie nur als schlechtes Beispiel dienen – der schamlose Kollege vor dem LG Detmold II

Wir hatten bereits darüber berichtet, dass ein Anwalt, nennen wir ihn Herrn H., den man nicht mehr als Kollegen bezeichnen möchte, in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Detmold in schamloser Weise und ohne Rücksicht auf das Gericht und den Terminkalender der übrigen am Prozess beteiligten Personen einen lange Zeit im Voraus angesetzten Termin torpediert hat. Unserer mehrfach über das Gericht an ihn gerichteten Bitte, die von ihm behauptete Terminkollision und den zeitlichen Ablauf nachzuweisen, hat der „nicht mehr Kollege“, wie zu erwarten war, nicht entsprochen. Stattdessen hat er lapidar mitgeteilt, dass sich seine Mandantin in Insolvenz befände und er das Mandat niedergelegt habe. Aha, das also war der Sinn der Taktik: der Mandant wollte kein Urteil kassieren.

Jede Rechtsanwältin / jeder Rechtsanwalt ist ein Organ der Rechtspflege und sollte es als seine verdammte Pflicht betrachten, sich auch so zu verhalten, dass er den einem solchen Organ geschuldeten Respekt auch verdient. Wer aber als Rechtsanwalt/Rechtsanwältin die einseitige Interessenvertretung der Mandanten meint, so interpretieren zu müssen, dass diese Interessenvertretung ohne Rücksicht auf Verluste erfolgt und der Zweck den Einsatz jedes Mittels bis hin zur Lüge heiligt, der erweist der gesamten Anwaltschaft einen Bärendienst. Denn, man kann es nicht anders sagen, mit einem derart schädigenden Verhalten läuft die ganze Anwaltschaft Gefahr, in den Dreck gezogen zu werden.

Wir als Rechtsanwälte / Rechtsanwältinnen erwarten  nicht nur von den Mandanten, sondern auch von den übrigen am Prozess Beteiligten, mit Anstand behandelt und respektiert zu werden. Trotz allem Engagement in der Sache sind dabei Spielregeln einzuhalten. Dazu gehört es zumindest, nicht zu lügen.

Das mit der Sache befasste Gericht soll zu Recht darauf vertrauen dürfen, dass Anträge auf Terminsverlegung wirklich nur dann gestellt werden, wenn die Terminkollision tatsächlich besteht. Wer als Rechtsanwalt / Rechtsanwältin so derart einfache Regeln nicht einzuhalten im Stande ist oder, was noch schlimmer ist, sich bewusst darüber hinwegsetzt, der hat in unseren Augen jede Achtung verloren.

Ich störe mich immer wieder daran, wenn ich Richter oder Richterinnen sehe, die nachlässig oder ungepflegt angezogen sind, oder die meinen, sich mit aufgestützten Armen am Richtertisch herumlümmeln zu dürfen. Den Damen und Herren ist unverständlicherweise wohl überhaupt nicht bewusst, welchen Schaden das Ihnen anvertraute Amt durch diese Art des Auftritts nimmt. Dieses monitum gilt aber nicht nur für die Richterbank, sondern in gleicher Weise auch für die Anwaltschaft. Auch hier gelten einfache Regeln: Kleider machen Leute. Und höfliches Benehmen, gute Manieren und ein höflicher Umgangston erfordern keinen großen Aufwand. Man kann das zur Not auch als Erwachsener noch lernen. Flegelhaftes Benehmen allein ist jedenfalls kein Zeichen von Jugendlichkeit.