Die Pflicht der Finanzbehörden, Steuerbescheide nach § 121 AO zu begünden ist kein „nice to have“, sondern conditio sine qua non.
In unserer Praxis mehren sich die Fälle, in denen Finanzämter meinen, Steuerbescheide nicht mehr begründen zu müssen. Sie vertreten die Auffassung, der Verweis auf teils rudimentäre Prüfungsberichte einer Außenprüfung reiche. Was aber soll beispielsweise ein Kommanditist, der an der Prüfung gar nicht teilgenommen hat, mit einem Prüfungsbericht anfangen?
Wir gehen in der Praxis dagegen mit aller Konsequenz vor. Mit seiner Entscheidung vom 29. September 2025 – 1 V 1595/25 E, https://nrwe.justiz.nrw.de/fgs/muenster/j2025/1_V_1595_25_E_Beschluss_20250929.html
stärkt das Finanzgericht („FG“) Münster unsere Auffassung.
Das FG Münster hat mit seinem Beschluss die Einkommensteuerbescheide 2015–2021 ohne Sicherheitsleistung von der Vollziehung ausgesetzt, weil das Finanzamt die tragenden Gründe (insb. Prüfungsberichte, Berechnungen) nicht vorgelegt und damit seine Begründungs- und Darlegungslast im AdV-Verfahren verfehlt hat. Ernstliche Zweifel genügen – das Gericht muss den Sachverhalt im Eilrechtsschutz nicht „fertig aufklären“. Die Kosten trägt das Finanzamt.
Das Finanzamt rechnete dem Antragsteller in mehreren Einkommensteuerbescheiden verdeckte Gewinnausschüttungen zu. Es verwies auf Ergebnisse der Steuerfahndung und Betriebsprüfung – legte die Berichte und Berechnungen dem Gericht aber nicht vor. Der Antragsteller beantragte Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung. Ergebnis: AdV gewährt, ohne Sicherheit; das Finanzamt trägt die Kosten.
Die tragenden Erwägungen des FG Münster:
Unsere Praxis, unsere zuletzt gemachten Erfahrungen mit dem Finanzamt Nienburg/Weser.
Wir haben diese Linie bereits mehrfach für Mandanten durchgesetzt – zuletzt gegen das Finanzamt Nienburg/Weser: Das FA gewährte AdV zunächst nur gegen Sicherheitsleistung; vor dem Finanzgericht wurde die AdV in AdV ohne Sicherheitsleistung umgestellt; bei einem Streitwert von 200.000 € trägt das Finanzamt die Kosten. Lessons learned: Wer die Begründungsmängel und Vorlageversäumnisse der Behörde sauber herausarbeitet, gewinnt das AdV-Verfahren.
Checkliste für den AdV-Antrag:
Fazit für Entscheider
die Begründung von Steuerbescheiden ist Pflicht, nicht Kür. Liefert die Finanzverwaltung ihre Begründung nicht, entstehen ernstliche Zweifel – AdV ist dann zu gewähren, oftmals ohne Sicherheitsleistung. Blinder Eifer der Finanzbehörden bei der Vollziehung von Steuerbescheiden schadet; fehlende Transparenz der Behörde führt direkt in die AdV. Für Steuerpflichtige gilt: früh rügen, präzise rügen, AdV sichern – und die Kostenfrage nicht vergessen.
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