Monatsarchiv August 2021

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Warten bringt nix – es drohen Steuererhöhungen und neue Steuern / Vermögensabgaben

Alle Jahre wieder sehen Wähler erstaunt, dass Politiker vor den Wahlen ihre mehr oder weniger guten Ideen zur Zukunft unseres Landes ausbreiten. Dabei sind die Politiker bemüht, ihr Klientel zu mobilisieren, indem sie deren Wünsche bedient. Ein immer wieder beliebtes Thema sind die Steuern. Besonders beliebt ist es bei vielen Wählern, wenn lautstark Steuererhöhungen bei den Steuern gefordert werden, die das eigene Klientel nicht zu zahlen hat. Das ist bei der Erbschaftsteuer so, aber auch bei der Vermögensteuer, die es aktuell zwar nicht gibt, deren Einführung von vielen Politkern auf den Tisch gebracht wird.

Wer bislang geglaubt hat, dass das bürgerliche Lager das unüberwindliche Bollwerk gegen solche Überlegungen darstellt, der befindet sich, wenn er sich das Thema genau ansieht, im Irrtum. So war auch von Friedrich Merz im Handelsblatt vom 21.05.2021 zu lesen:

„Ich stehe einer höheren Erbschaftsteuer offen gegenüber. In der Folge einer Reihe von Verfassungsgerichtsurteilen müsse ein beträchtlicher Erbschaftsteil für Familien steuerfrei bleiben. Wenn das darüber hinausgehende Vermögen mit niedrigen Steuersätzen breiter besteuert werden soll, kann man darüber reden.“

Wir müssen uns also darauf einstellen, dass die neue Regierung, wie auch immer sie aussieht, nicht zuletzt wegen der Belastungen durch COVID 19 und der Flutkatastrophe, an der Steuerschraube drehen wird. Daher werden wir mit Erhöhungen der Erbschaftsteuer und der Einkommensteuer rechnen müssen. Bei der Einkommensteuer könnte es z.B. sein, dass die Spekulationsfrist von 10 Jahren ganz abgeschafft wird.

Was heißt das? Das heißt, dass insbesondere das Übertragen von Vermögen auf die Kinder gar nicht früh genug erfolgen kann. Denn wir müssen hier nicht nur Änderungen des ErbStG zum Nachteil der Bürger fürchten (z.B. könnten die Freibeträge nur noch alle 20 statt bisher 10 Jahre „erneuert“ werden), sondern mit höheren Steuern aus tatsächlichen Gründen rechnen. Ich nenne hier nur die in den letzten 5 Jahren massiv gestiegenen Werte für Grundbesitz.

Das bedeutet: Warten bringt nix, jeder Steuerpflichtige muss das Thema der Vermögensnachfolge aktiv angehen, um Steuern, die ganz legal nicht gezahlt werden müssen, auch wirklich nicht zu zahlen. Dazu gehört es insbesondere, dieses Thema durchdacht und zügig anzugehen.
nws

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Das Bundesverfassungsgericht und die Zinsen Beschluss vom 08.07.2021

Mit Beschluss vom 08.07.2021 (1 BvR 2422/17) hat das Bundesverfassungsgericht über die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen (§ 233a AO) i.H.v. 6% p.a. entschieden. Kurz gefasst hat das Gericht folgendes beschlossen:

Für die Jahre 2010 bis 2013 hält das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Höhe der Zinsen  noch als verfassungsgemäß. Ab 2014 ist die Regelung dagegen verfassungswidrig. Allerdings erklärt das Gericht die aktuellen Regeln mit den hohen Zinsen für die Jahre bis 2018 für weiterhin anwendbar. Erst für Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2019 und später fallen, darf das bisherige Recht nicht mehr angewendet werden. Das Gericht hat den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31.07.2022 für die Zeiträume ab dem Jahr 2019 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen.

Die Entscheidung ist zu begrüßen. Allerdings ist es für die Steuerpflichtigen enttäuschend,  dass der ihnen gewährte Rechtsschutz für die Jahre 2014 bis 2018, also immerhin für 5 Jahre, trotz der von dem Gericht festgestellten Verfassungswidrigkeit im Ergebnis leerläuft. Denn trotz der Verfassungswidrigkeit erhält kein Steuerpflichtiger die verfassungswidrig erhobenen Zinsen erstattet. Das ist ein trauriger Befund.
nws