BFH bestätigt mit Urteil vom 17. November 2020, I R 2/18 seine Rechtsprechung, dass Steuerpflichtige ihre Verhältnisse grundsätzlich so gestalten dürfen, dass keine oder möglichst geringe Steuern anfallen. Sie dürfen dabei zivilrechtliche Gestaltungen frei verwenden, die vom Gesetz vorgesehen sind.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

BFH bestätigt mit Urteil vom 17. November 2020, I R 2/18 seine Rechtsprechung, dass Steuerpflichtige ihre Verhältnisse grundsätzlich so gestalten dürfen, dass keine oder möglichst geringe Steuern anfallen. Sie dürfen dabei zivilrechtliche Gestaltungen frei verwenden, die vom Gesetz vorgesehen sind.

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91010_WS schwarz weißDiese Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bestätigende Entscheidung wird den Finanzbehörden nicht gefallen. Der Steuerpflichtige darf seine Verhältnisse grundsätzlich so gestalten, dass keine oder möglichst geringe Steuern anfallen und dabei zivilrechtliche Gestaltungen, die vom Gesetz vorgesehen sind, frei verwenden. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige nicht die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll. Eine Gestaltung, die überhaupt keinen erkennbaren wirtschaftlichen Zweck hat, kann der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 19.01.2017 – IV R 10/14, BFHE 256, 507, BStBl II 2017, 466; vom 08.03.2017 – IX R 5/16, BFHE 257, 211, BStBl II 2017, 930; vom 12.06.2018 – VIII R 32/16, BFHE 262, 74, BStBl II 2019, 221).

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Im Streitfall ging es um die Frage, ob eine von dem Steuerpflichtigen gewählte Gestaltung zur Verlustnutzung ein Missbrauch im Sinne von § 42 AO war. Dazu stellt der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 17. November 2020 klar:

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„Gestaltungen, die darauf abzielen, dem Steuerpflichtigen die Nutzung eines von ihm erwirtschafteten Verlusts zu ermöglichen, sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung in zahlreichen Entscheidungen nicht als rechtsmissbräuchlich bewertet worden (z.B. Senatsurteile vom 19.08.1999 – I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43, zur inkongruenten Gewinnausschüttung mit nachfolgender inkongruenter Wiedereinlage; vom 17.10.2001 – I R 97/00, BFHE 197, 63, zur Verlagerung von Zinserträgen; BFH-Urteile vom 29.05.2008 – IX R 77/06, BFHE 221, 231, BStBl II 2008, 789, zur Veräußerung von GmbH-Anteilen an eine beteiligungsidentische GmbH; vom 07.12.2010 – IX R 40/09, BFHE 232, 1, BStBl II 2011, 427, zur ringweisen Anteilsveräußerung; vom 04.12.2014 – IV R 28/11, BFH/NV 2015, 495, zur inkongruenten Gewinnausschüttung; abgrenzend dazu BFH-Urteil vom 18.03.2004 – III R 25/02, BFHE 205, 470, BStBl II 2004, 787, Rz 110, zur Zwischenschaltung einer mit Verlustvorträgen “ausgestatteten” GmbH bei Grundstücksgeschäften). Da das Herbeiführen eines Verlustausgleichs im Kern mit den gesetzlichen Zielsetzungen (Leistungsfähigkeitsprinzip, § 10d EStG) übereinstimmt, ist der Senat zudem davon ausgegangen, dass entsprechende Gestaltungen grundsätzlich nicht durch weitere außersteuerliche Motive gerechtfertigt werden müssen (Senatsurteile in BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43; in BFHE 197, 63).

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Im Streitfall diente die Gestaltung im Kern der Nutzung des Verlustvortrags, der sich bei der Klägerin infolge des ausbleibenden wirtschaftlichen Erfolgs aufgebaut hatte. Die Gestaltung kann daher nicht als unangemessen beurteilt werden.

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Ob zur Verlustnutzung getroffene Gestaltungen einer Prüfung am Maßstab des § 42 AO standhalten, hängt zunächst von der Qualität der betroffenen Verluste ab. So sind die bei einer auf Einkünfteerzielung gerichteten Tätigkeit selbst erwirtschafteten Verluste anders zu behandeln als auf dem Markt “eingekaufte” Fremdverluste (Mantelkaufgestaltungen). Verluste, die auf der Inanspruchnahme steuerlicher Subventions- und Lenkungsnormen (z.B. Sonderabschreibungen) beruhen, haben wiederum eine andere Qualität.

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Im Streitfall hat die Klägerin “echte” betriebswirtschaftliche Verluste erzielt, deren steuerliche Effektuierung grundsätzlich nicht zu beanstanden ist.

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Die von der Steuerrechtsordnung grundsätzlich gebilligte Nutzbarmachung von Verlusten besteht darin, dass die Verluste mit positiven Einkünften verrechnet werden. Die dadurch bewirkte Minderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage führt aus Sicht des Fiskus zu einer Mindersteuer, weil die positiven Einkünfte seinem Besteuerungszugriff entzogen werden. Auf Seiten des Steuerpflichtigen bewirkt die mit der Verlustnutzung einhergehende Mindersteuer eine Verbesserung der Liquidität.“

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Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist konsequent und für alle Steuerpflichtigen zu begrüßen. Leider müssen wir unserer Praxis immer wieder feststellen, dass die Finanzbehörden diese Grundsätze des Bundesfinanzhofes nicht akzeptieren, sondern häufig als Gestaltungsmißbrauch im Sinne von § 42 AO und sogar als strafbare Steuerhinterziehung eingeordnet werden. Wir werden unsere Mandanten dagegen konsequent schützen und gegen Beamte, die die ihnen vom Gesetz gezogenene Grenzen als Amtsträger überschreiten, auch strafrechtlich zur Verantwortung ziehen lassen .
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Über den Autor

Prof. Dr. Wolfgang Sturm administrator

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Agrarrecht, Diplom-Finanzwirt, Inhaber einer Professur für Wirtschafts- und Steuerrecht

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