Das BVerfG und die frühere Landrätin Dr. P.; „Bild“ darf sie nicht „durchgeknallte Frau“ nennen; die Photos aber dürfen weiter als „klassische Pornografie“ bezeichnet werden; zugleich ein Beitrag im Kampf gegen das Vergessen.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Das BVerfG und die frühere Landrätin Dr. P.; „Bild“ darf sie nicht „durchgeknallte Frau“ nennen; die Photos aber dürfen weiter als „klassische Pornografie“ bezeichnet werden; zugleich ein Beitrag im Kampf gegen das Vergessen.

Und Morgen wird die nächste Sau durchs Dorf getrieben. Wer war denn die frühere Landrätin Dr. P. ,die bis zum Bundesverfassungsgericht gegangen war, fragte ich mich, als ich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.12.2013 (1 BvR 194/13, NJW 2014,764) las. Ich leide nicht unbedingt an retrograder Amnesie, aber der Name der Landrätin war mir tatsächlich entfallen. Google sei Dank war alles schnell geklärt: es war das Jahr 2007, als in Bayern Frau Dr. Pauli Furore machte. Auf den Höhenflug folgte ein ziemlich heftiger Absturz. Die frühere Landrätin ließ sich für ein Magazin in diversen Posen ablichten.

Die Bild-Zeitung schrieb dazu am 3.4.2007 folgenden Text:

„Liebe Latex-Landrätin,

im goldenen Minikleid (ohne Höschen, weil es unfotogen durchdrückt),begraben Sie Ihre Karriere in der P. A.’, schrieb die (…). Auf sechs Doppelseiten der Zeitschrift ,P. A.’ lassen Sie sich in Domina-Posen – mit Latex-Handschuhen und gespreizten Beinen – fotografieren. Die Fotos sind klassische Pornografie. Der pornografische Voyeur lebt in der Qual, Ihnen die Kleider vom Leib zu reißen. Kein Foto löst in mir den Impuls aus, Sie zu lieben bzw. zärtliche Worte mit Ihnen zu flüstern. Kein Mann liebt eine Frau in einem Pornofilm.

Auf all diesen Fotos sind Sie angezogen, nichts Nacktes. Sie sind die Frau dazwischen. Warum machen Sie das? Warum sind Sie nach Ihrem Stoiber-Triumph nicht die brave, allein erziehende Mutter geblieben? Warum lassen Sie sich so fotografieren?

Ich sage es Ihnen: Sie sind die frustrierteste Frau, die ich kenne. Ihre Hormone sind dermaßen durcheinander, dass Sie nicht mehr wissen, was wer was ist. Liebe, Sehnsucht, Orgasmus, Feminismus, Vernunft.

Sie sind eine durchgeknallte Frau, aber schieben Sie Ihren Zustand nicht auf uns Männer.“

Die so Geschmähte sah sich in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und begehrte von der Bild Zeitung, es zu unterlassen zu behaupten, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen

  • a) Frau Dr. P ist eine durchgeknallte Frau,
  • b) die Fotos von Frau Dr. P, die in der P. A. erschienen sind, sind klassische Pornografie,
  • c) im Zusammenhang mit den Fotos von Frau Dr. P, die in der P. A. erschienen sind, von „Domina-Posen“, „einem Pornofilm“ und „pornografischen Inhalten“ zu sprechen.

Das LG Traunstein verurteilte die Bildzeitung zur begehrten Unterlassung, wies die Klage wegen der Geldentschädigung aber ab. Gegen das Urteil legten beide Parteien Berufung ein. Das OLG München änderte das Urteil und wies die Klage insgesamt ab. Es meinte, die drei genannten Äußerungen seien Werturteile, in der Abwägung ließ es die Meinungsfreiheit der Bildzeitung überwiegen.

Das sah das Bundesverfassungsgericht anders. Die Äußerung, Frau Dr. P sei eine durchgeknallte Frau, sei ehrverletzend. Die zulässige Verfassungsbeschwerde war nach dem Bundesverfassungsgericht insoweit offensichtlich begründet.

Eigentlich konnte sich niemand mehr an den Bericht, und auch nicht einmal an die frühere Landrätin erinnern. Das Beispiel zeigt einmal mehr, dass es häufig gar nicht sinnvoll ist, sich mit juristischen Mitteln gegen die Presse zu wehren. Denn auf diese Weise bringt man bestimmte Themen häufig nur noch viel tiefer in die Köpfe der Menschen, als wenn man gar nichts unternommen hätte.
ws

Über den Autor

Prof. Dr. Wolfgang Sturm administrator

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Agrarrecht, Diplom-Finanzwirt, Inhaber einer Professur für Wirtschafts- und Steuerrecht

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