ERGO: „Versichern heißt Verstehen“ oder: „Budapest war gestern (schön)“ Anspruch und Wirklichkeit einer Versicherung

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

ERGO: „Versichern heißt Verstehen“ oder: „Budapest war gestern (schön)“ Anspruch und Wirklichkeit einer Versicherung

Eine von uns vertretene Mandantin ist Opfer von Testamentsvollstreckern geworden. Sie haben den Nachlass nicht verwaltet, sondern, um es mit dsen Worten unserer Mandantin zu sagen, „ausgeplündert“. Einer der drei Herren, ein Rechtsanwalt, ist bereits im Jahr 2006 rechtskräftig verurteilt worden, dem Nachlass rechtswidrig entnommene Beträge (rd. 60 TEUR) zurückzuzahlen. Der Kollege hat in der Zwischenzeit die eidesstattliche Versicherung abgegeben. In Kürze findet gegen ihn ein Strafverfahren vor dem Amtsgericht wegen Untreue statt. Die Sache liegt auch schon seit Jahren bei der Rechtsanwaltskammer in Celle. Erstaunlicherweise darf der Kollege noch immer als Rechtsanwalt praktizieren.

Immerhin hatten die Testamentsvollstrecker bei der heute unter den Namen ERGO (das ist doch lateinisch und heißt vielsagend – oder erstaunt?? – „also“) firmierenden Versicherung (genau, das sind die mit dem pressewirksamen „Incentive-Ausflug“ nach Budapest) eine Testamentsvollstreckerversicherung abgeschlossen. Zweck dieser Versicherung war es, Schäden abzudecken, die durch Pflichtverletzungen der Testamentsvollstrecker entstanden waren.

Nachdem das zuständige Nachlassgericht im Jahr 2006 die drei Testamentsvollstrecker wegen eines nicht geklärten Vermögensschwundes von rund 250.000 € mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund aus dem Amt entlassen hatte, erhob unsere Mandantin vor dem Landgericht Klage gegen die drei Testamentsvollstrecker. Die ERGO trat dem Rechtsstreit als Nebenintervenientin bei. Es dauerte erst einige Zeit, bis das Landgericht sich mit dem umfangreichen Prozessstoff beschäftigt und dann zunächst die Auffassung unserer Mandantin in wesentlichen Punkten geteilt hatte. Nach einem Wechsel in der Rolle des Berichterstatters vertrat das Landgericht leider die Auffassung, dass zwar erhebliche Pflichtverletzungen der Testamentsvollstrecker vorgelegen hätten, es fehle aber an einem dadurch adäquat kausal verursachten Schaden. Das Landgericht wies die Klage ab. Wir befinden uns mittlerweile bereits im Berufungsverfahren.

Noch an dem Tag, an dem wir für unsere Mandantin den Kostenfestsetzungsbeschluss für die Kanzlei erhielten, die die ERGO vertrat, wandten wir uns an diese Kanzlei und boten Zahlung an, sobald die in dem Kostenfestsetzungsbeschluss genannte Sicherheit geleistet sein würde. Daraufhin hörten wir von den Kollegen zunächst einmal nichts. Unsere Mandantin erhielt dafür aber etwa einen Monat später völlig überraschend Besuch von einer Gerichtsvollzieherin. Erst auf diesem Wege erfuhren wir, dass die lieben der Kommunikation offensichtlich nicht fähigen Kollegen die Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO betrieben. Das ist zwar sicherlich eine gesetzlich zulässige Form der Vollstreckung, angesichts des noch am Tage des Zugangs des Kostenfestsetzungsbeschlusses bei uns den Kollegen unterbreiteten Zahlungsangebotes zu den Bedingungen des Beschlusses aber, vorsichtig formuliert, etwas ungewöhnlich. Die Zwangsvollstreckung hätte ganz einfach vermieden werden können, wenn die Kollegen uns mitgeteilt hätten, dass die ERGO keine Sicherheit leisten, sondern zur Abwendung der Sicherungsvollstreckung eine Sicherheit haben möchte.

Unsere bereits betagte Mandantin war über das Vorgehen der von der ERGO beauftragten Anwaltskanzlei und dem von ihr als mutwillig empfundenen Besuch der Gerichtsvollzieherin so erbost, dass sie uns beauftragte, eine Beschwerde bei der Versicherung über die Kollegen anzubringen. Die Antwort der ERGO hat uns zwar nicht wirklich überrascht. Es ist mit ein wenig Abstand betrachtet dann aber doch schon erstaunlich, wie Versicherungsgesellschaften sich aufführen. Ganz besonders auffällig wird das, wenn man das Verhalten der ERGO im vorliegenden Fall zu den schönen Aussagen aus der Werbung in einen Kontrast setzt. Hier wird ganz schnell klar, dass die Werbung mit der Realität nichts zu tun hat. Das Geschäft der ERGO besteht eben nicht darin, die Kunden zu verstehen und Verständnis für irgendetwas zu haben, sondern schlicht und ergreifend darin, nur dann zu zahlen, wenn es wirklich nicht mehr anders geht. Daran ist prinzipiell nichts auszusetzen. Es ist aber schon erstaunlich, dass Versicherungsgesellschaften immer wieder versuchen, nach außen von sich ein ganz anderes Bild zu zeichnen.

Unsere Mandantin jedenfalls hat uns gebeten, das Antwortschreiben der ERGO nicht so stehen zu lassen, sondern zu einigen Punkten Nachfragen zu stellen. Wir sind gespannt, welche Antwort wir erhalten werden. Wir werden berichten.
ws

Über den Autor

Prof. Dr. Wolfgang Sturm administrator

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Agrarrecht, Diplom-Finanzwirt, Inhaber einer Professur für Wirtschafts- und Steuerrecht

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