Des einen Freud, das andern Leid: Musikunterricht in Mietwohnung kostet die Mitbewohner Nerven, nach BGH (!!) kostet er den Musicus aber die Wohnung

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Des einen Freud, das andern Leid: Musikunterricht in Mietwohnung kostet die Mitbewohner Nerven, nach BGH (!!) kostet er den Musicus aber die Wohnung

Musik ist (eigentlich) schön und daher zu Recht (grundsätzlich) ein Kulturgut. Das gilt aber nur dann, wenn man selbst musiziert oder die freie Wahl hat, wann man Musik hören will, und um welche Musik es sich dabei in welcher Lautstärke handelt. Wer sich aber auf das erste Staatsexamen im Fach Rechtswissenschaften oder auf einen wichtigen Termin vorbereitet, wird sicher nicht sehr erfreut darüber sein, dass in der über seinem Zimmer liegenden Wohnung nicht nur 2 Stunden (mehr oder weniger zusammenhängend) am Tag Klavier geübt wird, sondern die in der Wohnung lebenden Kinder offensichtlich einen großen Spaß daran haben, immer wieder einmal zwischendurch an das Klavier zu gehen und zwischen 5 und 20 s wie von Sinnen auf die Tastatur des Klavier einzuhämmern. Die Freude wächst ins exponentielle, wenn die darauf angesprochenen Eltern (Lehrer oder Sozialwissenschaftler) das Wirken ihrer Kinder für pädagogische besonders wertvoll und geradezu notwendig bewerten.

Hier ist juristischer Rat oft vergebens. Wer in Ruhe leben und vermeiden möchte, mit den Füßen voraus aus der Wohnung getragen zu werden, der ist gut beraten, sich rechtzeitig eine neue Bleibe zu suchen.

Das aber ist leider allen Menschen möglich. Das Musizieren in Häusern mit mehreren Wohnungen hat daher wiederholt die Gerichte beschäftigt. Wie bei fast allen Miet- und Nachbarschaftsstreitigkeiten nehmen die Auseinandersetzungen in diesem Bereich sehr schnell heftige Züge an. Nicht selten gehen die Beteiligten auch physisch aufeinander los. Verständlich: geht es im Kern doch darum, das eigene Territorium zu verteidigen. Die Musizierenden halten mit der Musik die Fahne des Kulturgutes hoch und beschimpfen alle anderen schnell als Banausen, die von katzenartiger Violinenmusik geschundenen armen Mitbewohner dagegen sprechen von Lärm und Ruhestörung.

Der BGH entschied jetzt mit Urteil vom 10. April 2013 (VIII ZR 213 / 12, NJW 2013, 1806) kurzerhand, dass die Erteilung von Gitarrenunterricht in einer Wohnung ohne Erlaubnis des Vermieters einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellt. Den Räumungsanspruch hielt der BGH für begründet. Das Argument des Mieters, es habe eine Pflicht des Vermieters bestanden, die Erlaubnis für den Gitarrenunterricht zu erteilen, überzeugte den BGH nicht. Eine daraus abgeleitete Pflicht des Vermieters, eine vertragswidrige Nutzung der Mieträume für den Gitarrenunterricht zu dulden, kommt nach dem BGH nur in Betracht, wenn von dem Gitarrenunterricht keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzung. Diese Voraussetzung konnte der BGH im entschiedenen Fall nicht erkennen.

Die Mitmieter wird die Entscheidung freuen, bei dem Gitarrenspieler wird sie Katzenjammer verursacht haben.

ws

Über den Autor

Prof. Dr. Wolfgang Sturm administrator

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Agrarrecht, Diplom-Finanzwirt, Inhaber einer Professur für Wirtschafts- und Steuerrecht

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