LG Detmold und AG Lemgo: „2 Juristen, 3 Meinungen“. Eine Abdeckung, die zu kurz ist, muss nicht auch vertraglich zu kurz sein. Sie kann, auch wenn es unsinnig ist, vertraglich so geschuldet gewesen sein.

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

LG Detmold und AG Lemgo: „2 Juristen, 3 Meinungen“. Eine Abdeckung, die zu kurz ist, muss nicht auch vertraglich zu kurz sein. Sie kann, auch wenn es unsinnig ist, vertraglich so geschuldet gewesen sein.

„Vor Gerichten und auf hoher See“ ist man in Gottes Hand. Diese Erfahrung müssen Anwälte öfter machen als es ihnen lieb ist. Wir hatten vor kurzem dieses zweifelhafte Vergnügen in einem Berufungsverfahren, dessen Ergebnis uns (hoffentlich) nach der Lektüre der uns nocxh nicht vorliegenden Gründe erschließt. Uns geht es hier nicht darum, dass wir uns als schlechte Verlierer einer Berufung bei einem Wert von rd. 700 EUR outen, wir möchten hier nur – wenn auch einseitig – über unsere Erfahrungen berichten und ein wenig zur Erheiterung beitragen.

Was war passiert? Unsere Mandantin, eine GmbH & Co. KG, hatte eine Abdeckung für eine fest eingebaute Fräse (ca. 5 x 10 Meter) bestellt. Diese Fräse warf leider bei ihrer Arbeit die Späne in alle Richtungen heraus. Dem sollte eine Abdeckung in Ziehharmonika-Bauweise Abhilfe schaffen. Der dazu gerufene (umsichtige) Unternehmer sah sich die Fräse an, verstand, wie sie arbeitete, sah die „Verfahrwege“ und machte ein schriftliches Angebot über die Abdeckung, wie man es sich als Jurist nur wünschen kann. Das nahm unsere Mandantin zum Pauschalpreis an. Soweit alles unstreitig.

Es kam, wie es kommen musste. Die Abdeckung war zu kurz und musste verlängert werden. Unter dem Titel „Nachbesserung“ stellte der Unternehmer unserer Mandantin zu deren Überraschung rd. 1.500 EUR in Rechnung. Jetzt stritten sich die Parteien vor dem AG Lemgo, wer denn die Maße für die Abdeckung an der Maschine gemessen habe. Es fanden sage und schreibe drei mündliche Verhandlungen und zwei Zeugenvernehmungen statt.

Ergebnis des AG Lemgo: Der Unternehmer habe eine komplette Abdeckung geschuldet, die Verlängerung sei Nacherfüllung. Diese sei ohne Anspruch auf weiteren Werklohn zu erfüllen. Aber: unsere Mandantin habe dem Unternehme die „Sowieso-Kosten“ zu zahlen. Hätten sich die Parteien sofort auf eine längere Abdeckung geeinigt, dann hätte unsere Mandantin dafür einen höheren Preis zahlen müssen als für die zu kurze Abdeckung. Ah ja, haben wir gedacht. Geh zu Gericht und Du lernst dazu. Unser Lerneffekt: die Nacherfüllung ist „kostenlos“, die Pflicht zur Vergütung wird aber durch die „Hintertür“ wieder eingeführt.

Mit Entscheidungen, die in sich widersprüchlich sind, kann ich nicht leben, also ging es in die Berufung.

Das LG Detmold, Kammer für Handelssachen, tagte in voller Besetzung. Das Gericht gab mir recht. Nacherfüllung ist kostenlos, das Amtsgericht habe falsch geurteilt. Leider hatte ich mich zu früh gefreut. Denn der Vorsitzende war mit seinem Vortrag noch nicht fertig. Weiter führte er aus: Das Amtsgericht sei von einer ganz falschen Voraussetzung ausgegangen. Denn der Unternehmer habe ohnehin nur eine (zu) kurze Abdeckung geschuldet. Das folgerte das Gericht aus der Angabe „L.max.“ in dem Angebot. Hmmm. Das bedeutet: die Parteien sind sich darüber einig, dass die Abdeckung die Fräse komplett abdecken soll (etwas anderes hätte man mit guten Gründen vortragen müssen), aber aus der Bezeichnung „L max“ hätte unsere Mandantin (die die Abdeckung nicht anfertigen, sondern bezahlen sollte) erkennen müssen, dass die Abdeckung zu kurz war. Das war mit in der Tat neu und auch zu hoch. Der Unternehmer schuldet das Werk. Wenn das so ist, kann ich den Besteller für Fehler des Unternehmers nicht in die Pflicht nehmen.

Wäre es so gewesen, wie das LG meinte, dann hätte unsere Mandantin sofort moniert, dass Lmax zu kurz war. Nein, jetzt weiß ich, wie es war. Meine Mandantin hat von Anfang gewusst, dass der Preis für eine zu kurze Abdeckung niedriger ist. Daher hat sie sich (Trick 17) bewusst ein Angebot für eine zu kurze Abdeckung machen lassen, um dann später über die Nacherfüllung die teurere Abdeckung zu einem günstigen Preis zu erhalten. Das ist ja gewitzt! Gäbe es das LG Detmold nicht, dann hätte ich nie erfahren, wie überaus gerissen meine Mandantin ist.

Oder war es vielleicht doch so, dass sowohl Amts – als auch Landgericht einfach daneben liegen? Diesen Gedanken habe ich erst gar nicht aufkommen lassen. Ich bin auf die Begründung gespannt, mit der das LG die Berufung zurückgewiesen hat.
/ws

Über den Autor

Prof. Dr. Wolfgang Sturm administrator

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Agrarrecht, Diplom-Finanzwirt, Inhaber einer Professur für Wirtschafts- und Steuerrecht

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