Das Honorar des Anwalts – Lohn der Angst oder faires Entgelt? Betrachtungen über ein schwieriges Gebiet

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Das Honorar des Anwalts – Lohn der Angst oder faires Entgelt? Betrachtungen über ein schwieriges Gebiet

Die Vergütung der Anwälte ist einfach. Alles steht im RVG, es gibt also eine gesetzliche Gebührenordnung. Die mag auch für das klassische Bild des Anwalts geeignet sein, der nahe der Amts – und Landgerichte seinen Kanzleisitz hat, dort über Postfächer verfügt und dessen Arbeit im Wesentlichen daraus besteht, die Interessen seiner Mandanten vor Gerichten zu vertreten (böse Zungen behaupten: vor Gericht zu bringen).

Die Zeit haben sich gewandelt. Auch wenn die Anwälte vielfach noch weiter hinter dem zurückbleiben, was technisch – sinnvoll – machbar ist, die Arbeit in Kanzleien hat sich dennoch stark verändert. Der Verweis auf eine Gebührenordnung überzeugt heute nicht mehr. Mandanten sind Kunden. Sie wünschen keine Belehrung, sondern eine Beratung. Sie möchten nicht einfach klagen und vertrauen nicht blind. Sie möchten verstehen, wo die Chancen, aber auch die Risiken eines Streits liegen. Prozesse werden mehr und mehr als ultima ratio gesehen, von Anwälten werden intelligente Lösungen verlangt. Behördendeutsch un Juristensprache sind heute kein Zeichen von Intelligenz, sondern der Beweis für die Unfähigkeit, (komplexe) Vorgänge Mandanten verständlich zu erläutern.

Die anwaltliche Dienstleistung wird so immer mehr zur austauschbaren Ware. Wer sich beraten lassen will, macht sich erst im internet schlau und geht so „vorgebildet“ zum Anwalt. Und dann geht es nicht nur um das Mandat, sondern auch ums Geld.

Bei einfachen Sachen kann man das Honorar einfach schätzen, was aber ist in den Beratungsfällen, die sich dynamisch entwickeln? Wer kennt die Situation nicht, dass der vom Mandanten geschilderte Sachverhalt sich auf einmal als deutlich komplexer entpuppt und einen ungeahnten Aufwand verursacht? Honorarschätzungen sind heute ein „Muss“ für jede Beratungspraxis. Aber Vorsicht: jede Schätzung sollte eine Öffnungsklausel enthalten für den Fall, dass die Sache ganz anders aussieht oder der Mandant weitere Wünsche hat, die weiteren Aufwand verursachen.

Und wenn ein budget überschritten ist? Dann hat man schon den ersten Fehler gemacht, dem Mandanten das zu spät zu sagen. Viel besser ist es, den Mandanten anzusprechen, wenn 2/3 des budgets „weg“ sind. Hier ist Offenheit das Gebot der Stunde. Niemand ist beglückt darüber, nach getaner Arbeit eine um 300% über der Schätzung liegende Rechnung zu erhalten.

Merke: Geiz ist auch im Verhältnis zu Beratern geil. Kunden wie auch Mandanten haben ein extrem gutes Gedächtnis für einmal geäußerte Zahlen, was die Höhe des Honorars angeht.

Es wäre bei allen verständlichen Argumenten gegen Erfolgshonorare besser, dieses Vergütungsmodell in Deutschland zuzulassen. Dieses Modell ist zum einen ein wirksames Instrument, um Anwälte davon abzuhalten, Mandanten in Prozesse zu treiben.  Zum anderen gibt dieses Modell dem Anwalt einen Anreiz, sich für den Mandanten so einzusetzen, wie er es erwarten darf. Das Modell des RVG versagt hier kläglich. Denn betriebswirtschaftlich wird jedes Mandat bei Überschreiten bestimmter Zeiten für den Berater uninteressant und der Reiz, die Sache nicht mehr vernünftig zu betreiben oder zu irgendeinem Abschluss zu bringen, und sei er noch so unsinnig, wird umso größer, je länger das Mandat dauert.

Ach ja, was ist ein faires Entgelt für die anwaltliche Leistung? Was dem (guten) Anwalt wie  selbstverständlich „von der Hand“ geht, ist für den Mandanten etwas, was er nie selbst geschafft hätte.  Ebenso verblüffend ist es, wenn ein geschickter Anwalt als Verhandler in der Lage ist, für den Mandanten in wenigen Stunden einen hervorragenden Vergleich abzuschließen, den andere in dieser Form nicht geschlossen hätten. Die in eine Sache investierte Zeit ist daher nicht immer der Gradmesser, sie ist aber ein transparenter Gradmesser.  Das faire Entgelt für den Anwalt ist das Ergebnis einer Einigung mit dem Mandanten. Es bleibt daher dabei: es bedarf insbesondere in diesem Bereich einer offenen Kommunikation.

Ein Wort zu den Stundensätzen: die von dem Anwalt eingesetzte Zeit ist der Verkauf von know-how. Stundensätze von 300,00 € und mehr erschrecken, aber nur auf den ersten Blick. Denn der Stundensatz kann keineswegs mit einem Bruttogehalt verglichen werden. Das Produkt aus Stunden x Stundensatz ergibt nur den Umsatz. Davon sind alle betrieblichen Kosten für Büro, Personal, EDV, usw. zu zahlen. Außerdem hat der freiberufliche Anwalt keinen Arbeitgeber, der einen Arbeitgeberanteil (steuerfrei!!) übernimmt. Das muss er alles aus dem Stundensatz zahlen, und das auch teilweise noch nach Steuern. Nicht zu übersehen ist zudem das Risiko, das der Anwalt trägt. Alles zusammengenommen relativiert diese Betrachtung auch höhe Stundensätze. Diese sind solange in Ordnung, solange ein Verkauf von know-how erfolgt.

Wir meinen, dass das Wort „Honorar“ als Begriff für die Vergütung des Anwalts zwar gut klingt, das Wort „Gage“ würde es aber in vielen Fällen besser treffen.

Über den Autor

Prof. Dr. Wolfgang Sturm administrator

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Agrarrecht, Diplom-Finanzwirt, Inhaber einer Professur für Wirtschafts- und Steuerrecht

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