Steuer recht kurios: FG Münster vom 25. Mai 2012: Kosten für Hundebetreuung im Haushalt steuerlich abzugsfähig; „Gassi gehen“ aber nicht, weil das nicht im Haushalt stattfindet. Wir meinen: summum ius, summa iniuria: ein Fall für das Bundesverfassungsgericht, wenn nicht gar für den EuGH

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Steuer recht kurios: FG Münster vom 25. Mai 2012: Kosten für Hundebetreuung im Haushalt steuerlich abzugsfähig; „Gassi gehen“ aber nicht, weil das nicht im Haushalt stattfindet. Wir meinen: summum ius, summa iniuria: ein Fall für das Bundesverfassungsgericht, wenn nicht gar für den EuGH

Schon die Römer wussten, dass es keine absolute Gerechtigkeit geben kann. Sie prägten daher den Ausspruch, dass auch höchstes Recht zu größtem Unrecht führt. Das bestätigt auch die Entscheidugn des FG Münster. Wir Deutschen neigen leider noch immer dazu, diese schon den Römern bestens bekannte Erkenntnis nicht zu beherzigen. Hartnäckig versuchen wir im rechtlichen Bereich, insbesondere im Steuerrecht, auch dem letzten Einzelfall gerecht zu werden. Den dabei entstehenden Ungerechtigkeiten oder den so gerne zitierten „Steuerschlupflöchern“ (die in den meisten Fällen gesetzlich gezielt gewollte Anreize sind, von denen man später nichts mehr wissen möchte) treten wir mit immer weiteren Gesetzen entgegen. All das führt zwangsläufig zu einer systematischen Verschandelung des Steuerrechts, wie die vielen Paragraphen mit einem Buchstaben hinter der Ziffer anzeigen (§§ 2 a, 15a, 34c, 35a usw. usw.) Wer Kafkas Prozeß gelesen hat, weiß, was ich meine.

Erstaunlich dabei ist, dass wir Deutschen in diesem Gerechtigkeitswahn völlig vergessen, dass uns die (kolportierte oder selbst erlebte) lässigere Lebensart anderer Nationen persönlich sehr erstrebenswert erscheint. Wie viele schwärmen von traumhaften Aufenthalten in Italien und von der dort zumindest erlebten lässigen eleganten Lebensart der Italiener (dolce vita, bella figura, bella donna). Und mussten wir nicht unlängst bei der EM vor den Empfangsgeräten tatenlos zusehen, dass eine eigentlich heillos überalterte italienische Fußballelf, die unverschämte locker auftrat und den notwendigen Spielwitz besaß, unsere tapferen, aber nur eifrig und blind gegen das Tor anrennenden „Yogi- Löwen“ aus dem Wettbewerb schoss? Das war schon beeindruckend und eben auch eine Vorführung italienischer Lebenskunst, auch wenn der zweifache Torschütze Balotelli optisch sicher nicht dem in Deutschland vorherrschenden Bild eines Italieners entsprechen mag.

Doch jetzt zurück zur Gerechtigkeit im Steuerrecht: Nach § 35a EStG sind bestimmte Kosten für so genannte „haushaltsnahe Dienstleistungen“ steuerlich abzugsfähig. Wir ersparen es uns, die Frage zu stellen, welcher Teufel den Gesetzgeber geritten haben mag, solche Kosten als steuerlich abzugsfähig regeln zu wollen. Ein Hundebesitzer kann nun auf die Idee, die Kosten für die Betreuung seiner Vierbeiner steuerlich geltend zu machen. Da die Finanzverwaltung kein Herz für die Vierbeiner hatte, musste das Finanzgericht Münster am 25. Mai 2012 (14 K 2289 / 11 E) den Streit entscheiden.

In dem Rechtsstreit wurden die beiden Hunde des Klägers in der Weise betreut, dass der Betreuer die Hunde bei dem Kläger abholte. Zum Leistungsumfang gehörten die Fellpflege, das Füttern und die Spaziergänge. Nach vollbrachtem Werk lieferte der Betreuer die Hunde wieder bei dem Kläger ab. Erfreulich zunächst: das Finanzgericht Münster bestätigte die Auffassung des Klägers, dass Leistungen, die für die Betreuung von Tieren von Dritten erbracht werden, haushaltsnahe Dienstleistungen sein können. Im Ergebnis gewährte das Gericht die Steuerermäßigung nach § 35a EStG aber dann doch nicht. Die Anerkennung scheiterte an § 35a Abs. 4 EStG. Danach kann die Steuerermäßigung nur in Anspruch genommen werden, wenn die Dienstleistung „in einem in der Europäischen Union oder den Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen….. ausgeübt oder erbracht wird.“ Diese Voraussetzung sah das Finanzgericht im Streitfall nicht als erfüllt an. Denn die beiden Hunde des Klägers wurden nicht in dessen Haushalt, sondern außerhalb des Haushalts betreut. Zum Haushalt zählen die private Wohnung oder das private Haus nebst Zubehörräumen und Garten. Nicht abzugsfähig sind also Kosten für Leistungen, die an einem anderen Ort für den Haushalt erbracht werden. So lehnte das Finanzgericht Niedersachsen auch die steuerliche Anerkennung von Grabpflegekosten ab.

Wir meinen, dass die Entscheidung des Finanzgerichts Münster mit guten Gründen anfechtbar ist. Denn offensichtlich hat der Gesetzgeber, als er § 35a EStG einführte, nicht an die Hunde gedacht. Denn es liegt auf der Hand, dass es zur Haushaltsführung eines Hundebesitzers auch gehört, den Hund außerhalb der eigenen Wohnung oder des eigenen Hauses auszuführen. Das dürfte gerichtsbekannt sein. Die Vorschrift des § 35a EStG, dort das Tatbestandsmerkmal „Haushalt“, ist also nach Sinn und Zweck des Gesetzes so auszulegen, dass bei Dienstleistungen, die zwingend nicht in den eigenen vier Wänden oder auf dem Grundstück stattfinden können, ein „erweiterter Haushaltsbegriff“ zu gelten hat. Dem Kläger des Verfahrens vor dem Finanzgericht Münster kann daher nur empfohlen werden, zumindest das Bundesverfassungsgericht, wenn nicht gar den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Vorher muss allerdings der Rechtsweg erschöpft sein. Wir wünschen den Kläger auf diesem Wege viel Erfolg.

Über den Autor

Prof. Dr. Wolfgang Sturm administrator

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Agrarrecht, Diplom-Finanzwirt, Inhaber einer Professur für Wirtschafts- und Steuerrecht

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