Die Technik macht es erst transparent: „Abschreiben“ war und ist Tendsportart; jetzt steht auch ein Lehrbuch über juristische Arbeitstechniken am Pranger

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Die Technik macht es erst transparent: „Abschreiben“ war und ist Tendsportart; jetzt steht auch ein Lehrbuch über juristische Arbeitstechniken am Pranger

„Abschreiben“ war und ist nicht nur Volkssport. Auch Personen, die im Rampenlicht stehen, tun es. Zu Guttenberg ist darüber ebenso gestolpert wie das FDP – Model Silvana Koch-Mehrin. Gefühlt gewinnt man den Eindruck, dass das Abschreiben in den letzten zwei Jahren extrem zugenommen hat. Stimmt das aber wirklich?

Ich meine: es stimmt nicht. Es wurde schon immer abgeschrieben. Wer hat denn in den Schule nicht abgeschrieben? Und ich erinnere mich nur zu gut, dass eine Klausuraufgabe im Öffentlichen Recht lautete: „Schildern Sie die Geschichte Deutschlands von 1848 bis heute unter besonderer Berücksichtigung der herausragenden verfassungsrechtlichen Ereignisse in dieser Zeit.“   Gefühlt war ich der einzige, der die Unterlagen nicht auf den Tisch legen und abschreiben konnte, weil ich keine dabei hatte.

Der einzige Unterschied: der Schwindel fliegt häufiger auf. Das liegt auch, aber nicht nur, an den technischen Möglichkeiten, Texte „gegeneinander“ laufen zu lassen und so Plagiate erkennen zu können. Es liegt auch an nach meinem Verständnis anders nicht ausgelasteten Menschen, die es sich mit geradezu missionarischem Eifer zur (Lebens?)aufgabe gemacht haben, anderen Menschen Plagiate nachzuweisen.

Dabei gerät angesichts der geballten Macht der Medien und der allzu gerne plakativen Berichterstattung, die oft nicht einmal das vielzitierte „Bild- Zeitungs – Niveau“ erreicht, aus dem Blick, dass eine Doktorarbeit auch eine Fleißarbeit ist. Es geht um wissenschaftliches Arbeiten und das bedingt (selbstverständlich), dass der Doktorand auch den Meinungsstand zu seinem Thema umfassend darstellt. Dass er dabei korrekt vorgehen muss und sich nicht mit fremden Federn schmücken darf (sondern fremde Meinungen auch als solche kennzeichnen muss), ist ebenfalls banal. Insgesamt aber bin ich der Überzeugung, dass heute nicht mehr, sondern im Wesentlichen genau so viel oder wenig gemogelt wird wie früher.

Wenn es aber stimmt, was Ende Juni 2012 in den Medien zu lesen war, dann wäre das schon ein „dicker Hund“. Medien berichteten, dass „VroniPlag“ einen Skandal aufgedeckt habe.  Diesmal traf es die Herausgeber des juristischen Lehrbuchs „Juristische Arbeitstechniken und Methoden“. VroniPlag will festgestellt haben, dass in diesem Lehrbuch teilweise ganze Passagen aus anderen Quellen stammten, ohne dass die Herausgeber dies kenntlich gemacht hätten. Für ein Lehrbuch, das Juristen die richtige Arbeitstechniken beibringen will, ist das kein Aushängeschild, sondern ein klares Armutszeugnis, und für die Herausgeber unfassbar peinlich.

Das würde nur noch durch die Bestätigung getoppt, dass nicht nur „unsauber“ zitiert wurde, sondern dass die meisten „geklauten“ Passagen des Buches 1:1 aus Wikipedia übernommen wurden.

Über den Autor

Prof. Dr. Wolfgang Sturm administrator

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Agrarrecht, Diplom-Finanzwirt, Inhaber einer Professur für Wirtschafts- und Steuerrecht

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