Die Bundesjustizministerin im Interview in der ZRP 2012 zur Sprache der Juristen; Anwälte kommen nicht vor, dafür aber ein „Redaktionsstab Rechtssprache“

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Die Bundesjustizministerin im Interview in der ZRP 2012 zur Sprache der Juristen; Anwälte kommen nicht vor, dafür aber ein „Redaktionsstab Rechtssprache“

In der ZRP 2012, 93 f. findet sich ein interessantes Interview mit unserer Bundesjustizministerin, Frau Leutheusser-Schnarrenberger. Der nicht so kundige Thebaner wie ich erfährt schon zu Beginn des Artikels, dass es einen „Redaktionsstab Rechtssprache“ gibt; Aha, das ist doch eine gute Sache. Wenn man dann aber das Interview zu Ende liest, fragt man sich – als Anwalt erst recht, was dort eigentlich passiert, welche Maßstäbe gelten, wer diese festgelegt hat, und wem das nützen soll. Dazu erfährt man in dem Interview leider nicht viel. 

Doch zurück zum Thema: nach dem Untertitel des Beitrags in der ZRP gilt für die Sprache der Juristen: „Genauigkeit geht vor Allgemeinverständlichkeit„. Das kann man auch als Anwalt nur bejahen. Genaue Verträge schützen vor Streit. Bei dem Untertitel hat man aber die Anwälte als Zielgruppe völlig aus den Augen verloren. In dem Interview geht es um den Gesetzgeber, die Gerichte und die Bürger. Anwälte kommen nicht vor.

Und dann beschleicht mich als Anwalt doch ein mulmiges Gefühl, wenn die Ministerin für die These „Genauigkeit vor Allgemeinverständlichkeit“ folgendes sagt:  „Denken Sie etwa an die juristisch wichtigen Unterschiede zwischen Einwilligung, Zustimmung und Genehmigung.“  Ja Donnerwetter, das ist ja ein ganz tolles Beispiel ! gibt es da keine besseren ? Ich habe jedenfalls im 1. Semester gelernt, dass Zustimmung der Obergriff für Einwilligung und Genehmigung ist, insoweit kann also von einem juristisch wichtigen Unterschied nicht die Rede sein. Und aus der Praxis des Anwalts: ich werde mich hüten, einen Mandanten über den Unterschied zwischen Einwilligung und Genehmigung zu belehren. Solche Belehrungen kommen bei Mandanten nicht gut an. Man kann die Unterschiede besser ein wenig augenzwinkernd erläutern („das sind für Juristen wichtige Dinge„). In Verträgen, die ja die Mandanten als Adressaten verstehen und leben sollen, muss man dennoch als Anwalt auf die Genauigkeit auch nicht verzichten. Man definiert den Begriff einfach: „dazu bedarf des der vorherigen Zustimmung („Einwilligung“). Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn…“

Verständlichkeit und Genauigkeit schließen sich also nicht aus. Verträge sind Handlungsanweidungen und Richtschnüre für Mandanten und ihre Partner, nicht nur für Juristen. Das im Interview angesprochene Thema hat seine Facetten noch auf zwei anderen Gebieten: die Genauigkeit fängt bereits bei der Formulierung an. Wer sich schon dabei keine Mühe gibt, wird Schiffbruch erleiden. Und klare Strukturen der Gedanken erkennt man an der klaren Struktur des Textes. Ein Wirrkopf wird nicht nur wirr denken, er wird auch so schreiben. Als Anwalt kann man das jeden Tag beobachten, wenn man Schriftsätze liest, bei denen man sich fragt, wie der Verfasser zwei Staatsexamen betehen konnte. 

Und dass Anwälte in der Welt unserer Ministerin in dem Interview nicht vorkommen, ist auch ein trauriger Befund, zugleich aber auch eine Offenbarung.

Über den Autor

Prof. Dr. Wolfgang Sturm administrator

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Agrarrecht, Diplom-Finanzwirt, Inhaber einer Professur für Wirtschafts- und Steuerrecht

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