Mutiges Finanzgericht Münster: Umsetzung der „Pommesbuden-Entscheidung“: Steuererstattung per einstweiliger Anordnung durchgesetzt

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Mutiges Finanzgericht Münster: Umsetzung der „Pommesbuden-Entscheidung“: Steuererstattung per einstweiliger Anordnung durchgesetzt

Selten, aber wahr: das Finanzgericht Münster („FG“) verpflichtet mit Beschluss vom 23. Februar 2012 (5 V 4511/11 U) Finanzamt zur Festsetzung einer Steuererstattung von rd. 110 TEUR für eine Pommes-Bude.  In der Pressemitteilung des FG heißt es:

„Im Streitfall hatte die Antragstellerin unter Hinweis auf die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur umsatzsteuerlichen Behandlung von frisch zubereiteten Speisen zum sofortigen Verzehr an Imbissständen die Änderung der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2006 bis 2008 beantragt. Das Finanzamt lehnte die Änderung für die Jahre 2007 und 2008 ab. Das Einspruchsverfahren hierzu ist noch nicht abgeschlossen. Über den Antrag für das Jahr 2006 entschied es noch nicht, stellte jedoch die Änderung in Aussicht, sobald die EuGH-Entscheidung im Bundessteuerblatt veröffentlicht sei.

Hierauf wandte sich die Antragstellerin mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das Finanzgericht. Sie begehrte die Erstattung von insgesamt ca. 110.000 Euro Umsatzsteuer und bekam Recht. Das Gericht bejahte das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, da die Umsätze der Antragstellerin aus dem Verkauf von Bratwürstchen und Pommes frites als eine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Lieferung im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG zu qualifizieren seien. Durch die Vorlage korrigierter Umsatzsteuererklärungen habe die Antragstellerin die Höhe der sich ergebenden Erstattungsbeträge glaubhaft gemacht. Auch ein Anordnungsgrund sei gegeben, denn die Antragstellerin habe glaubhaft gemacht, dass sie unmittelbar von Zahlungsunfähigkeit bedroht sei.

Zwar werde durch die einstweilige Anordnung der Erstattung die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen. Dies sei jedoch zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes unumgänglich. Durch die drohende Insolvenz der Antragstellerin ergebe sich andernfalls ein unumkehrbarer Schaden. Der Verweis des Finanzamtes auf die fehlende Veröffentlichung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes bzw. der Folgeentscheidungen des Bundesfinanzhofes im Bundessteuerblatt stehe dem nicht entgegen. Die Verpflichtung der Finanzverwaltung zur Anwendung geltender Gesetze könne nicht durch verwaltungsinterne Anweisungen beschränkt oder in zeitlicher Hinsicht ausgesetzt werden.“

Im Ergebnis zeigt die Entscheidung, wie wichtig gerichtlicher Rechtsschutz ist. Sie gibt aber auch einen interessanten Einblick in die Umsätze, die man mit Pommesbuden machen kann. Bis zum 31.12.2006 betrug der Regelsteuersatz 16 %, danach 19 %. Nach dem Beschluss des FG betrug die zu erstattende USt in den Jahren 2006 bis 2008: 26.282,25 EUR für 2006, 38.185,19 EUR für 2007 und 46.149,70 EUR für 2008 (gesamt 110.617,14 EUR). Nur im Jahr 2008 hat der Umsatz ohne USt daher rd. 385 TEUR betragen.

Über den Autor

Prof. Dr. Wolfgang Sturm administrator

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Agrarrecht, Diplom-Finanzwirt, Inhaber einer Professur für Wirtschafts- und Steuerrecht

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