Mit Gerichtsbescheid vom 16. Juni 2011 (Az: 3 K 136/11) hat das Niedersächsische Finanzgericht („FG“) entschieden, wie der 10-Jahreszeitraum nach § 14 Abs. 1 Satz. 1 ErbStG zu berechnen ist. Dabei geht es um die Frage, ob ein Vorerwerb noch in den 10-Jahreszeitraum fällt. Denn nur dann ist der Vorerwerb (steuererhöhend) zu erfassen, sonst nicht. Über folgenden Sachverhalt hatte das FG entschieden:
Am 31. Dezember 1998 schenkten Eltern ihrem Sohn ein Grundstück im Wert von ca. 200 TEUR. Eine Schenkungsteuer war wegen des Freibetrages nicht festgesetzt worden (400 TEUR nach § 16 ErbStG).
Am 29. Dezember 1999 schenkte der Vater seinem Sohn ein weiteres Grundstück im Wert von ca. 90 TEUR. Auch hierbei war eine Schenkungsteuer wegen des Freibetrages nicht festzusetzen.
Am 31. Dezember 2008 schließlich schenkte der Vater seinem Sohn ein drittes Grundstück unter Nießbrauchsvorbehalt. Der Wert der Schenkung betrug ca. 190.000,00 €.
Mit den drei Schenkungen hatte der Sohn also ca. 480 T€ erhalten, der Freibetrag von 400 T€ war also um 80 T€ überschritten. Dieses Ergebnis setzte aber voraus, dass die Schenkung vom 31.12.1998 innerhalb von zehn Jahren vor der Schenkung am 31.12.2008 erfolgt ist.
Das Finanzamt rechnete alle Schenkungen zusammen und setzte Schenkungsteuer fest. Der Kläger wandte sich mit der Klage dagegen. Er vertrat die Ansicht, dass eine Zusammenrechnung mit der ersten Schenkung unzulässig sei. Vom Zeitpunkt der letzten Schenkung aus betrachtet (31.12.2008) liege die erste Schenkung (31. Dezember 1998) nicht mehr „innerhalb von zehn Jahren“. Denn die 10- Jahresfrist ende bei Rückwärtsrechnung am 1. Januar 1999, 0.00 Uhr. Würde man noch den 31. Dezember 1998 mitzählen, würde die „natürliche Länge“ der 10-Jahresfrist überschritten.
Das beklagte Finanzamt war dagegen der Ansicht, dass die Frist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG entsprechend der Regelung in den §§ 187 Abs. 1, 188 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu berechnen sei. Daher falle bei einer Schenkung am 31. 12.2008 auch die Vorschenkung am 31. 12. 1998 in den 10-Jahreszeitraum. Denn der Tag des auslösenden Ereignisses, hier die Schenkung am 31. 12.2008, sei bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen.
Das FG folgte dem Kläger und damit der überwiegenden Ansicht in der Literatur. Die §§ 187 ff. BGB beziehen sich nach dem FG ausdrücklich nur auf die sogenannte „Vorwärtsberechnung“ von Fristen, nicht aber auf Rückwärtsberechnungen wie im vorliegenden Fall. Außerdem würde die Anwendung der §§ 187 ff. BGB die 10-Jahresfrist unnatürlich verlängern, nämlich um einen Tag. Zudem müsse bei nicht eindeutigen Regelungen die günstigere Lösung gewählt werden.
Nach Auffassung des FG war also die Schenkung vom 31.12.1998 nicht mehr zu berücksichtigen, da die 10-Jahresfrist am 1. Januar 1999, 0.00 Uhr endete. Das FG gab der Klage statt.
Das FG hat die Revision zum BFH zugelassen, da es eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts für erforderlich hielt. Denn die streitgegenständliche Rechtsfrage zur Bestimmung des maßgeblichen Zeitraums nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden.
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
Über den Autor