Was würden Sie denken, wenn Ihr Klempner Ihnen ein Buch geben würde, in dem Sie folgendes lesen:
„Mit diesem kleinen Wörterbuch wollen wir versuchen, häufig verwandte Begriffe zu erläutern, um Ihnen die Vorbereitung auf Ihren nächsten Besuch bei Ihrem Klempner zu erleichtern.“
Wir würden spontan kopfschüttelnd denken: verkehrte Welt. Wenn mein Klempner mir etwas verkaufen will, soll er so reden, dass ich kapiere, was er meint. Ohne jetzt Klempnern zu nahe treten zu wollen: sie werden nicht dazu ausgebildet, ihre Kunden rhetorisch zu überzeugen. Dennoch werden auch sie daran interessiert sein möglichst so zu sprechen, dass andere sie verstehen. Das aber ist bei Anwälten anders. Neben der Schrift ist die Sprache ihre „Waffe“. Ihr Erfolg hängt nicht ganz unwesentlich davon ab, auch mündlich strukturiert und überzeugend vorzutragen. Überzeugen kann als Anwalt aber nur, wer auch verständlich spricht. Es ist also eine Banalität, dass Mandanten zu Recht erwarten, dass der Anwalt so intelligent ist, seinen Rat so zu formulieren, dass der Adressat ihn versteht.
Damit Anwälte sich aber gar nicht erst auf die Mandanten einstellen müssen, gibt es von der BRAK und Langenscheidt dankenswerterweise das „Wörterbuch für den Anwaltsbesuch“. Das ist kein Witz, das Buch gibt es wirklich. Dort kann der Mandant lernen, was „Präklusion“ und „Anwartschaft“ bedeutet. Der Anwalt braucht, so die Vorstellung der Autoren, die Begriffe nicht mehr zu erläutern. Und im Vorwort des Buches findet man wörtlich das Beginn dieses Beitrags angeführte Zitat, nur das dort „Anwaltsbesuch“ statt „Besuch bei Ihrem Klempner“ steht.
Fazit für den Anwalt: nicht ich bin für den Mandanten da, der Mandant ist für mich da. Das habe ich doch schon immer gewusst, das bestätigt mir jetzt auch die Kammer. Ab sofort gilt also: bloß nicht verständlich sprechen. Wenn der Mandant das Buch nicht auswendig gebüffelt hat und daher nicht versteht, was ich sage, ist er doch selbst schuld.
Die Zeiten, da das verquaste Anwaltsdeutsch ehrwürdig bestaunt wurde, und Bandwurmsätze als Ausdruck von Intellektualität galten, sind vorbei. Kanzleistil möchte niemand hören oder lesen. Wer das noch nicht bemerkt hat, an dem sind wohl auch andere wichtige Dinge vorbeigegangen. Er ist wie der berühmte Geisterfahrer, der im Auto auf der falschen Fahrbahn die Durchsage im Radio nur mit der Bemerkung kommentiert: „wieso nur ein Geisterfahrer? Ich sehe Hunderte !“
[…] Wörterbuch für Ihren Anwaltsbesuch: Beispiel für die verquere Welt der (deutschen) Rechtsanwälte… […]
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