Wulff, der etwas andere Nachruf – Der Blick von außen ist wie so oft sehr hilfreich

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Wulff, der etwas andere Nachruf – Der Blick von außen ist wie so oft sehr hilfreich

Man kann über Christian Wulff denken, was man will, und man kann von ihm auch halten, was man will. Man kann aber nur hoffen, dass in Deutschland jetzt endlich einmal eine Diskussion über die Macht und die Rolle der Presse (und in dem Gefolge über Behörden) beginnt. Denn die Presse ist der eigentliche Verlierer ihrer eigenen Hetzkampagne. Das bestätigt ein Blick über den Tellerrand, zu dem aber wohl in ihrer Wut, ihrem Eifer und dem Neid  nicht viele fähig sind. Die Neue Zürcher Zeitung beschreibt die unrühmliche Presse in ihrem Kommentar vom 18.02.2012 „zur Strecke gebracht
http://www.nzz.ch/nachrichten/startseite/zur_strecke_gebracht_1.15125869.html
als hormongesteuerte „Meute„. Gut beobachtet schreibt die NZZ:

„Andere führen Krieg und rotten ganze Völker aus. Deutschland hingegen leistet sich den Luxus, sich über der Harmlosigkeit seines Staatsoberhauptes wochenlang selbst zu lähmen. Während draussen in der Welt Millionen um ihr Überleben kämpfen, ihr soziales Gefüge zerbrechen sehen und Seuchen, Wirbelstürme und Schlächtereien zu erdulden haben, ergehen sich die politische Klasse und die Medien in unserem Nachbarland in eitlen Balzritualen und Empörungsexerzitien in einem Fall, der an Trivialität und Biederkeit fast nicht mehr zu überbieten ist. Wer dieses Getöse und Gezeter nun monatelang zu ertragen hatte, kann nur sagen: Gott erbarm Dich unser und lass uns gründlich darüber nachdenken, was wir der Welt für ein Schmierenstück geliefert haben. Christian Wulff, der ungelenke und glücklose Bundespräsident, ist zur Strecke gebracht worden.“

Und weiter heißt es treffend:

„Hinter dem fast täglichen Theater um neue «Enthüllungen», die man kaum mehr goutieren konnte, steckte nichts anderes als der Furor einer selbstgerechten Meute, die Blut geleckt hatte. Man wollte das Opfer, auf welches man Anspruch erhob, um jeden Preis – ein fast hormoneller Mechanismus“

Zum Schluss weist die NZZ darauf hin, dass viele der selbst ernannten Saubermänner offenbar die Maßstäbde, die sie an andere ganz selbstverständlich anlegen, genauso selbstverständlich für sich nicht gelten lassen wollen:

„Kein Gegenstand ist zu trivial, kein Argument zu fadenscheinig, als dass die Gegner Wulffs sie nicht ausgewalzt hätten. So überrascht auch nicht, dass niemand sich heute der wirklich grossen Affären in der deutschen Nachkriegsgeschichte erinnern will, all der Amigo-Betrügereien in Bayern, der Parteispenden-Millionenskandale, der Fahrten und Flüge und tausend andern Gefälligkeiten, die – wenn man dieselben ethischen Standards anwenden würde – zur Entlassung der halben politischen Elite in Deutschland führen müssten. Und vielleicht könnten jetzt die Moralbuddhas der Medien nach geschlagener Schlacht auch einmal mit ähnlichem Drang darlegen, wie sie sich selbst vom Lockstoff all der Verlockungen und Verführungen betören lassen, denen sie als Journalisten nur allzu oft unterliegen – von Einladungen der tollsten Sorte, Reisen und Rabatten in einem Ausmass, das bei fast allen andern Erwerbszweigen die Schamröte hochtriebe. Wer derart exponiert im Glashaus der Tugend sitzt, sollte sehr vorsichtig mit Anschuldigungen umgehen. Eigenartig, wie viele Augen da plötzlich blind sind.“

Bevor jetzt ein neuer Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten gekürt wird, sollte man vorsorglich alle Politiker von der Presse auf zu früh gelieferte PKWS (Probefahrten auch !!), Rabatte, upgrades, Weinpräsente, nicht bezahlte Übernachtungen und ähnliche den Verdacht der Bestechlichkeit nährende Geschenke scannen lassen. Vielleicht bleibt dann sowieso nur noch einer übrig. Und den könnten wir dann ja zum Kasier wählen, der alle Funktionen aller anderen Politker übernehmen könnte. In diesem Sinne Helau und Alaaaaaaf !

 

 

Über den Autor

Prof. Dr. Wolfgang Sturm administrator

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Agrarrecht, Diplom-Finanzwirt, Inhaber einer Professur für Wirtschafts- und Steuerrecht

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