Gestaltung von Arbeitsverträgen unter Beachtung der Rechtsprechung von EuGH und BAG zu Urlaubsansprüchen Langzeiterkrankter

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Gestaltung von Arbeitsverträgen unter Beachtung der Rechtsprechung von EuGH und BAG zu Urlaubsansprüchen Langzeiterkrankter

In unseren BLOG-Beiträgen vom 23. August 2011 und vom 15. Dezember 2011 hatten wir über die Entscheidungen des EuGH und des BAG zur Problematik von Urlaubsansprüchen Langzeiterkrankter informiert. Was aber ist jetzt zu tun ?

Bei der Neufassung von Anstellungsverträgen ist folgendes zu beachten:

 

1. Die Rechtsprechung des EuGH und des BAG zu Urlaubsansprüchen Langzeiterkrankter gilt nur für den gesetzlichen (bei einer 5-Tage Woche wären dies 20 Urlaubstage) Urlaub, nicht aber für den darüber hinaus gewährten vertraglichen Mehrurlaub. Werden im Vertrag diese beiden Arten von Urlaub nicht getrennt, teilt der vertragliche Mehrurlaub das Schicksal des gesetzlichen Urlaubsanspruchs: er kann genauso wie der gesetzliche Urlaub angesammelt werden und muss bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausbezahlt werden (BAG – Urteil vom 4. Mai 2010, Az.: 9 AZR 183/09). Diese Rechtsfolge wird für den Mehrurlaub vermieden, indem im Vertrag ausdrücklich zwischen gesetzlichem und vertraglichem Mehrurlaub differenziert wird. Für den vertraglichen Mehrurlaub ist auf die Frist des § 7 BUrlG zu verweisen.

Beispiel:

Ein Arbeitsvertrag bestimmt, dass dem Arbeitnehmer 30 Tage Urlaub gewährt werden, ohne zwischen gesetzlichem und vertraglichem Urlaub zu differenzieren. Wird der Arbeitnehmer im Zeitraum vom 1.1.2010 bis 31.03.2012 arbeitsunfähig krank, und wird ihm zum 1.4.2012 gekündigt, muss der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch für 2010 und für 2011 (jeweils 30 Tage) in voller Höhe auszahlen, obwohl der vertraglich gewährte Mehrurlaub aufgrund von § 7 BUrlG bereits am 31.03.2011 erloschen wäre. Hätte der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag ausdrücklich bestimmt, dass dem Arbeitnehmer die weiteren 10 Tage p.a. als vertraglich gewährter Mehrurlaub zustehen und dieser vertraglich gewährte Mehrurlaub mit Ablauf des 31.03. des Folgejahres erlischt, wie es § 7 BUrlG vorsieht, hätte der Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 1.4.2012 für 2010 und 2011 nur den gesetzlichen Urlaub (jeweils 20 Tage p.a.) auszuzahlen, nicht aber den vertraglichen Mehrurlaub, da dieser am 31.03.2011 und 31.03.2012 erloschen wäre.

Weiter ist in dem Vertrag zu regeln, dass der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch zuerst als genommen gilt. Denn der darüber hinausgehende Anspruch verjährt in der og. dargestellten kurzen Zeit.

Beispiel:

Ein Arbeitsvertrag bestimmt, dass dem Arbeitnehmer, der Anspruch auf 20 Tage gesetzlichen und auf 10 Tage vertraglichen Urlaub hat, der vertragliche Mehrurlaub mit Ablauf des 31.03 des Folgejahres erlischt und dass gewährter Urlaub zuerst auf den gesetzlichen Mehrurlaub angerechnet wird. Ist der Arbeitnehmer im Zeitraum vom 31.03.2010 bis 31.03.2011 dauerhaft erkrankt, und hat er im Zeitraum 1.1.2010 bis 28.02.2010 bereits Tage 12 Urlaub genommen, muss der Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 1.4.2011 für 2010 nur noch den gesetzlichen Resturlaub von 8 Tagen auszahlen. Denn vom gesetzlichen Urlaub von 20 Tagen für 2010 sind die bereits gewährten 12 Tage Urlaub abzuziehen, und der vertragliche Mehrurlaub von 10 Tagen ist am 31.03.2011 bereits erloschen.

2. Der Arbeitgeber kann aber darüber hinaus zumindest teilweise das Ansammeln von gesetzlichem Urlaub verhindern. Dies geschieht durch eine Verfallklausel im Vertrag. Sie bestimmt, dass der  gesetzliche Urlaubsanspruch nach Ablauf von 15 Monaten nach Ende des jeweiligen Bezugszeitraums erlischt. Ohne eine solche Regelung würde der nicht genommene Urlaub bis zum Ende des Anstellungsvertrages angesammelt werden.

Beispiel:

Ein Arbeitnehmer ist im Zeitraum vom 1.1.2011 bis zum 31.3.2014 erkrankt. Bereits zum 31.12.2012 muss der Arbeitgeber für das abgelaufene Kalenderjahr 2011 Rückstellungen für den Urlaubsanspruch des Langzeiterkrankten bilden. Denn aufgrund der EuGH-Rechtsprechung erlischt dieser Anspruch nicht. Diese Rückstellung muss er aber längstens  über einen Zeitraum von 15 Monaten nach Ende des Jahres 2011, also bis zum 31.03.2013, bilden, wenn er die unter Ziffer 1. genannte Verfallsklausel in den Arbeitsvertrag aufgenommen hat. Er kann die Rückstellung für den Urlaub 2011 also bereits am 1.4.2013 auflösen, denn durch die Verfallklausel ist der Urlaubsanspruch des Langzeiterkrankten am 31.03.2013 für 2011 erloschen.

 

3. Ergänzend dazu ist es sinnvoll, eine Ausschlussfrist für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis in den Vertrag mit aufzunehmen. Diese Ausschlussfrist sollte zweistufig sein. In der ersten Stufe wird bestimmt, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht werden. In der zweiten Stufe wird dann bestimmt, dass Ansprüche binnen einer bestimmten Frist (mindestens 3 Monaten) einzuklagen sind.

Über den Autor

Prof. Dr. Wolfgang Sturm administrator

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Agrarrecht, Diplom-Finanzwirt, Inhaber einer Professur für Wirtschafts- und Steuerrecht

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