Der Anwalt als Vollstreckungsschuldner – merkwürdiges Sonderrecht für Anwälte durch das LG Bückeburg geschaffen

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Der Anwalt als Vollstreckungsschuldner – merkwürdiges Sonderrecht für Anwälte durch das LG Bückeburg geschaffen

Ein früher als Testamentsvollstrecker tätiger Rechtsanwalt wurde vor fast 2 Jahren rechtskräftig zur Zahlung von rd. 55 TEUR an unsere Mandantin verurteilt. Diese Summe hatte er, wie zwei Instanzen feststellten, dem von ihm verwalteten Nachlass rechtswidrig entnommen. Der Kollege hat die Summe bis heute nicht gezahlt. ER hat sich auch nicht um Ratenzahlung bemüht. Wir mussten daher vollstrecken. Im Rahmen der Vollstreckung trug der Kollege vor, er sei unpfändbar und verfüge über kein Vermögen, ohne das zu belegen. Erstaunlicherweise hat der Kollege noch immer die Zulassung als Anwalt. Gegen die Abgabe der e.V. setzte sich der Kollege gerichtlich zur Wehr. Das Amtsgericht gab dem Rechtsmittel nicht statt. Es hielt den Vortrag des Kollegen im Vollstreckungsverfahren für unbeachtlich. Das darauf mit der Sache befasste Landgericht Bückeburg entschied – nach fast sechs Monaten, mehreren Erinnerungen und nicht gehaltenen Zusagen zu entscheiden – per einstweiliger Verfügung. Es gibt dem Kollegen, und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, Gelegenheit, die von ihm geforderten Angaben für eine e.V. nach ZPO vor einem Notar abzugeben. Der Inhalt der Erklärung muss aber der e.V. nach der ZPO entsprechen. Begründung des Gerichts: gibt der Kollege die e.V. nach ZPO  ab, ist er die Zulassung als Anwalt zwingend los, die Abgabe der e.V. vor einem Notar habe das dagegen nicht unbedingt zur Folge, diese Variante sei daher das mildere Mittel. Außerdem wies das Gericht darauf hin, dass der Kollege sich einer Gegenforderung berühme, was auch zu beachten sei.

Wir waren nach Erhalt der Entscheidung nicht nur erstaunt, wir waren für einen kurzen Augenblick sprachlos. Da es ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung nicht gibt, haben wir, vergeblich, zwei Gegenvorstellungen bei dem Landgericht eingereicht. Wir wiesen darauf hin, dass die Frage des Bestehens von Gegenforderungen im Vollstreckungsverfahren nicht geprüft werde. Das ist bekanntlich Sache eines Erkenntnisverfahrens. Wir wiesen weiter darauf hin, dass die Abgabe der e.V. den Schuldner zur Offenlegung seiner Vermögensverhältnisse anhalten soll. Die einfache Behauptung, „man habe nichts“, ist ja strafrechtlich bewehrt, zu versichern. Weitere unangenehme Konsequenz ist der Eintrag in das Schuldnerverzeichnis. Und selbst wenn der Kollege die e.V. in der Form nach ZPO vor einem Notar abgäbe, dann hätte die Anwaltskammer auch keine andere Wahl, als dem Kollegen die Zulassung zu entziehen.

Das Landgericht blieb aber bei seiner Auffassung. Ob für die Haltung des Landgerichts unser wiederholtes Erinnern im Interesse der Mandantin an eine Entscheidung ursächlich war, wissen wir nicht. Wir warten jetzt ab, wie die notariell beurkundete Erklärung aussehen wird. Ein Trost: unsere Mandantin wurde jedenfalls nicht verpflichtet, die Notarkosten zu zahlen. Der Kollege hat in der Zwischenzeit seine angebliche Forderung per Widerklage geltend gemacht. Da er für dieses Verfahren keinen Kostenvorschuss einzahlen musste, machte es ihm auch nichts aus, die Forderung mit großer Fantasie, wenn auch wenig Substanz, in die Höhe zu treiben.

Wenn man nicht gute Nerven hätte, könnte man den Glauben an das Rechtssystem verlieren: unsere Mandantin hat durch das rechtswidrige Verhalten des Kollegen, dass den Tatbestand der Untreue erfüllen dürfte, einen erheblichen Vermögensverlust erlitten. Der Kollege ist mit klaren Worten rechtskräftig verurteilt worden, den Betrag von rd. 55 TEUR samt Zinsen an unsere Mandntin zu zahlen. Es ist Geld, das er rechtswidrig dem Nachlass entnommen hatte. Die Rechtsordnung schützt jetzt aber nicht etwa unsere Mandantin, sondern, unfassbar, den Kollegen, der das Geld dem Nachlass rechtswidrig entnommen hatte, und schont ihn obendrein. Dass man auf diese Art und Weise in wenig sinnvoller Weise Wasser auf die Mühlen von Kollegen gießt, die dem Ansehen der gesamten Anwaltschaft extrem schaden, liegt auf der Hand.  Wir hätten uns gewünscht, wenn das Vollstreckungsgericht ebenso wie das OLG im Erkenntnisverfahren, deutliche Worte für den Kollegen gefunden hätte. Schade…

Über den Autor

Prof. Dr. Wolfgang Sturm administrator

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Agrarrecht, Diplom-Finanzwirt, Inhaber einer Professur für Wirtschafts- und Steuerrecht

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