Steuerbescheide müssen nicht nur inhaltlich richtig sein, die Steuer also richtig festsetzen, sie müssen auch den für sie geltenden formellen Anforderungen entsprechen. Der Lehrbuchfall des mündlichen Steuerbescheids ist dabei eher die Ausnahme. Nicht selten aber leiden Steuerbescheide an anderen Fehlern, die dazu führen, dass die Bescheide rechtswidrig werden. Allerdings ist das Steuerrecht großzügig. Die Behörden können Fehler in den meisten Fällen heilen. Selbst wenn Steuerbescheide so schwerwiegend fehlerhaft sind, dass sie gar nicht wirksam werden, dann hilft dem Steuerpflichtigen das jedenfalls dann nicht, wenn die Behörde einen neuen wirksamen Bescheid erlassen kann.
Interessanter sind also die formellen Fehler, die dazu führen, dass Steueransprüche endgültig nicht durchgesetzt werden können. Sich als Steuerpflichtiger auf diese formellen Mängel zu berufen, ist auch nicht etwa ehrenrührig. Denn wenn Steuerpflichtige einen Einspruch nur einen Tag zu spät erheben, werden sie niemanden finden, der diesen formellen Mangel elegant an die Seite schiebt und den Einspruch dennoch als fristgerecht ansehen wird. Und Berater, die einen formellen Mangel nicht zum Anlass nehmen, einem Mandanten zu empfehlen, gegen den Steuerbescheid vorzugehen, machen sich schadensersatzpflichtig.
Ein scharfes Schwert in diesem Zusammenhang ist die Verjährung, wobei das Steuerrecht zwischen Festsetzungs – und Zahlungsverjährung unterscheidet. Die erste verhindert, dass ein Steuerbescheid erlassen werden darf, die zweite bewirkt, dass Zahlungsansprüche aus Steuerbescheiden nicht mehr durchgesetzt werden können. Beide Verjährungen wirken, anders als im Zivilrecht, kraft Gesetzes, der Einwand der Verjährung muss nicht erhoben werden.
Mit Urteil vom 28. Juni 2011 (VIII R 6/09) hat es der BFH in dem von ihm entschiedenen Streitfall für möglich gehalten, dass dem Erlass eines Steuerbescheids die Festsetzungsverjährung entgegensteht. Es ging um einen Änderungsbescheid nach einer Außenprüfung. Sedes materiae war die Norm des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO. Danach endet die Festsetzungsfrist spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat, oder, wenn sie unterblieben ist, seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen verstrichen sind. Eine Schlussbesprechung hatte nicht stattgefunden, also entbrannte der Streit darum, wann die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden hatten.
Zwar hat der BFH die Sache nicht selbst entschieden, sondern zur weiteren Aufklärung an das FG zurückverwiesen. Die Ausführungen des BFH sind aber sehr lehrreich und eine wahre Fundgrube für Argumente. Was unter „letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung“ im Sinne des § 171 Abs. 4 S. 3 zu verstehen ist, entschied der BFH zwar nicht abschließend. Seine Ausführungen dazu sind aber präzise und praktisch gut umsetzbar.
Nach dem Wortsinn der Vorschrift hält der BFH aber einen Zusammenhang der Ermittlungen mit der Außenprüfung erforderlich. Der BFH führte auch aus, was nach seiner Auffassung keine Ermittlungen im Sinne des Norm sind. Der BFH wörtlich:
„Deshalb reicht der bloße Blick in die beim Finanzamt vorhandenen Akten nicht aus; er steht dem Finanzamt jederzeit offen, ohne dass es einer Außenprüfung bedürfte. Ferner handelt es sich auch dann nicht um Ermittlungen im Sinne dieser Vorschrift, wenn bereits ermittelte Tatsachen lediglich einer erneuten rechtlichen Würdigung unterzogen werden. Letzte Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung setzen vielmehr Maßnahmen des Prüfers oder des Finanzamts voraus, die darauf gerichtet sind, bisher noch nicht bekannte Sachverhaltselemente festzustellen, etwa indem der Prüfer Unterlagen anfordert, den Steuerpflichtigen in irgendeiner anderen Weise zur Mitwirkung auffordert oder vom Steuerpflichtigen nachgereichte Unterlagen auswertet. Aufgrund der systematischen Parallele zur Durchführung einer Schlussbesprechung, die ebenfalls nach dieser Vorschrift die Festsetzungsfrist neu in Gang setzt, ist ferner erforderlich, dass der Zeitpunkt der letzten Ermittlungshandlungen im Interesse der verjährungsrechtlichen Rechtssicherheit eindeutig feststeht. Notfalls ist er vom Finanzamt nachzuweisen.“
Diese Ausführungen eröffnen viele Ansätze, nach Außenprüfungen ergangene Steuerbescheide im Hinblick auf etwa entgegenstehende Verjährung zu prüfen, zu Fall zu bringen und damit endgültig zu obsiegen. Das FG hatte die Tatsachen nicht ausreichend ermittelt, daher konnte der BFH nicht selbst entscheiden.
Es kommt daher nicht nur auf den Inhalt an, auch die Verpackung muss passen. Und es lohnt sich auch, bei Urteilen des FG genau hinzusehen, ob das FG die Tatsachen hinreichend ermittelt und festgestellt hat. Steuerbescheide müssen eben nicht nur rechnerisch richtig sein, sie müssen auch formell fehlerfrei. „Poaaaast scho“ kann man also erst nach Abschluss auch der Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit sagen.
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