Hätte Goethe einen facebook account gehabt ? Und was lernen die Anwälte ganz praktisch daraus ?

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Hätte Goethe einen facebook account gehabt ? Und was lernen die Anwälte ganz praktisch daraus ?

Die erste Frage des Titels stellte die FAZ am 3. März 2011 im Feuilleton – Teil und gab mit „Ja“ die vermutlich richtige Antwort darauf.

Der Autor kam in seinem lesenwerten Beitrag in der FAZ auf die neuen Medien im Lichte der Zeit und zog eine Parallele zwischen facebook als neuem Medium heute und der Zeitung als zu Goethes Zeiten neuem Medium. Und hier wiederholt sich die Geschichte. Sowohl die Zeitung damals als auch facebook heute haben ein hohes Ablenkungspotential. Bei Goethe führte das dazu, dass er sich das Zeitunglesen verbat, um die Arbeiten am Faust zu Ende bringen zu können. Und was lernen wir als Anwälte ganz praktisch daraus ?

Wie kann man heute noch konzentriert arbeiten, wenn nicht nur die Kommunikation per E-Mail verfolgt wird, sondern daneben die große Schar der „Freunde“ auf facebook  auf dem Laufenden gehalten werden und zudem die Themen auf ICQ und skype beachtet werden wollen ? Spätestens dann muss man feststellen, dass multi-tasking nicht funktioniert. Und was soll ein Anwalt mit Mitarbeitern, die ihre Arbeitszeit in sozialen Netzwerken verbringen ? Antwort: schnell enttlassen, wenn der Vertrag, was nur zu empfehlen ist, die Nutzung der Zeit und der Arbeitsmittel zu diesem Zweck untersagt.    

Die Arbeitswelt wird immer schneller. Vor Einführung des Telefaxes erhielt man von dem Mandanten einen Anruf, in dem der Eingang eines zu prüfenden Vertrages avisiert wurde. Man hatte Zeit, sich darauf vorzubereiten. Das Ergebnis erwartete der Mandant unter Berücksichtigung der Postlaufzeit.  Mit Einführung des Telefaxes wurde die Zeit wesentlich knapper: Nach dem Anruf kam das Telefax und der Mandant rief sofort nach Erhalt an, um das Ergebnis zu erfragen. Mit der E-Mail verkürzte sich zwar die Zeit durch das Medium E- Mail statt Fax nur unwesentlich, aber die Menge an „Informationen“ kann seitdem fast beliebig gesteigert werden. Während niemand auf die Idee kam, mehrere hundert Seiten per Telefax zu senden, werden heute oft ohne Sinn und Verstand per E-Mail Anlagen versandt. Das führt zu weiterem Zeitdruck, weil auch große Mengen gesichtet werden müssen, die sich danach als unergeibig erweisen.

Häufig muss man feststellen, dass unter dieser Arbeitsweis die Präzision erheblich leidet. Es ist so, als ob die fehlende Präzision in der Sache durch die Masse an Anlagen zur E-Mail ausgeglichen werden soll. Genau das Gegenteil aber tritt ein: die fehlende Präzision führt zu mehr Arbeit durch mehr und intensivere Nachfragen, und die Sichtung der von Anlagen und die notwendige Ablage, selbst wenn sie nur digital erfolgt, kostet mehr Zeit. 

E-Mails sind auf jeden Fall ein sinnvolles tool für schnelle Kommunikation. Sie sind aber, unreflektiert eingesetzt, auf dem besten Wege, zu einem Synonym für sinnloses Versenden von Daten zu verkommen, wenn man das Medium nicht pflegt. Ich muss dabei immer an die Aussage eines hochrangigen Einkäufers eines Automobilherstellers denken. In Seminaren seines Arbeitgebers wird den Mitarbeitern beigebracht, erst die Arbeit zu machen und dann den E-Mail Eingang zu prüfen. Grund: wer erst einmal anfängt, die E-Mails zu bearbeiten, schaffe seine Arbeit nicht. Diese Arbeitsanwesiung ist für die Arbeit des Beraters nicht sinnvoll, sie zeigt aber, dass in den großen Firmen offensichtlich viel Unsinn per E-Mail versandt wird.

Einen noch groteskeren Befund offenbart aber die weitere Aussage des eben genannten Einkäufers, wie er mit den tausenden E-Mails verfährt, die er nach seinem Urlaub im Posteingang vorfindet. Er löscht den gesamten Posteingang mit der Begründung: „wichtiges kommt wieder“. Die Entwicklung gäbe ihm recht: von ca. 90 % der E-Mails im Posteingang, die er gelöscht habe, höre er nie wieder etwas. Nur ca. 10 % der E-Mails seien es dem Absender wert, nachverfolgt zu werden und eine Antwort zu erhalten Dass auch dieses Verhalten für den Berater nicht angezeigt ist, brauche ich nicht zu erwähnen. Es zeigt aber wiederum, wieviel „Müll“ per E-Mail versandt wird.    

Was heißt das für den Anwalt ? zunächst einmal ganz einfach: zurück zum Wesentlichen; ein geordneter Gedankengang erspart unsinnige Recherchen. Ich muss erst das Problem lokalisieren, dann kann ich zu den dann erkannten verbliebenen Streitfragen recherchieren. Nur so bildet sich im Laufe der Zeit ein Judiz, dass bei der Einordnung von Problemen hilft und dabei hilft, den Hasen im Pfeffer zu finden. Alles andere ist die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen.

Das bedeutet weiter, die Organisation im Büro und die eigene Arbeit so zu gestalten, dass es nicht mehr Ablenkungen als notwendig gibt. Das ist angesichts der notwendigen Präsenz für die Mandanten und die zu führenden Telefonate usw. schon schwer genug. Eine konzenrtrierte Arbeit setzt gute Organisation voraus. Dazu gehört es, die Dinge tage- wochen- und monatsweise zu planen, die zu bearbeiten sind. Den Fristen nimmt man ganz einfach den Druck, indem man das Büro darauf einrichtet, die Fristen zwei Wochen vor Ablauf zu erledigen. 

Facebook, twitter und co. haben im Büro während der Arbeitszeit keinen Platz. Sie sind nicht nur Zeitfresser, sondern lenken von den wichtigen Aufgaben ab und tragen dazu bei, dass konzentriertes Arbeiten nicht möglich ist.   

Würde Goethe heute leben, hätte er einen facebook-account. Er würde ihn aber während der Arbeit verbannen.

Über den Autor

Prof. Dr. Wolfgang Sturm administrator

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Agrarrecht, Diplom-Finanzwirt, Inhaber einer Professur für Wirtschafts- und Steuerrecht

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