Die lieben Fristen…ein Armutszeugnis für die Anwaltschaft…

VonProf. Dr. Wolfgang Sturm

Die lieben Fristen…ein Armutszeugnis für die Anwaltschaft…

45 % aller Haftpflichtfälle bei Rechtsanwälten sind nicht auf Fehler in der fachlichen Arbeit, sondern auf einfaches Versäumen von Fristen zurückzuführen (Quelle: GI Service 2011, S. 3, HDI Gerling). Das spricht für erhebliche Defizite in der Organisation und ist damit auch zugleich ein Armutszeugnis für den Berufsstand.

Mangelnde Zeit kann es nicht sein; denn interessanterweise haben die Kollegen immer viel Zeit, wenn es darum geht, „Reparaturversuche“ zu starten. Wiviel einfacher wäre es gewesen, die Frist einzuhalten. Dabei kann die Verantwortung nicht auf die Mitarbeiter im back-office geschoben werden. Fristsachen sind „Chefsache“.

Die von HDI Gerling genannt erschreckend hohe Zahl lässt nur ahnen, wie es mit der Organisation von vielen Anwälten bestellt ist. Wenn schon so wichtige Felder wie die Fristenkontrolle nicht fehlerfrei organsiert sind, wie sieht es dann mit den anderen Feldern aus: wie ist gewährleistet, dass „Fälle“ nicht versanden, weil der Anwalt einfach das bearbeitet, was die Gerichte ihm in den Kalender diktieren ? Und wie stellen Anwälte sicher, dass alle in einen Vertrag aufzunehmenden Punkte dort tatsächlich stehen ?

und was heißt das für die Qualität der fachlichen Arbeit ? 

Und nach Vertragsschluss lässt man den Mandanten allein ? das ist keine Arbeit lege artis. Hier muss man dem Mandanten zumindest anbieten, das Vertragsmanagement, wenn auch gegen Honorar, zu übernehmen.

Die -weltfremde- Arbeitsweise vieler Anwälte, die zum schlechten Ruf der Anwälte beigetragen hat, erinnert mich an die verblüffende Antwort eines Mitstreiters im Referendariat auf die Frage eines Richters: „was geschieht, wenn das Urteil verkündet worden ist“ ? erwartet war, dass man dann vollstrecken müsse. Der Mitstreiter antwortete dagegen ungerührt: „dann tritt der Rechtsfrieden ein“. 

Man kann nur hoffen, dass die Anwaltschaft ebenso wie der Mitstreiter damals erwacht, ihre Tätigkeit als Dienstleistung versteht und ihre Arbeit auch so macht; dazu gehört es auch, Fristen nicht zu versäumen.

Über den Autor

Prof. Dr. Wolfgang Sturm administrator

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Agrarrecht, Diplom-Finanzwirt, Inhaber einer Professur für Wirtschafts- und Steuerrecht

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